N 129.
Amts- und AnzeigeblaLt für den Bezirk (Lalw.
67. Iahrgaul
Erscheint Di en S ta g , Donnerstag und SamStag. Die EinrückungSgebübr beträgt im Bezir? und nächster Um- ^ zeoung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Dienstag, den 1. November t892.
AbonnrmentSpreiS vierteljährlich in der Stad» »0 Pfg. un 2 « Pfg. Träge::ioßn, durch die Post bezogen Mk. t- lb, sonst ganz LLürttemberg Mk. r. Sb.
Amtliche Bekanntmachungen.
Delrantttmachnng.
Der auf 4. November fallende Vieh- und ! Schweinemarkt in Wildberg wird wegen der großen Verbreitung der Maul- und Klauenseuche nicht abgehalten.
Calw, den 29. Oktober 1892.
K. Oberamt.
Lang.
jDie Ortskehsrden für die Ardeiler- verfrcherimg
I werden unter Hinweis auf den Min.-Erlaß vom ! 17. Okt. 1892 (Min. Amtsbl. S. 462, aufgefordert, auf 1. November die im Wege des Umtausches an sie abgegebenen alten Quittungskarten an das Oberamt als Einschreibesendung einzuschicken oder Fehlanzeige zu erstatten.
Die abgegebenen Quittungskarten verstorbener ! und ausgewanderter Personen sind in einem besonderen j Umschlag beizulegen.
Calw, den 29. Oktober 1892.
K. Oberamt.
Lang.
Bekanntmachung.
In Neubulach ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.
Calw, den 29. Oktober 1892.
K. Oberamt. Lang.
Tages-Ueuigkreiten.
— Vom Königlichen Schloß in Friedrichs- hafen meldete gestern Abend der Telegraph die schmerzliche Nachricht von dem Hingang Ihrer Majestät der Königin-Witwe Olga und heute morgen meldeten Extrablätter die Kunde nach allen Richtungen des Landes.
Der am Sonntag abend um '/-IO Uhr ausgegebene Bericht lautet:
Schloß Friedrichshafen, 8 Uhr 50 Min. Nachdem in den letzten Tagen bei Ihrer Majestät der Königin-Witwe infolge des Nierenleidens Zeichen schwerer Bluterkrankung mit raschem Kräftezerfall und allmählichem Schwinden des Bewußtseins eingetreten waren, zeigte sich das Bewußtsein heute vormittag nach dreistündigem Schlaf bedeutend getrübt, doch nicht vollständig aufgehoben. Um 5 Uhr abends trat ziemlich unvermutet rasselndes Atmen mit völliger Bewußtlosigkeit ein, der Puls, der bis dahin ziemlich kräftig gewesen, wurde von */-7 Uhr an sehr rasch schwächer und bald nicht mehr fühlbar.
Der Verlust, den unser engeres Vaterland durch diesen Todesfall erleidet, ist ein überaus großer und schmerzlicher; Königin Olga war am II."September 1822 als das dritte Kind des Großfürsten und späteren Kaisers Nikolaus von Rußland geboren worden; ihre Großmutter Maria Feodorowna war eine württembergische Prinzessin, die Tochter des Herzogs Friedrich Eugen gewesen. Am 15. Juli 1846 vermählte sie sich mit dem damaligen Kronprinzen Karl, es war dies eine wirkliche Neigungs- und Herzensheirat; in diesen 46 Jahren hat sie unendlich
segensreich gewirkt; ihr Andenken, das sich unmittel-1 bar an zahlreiche Schöpfungen im ganzen Lande knüpft, wird im württembergischen Volke immerdar unvergessen bleiben.
— Ueber die letzten Augenblicke derl Königin erfährt d. N. Tgbltt., daß I. Maj. meist bei vollem Bewußtsein war und mit stiller Ergebung und wahrer Seelengröße ihrem Ende entgegensah.
— S. M. König Wilhelm war auf derj Fahrt nach Wittenberg begriffen und erhielt die Todesnachricht in Aalen; sofort wurde die Rückreise hieher bezw. nach Friedrichshafen angetreten.
— Die Ueberführung des Leichnams hieher soll am Mittwoch abend erfolgen.
