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selben unterzeichnen. Außerdem sollten die betreffenden Ortsvorstände die Nachweisung in der Art anfertigen, daß auf einer Seite nicht mehr als 10 Parzellen zu stehen kommen, damit zu den von der Abschätzungskommission zu fertigenden Einträgen bei jeder einzelnen Parzelle der erforderliche Raum offen bleibt.
Wenn die Nachweisungen mehr als 20 Namen enthalten, so ist des leichteren Auffindens wegen ein Register auf besonderem Blatt von festem, steifen Papier anzufertigen.
4) Es dient zur wesentlichen Forderung des Abschätzungsgeschäfts, wenn die Interessenten ihren Schaden selbst berechnen und diese Berechnung auch in Rubrik 6 u der Nachweisung ausgenommen wird.
5) Der Ortsvorsteher hat seinerzeit die Anzahl der beschädigten Parzellen in seiner Gemeinde, sowie den muthmaßlichen Zeitaufwand für das Abschätzungs- geschäst baldmöglichst hieher anzuzeigen, damit der Intendantur behufs Entwersung eines Reiseplans für die militärischen Mitglieder der Abschätzungskommission Mitteilung gemacht werden kann.
Mit dem Abschätzungsgeschäft wird voraussichtlich gleich nach Beendigung der Uebungen bezw. sobald als dies die nothwendigen Vorarbeiten zulassen, begonnen werden.
Calw, 30. August 1892.
K. Oberamt.
vr. Schönmann, A.-V.
Sedcrn.
Noch immer erfüllt der Klang dieses Wortes die Brust eines jeden Deutschen, der überhaupt darauf Anspruch macht, diesen Namen mit Recht zu führen, mit stolzen und erhebenden Gefühlen. Weckt er doch die Erinnerung an den Tag, wo der einst so übermütige Kaiser der Franzosen, der sich zum Spaziergang nach Berlin angeschickt hatte, gebrochen an Leib und Seele, flüchtend vor seinen eigenen Unterthanen sich in den Schutz des eisernen Kanzlers begab; an den Tag, an welchem der 73jährige, gottesfürchtige König Wilhelm in tiefster Bewegung die Worte schrieb: „Es ist wie ein Traum, selbst wenn man es Stunde fitr Stunde hat abrollen sehen! Wenn ich mir denke, daß nach einem glücklichen Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte, und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten ausersehen hat, das Geschehene zu vollbringen und uns zu Werkzeugen seines Willens bestellt hat."
Wer wollte nun heute sich anmaßen, uns das Recht zu bestreiten, diesen Tag laut und öffentlich oder auch still und jeder für sich festlich zu begehen. Schande und Schmach über das Volk, welches seiner großen Thaten und seiner großen Männer vergißt! Und doch stehen heute Tausende und aber Tausende deutscher Männer grollend auf der Seite, wenn ein Teil ihrer Mitbürger sich an dem Gedächtnis ruhmreicher Waffenthaten aus der vaterländischen Geschichte begeistert und fragen murrend: „Was haben alle jene Siege uns gebracht? Ist die Frucht derselben
etwa uns zu gut gekommen? Bewegt sich nicht unser ganzes Leben zwischen Arbeit und Mühe, Elend und Sorge? Auch wir werden einst jubeln, aber erst, wenn die am Boden liegen, deren Jauchzen heute mißtönend in unseren Ohren klingt!" Wir denken dabei nicht an die planmäßigen Volksverhetzer, die für ihre werte Person sich die Sorge um das tägliche Brot gar wohl vom Hals zu halten wissen; wir reden von der großen Menge wirklich Gedrückter, der wirtschaftlich Schwachen, in denen das nackte Elend, der unerbittliche Kampf mit Hunger und Kummer die Liebe zum Vaterlande selbst ertötet. Und hier ist wahrlich der Punkt, bei welchem der Vaterlandsfreund gerade am Tage von Sedan Stoff genug hat zu den ernstesten Gedanken. Wie vieles auch schon geschehen ist zur Hebung der Lage unserer Arbeitermassen in Stadt und Land, wie viel Gutes auch schon geschaffen wurde durch das herrliche Vermächtnis des pflichttreuesten Monarchen über die soziale Reform, wir können und dürfen uns nicht verhehlen, daß noch unendlich viel mehr geschehen kann und geschehen muß. Nicht mit eitlen Schlagwörtern politischer Parteien besiegen wir die Sozialdemokratie, auch nicht mit vornehmer Nichtbeachtung schreiender Thatsachen. An jedem Einzelnen ist es vielmehr durch seine sittliche Führung und durch sein Beispiel die schroffen Klassengegensätze zu verminoern und durch thatkräftige Förderung wirklich humaner Bestrebungen der sozialen Not, wenn auch nur in bescheidenstem Maße, zu steuern. Mögen die gebildeten und der Sorge um die Nahrung entrückten Kreise unseres Volkes immer mehr erkennen, was ihre Pflicht ist, und in der Erfüllung dieser Pflicht dem Beispiel jenes edlen Fürsten auf Deutschlands Kaiscrthrone näher und näher kommen, so wird, das hoffen wir zu Gott, auch für die Sozialdemokratie einst ein Sedan kommen, aber ein Sedan, an welchem der Jubel der Besiegten den Jubel der Sieger weit übertönen wird. 8.
