89. Amts- und Anzeigeblalt für den Bezirk (Lalw.
67. Iahrgavz.
Erscheint Die« « la g, Donneret,g und Sam »tag. Die Sinrückungigebühr d-triot im Bezirk und nächster Um» gedu«, » Psg. di- Zeile, sonst Id Pf«.
Samstag, den 3V. Juli 1892.
L-onnementrpreiS vierteljährlich in der Stadt Psg. und Lv vfg. Lrägerlohn, durch dt« yost bezogen Mk. 1. 1V, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. SS.
Tages-Neuigkeiten.
Von da und dort liest man Berichte über schlechte Aussichten bezüglich der Oehmdernte. Der Regen war hier wie anderswo nicht hinreichend, um noch zu großen Hoffnungen zu berechtigen und die Folge davon ist ein rapides Sinken der Viehpreise. Auf dem Balinger Markt gingen die Preise bei Kleinvieh um 20 Mark und bei Großvieh um mehr als das Doppelte zurück. Kein Wunder, wenn infolge dessen die Fleischpreise herabgesetzt werden, haben doch die Metzger in Calw bereits eine Reduk- von 4 --Z auf Ochsen- und Rindfleisch gewagt und in Altensteig haben lt. „Gesellschafter" einige Metzger «inen ganz bedeutenden Abschlag eintreten lassen. Dort kostete das Pfund Rindfleisch erst 60^, dann 56 und seit dem Markt am 26. ds. nur noch 50 -r^.
Stuttgart, 26. Juli. Der vielbestrafte 22 Jahre alte ledige Buchdrucker Paul Georg Mogle von Birkach hies. Oberamts wurde heute trotz seines Leugnens für schuldig erachtet, am 22. März d. I. ' gemeinschaftlich mit dem entwichenen Valentin Mölter von Landshut im Schmid'schen Gasthof zum Bahnhof in Cannstatt 1600 ^ in Bar und 3600 ^ in Wertpapieren gestohlen zu haben. Wegen schweren Diebstahls im Rückfall wurde Mögle zu 6 Jahren Zuchthaus und zu 10 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Feuerbach, 28. Juli. Von dem Orientzug wurde im hies. Tunnel ein Bahnarbeiter aus Göppingen überfahren und zerstümmelt.
Herrenalb, 26. Juli. Gestern gab Konzertsänger Diezel in Gemeinschaft mit Musikdirektor Schepp hier ein wohlgelungenes Konzert. Unser schöner neuer Konzertsaal erfüllte seine Bestimmung aufs beste.
Aalen. Zu dem Oekonom Fischer vom Riedhof bei Heuchlingen gesellte sich auf dem Heimweg vom Viehmarkte ein Unbekannter der, als sie nicht ferne vom Riedhof waren, Fischer in den Kopf schoß ihn seiner Geldtasche beraubte und floh. Fischer wurde von Vorübergehenden aufgefunden. Der Thäter ist noch nicht ermittelt.
Ulm, 27. Juli. Heute Nachmittag führte der Bursche eines Offiziers des 12. bayr. Jnf.Reg. dessen Pferd unterhalb der Einmündung der kleinen Donau zur Schwemme; der Bursche fiel dabei plötzlich, weil das Pferd wohl in eine Untiefe geriet, vom Rücken des Tiers und wurde, des Schwimmens unkundig, von der Strömung fortgerisien. Obwohl die Donau z. Z. nicht hoch geht, konnte er nicht mehr erreicht werden.
Riedlingen, 27. Juli. Gestern nacht wurde im hiesigen Bahnhofgüterschuppen ein frecher Einbruch verübt. Die Diebe bohrten mit einem Zentrumsbohrer eine Thüre des Schuppens durch und machten durch Ausbrechen der Bretter eine Oeffnung zum Durchschlüpfen. Desgleichen erbrachen sie die Thüre zum Comptoir des Güterschuppens mit Eisenstangen. Den Kassenschrank konnten sie nicht erbrechen, der obere eiserne Teil mit einem Gewicht von vier Zentnern scheint herabgestürzt worden zu sein. Der Schrank wurde von den Dieben auf einen kleinen Karren des Schuppens aufgeladen, dann auf einen größeren Karren gebracht und bis zum Vöhringerhof geführt, wo er in einem Wassergraben andern Morgens gefunden wurde. Bei der Oeffnung durch das Gericht fand sich der ganze Inhalt — rund 600 ^ — vor. Eine Spur von den Einbrechern ist bis heute noch nicht entdeckt.
Ettlingen, 26. Juli. Unsere gute Stadt
ist in großer Erregung. Ein früherer, vor kurzer Zeit ausgetretener Zögling des hiesigen Lehrerseminars hat im Nebenzimmer des Gasthofes zum wilden Mann hier die 16jährige Tochter des Obermeisters M. von der hiesigen Spinnerei erschossen und dann sich selbst eine Kugel in den Kopf gejagt. Das Mädchen war nach wenigen Augenblicken tot; es wurde durch die Brust geschossen. Der junge Mann lebt noch, doch ist wenig Hoffnung auf sein Davonkommen. Der Thäter ist von Mergentheim gebürtig. Nach seinem Austritt aus dem Seminar hielt sich derselbe im Wirtshaus zum wilden Mann hier auf, dort traf er gestern mit der getöteten M., die mit der Tochter des Wirts befreundet war, zusammen. Er soll sie erschossen haben, weil sie sich weigerte, sich mit ihm zu verloben; auch wird behauptet, er habe gestern bei dem Vater um ihre Hand angehalten und sei dort abgewiesen worden.
