V
MN
7OÄi?ss.w7
M 107.
Amts und AnzeigeblatL für den Bezirk (Lalw.
67. Iahrgau,
Erscheint Dt-n» lag, D»nn«r»tag und S»m«t»^. Di- Einrückungig-bühr b-trägt im v-ztrl und nächster Um« gebr,g d Ps«. di- z-il«, s-«ft IS Psg.
Amtliche Wekanntmachungen.
Samstag, den 10. September 1892.
Lbonnementrpreir vierteljährlich in der Stadt *0 Pfg. und so Bfa. Trägerlohn, durch die Pok be-ogen Mk« t. Id, sonst in ganz Württemberg Ml. 1. LL.
Bekanntmachung.
Zufolge allerhöchster Anordnung Seiner Majestät des Königs wird das bevorstehende Allerhöchste Geburtsfest Ihrer Majestät der Königin Witwe am Sonntag den 11. September d. Js. mit gottesdienstlicher Feier begangen werden.
Calw, 7. September 1892.
K. gemeinschaftl. Oberamt Oberamtsverweser Dekan
vr. Schönmann. I. V. Eytel, Stadtpfarrer.
Tayes-Ueuigkeiten.
Neuenbürg. Am Freitag den 2. d. Mts. nachmittags hörte die in ihrer Küche beschäftigte Ehefrau des Bäckers und Wirts Silbereisen ein Geräusch an der im Nebenzimmer befindlichen Geldkasse. Sie begab sich rasch in dieses Zimmer und fand dort in der Schänke einen Burschen, welcher sich an der Kasse zu schaffen machte. Sie hielt ihn fest und rief um Hilfe, worauf ihre Mutter, ihre Dienstmagd und die Hebamme Schuhmacher herbeikamen. Als sich der Bursche dermaßen umgeben sah, fiel er auf die Kniee und bat um Schonung. Die Frauenzimmer ließen sich bewegen und ließen ihn laufen. Als er weg war, entdeckte man einen Schlüssel, mit welchem er die Kasse geöffnet hatte. Da die Frau Silbereisen die Gefährlichkeit des Diebes jetzt doch erkannte, machte sie Anzeige; die Verfolgung war aber ergebnislos. Der Bursche wird als ziemlich groß, ungefähr 45 Jahre alt, mit rotein aufgedunsenem Gesicht, rötlichem Schnurrbart, dunkel gekleidet, beschrieben.
Stuttgart, 8. Sept. Seine Excellenz der
Herr Staatsminister des Innern v. Schmid ist gestern hierher zurückgekehrt. Unmittelbar nach der Ankunft des Herrn Ministers fand unter seiner Leitung im Ministerium des Innern eine längere Sitzung der Cholerakommission und des Medizinalkollegiums statt.
Stuttgart, 8. Sept. Kaisermanövel'. Wie wir erfahren, wird die Fonnierung der Reservedivision nicht stattfinden und es sind deshalb die Offiziere, welche zu derselben kommandiert waren und gestern ihre Kantonnements verlassen haben, heute beordert worden, wieder zu ihren Truppenteilen zurückzukehren, um an den nunmehr beginnenden Divisionsmanövern teilzunehmen. Aus dieser und anderen bereits getroffenen Verfügungen ist mit Sicherheit darauf zu schließen, daß die Kaisermanöver in Wegfall kommen, wenn auch eine Ordre in Betreff derselben noch nicht ergangen ist. Die Manöver werden unter solchen Umständen schon am 16. beendet sein, und von diesem Tage ab wird die Rückkehr der Truppen in die Garnisonen erfolgen. N. Tgbl.
Cannstatt, 7. Sept. Der „Küchenchef" vom Herzog Christoph in Stuttgart kaufte gestern das Hotel Sannwald um den Preis von 143,000 ^ und übernimmt am 15. dieses Monats schon den Betrieb des Hotels.
Reutlingen, 7. Sept. Trotz der regnerischen Witterung war der gestrige Viehmarkt gut befahren; der Handel ging bei allerdings sinkenden Preisen ziemlich lebhaft. Die Zufuhr betrug etwa: 300 Stück Ochsen, 200 St. Kühe, 300 St. Rinder, 200 St. Stiere. Die Preise stellten sich für fette Ochsen 800—1020 das Paar, für Kühe 150—320 ^ das Stück, für Rinder 50—180 das Stück, für
Stiere 300—500 ^ das Paar. Der Schweinemarkt war mit etwa 350 Stück Milchschweinen und 250 Läuferschweinen befahren. Erstere wurden zum Preise von 10—22 das Stück und Läuferschweine von 30—54 das Stück und Kwgr lebhaft gehandelt.
Rottenburg, 5. Sept. Unsere Fleischpreise haben dieser Tage einen weiteren Abschlag erfahren, Rindfleisch und Kalbfleisch kostet 50 -rZ per Pfd.
Vom Bottwarthal, 6. Sept. DieHopfen- pflücke ist bei uns beendigt und die Waare aus den Trockenböden untergebracht. Die Produzenten sind durchschnittlich mit dem Ertrag nach Fülle und Güte zufrieden. Die Dolden sind recht vollkommen geraten und recht lupulinreich. Von Käufen hörte man noch nichts.