Tayes-Nelützkeiten.
X. Calw, 31. Aug. Gestern Abend in der Zeit von 10'/« bis 11 Uhr ist in dem Hause des Bäckers Seeger dahier von dem angeblichen Wilhelm Fröhner aus Brück, ein Einbruch verübt worden. Der Thäter hat einen geschlossenen Fensterladen an dem parterren Wirtszimmer des Seeger aufgerissen, die Fensterscheibe eingedrückt, das Fenster geöffnet und ist durch dasselbe eingestiegen; nach diesem hat er den Fensterladen wieder zugezogen wie wenn nichts geschehen wäre. Der benachbarte Metzger D. Kugele, welcher dem Dieb von Anfang bis Ende von seiner Wohnung aus zugesehen hat, weckre sofort seinen Metzgerknecht, welcher auf dessen Anordnung mit dem noch dazugekommenen jungen Seiler Rapp das Haus solange bewachte, bis Hr. Kugele selbst die hiesigen Landjäger in Kenntnis gesetzt hatte. Durch die beiden Landjäger Volz und Grözinger, welche sofort erschienen, wurde nun der Einbrecher im dunklen Lokale festgenommen und im hies. Amtgerichts-Gefängnis untergebracht. Der angebliche Fröhner ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein ganz raffinierter Dieb, auch ist derselbe von der Gr.
Bad. Staatsanwaltschaft Heidelberg wegen räuberischer- Erpressung steckbrieflich verfolgt.
Calw, 31. Aug. Der bei den HH. Stauden- meyer u. Sohn hier beschäftigt gewesene Gipser Jakob Ohngemach von Stammheim, welcher am Mittwoch den 17. ds. in der Lederstraße vom Gerüst stürzte, befindet sich jetzt glücklicherweise in einem Zustand, der auf befriedigende Heilung hoffen läßt. Derselbe hatte beim Fall auf Steinfließen die Hirnschale schwer beschädigt, einen Arm zweimal gebrochen und sonstige Verletzungen davongetragen. In der ersten Zeit hatte es nicht den Anschein als sollte er mit dem Leben davonkommen. — Gipser Lauser von Simmozheim, welcher vor einigen Wochen von der Kirche in Liebenzell abstürzte, ist wieder soweit hergestellt, daß er leichtere Arbeit verrichten kann.
— Der „Staatsanz." schreibt: Die Fleisch- preise halten sich immer noch in einer Höhe, welche den Viehpreisen nicht entspricht. Zu Oberndorf a. N. kostet z. B. das Pfund Rindfleisch 70—72 Pf. Daher schlachten da und dort die Bauern ihr Vieh selbst und geben das Fleisch zu ermäßigtem Preise ab. — In Löwen st ein ist das Pfund Rindfleisch um 40—38 Pf., das Schweinefleisch zu 54 Pf., Kalbfleisch zu 44 Pf. zu haben.
Simmersfeld, 26. Aug. Bei einer gestern im Revier Simmersfeld abgehaltenen Treibjagd wurden zwei ziemlich starke Hirsche erlegt. Unfern Jägern wird ihr Waidmannsglück von den Bauern wohl gegönnt, da man auch Heuer wieder in manchen Waldorten über Schaden durch Hochwild Klagen hören konnte. Gesellsch.
Aus dem Oberamt Ellwangen, 27. Aug. Bei einer Hühnerjagd (?) in Lippach ist gestern ein großer Unfall geschehen. Zwei Frauenspersonen, Mutter und Tochter, welche im Wald gingen, wurden von Forstwächter Wild, welch letzerer dieselben wahrscheinlich für einen Rehbock (?) hielt, angeschossen. Die Mutter, die eine volle Schrotladung in die Brust erhielt, ist sehr gefährlich, die Tochter, die in die Wagen getroffen wurde, leichter verletzt.
Pforzheim, 29. Aug. Ein gestern Nachmittag plötzlich toll gewordener Hund hat in der Gerbergasse hier drei Personen angefallen und namentlich eine derselben, einen Knaben, sehr schwer verletzt.
— Aus Hamburg wird heute der Voss. Z., telegrafiert: In der letzten Nacht ist eine bemerkenswerte Abnahme der Cholerafälle eingetreten, nachdem am Samstag und Sonntag die Seuche schrecklich gewütet hatte. Bis jetzt sind 2400 Todesfälle zu verzeichnen.