Walds Hut (Baden), 24. Juli. Vor kurzem erschien im Alb-Bote eine Anzeige, in welcher ein Ehemann in Sch. die Mitteilung machte, seine Frau wäre durchgegangen und der redliche Finder möge dieselbe behalten. Dies Inserat bezog sich nun auf ganz unbescholtene Leute, welche von jeher friedlich miteinander gelebt haben und welche durch diese Veröffentlichung aufs schwerste in ihrer Ehre gekränkt wurden. Es erfolgte nun seitens derselben Anzeige bei der großh. Staatsanwaltschaft, welche sich mit Eifer der Sache annahm und deren Bemühungen es auch gelang, den Schreiber und Einsender des Inserats in der Person des Friedrich Rüde von Schachen ausfindig zu machen. Heute kam nun dieser Fall, wie das obige Blatt weiter mitteilt, vor der Strafkammer des hiesigen großh. Landgerichts zur Verhandlung, und wurde der Angeklagte, welcher die
» Nachdruck uerbaie«.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
„Möchtest Du eine Taffe Thee haben?"
„Nein, lieber ein Glas Wasser — ah, das kühlt," schloß er lächelnd, das geleerte Glas Regina reichend und sie liebevoll anblickend.
„Regina, möchtest Du mir nicht einen Choral auf dem Harmonium spielen?"
„Gern, darf ich auch dazu singen?"
„Kleine Schmeichlerin, Du weißt, daß es meine größte Freude ist, Dich singen zu hören."
Regina setzte sich an das Instrument, schlug die begleitenden Morde an und sang dann mit ihrer herrlichen Stimme den Psalm „Hebe Deine Augen auf rc."
Der Pfarrer lauschte mit verklärtem Gesicht; als sie geendet hatte, sagte er innig:
„Ah — das thut wchl! Jetzt laß mich mein LieblingSlied hören, ,Lerr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden rc."
Sofort erklang die bezeichnet« Melodie und nachdem Regina auch dieses Lied beendet, sang sie unermüdet weiter, ohne darauf zu achten, daß der Pfarrer still und regungslos in seinem Sessel lehnte. Erst als die Uhr die neunte Stunde verkündete, blickte Regina bestürzt auf; sie hatte kaum beachtet, daß die Dämmemng inzwischen völlig hereingebrochen war, und da der alte Herr auf ihre Frag«, ob sie noch weiter singen solle, keine Antwort gab, schloß sie leise das Instrument und setzte sich ans offene Fenster. I» Gedanken versunken blickte sie hinaus in dm mondbeglänzten Garten und erst als Ajax, der bisher mhig neben dem Sessel gelegen, zu winseln und »u bellen begann, erschrak sie und sagte mahnend: „Still, Ajax."
Aber Ajax fuhr fort zu winseln; er leckte die schlaff herabhängende Hand des Pfarrers, lief dann zu Regina, stieß ein erbärmliches Geheul aus und suchte sie von der Stelle zu bringen.
Von einer schlimmen Ahnung erfaßt, näherte sich Regina dem Schläfer und faßte nach seiner Hand — dieselbe war eiskalt.
Einen erstickten Schrei ausstoßend, beugte sich Regina über den Regungslosm, dann eilte sie ins Nebenzimmer, wo die Alte bei einer Lampe saß und nähte und bestürzt aufblickte, als Regina die Lampe ergriff und wieder ins Wohnzimmer stürzte, Hannah folgte dem Mädchen — ein Blick in das Gesicht des ruhig Daliegenden zeigte der Alten, was geschehen war, und laut aufschluchzend rief sie:
„Ach Gott, er ist tot!"
Regina nickte schaudernd, bleich und thränenlos starrte sie auf den Heimgegangenen, aber dann raffte sie sich auf und rief flehend:
„Elle Hannah — hole den Doktor — vielleicht kann er noch helfen!"
„Ach nein, Regina — hier kann keiner mehr helfen — er ist tot," schluchzte Hannah.
„Wer weiß Hannah — geh' doch!"
„Aber ich kann Dich doch nicht mit der Leiche allein lassen, Regina!"
„Was liegt daran, Hannah — geh schnell — es kann eine Ohnmacht sein - ach wenn nur der Doktor schon hier wäre!"
In thränenloser Verzweiflung saß Regina neben der Leiche; endlich erschien Hannah in Begleitung eines Arzte», aber der Letztere konnte nur den Tod konstatieren. Auch viele von Doktor Hargrove's Pfarrkindern erschienen und di» Thränen und Klagen der Leute legten Zeugniß dafür ab, daß der Verstorbene ein treuer Hirte seiner Herde gewesen war. Der Arzt führte Regina, die nicht widerstrebte, au« dem Eterbeznnmer in dm Garten und ließ sich von dem jungen Mädchen über die letzt«