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^IL 98. Amts-
und Anzeigeblatt für den Bezirk Calw. 67. Ilchrgav-j
Srscheint Dien «tag, Donneritag und Samitag. Die Etnrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung 8 Psg. die Zeile, sonst iS Psg.
Samstag, den 20. August 1892.
Lbvnnementrprei» »terteljihrltch in der Stadt »0 Psg. und LO Psg. Lrägerlohn, durch die Post bezogen Mk, i. 15, sonst in ganz Württemberg Mk. t. 85.
Tages-Neuigkeiten.
Zuffenhausen, 17. Aug. Aufsehen macht 'seit einiger Zeit die Verhaftung einer D i e b s b a n d e, welche ihr Unwesen im Nov. 1891 dahier trieb. Dieselbe hatte es aus Stallhasen (Lapins) abgesehen, die Entdeckung der Thäter gelang jedoch nicht. Neuerdings wurden jedoch dieselben in den Personen dreier junger Burschen im Alter von 16 Jahren ermittelt, indem einer derselben einen Gelddiebstahl verübt hatte und bei diesem Anlaß auch die Hasendiebstähle zur Entdeckung kamen. Mehr als 25 Hasen wurden von denselben nach und nach gestohlen, von einer Hehlerin zubereitet und verspeist. Auch Gänse waren, der Abwechslung wegen, willkommen. Die Diebe sitzen hinter Schloß und Riegel und sollen ihre Thaten bereits eingestanden haben, werden aber ihr Mittagessen künftig ohne Hasenbraten verzehren müssen.
Stuttgart. Wie das „Neue Tagblatt" meldet, hat sich das Geldpacket, das neulich als verloren gemeldet wurde, samt seinem ganzen Inhalt (über 70,000 ^ in Obligationen und 1000-°^- Scheinen) glücklich wieder vorgefunden. Es war, wie aus den etwas verwirrten Angaben der Eigentümerin zu entnehmen, allem Anschein nach in Wirklichkeit gar nicht verloren, sondern nur „verlegt", und nur in der ersten Bestürzung hatte sie die Verlustanzeige erstattet. Uebrigens ist die durch verschiedene Blätter gegangene Angabe, daß die aus München hieher gekommene Dame die Braut eines jungen Kaufmanns K., des Bruders eines kürzlich verstorbenen Afrikareisenden sei, unbegründet. Die Dame ist eine Verwandte des Herrn K.. aber die Braut eines anderen hiesigen Kaufmanns.
Stuttgart. Der gestrige Mittwoch brachte wohl eine der höchsten Temperaturen, die in diesem
Jahrhundert in Stuttgart beobachtet wurden. Wie stets bei außergewöhnlichen Wärmeständen, werden die gemessenen Temperaturen sehr verschieden angegeben. Richtig dürfte sein, daß der höchste Stand im Stadtgarten in den Mittagsstunden 27—28° R. betrug, Abends um 7 Uhr noch 24 und heute früh 16—17° R. In den Mittagsstunden erhob sich lebhafter Wind; es wogten Luftwellen durch die Straßen von wahrhaft glühender Wärme. Etwa um 2—3 Uhr in der Nacht kündigte dann und wann ein kühlendes Lüftchen den nahenden Morgen an. Auch in den geschlossenen Wohnräumen erreichte die Temperatur 25—26° R. Ein so hoher Wärmestand ist für den Weinstock gerade im gegebenen kritischen Augenblick keineswegs zuträglich. Es ist der Moment, da die Trauben aus der harten sauren Beere, in den Saft übertreten -und weich und klar werden sollen. Bei einer Temperatur, die in den Kriegsbergen in vollem Sonnenschein fast bis zu 40° R. angegeben wird, werden unbeschattete Trauben in kürzester Zeit verbrannt.
— Nach dem „Staatsanz." war in Stuttgart das Maximum an Hize 36,2 °, in Hohenheim sogar 36,9°, in Mergentheim 35°, in Freudenstadt 33° in Friedrichshafen 30°. Am 21. Juli 1865 und am 14. Juli 1832 ist dieses Maximum ebenfalls erreicht worden. Der August jedoch hat seit 1826 gar nie eine derartige Hize gebracht. Schon 2 Nächte sei in Stuttgart die Temperatur nicht unter 25 ° herabgegangen. (In Calw zeigte das Thermometer je nach Lage 28—30 ° L im Schatten. Nach dem Barometer scheint ein Umschlag der Witterung vorerst nicht eintreten zu wollen.)
— Föhn im Schwarzwald, schreibt der Staatsanzeiger. Eine Reihe von Beobachtungen läßt es zwar unzweifelhaft erscheinen, daß im Schwarzwald föhnige Erscheinungen Vorkommen, freilich in weit
geringerem Grad als in den Alpen, wo nicht nur am Nordfuß ein Südföhn, sondern auch am Südfuß z. B. in Lugano ein Nordföhn bei gegebenen Bedingungen sich einstellt. Heute, früh ist zum ersten Mal in Freudenstadt ein sehr starkes Beispiel vorgekommen, indem um 7 Uhr 25,4° Wärme bei 45°/° Feuchtigkeitsgehalt gegenüber 21,4° und 73°/° in Mergentheim beobachtet wurde.