Heilbronn, 8. Sept. Letzten Montag erkrankte in Kirchheim a. N. ein hierher zuständiges Mädchen unter choleraverdächtigen Erscheinungen. Sie wurde auf ihren Wunsch in das hiesige Choleraspital verbracht, wo sie gestern gestorben ist. Die Obduktion der Leiche findet heute statt. Die Eisenbahnbehörde, welche den von dem Mädchen hierher benutzten Eisenbahnwagen alsbald desinfizieren ließ, wurde von ärztlicher Seite ersucht, den Wagen vorsorglich nochmals gründlich desinfizieren zu lassen, da sich die Kranke unterwegs heftig erbrochen hat. (Dem „Schw. M." zufolge ergab sich bei der Sektion eine Durchbohrung der Magenwand infolge eines alten Geschwürs.)
Künzelsau, 6. Sept. Obgleich die Schafzucht im Bezirk und in der ganzen Umgebung von Jahr zu Jahr abnimmt, war der heutige Schafmarkt doch ziemlich stärker als sonst befahren. Zu Markte gebracht wurden ca. 1400 Stück. Davon wurden
6 111 ü 1 6 1 O H, Nachdruck verboten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
Hettie entfernte sich und Regina warf sich auf's Bett und versuchte das ChaoS ihrer Gedanken zu ordnen. Sie vermochte sich nicht vorzustellen, daß der schreckliche Mann ihr Vater sein solle, und doch hatte er so zuversichtlich gesprochen! Ob sie Herrn Palma fragte? Sie hegte unbedingtes Vertrauen zu ihm, und wenn er ihr sagte, der Mann hatte gelogen, durfte sie ruhig sein, aber ob er es sagen würde, sagen konnte? Und dann — sie hatte ja Schweigen gelobt — sie durfte höchstens an ihre Mutter schreiben und sie bitten, das traurige Rätsel zu lösen — in sonstiger Hinsicht waren ihr die Hände gebunden .... Jetzt ward an ihre Thür gepocht — sie gab keine Antwort und hoffte man werde sie schlafend glauben, allein sie hatte sich getäuscht. Die Thür ward leise geöffnet und Frau Palma'S Stimme fragte erstaunt:
„Regina — warum sind Sie im Dunkeln?"
„Äch, ich war so müde," antwortete Regina.
Frau Palma näherte sich dem Bett und fragte:
„Regina — fühlen Sie sich wirklich so krank, daß Sie vom Tisch wegbleiben mußten, obgleich Sie wußten, daß wir Gäste hatten?"
„Ich fühlte mich zu elend, um hinabzugehen," sagte Regina.
„Dann muß Ihr Unwohlsein sehr plötzlich gekommen sein," meinte Frau Palma kopfschüttelnd.
Regina blieb die Antwort schuldig — was hätte sie auch sagen sollen?
„Nun, hoffentlich können Sie nachher aufstehen," meinte Frau Palma freundlich ; „Elliot trug mir auf, Ihnen zu sagm, er müsse Sir heute Abend noch sprechen
— er ist auf sein Bureau gegangen, wird aber gegen neun Uhr zurückkommen und erwartet Sie um diese Stunde in der Bibliothek."
„O, Frau Palma — bitten Sie meinen Vormund, mich für heute zu entschuldigen," sagte Regina flehend.
.Unmöglich, Regina. Erstens bitte ich meinen Stiefsohn niemals, von einem Vorhaben abzustehen, weil ich weiß, daß er es doch nicht thut, und zweitens sehe ich ihn heute Abend erst bei Frau Tarrant. Ich werde Hettie beauftragen, Sie zu benachrichtigen, sobald Herr Palma kommt, eben ist es acht Uhr und so bleibt Ihnen noch eine Stunde zur Erholung. Können Sie sich nicht entschließen, etwas zu genießen, Regina?"
„Danke, Frau Palma — Ruhe ist das beste Mittel für mich. Ich wollte, Herr Palma vergäße sein Vorhaben, mit mir sprechen zu wollen und begleitete Sie gleich nachher nach dem Ball, Frau Palma."
„DaS thut er nicht," lachte Frau Palma, „Frau Tarrant war schon sehr geschmeichelt, daß er die Einladung nicht rundweg abgelehnt hat, wie gewöhnlich und sie darf zufrieden sein, wenn er gegen elf Uhr erscheint. Gute Nacht, Regina."
Frau Palma entfernte sich und Regina, welche sich plötzlich ihrer fehlenden Börse erinnerte, erhob sich und läutete nach Hettie, der sie auftrug, den Kutscher zu fragen, ob das Portemonnaie vielleicht im Wagen liegen geblieben sei. Hettie verschwand und Regina öffnete die kleine Kassette, in welcher sie ihr Taschengeld aufbewahrte und überzählte ihre Baarschaft. In diesem Augenblick erschien Hettie, um zu melden, Farley habe nichts gefunden, und gleich darauf schwebte Olga im vollen Ballstaat, gleich einer entzückenden Vision, ins Zimmer. Regina stieß einen leisen Ruf der Bewunderung aus und Olga sagte belustigt:
„Ich bin mit dem Effekt meiner Toilette zufrieden, wenn ich sogar ihrer Unbefangenheit einen Ausruf des Entzücken« abnötige. Betrachten Sie mich immerhin, Regina — Bewunderung thut mir gut — sie ist mein LebenSelement."
Regina mußt« lachen und näh« tretend erfüllte sie Olga's Begehren auf's