^L 82.
Amts- und Anzeigeblall für den Bezirk Lalw.
67. Jahrgang.
Trschet», Di-»«l»g, D-nn-r«!«, und Die Sinrückungr-ibühr beträgt im Leztrk und nächster Um» ' A-tl-, ' - —-
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, sonst lL Psg.
Bonnerslag, den 14. Juli 1892.
Lbonnementtpreis »lerteljLhrttch iv der Stadt AS Pfg. mch Pf«. rrLgerlohn, durch die Post bezogen ML. L. 1L, sonst i» >nz Württemberg Mk. 1. SL.
Tages-Ueuigkeiten.
Calw. (Eingesandt.) Nachdem das staatliche Gesetz vom 14. Juni 1887, betreffend die Vertretung der evangelischen Kirchengemeinden und die Verwaltung ihrer Vermögensangelegenheiten, nun schon seit mehreren Jahren bei uns wirksam ist, lohnt es sich wohl, angesichts der bevorstehenden Neuwahl zum Kirchengemeinderat einen Blick nach rückwärts zu werfen. Im Ganzen hat sich bei uns die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse schnell eingebürgert. Bei der wachsenden konfessionellen Mischung der Bevölkerung und bei den überhaupt gegen früher stark veränderten Zeitverhältniffen möchte man eine Vertretung der Kirchengemeinde, welche von den Gemeinde- Genossen ausdrücklich zu kirchlichen Zwecken gewählt morden ist, nicht mehr hergeben.
Der Kirchengemeinverat, welcher 14 Mitglieder Amfaßt (10 gewählte weltliche Mitglieder, die beiden Geistlichen, der Ortsvorsteher und der Kirchenpfleger gehören von amtswegen dazu) hat in den ersten 1'/- Jahren seines Bestehens, von Juli 1889 an, die Ausscheidung des örtlichen Kirchenvermögens zu vollenden gehabt, eine nicht gerade leichte Arbeit, weil bei manchen Bestandteilen unserer alten Kirchen- und Schulpflege, sowie der Stiftungspflege ein deutliches Merkmal kirchlicher oder nichtkirchlicher Natur kaum noch aufzufinden war. Schließlich erhielt die Kirchengemeinde für allgemeine kirchliche Zwecke eine Abfindungssumme von 10,000 die neue Kirche ist schuldenfrei mit einem Baukapital von 700 ^ übergeben worden; und endlich sind kirchliche Stiftungen im Betrag von etwa 18,000 ^ in die eigene Verwaltung der Kirchengemeinde übergegangen. Mit besonderem Dank muß anerkannt werden, wie freundlich die bürgerlichen Kollegien namentlich in der Art und Weise, wie die auf der Kirche noch haftende Bau
schuld getilgt worden ist, sowie in der Frage des Friedhofopfers der evangelischen Kirchengemeinde entgegengekommen sind. Seit die neue Kirchenpflege ins Leben getreten ist (Januar 1891), sind noch manche dankenswerte Stiftungen für allgemeine kirchliche Zwecke hinzu gekommen. Die Thätigkeit des Kirchengemeinderats richtete sich nun auf die Verwaltung dieses örtlichen Kirchenvermögens; außerdem wurde die Wahl eines Kirchenpflegers vorgenommen (Herr Fabrikant Emil Zahn), Stiftungszinsen verteilt, Bestimmungen über Kirchenopfer getroffen, Ausgaben für Gottesdienste, Kirchenmusik u. dergl. bestritten; die Instandhaltung der Kirche, die Heizung derselben, die Anstellung von Kirchendienern, die Wahl von Abgeordneten zur Diözesansynode (Oberamtspfleger Fechter und Rektor vr. Müller), ferner gottesdienstliche Angelegenheiten, Gesuche um Konfirmation vor der gesetzlichen Zeit und Aehnliches haben die Gegenstände der Beratung gebildet.
Da nun am nächsten Sonntag (17. Juli, vormittags von halb 11 Uhr an) die alle 3 Jahre wiederkehrende Neuwahl zum Kirchengemeinderat stattsinden wird, so wollen wir nicht unterlassen, die Gemeindegenossen zu zahlreicher Beteiligung einzuladen. Es ist angesichts mancher Vorgänge hohe Zeit, daß wir Evangelische uns der Verpflichtungen gegen unsere Kirche und den engeren Kreis der Gemeinde viel mehr bewußt werden! Mögen am nächsten Sonntag recht viele Gemeindegenossen sich die kleine Mühe nehmen, ihren Wahlzettel abzugeben (fünf Namen muß er enthalten, die Austretenden können wieder gewählt werden), und möge die Wahl auf solche Männer fallen, welche ein Herz für unsre Kirche haben!
Calw, 13. Juli. Gestern abend ist ein junger Mensch bei der Walkmühle beim Baden ertrunken. Der Verunglückte ist der 16 Jahre alte Karl Volz,
Lehrling bei Sattler Bauer hier. Derselbe scheint bereits '/- Stunde im Wasser gelegen zu haben, als ihn Hr. Stäubli, Werkführer bei Hrn. Baumann mit Stangen herausholte. Sofort angestellte Wiederbelebungsversuche, namentlich durch Hrn. vr. Schiler, blieben leider erfolglos.
Calw. Die heute hier eingetroffene Abteilung des K. Bayerischen 5. Feldartillerieregiments, 2 Batterien (13 Offiziere, 148 Mann, 130 Pferde, 12 Geschütze), befindet sich auf dem Rückmarsch von den Schießübungen auf dem Lechfeld bei Augsburg nach der Garnison Landau in der Pfalz. Die Abteilung setzt Freitag morgen den Marsch nach Neuenbürg fort. Eine Batterie kam in Stammheim in's Quartier.