^ ^ ^^Calw, 31. Okt. Der ReichstagsabgeordneteI 'mrseres Bezirks, Herr Baron v. Gültlingen, re-I ferierte gestern nachmittag vor zahlreich erschienenen! Wählern aus Stadt und Land über seine Thätigkeit! in der letzten Session des Reichstags: Die Session! war eine ungemein lange, umfaßte 3 Sitzungsperioden > mit der Beratung von 2 Etats und dauerte vom 6. Mai 1890 bis 31. März 1892. Als Arbeitspensum! lagen vor 47 Gesetzesentwürfe, wovon 41 die Zustimmung des Reichstags erhielten, 23 Vorträge, welchen sämtlich zugestimmt wurde, und 64 andere Vor-1 lagen; aus der Mitte des Hauses wurden 22 Entwürfe 28 Anträge und 7 Interpellationen eingebracht; die Zahl der Petitionen betrug 58908. Den Mitteilungen aus dem Etats entnehmen wir, daß für Anlehen bereits 60 Mill. Zinsen notwendig sind; der ganze Etat schließt ab mit 1 Milliarde und 207 Millst
6 rr j ^ ^ O » Nachdruck verbaten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
In Mailand sah mich der General. Wie viele alternde Männer, ist er maßlos eitel; er hält sich für unwiderstehlich und unter dieser Voraussetzung näherte er sich mir. Auch er entblödete sich nicht, der Scyauspielerin entehrende Anträge zu machen; als ich ihn mit kaltem Hohn abwies, legte er mir Herz und Hand zu Füßen.
Ich nahm seinen Antrag an; ich wollte eine Scheinehe mit ihm eingehen, um für Dich wie für mich den Namen, den man uns vorenthielt, zu erschleichen. Ich hatte die Bedingung gestellt, Rene Douglas müsse meine Tochter erster Ehe adoptieren und ihr außer seinem Namen bei Heller und Pfennig sein Vermögen sichern. Am Tage nachdem der General meine Bedingungen angenommen hatte, schrieb mir Herr Palma, meine Angelegenheit habe unverhofft eine günstige Wendung genommen; fast zu gleicher Zeit waren Gilbert Andre und Peter Patterson wieder aufgetaucht, und während sich der Elftere erboten hatte, die Vollziehung der Trauung eidlich zu erhärten, war Patterson in Folge seines Zusammentreffens mit Dir, meine Regina, darauf eingegangen, seine Aussagen in Betreff meiner vor Amt als Lüge und Verleumdung zu beschwören und zu erklären, daß er von jehxr im Solde des Generals gestanden habe und dessen Werkzeug gewesen sei!
Bis zu diesem Augenblick ahnt noch Niemand, daß Olivia Orme und Minnie Merle identisch sind, aber binnen wenigen Tagen soll Alles offenbar werden und ich werde die Schale des Zornes über die Häupter der Schuldigen auSgießen!
Herr Palma wartet nur auf meine Zustimmung, um gegen Robert Douglas eine Anklage aus böswilliges Verlassen und Bigamie einzubringen, während der General für Verleumdung, Bestechung und absichtliche üble Nachrede belangt werden
wuv. Mein unbefleckter Ruf und di e Echtheit Deiner Geburt, mein einziges Kleinod sind glänzend dargelhan; binnen wenigen Tagen heißest Du vor aller Welt Regina- Douglas und das Familiengut in Amerika begrüßt Dich als seine Herrin. Um Dich ! Deinem Vater und Deinem Großvater gegenüber zu stellen, habe ich Dich hierher berufen; sobald einige nötige Formalitäten beendet sind, fällt der Donnerschlag, der! die stolzen Aristokraten vernichtet, und diese Stunde soll mich für mein verlorenes Leben vollauf entschädigen!"
XXXI. Kapitel.
Nach einer schlaflosen Nacht saß Robert Douglas bleich und verstimmt am! Frühstückstisch, als sich die Thür öffnete und sein Vater eintrat.
„Guten Morgen, Robert," sagte er kühl; „ich freue mich, Dich schon wach! zu finden."
„Die Sorge hat mich nicht schlafen lassen, Vater; hast Du jetzt Deinen Entschluß geändert und willst Du mir helfen?"
„Nein, Robert, ich kann es nicht, wenn ich auch wollte. Einem Spieler, wie! Du es bist, rollen ungezählte Gelder achtlos durch die Finger und seit ich gestern! gar erfahren habe, daß Du auch das Stammgut mit Hypotheken überlastet hast,! habe ich kein Mitleid mehr mit Dir."
„Und warum bin ich zum Spieler geworden?" fuhr Robert heftig auf; Du! hast mich an eine ungeliebte Gattin gekettet, und um dem Unbehagen meiner Haus-1 lichkeit zu entfliehen, stürzte ich mich in den Strudel der Zerstreuungen."
„Und dennoch kann ich Dir nicht helfen," sagte der General. „Ich werde! mich wieder verheiraten und habe mein Barvermögen kontraktlich meiner zukünftigen I Gattin, der gefeierten Schauspielerin Olivia Orme, verschrieben."
Robert Douglas starrte seinen Vater an, als habe er chaldäisch gesprochen und der General fuhr hastiger fort:
„Meine Braut wird heute Abend zum letzten Mal auftreten und zwar in! einem Drama, welches sie selbst geschrieben hat; es ist ihr specieller Wunsch, daß!