Cannstatt, 17. August. In Folge der außerordentlichen Hitze ist die Frequenz der Badanstalten so groß wie selten; der Neckar ist vom frühen Morgen an belebt von Hunderten von Badenden. Dabei giebt es häufige Unglücksfälle. Mit knapper Not wurde vorgestern ein lOjähr. Knabe in der Nähe des Schlachthauses vom Tode des Ertrinkens gerettet; zu gleicher Zeit ertrank der 7 Jahre alte Sohn des Fabrikarbeiters Dietrich. Gestern nachmittag 4 Uhr ereignete sich schon wieder ein Todesfall durch Ertrinken, indem der 10 Jahre alte Sohn des Hafnermeisters Roll am oberen Wöhr bei der Kiesbrücke plötzlich versank. Er wurde durch Soldaten schnell herausgezogen, doch waren die angestellten Wiederbelebungsversuche fruchtlos.
Backnang, 17. Aug. Der gestrige Viehmarkt war trotz der Ernte gut befahren. Zugetrieben wurden 200 Paar Ochsen, 192 Kühe und 179 Stück Kleinvieh, zusammen 771 Stück. Der Handel ging flau, die Preise gingen abermals zurück. Der Schweinemarkt war ebenfalls gut befahren. Milchfchweine kosteten 30—40 Läufer 50—100 Unsere
Metzger haben trotz fortgesetzten Viehabschlags noch immer die alten, entschieden zu hohen Preise.
Balingen, 14. August. Am vorigen Samstag wurden in nördlicher Richtung vom hiesigen Bahnhof, kaum 1 km von der Stadt entfernt, anläßlich der Aushebung eines Bauplatzes drei wohlerhaltene
^ 6 t ^ . Nachdruck verbaten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
„Befindet sich in der Kiste ein weißer Cachemire-Anzug mit hellblauen Schleifen ?" „Ja."
„Schön, ziehen Sie das Kleid an und beeilen Sie sich so viel als möglich. Sodann nehmen Sie ihren Mantel um, setzen Sie den Hut auf und kommen Sie in die Bibliothek, wo ich Sie erwarte. Bringen Sie auch Kamm und Bürste mit, Regina."
Frau Orme hatte ihrer Tochter kürzlich aus Europa eine vollständige Garderobe geschickt, welche Frau Palma als hochelegant und geschmackvoll gepriesen — «ine in der Kiste befindliche Schärpe war von Olga als geradezu „entzückend" bezeichnet worden und Regina hatte mcht eher geruht, als bis die junge Dame dieselbe von ihr angenommen hatte. — Während Regina hastig Tollelle machte, zerbrach sie sich den Kopf über Herrn Palmas Absicht, ohne indes zu einem Resultat kommen zu können; in verhältnismäßig kurzer Zeit war sie fettig und den Mantel über den Arm nehmend, eilte sie hinab in die Bibliothek.
Herr Palma schritt, eine Cigarre rauchend, auf und ab, als Regina die Portiere zurückschlug und auf der Schwelle stehen blieb.
„Kommen Sie immerhin herein," rief Herr Palma gutgelaunt, „ich habe durchaus nicht die Absicht, Sie m verspeisen — mein Frühstück war völlig ausreichend. Haben Sie eine Vermutung, wohin ich Sie zu führen gedenke?"
„Nein. Herr Palma."
»Warum fragen Sie mich denn nicht darnach?"
„Weil ich weiß, daß vieles Fragen Ihnen sehr unangenehm ist; was ich erfahren soll, sagen Sie mir ohnedies."
„Hm — Sie haben nicht Unrecht. Sind Sie ganz fertig?"
„Ja, Herr Palma, ich —°
Regina hielt plötzlich inne und starrte, wie entgeistett auf ein großes Bild in schwerem Goldbarockrahmen, welches über dem Kaminsims hing und welches sie heute zum ersten Male gewahrte.
Das in Ol ausgefühtte Porträt stellte eine junge Frau in schwarzem Sammt- gewand dar; die Züge des regelmäßig schönen Gesichts waren wie in weißen Marmor geschnitten; die strahlenden braunen Augen lagen halb verdeckt unter langen, schwarzen Wimpern und das üppige goldblonde Haar war über der Stirn einfach gescheitelt und flutete in reichen Wellen gleich einem Mantel über die schönen Schultern. Die schmalen weißen Hände waren über der Brust gefallet und die Augen blickten traumhaft, weltverloren und tiefschmerzlich ins Welle.
Regina schaute andächtig zu dem Bilde auf; ihre Lippen zuckten und Thräne um Thräne fiel aus den blauen Augen. Herr Palma bettachtete sie aufmerksam und sagte endlich wie fragend:
„Wen mag das Bild vorstellen?"
Aber Regina Hütte die Watte nicht; die Hände faltend, blickte sie unverwandt auf das Bild und endlich flüsterte sie halb schluchzend: „Mutter! O meine liebe Riutter, wie traurig blicken Deine treuen Augen!"
Regina blickte unverwandt auf das Bild und fragte mit einem tiefen Atemzug:
„Wann ist das Bild geschickt worden?"
„Schon vor einigen Tagen."
„Wie seltsam — ist es denn nicht für mich bestimmt? Sie kann es doch nur für mich gesandt haben!"
(Fortsetzung folgt.)