101. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 67. Iahr-aus.
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Erscheint Dien r la g, D-nneritag und Samitag. Die EinrLcknngSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung s Psg. di- .steile, sonst lS Psg.
Samstag, den 27. August 1892.
SbonnementSpret» vterttkjührlich in der Stadt »0 Pfg. und so Pfg. Trägerlohn, durch di« Post bezogen Mk. t 1 b, sonst « ganz Württemberg Mk. 1 . 3 S.
Amtliche Bekanntmachungen.
An die Ortsvorsteher.
Aus 'Anlaß der im September d. Js. bevorstehenden Einquartierung von Militärpferden während der größeren Truppenübungen werden die Ortsvorsteher der mit Quartier belegten Orte angewiesen, dem Quartiermacher von jedem im Laus des gegenwärtigen Jahres im Orte stattgehabten Rotzfall, sowie davon, wo rotzverdächtige Pferde stehen oder untergebracht waren, Kenntniß zu geben.
Auch von jeder in dem Ort im Lauf des Jahres aufgetretenen Erkrankung von Pferden an Influenza werden die Ortsvorsteher den Quartiermachern unter Bezeichnung der Stallungen, in welchen die erkrankten Pferde stehen oder untergebracht waren, Kenntniß geben. (S. auch den Minist.-Erlaß vom 17. Januar 1891, Min.-A.-Bl. S. 13).
Calw, 25. August 1892.
K. Oberamt.
vr. Schönmann, A.-V.
Bekanntmachung.
Gelegentlich der Vornahme einer Reihe von Gemeindevisitationen habe ich häufig die Meinung verbreitet gefunden, daß das Gesetz betreffend die Jn- validitäts- und Altersversicherung nur für solche Personen einen Werth habe, welche das 70. Lebensjahr erreichen. Diese Memung ist eine durchaus irrige. Das angeführte Gesetz unterscheidet, wie schon sein Wortlaut besagt, zwei Arten von Renten, die Invalidenrente und die Altersrente.
Eine Invalidenrente erhält verjenige Versicherte, welcher 5 Jahre lang Beiträge bezahlt hat und
durch ärztliches Zeugniß rc. seine fernere Erwerbsunfähigkeit nachweist. Da die Anfangsgrenze der Versicherungspflicht das 16. Lebensjahr ist, so kann in den Genuß einer Invalidenrente schon ein 21 Jahre alter Arbeiter, Dienstboie, Commis rc. kommen, falls er feit dem 16. Jahr Beiträge bezahlt hat.
Der Invalidenrente wird ein Mindestbetrag von 110 Mark zu Grund gelegt, und dieser Betrag wächst
in der I. Klaffe wöchentlich um 2 Pfg,
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Die niedrigste Invalidenrente wird nach Ablauf der 5jährigen Wartezeit 114 Mark 70 Pfg. betragen, während in der Klasse IV. die Rente bis über 400 Mark pro Jahr steigen kann.
Die Altersrente kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Eine Altersrente erhält, ohne daß es des Nachweises >der Erwerbsunfähigkeit bedarf, derjenige Versicherte, welcher das 70. Lebensjahr vollendet und (abgesehen von der Uebergangszeit, welche älteren Personen bedeutende Erleichterungen gewährt) 30 Jahre lang Beiträge bezahlt hat.
Die Ortsvorsteher werden es sich angelegen sein lassen, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit irrigen Meinungen über die Bedeutung des obenerwähnten Gesetzes entgegen zu treten.
Calw, 25. August 1892.
K. Oberamt.
vr. Schönmann, A.-V.
Bekanntmachung.
Unter Bezugnahme auf die oberamtliche Ver
fügung vom 10. Juni 1892, betr. die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe, (Wochenblatt Nr. 68) wird hiemit bekannt gegeben, daß in Würdigung besonderer örtlicher Verhältnisse den Handelsgewerbetreibenden von Neubulach, Liebenzell und Zavel- stein gestattet worden ist, ihre Verkaufsstellen bis auf Weiteres eine Stunde vor Beginn und vier Stunden nach Schluß des Vormittagsgottesdienstes offenzuhalten, und daß weiter für die Kurzeit (15. Juni bis 15. September) den Metzgern und Bäckern von Zavelstein die Erlaubniß ertheilt worden ist, ihre Verkaufsstellen bis Abends 7 Uhr offen zu halten.
Calw, den 25. August 1892,
K. Oberamt.
Or. Schönmann, A.-V.
Nachstehende Bekanntmachung wird hiemit zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
Calw, den 25. August 1892.
