M 86. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 67. Jahrgang.

Erscheint Dien«t«,, Donneritag und Dämling. Die Anrückungigebühr ietrSgt im Beztr! und nächster Um» jedung » Psg. die Zeile, sonst iS Psg.

Samstag, den 23. Zutt 1892.

ildennementtpreit »terteljährlich in der Stadt »0 Psg. und »» Psg. Trägerlohn, durch di« Post bezogen Mt. l. lb, sonst in gan, Württemierg Rk. 1. Sb.

Tages-Uenigkeiten.

Calw. Wie aus dem Inseratenteil er­sichtlich, findet am Montag eine Generalversammlung der Bezirkskrankenkasse statt, in welcher über die seit mehreren Jahren in Fluß gebrachte Frage der Auflösung bezw. Neugestaltung wohl zum letzten­mal im Schoße der Arbeitgeber und -nehmer beraten werden soll. Da dieser Gegenstand von großer Be­deutung sowohl für die Beteiligten der Stadt als der Bezirksorte ist, so wäre zu wünschen, daß die bevor­stehende Generalversammlung zahlreicher besucht würde, als dies bei ähnlichen Versammlungen seither der Fall war. Es wird sich hiebei hauptsächlich um die Frage handeln, ob auch jetzt noch auf der beantragten Trennung der Kasse in Stadt und Bezirk beharrt werden will, oder ob, nachdem die Amtsversanimlung sich zu Uebernahme der Verwaltungskosten bereit er­klärt hat, und angesichts des am 1. Januar k. I. ins Leben tretenden neuen Krankenkafsengesetzes, welches die Weiterentwicklung des freien Hilfskassenwesens einschränken wird, der bisherige Zustand belassen werden soll? Wer also ein Interesse an dem Schick­sal der Bezirkskrankenkasse hat, möge die nächste Ver­sammlung besuchen und seine Stimme abgeben.

Altensteig, 19. Juli. Heute vormittag ver­lor im Wald an der Heselbronner Steige ein jugend­licher Dienstknecht beim Schälen eines Stammes auf jähe Weise sein Leben. Derselbe ist von Simmers­feld gebürtig und seit einem halben Jahr bei dem Bauern Michael Schneider in Heselbronn im Dienst. Vom Ende eines Holzstammes, der, um geschält zu werden, umgedreht werden mußte, wurde er erfaßt, zu Boden geworfen und ihm die Hirnschale einge­drückt, so daß der Tod auf der Stelle eintrat. Eine

Schuld an dem bedauernswerten Unglück soll niemand treffen. Gesellschafter.

Stuttgart. Bei den beiden württ. Divi­sionen finden z. Zt. taktische Uebungsreisen der Jn- fanterieoffiziere statt, an welchen auch Offiziere der anderen Waffen teilnehmen. Gestern früh begann nach der Ludwigsburger Zeitung eine solche Reise zur Erkundigung des Geländes zwischen Ludwigsburg- Leonberg-Vaihingen-Bönnigheim unter Leitung des Commandeurs der 52. Jnfanteriebrigade, General­majors von Dettinger. Diese Uebungsreise endigt am 23. ds. Von Ulm kommend traf sodann gestern eine größere Anzahl Offiziere der 27. Division in Ludwigsbnrg ein, welche an einer bis 24. ds. dauern­den taktischen Uebungsreise unter Leitung des Com­mandeurs der 53. Jnfanteriebrigade, Generalmajor v. Collas, teilnehmen. Die Uebung hat die Erkund­ung des Geländes zwischen Ludwigsburg und Ditzingen zum Zweck, in welcher Gegend die Truppen der 27. gegen die 26. Division diesen Herbst vor dem Kaiser manöverieren werden.

DemSchwäb. Merkur" zufolge sollen die beiden Kammern im November zu kurzer Tagung zusammentreten und die notwendigen Wahlen erfolgen. Hierauf soll Vertagung erfolgen, damit die Commis­sionen die zu erwartenden Vorlagen vorberaten können.

Fellbach, 19. Juli. Der hiesige Kirchenge­meinderat hat den Beschluß gefaßt, künftighin wäh­rend des Gottesdienstes wiederum den früher üblichen polizeilichen Rundgang durch die Ortsstraßen auszuführen, um etwaige Unruhe auf denselben, wie solche oft von Kindern verursacht wird, in der Zeit des Gottesdienstes zu verhindern.

Herrenalb, 20. Juli. Der Zuwachs an Kurgästen war in den letzten 14 Tagen ein außer­

ordentlicher. Wie die Kurliste ausweist, find über 560 Gäste derzeit anwesend. Mit dem Beginn der Ferien hoffen wir auf einen namhaften Zugang auch aus Stuttgart und anderen größeren Städten Württem­bergs. Raum in den Gasthöfen und Privatwohnungen ist genug vorhanden. Die Herstellung der Wasser­leitung in Dobel schreitet rasch voran, so daß man bis 1. September auf den Brtrieb derselben hoffen darf. Der trockene Sommer hat auch die Gemeinden Neusatz und Rothensol zu einem definitiven Entschluß genötigt. N. Tgbl.