— Amtliche Mitteilung des Gesundheitsamtes: In Hamburg sind am 27. August an der Cholera 128 Erkrankungen und 55 Todesfälle, am 28. 445 Erkrankungen und 162 Todesfälle vorgekommen; in Altona am 27. 22 Erkrankungen und 11 Todesfälle, am 28. von Mittag bis Mitternacht 17 Erkrankungen und 9 Todesfälle. In Berlin wurden bisher etwa 18 Personen eingeliefert, welche
Briefe und Juwelen zu senden — noch heute übergebe ich den Smaragdschmuck, den mein Diener mir zurückbracht«, dem Vorstand des Armenasyls in Neapel — der Erlös der Steine wird manche Thräne trocknen und nun ich meinen Fehler offen eingestanden, wage ich auf Vergebung zu hoffen."
„Diese soll Ihnen worden, wenn Sie mir versprechen in Zukunft mich nicht mehr zu belästigen — Nachsicht gehört nicht zu meinen Charaktereigenschaften."
Dir Hand leicht auf seinen dargcbotenen Arm legend, schritt Frau Orme mft ihrem Begleiter auf den Doktor und seine inzwischen herankommende Familie zu; der General fühlte sich von den widerstreitendsten Empfindungen bewegt und, um nur etwas zu sagen, fragte er:
„Werden Sie noch lange in Italien bleiben, gnädige Frau?"
„O nein; ich habe mich völlig erholt und hoffe bald nach Amerika zurückzukehren um mein Kind in die Arme schließen zu können."
„Man sollte es kaum für möglich halten, daß Sie schon Mutter sein könnten, gnädige Frau — wie alt ist denn das Kind nach welchem Sie sich so sehr sehnen?"
„O — meine Tochter fft fast erwachsen! Sie schreibt mir lange, entzückende Briefe und in den Jahren unserer Trennung muß sie sich herrlich entwickelt haben.'
„Aber mein Gott, Sie müssen ja fast noch ein Kind gewesen sein, als Sie heirateten, gnädige Frau?"
„Leider war dem auch so," nickte Frau Orme trübe, „als ich meinen Gatten verlor, war ich kaum älter als meine Tochter jetzt ist. Aber da ist ja Herr Walter," unterbrach sie sich, als in diesem Augenblick der alte Herr an sie herantrat, „Sie wollen mich gewiß mahnen, an die Rückfahrt zu denken! Herr General, gestatten sie mir, Ihnen Herrn Walter, meinen alten Freund, vorzustellen: — Herr Walter — Herr General Rsns Douglas. Die Herren find Landsleute; wer weiß, ob Sie picht sogar gemeinsame Freunde und Bekannte haben."
Die Verbeugung des Herrn Generals fiel ziemlich frostig aus; der Wagen kuhr jetzt vor und während Douglas der Künstlerin beim Einsteigen behülflich war, fragte er leise:
„Darf ich Sie morgen nach Bajä geleiten, gnädige Frau?"
„Das wird unmöglich sein — morgen habe ich Unterricht in italienischer Recitation und Deklamation — ich wünsche die Neapolitaner vor meiner Abreise mit der Aufführung einer italienischen Original-Tragödie zu überraschen."
„Aber übermorgen, Madige Frau," flehte der General, ihr mit glühendem Blick ins Auge sehend.
Ruhig hielt sie seinen Blick aus.
„Versuchen Sie's immerhin," sagte sie dann gleichgültig. — „Adieu, meine Herrschaften — unterhalten Sie sich gut in Bajä."
Sich graziös und lächelnd verbeugend, lehnte sie sich müde in die Kissen deS Wagens, eine plötzliche Blässe überflog ihre Züge und Frau Walter meinte besorgt:
„Sie haben sich wieder aufgeregt, Frau Orme, sollen wir nicht lieber nach Hause fahren?"
„O nein — ich habe mich schon so lange darauf gefreut nach Cumä zu kommen, kehren Sie sich nicht an mein Aussehen, Frau Waller, ich fühle mich durchaus wohl und kräftig."
XV8I. Kapitel.
„Regina — bitte, drücken Sie auf den Schellenknopf, damit Hettie das Frühstücksservice abräumt — ich habe keinen Appetit und mag nicht frühstücken."
Es war Olga, die diese Worte sprach; obgleich es fast Mittag war, lag sie doch noch im Bett und als sie sich jetzt halb aufrichtete und das Lockengewirr zurückschüttelte, meinte Regina, welche mit einer Handarbeit beschäftigt neben ihr saß, noch niemals ein so interessantes fesselndes Gesicht gesehen zu haben. (Forts, folgt.).