K. Oberamt.
vr. Schönmann, A.-V. Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirthschaft, betreffend die Abhaltung einer Prüfung im Hufbefchlag an der K.
Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart.
Für Schmiede, welche die in Artikel 1 des Gesetzes, betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vom 28. April 1885, vorgeschriebene Prüfung im Hufbeschlag erstehen wollen, findet am 30. September und 1. Oktober d. I. eine Prüfung an der K. tierärztlichen Hochschule in Stuttgart statt.
Diejenigen Kandidaten, welche diese Prüfung erstehen wollen und sich nicht an dem zur Zeit stattfindenden Lehrkurs an der tierärztlichen Hochschule
s rr r 11 6 1 9 rr, Nachdruck verbeten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
„Ach nein — ich hätte mich nur gefreut, wenn ich mit Ihnen hätte zur Kirche gehen können. Leben Sie wohl, liebe Frau Mason — hoffentlich kann ich recht bald wiederkommen."
„Thue das, liebes Kind — Deine Besuche sind mein Sonnenschein."
„Regina verabschiedete sich und ging dann eiligen Schrittes der kleinm Kirche zu, welche sie schon mehrmals m Frau Mason's Begleitung besucht hatte. Kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, vernahm sie einen wohlbekannten Schritt hinter sich und Herrn Palma's Stimme sagte:
„Regina — führt diese Straße etwa nach Hause?"
„Guten Abend, Herr Palma," versetzte Regina ruhig; „nein, ich gehe in die Kirche."
„Allein? das wünsche ich nicht."
„Frau Mason hat mich bisher stets begleitet — heute war sie verhindert."
„So werden Sie heute vom Besuche der Kirche absehen müssen — ich kam, um Sie nach Hause zu begleiten."
Regina blieb plötzlich stehen und sah ihren Vormund an.
„Soll das heißen, daß sie mir den Besuch der Kirche verbieten?" fragte sie ernst.
»Ja — so viel ich weiß, besuchen Sie an jedem Sonntag Vormittag mit Frau Palma die Thomaskirche und ich sollte denken, das müßte Ihnen genügen."
„In der Thomaskirche finde ich weder Erbauung noch Belehrung," flüsterte Regina unsicher; „der Geistliche der kleinen Kirche, welche ich mit Frau Mason
besuche, predigt viel einfacher und für mich verständlicher und lehrt mich meine Pflicht erkennen."
„Hm — halten Sie es für vereinbar mit Ihrer Pflicht, Ihrem Vormund Widerstand entgegenzusetzen, Regina?"
Das junge Mädchen errötete und schlug die Augen nieder; dann wandte sie entschlossen den Schritt und sagte beschämt und leise:
„Verzeihen Sie mir Herr Palma — ich gehe mit Ihnen nach Hause."
„Regina — sie sind sehr erzürnt, die Kirche nicht besuchen zu dürfen?"
„Nein, Herr Palma," entgegnete sie sanft, „dazu bin ich nicht berechtigt — es thut mir leid — sehr leid."
„Ei — warum bitten Sie mich denn nicht, Sie in die Kirche zu begleiten? Stellen Sie mich doch auf die Probe."
.Herr Palma — ich bitte Sie, mit mir zu gehen!"
„Sehr gern," sagte er sich verbeugend und im nächsten Augenblick befanden sich Beide auf dem Rückweg nach der Kirche, die bald erreicht war.
Nach dem Gesang der Gemeinde verlas der silberhaarige Geistliche Vas Sonntagsevangelium und dann wurde nochmals ein Lied gesungen.
Jetzt begann die Predigt; den Text derselben bildete der 63. Psalm. Herr Palma, der lange keine Kirche mehr besucht, fühlte sich seltsam von den Worten bewegt.
Elliot Palma hatte in seinem vielbeschäftigten Leben weder Neigung noch Muße gehabt, über sich selbst und sein vereinsamtes Dasein nachzudenken; wie kam es, daß ihm in dieser Abendstunde, bei den sanften, einfachen Worten des Geistlichen, seine Existenz aber plötzlich so schaal und öde und nüchtern erschien? Er war 40 Jahre alt geworden, ohne das Bedürfnis zu empfinden, sich den eigenen Herd zu gründen; die von allen Setten gemachten Versuche, ihn seinem Junggesellentum zu entreißen, fetzte er einzig und allein auf Rechnung feiner brillanten Stellung und diese Annahme ließ chm die Frauen in nicht gerade günstigem Licht erscheinen. — All' dies und noch so manches Andere zog durch seine Seele, während er in dem