Spaichingen, 18. Juli. Die folgende Jagd­geschichte erzählt der Heuberger Bote: Zwei Freunde eines benachbarten Dorfes, die schon oft gemeinsam dem Jagdvergnügen oblagen, gingen in diesen Tagen einzeln, ohne daß einer von dem andern etwas wußte, gegen Abend auf den Anstand, um vielleicht einen Rehbock erlegen zu können. Der zuerst am Waldes­saum Angekommene kauerte gerade hinter einem dichten Busch, als der andere in die Nähe kam und da er dort die in den Zweigen sich bemerklich machende Bewegung als von einem Rehbock herrührend erachtete sogleich einen Schrotschuß dahin abgab. Aber, welch ein Schrecken für den Schützen! Der vermeint­licheBock" stellte sich jetzt als der Jagdkollege heraus, der wirklich getroffen war und ausriefDu hast mich'geschossen!" Ein Glück war es, daß der Verwundete gerade während der Abgabe des Schusses sich erhoben hatte, so daß die Ladung zu­meist in den Oberschenkel ging und somit Schlimmeres vorläufig nicht zu befürchten ist. Der Getroffene ist in ärztlicher Behandlung. Er sieht ein, daß es bloße Unvorsichtigkeit und Uebereilung von seinem Jagd­freunde gewesen ist und soll deshalb von einer Unter­suchung absehen wollen.

6 ^ 6 1 ^ n » Nachdruck »erb»ten.

Dolorosa.

Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.

* (Fortsetzung.)

Nein, Percy so sprich doch," sagte Regina zitternd.

Der Glockenturm ist eingestürzt und die Trümmer haben die eine Hälfte der Kirche verschüttet das Portal ist ein großer Trümmerhaufen, deshalb mußte ich erst eine Leiter holen und durchs Fenster steigen. Im Pfarrhause war Alles in Verzweiflung, als das Wetter losbrach und Du nirgends zu finden warst; die Mutter und der Onkel hofften, Du seiest in einem Nachbarhause geborgen und sobald das Wetter nachließ, eilte ich davon, um Dich zu suchen. Aber Niemand wollte Dich ge­sehen haben und die Befürchtung, Du möchtest in der Kirche Schutz gesucht haben und dort verschüttet worden sein, brachte mich fast um den Verstand. Da kam Ajax und nun wußte ich, wo ich Dich zu suchen hatte Gottlob, daß Du außer Deinem verletzten Fuß keinen Schaden erlitten hast. Wo bist Du denn gefallen, Regina?"

Ich war auf der Orgel und wollte, als das Gemüter losbrach, nach Hause eilen, die grellen Blitz blendeten mich, ich schloß die Augen und stürzte die Stufen hinab. Ich war eine Weile betäubt; als ich wieder zu mir kam, wollte ich meinen Weg fortsetzen und da entdeckte ich, daß ich mir den Fuß beschädigt hatte. Kriechend erreichte ich den Altar, aber dann konnte ich nicht weiter und bald darauf erfolgte «in so entsetzliches Gepolter und Krachen, sodaß ich glaubte, die Kirche stürze ein."

Gottlob, daß Du bis zum Altar kriechen konntest, flüsterte Percy mit erstickter Stimme; wärest Du am Fuß der Treppe liegen geblieben, dann hätten die herab­stürzenden Trümmer Dich begraben jener Teil des Gewölbes ist völlig zusammen- -estürzt."

Eine Welle herrschte tiefes Schweigen, Regina'S Lippen bewegten sich in laut­

losem Gebet und der junge Geistliche verstand ihre Empfindungen und ehrte dieselben» Endlich aber mahnte der schmerzende Fuß Regina an die Wirklichkeit und sie sagte bittend:Percy hilf mir aufstehen ich bin so müde und möchte gern bald schlafen gehen."

Von Percy unterstützt, versuchte Regina einige Schritte zu machen, aber leisem Ächzen gab sie diesen Vorsatz auf. Percy überlegte nicht lange;ich eile, Hilfe zu holen," sagte er hastig;gedulde Dich nur eine kleine Welle, Regina."

Du willst mich allein lassen?" fragte Regina angstvoll.

» .Behüte ich lasse Ajax bei Dir und bin bald wieder da."

Die Laterne neben Regina auf den Boden stellend, erkletterte Percy das Fenster; bevor er indes Hinausstieg, kehrte er nochmals zu Regina zurück und schob ihr ein Kiffen, welches er von dem Sitze des Pfarrstuhls nahm, unter den Kopf. Sodann eilte er wieder an's Fenster, stieg hinaus und Regina hörte ihn schnellen Laufs über die Kieswege des Kirchhofs eilen.

H. Kapitel.

Es schien Regina eine Ewigkett, bis der junge Geistliche zurückkehrte und doch war in Wirklichkeit kaum eine halbe Stunde vergangen, bis er wieder neben ihr stand. Er fand die Laterne erloschen; ein heftiger Windstoß hatte das Licht derselben kurz nach Percy's Entfernung verweht, und so rief der junge Geistliche dem ihn be­gleitenden Küster, der vor dem Fenster wartete, zu. er möge seine Fackel hoch halten. Der Küster leistete diesem Befehl unverzüglich Folge; Percy Lindsay schlang beide Arme um das totmüde Kind und kug es zum Fenster. Der Küster hatte inzwischen die Fakel aufrecht in den Boden gesteckt und stand auf der obersten Leiterstufe; Percy hob Regina auf die Fensterbrüstung und während der Küster das Mädchen, welches willenlos Alles über sich ergehen ließ, festhielt, hob Percy zuerst Ajax hinauf und schwang sich dann selbst nach.

So, Daniel," wandte er sich hierauf an dm Küster, jetzt steig hinab und