* Simmozheim. Bei der heute dahier stattgehabten Ortsvorsteherswahl haben von 188 Wahlberechtigten 165 abgestimmt. Stimmen erhielten: der bisherige Revisionsassistent Hilligardt von Neuenbürg 143, der geprüfte Verw.-Cand. Bär von Stuttgart 22.
— In Herrenberg brach am Montag früh 3 Uhr ein großer Brand aus, der 8 Haupt- und 7 Nebengebäude in Asche legte, 11 Gebäude wurden beschädigt. Der Schaden betrage etwa 52,000 Die Entstehungsursache ist unbekannt.
Fellbach, 11. Juli. Im nahen Schmiden wurden kürzlich den Pferden im Stalle eines Bauern an Hals und Ohren mehrere Schnitte beigebracht und die Kummetriemen abgeschnitten. Ein der That verdächtiger Taglöhner vom nahen R., der bei dem Bauern vergeblich um Arbeit nachsuchte, wurde in Haft genommen.
Nürtingen, 11. Juli. Die Freude der beiden Gesangvereine von Neuhausen a. F., deren einer einen ersten, der andere einen 2. Preis auf dem
p! » n«chdruck »ert»ten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
Jetzt öffnete der Diener die Thür, halb bewußtlos schloß Minnie Merle die Augen und dann raffte sie all' ihren Mut zusammen und begrüßte den Eintretenden, der mit ausgestreckter Hand auf sie zutrat, durch ein stolzes Neigen deS königlichen Hauptes, wobei sie sich erhob und, seine Hand ignorierend, ihre Rechte auf die Tischplatte stützte. „Herr Douglas, wie mir der Gesandte mitteilt,* sagte sie mit fester Stimme; „der Gesandte schreibt mir. Sie seien unser Beider Landsmann. Als solchen begrüße ich Sie, Herr DouglaS; in der Fremde ist die Bezeichnung „Landsmann* ein „Sesam öffne Dich" für Jeden, der sich dieser Empfehlung bedient. Bitte, nehmen Sie Platz — hier diesen Voltairesessel kann ich Ihnen bestens empfehlen*
Mit unnachahmlicher Grazie wies die Künstlerin auf den genannten Sitz, worauf sie ihren eigenen wieder einnahm und die Anrede ihres Gastes ermattete. Kein Zug der schönen Gesichts verriet die seelige Erregung, in welcher sie sich befand, und die Stimme klang hell und klar wie Glockenton.
Robert Douglas war wie verzaubert; er hätte die Augen schließen und immerdar der Stimme, die ihm so seltsam bekannt dünkte, lauschen mögen. Er begriff indes, daß er nicht länger stumm bleiben dürfe, wollte er nicht seinen Ruf als vollendeter Weltmann rinbüßen, und so raffte er sich auf und sprach seine Freude aus, die Künstlerin, die ihn doppelt stolz darauf mache, ein Sohn de» freien Amerika zu sein, begrüßen zu dürfen. Habe ihm doch der gestrige Abend gezeigt, daß die Lor- beettränze, die man einst Rachel gewunden, nicht mit dieser in» Grab gesunken seien
und daß eS eine Landsmännin gewesen, die die berühmte Französin überstrahlt, habe ihn mit stolzem Nationalgefühl erfüllt.
„Ah — demnach haben sie der gestrigen Vorstellung beigewohnt?* fragte die Schauspielerin halb fragend und anscheinend überrascht.
Fast bestürzt blickte er sie an — sollte er sich getäuscht haben — hatte sie ihn wirklich nicht bemerkt?*
„Ich hatte die Ehre, unfern Gesandten in di« Loge begleiten und Zeuge Ihres herrrlichen Spiels sein zu dürfen, gnädige Frau,* sagte er halb verwirrt.
„Ah — wirklich? Ich hatte noch nicht das Vergnügen unseren Gesandten persönlich kennen zu lernen; ich ermattete ihn heute zur Erledigung einiger lästigen Formalitäten.*
„Mein guter Stern hat mir durch die Verhinderung des Gesandten ein Glück verschafft, nach welchen Hunderte vergeblich schmachten,* bemerkie Douglas selbstgefällig „In Paris herrscht bittere Trauer über die Strenge, mit welcher Madame Orme allen Verehreren die Thür verschließt; wie werden die armen mich beneiden, wmn sie hören, daß zu meinen Gunsten eine Ausnahme von der strengen Regel gemacht worden ist!*
Die Schauspielerin mit kühnem, herausforderndem Blick anschauend, saß DouglaS ihr gegenüber, er siel indes aus allen Himmeln, als die Dame gelaffen und in einem Tone, welcher entschieden geringschätzig klang, entgegnet«:
„Ich habe genug von der Eitelkeit der Herren der Schöpfung und den Schlingen, welche dieselbe den Frauen legt, vernommen, um meine Gewohnheit außerhalb der Bühne als Einsiedlerin zu leben, zu rechtfettigen; wenn ich heute von meinem Grundsatz abwich, so geschah e» dem Repräsentanten Amerikas zu Liebe und ich habe Sie, Herr DouglaS, nur empfangen, well sie als Geschäftsträger de» Gesandten kommen. In feiner Karte verweist er mich auf Ihr« Mitteilung, um sein Ausbleiben zu ex»