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M 77.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw.
67. Jahrgang.
Ersch-int Dien « ll> g , D->nn«rrtag »nd Samitag. Die EimüliungSgebühr beträgt tm Bezirk und nächster Umgebung S Pig. die Aeile, sonst tr Psg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Kekannlrnachimg.
Bezüglich der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß unter das Verbot des Gewerbebetriebs im Umherziehen an Sonn- und Festtagen auch das Feilbieten von Eßwaren (Backwaren, Obst und dgl.) sowie von Blumen auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an andern öffentlichen Orten oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus fällt.
Der Verkauf dieser Gegenstände, sowie von andern als geistigen Getränken kann von den Ortsvorstehern einzelnen Personen für einzelne Sonn- und Festtage oder für einen bestimmten kurzen Zeitraum auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an andern öffentlichen Orten außer der Zeit des vormittägigen Hauptgottesdienstes, gestattet werden, worüber schriftliche Bescheinigung auszustellen ist.
Calw, 30. Juni 1892.
K. Oberamt.
Schönmann A.-V.
Die Ortsvorsteher
werden unter Bezugnahme auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 8. ds. Mts. (Min.- A.-Bl. S. 178), betr. den Geschäftsbetrieb der ausländischen Handlungsreisenden, angewiesen, die Ortspolizeidiener entsprechend zu instruiren und über den Vollzug Eintrag in das Schultheißenamtsprotokoll zu machen.
Calw, den 30. Juni 1892.
K. Oberamt.
Schönmann A.-V.
Samstag, den 2. Juli 1892.
Die Ortsvorsteher
werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Sportelverzeichnisse pro ult. Juni 1892 auf 1. Juli abzuschließen und im Auszug unter Anschluß der Sportelgelder hierher vorzulegen find. Sind Sporteln nicht angefallen, so sind Fehlurkunden einzusenden, deren Ausstellung auf Grund des zur Zeit geltenden allgemeinen Sportelgesetzes vom 16. Juni 1887 zu erfolgen hat.
Calw, 30. Juni 1892.
K. Oberamt.
Schönmann A.-V-
Die Gemeindebehörden
werden angewiesen, spätestens bis 7. Juli die Nachweisungen bezw. Fehlanzeigen über Regiehochbauarbeiten und getrennt von diesen die Nachweisungen bezw. Fehlanzeigen über Regietiefbauarbeiten für das letzte Quartal hierher einzusenden.
Calw, 30. Juni 1892.
K. Oberamt.
Schönmann A.-V.
Tages-Ueuigkeiten.
— Da die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche unter dem Viehstand des Landes einen sehr erheblichen Rückgang erfahren hat und die Seuche in der Hauptsache nur mehr in vereinzelten Gehöften sich zeigt, werden nach dem Amtsbl. d. Minist, d. Innern der H 3 der Ministerialverfüg. vom 27. Juli 1888, sowie die Bestimmungen der Zß 1—6 der Ministerialverf. vom 26. Jan. 1889, durch welche für die Rindviehtransporte der Viehhändler tierärztliche Gesundheitszeugnisse und ortspolizeiliche Bescheinigungen vorgeschrieben worden sind, außer Kraft gesetzt.
Wonnmientipreii »trrt«ljährlich in der Stadt ro Psg. und e« Psg. Träg-rlohn, durch die Post bezogen Mk. i. lä, sonst in gan, Württemberg Mk. 1. Sb,
— Das N. Tagbl. meldet vom Stuttgarter Wochenmarkt: Nun sind auch die ersten einheimischen Kartoffeln eingetroffen, und zwar Rosenkartoffeln von hier und gelbe von Münster am Neckar. Der Zentner kostet 7 ^ 50 A Italien hat ebenfalls die ersten Birnen gesandt, wobei als charakteristisch zu erwähnen ist, daß immer noch Bergamotbirnen vom vorigen Jahre verkauft werden. Unreife Nüsse für Konditoren werden nunmehr auch verkauft. Neben Heidelbeeren und Himbeeren bilden die Kirschen immer noch den Haupthandelsartikel; gestern und heute wurden wieder mehr als 900 Körbe zu Markt gebracht. Die Preise erhalten sich stets auf gleicher Höhe lind gehen jetzt auch -wohl nicht mehr herunter, da die Nachfrage aus dem Bayerischen Heuer eine besonders starke ist.
Urach, 28. Juni. Die durch vortreffliches Wetter begünstigte, im Bezirk in vollem Gang befindliche Heuernte liefert nach Menge und Güte ein solch erfreuliches Erträgnis, daß die anfänglich laut gewordenen Befürchtungen wegen möglichen Futtermangels vollständig verstummt sind. Auch die übrigen Futtergewächse, sowie auch Kartoffeln, Hopfen u. s. w., erfreuen sich infolge der zuletzt eingetretenen gründlichen Durchfeuchtungen eines üppigen Wachstums. Die Kirschen, welche Heuer aus der nächsten Umgebung, Dettingen, Neuhausen, Kohlberg u. s. w., zu Markt gebracht werden, kosten pfundweise 14 und zeichnen sich im Vergleich zum Vorjahr durchweg durch größeren Zuckergehalt aus.
Heidenheim, 30. Juni. Der König kommt mit Gefolge morgen früh 8 Uhr 15 Min. mit Extrazug von Ulm her hier an. Der Sonderzug wird zuvor in Mergelstetten kurz anhalten, um den Senior der. Industriellen des Brenzthales und Vorsitzenden
PP » Nachdruck »rrbatrn.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
V. Kapitel.
»Tante Elise — darf ich Dir helfen?" rief Regina's frische Stimme, während i>er schöne hübsche Kopf durch den Thürspalt ins Fremdenzimmer des Pfarrhauses lugte.
„Was fragst Du denn erst lange, kleine Hexe — komm' nur immer herein," rief Frau Lindsay freundlich.
Lächelnd flog Regina der Dame an den Hals; Frau Lindsay blickte das Mädchen strahlenden Blickes an und sagte dann erstaunt:
„Ei, Regina — Du scheinst wirklich mit Zaubern im Bunde zu stehen — woher hast Du denn den herrlichen blühenden Flieder? Gestern waren doch sämmtliche Knospen noch fest geschlossen." ,
„Und heute sind dieselben aufgeblüht, damit Sie das Zimmer unseres lieben Heimkehrenden schmücken können," lachte Regina triumphierend, während sie die auf dem Kaminsims stehende Blumenschale mit den duftenden Fliederzweigen füllte und zugleich mit geschickter Hand eine derselben um Frau Lindsay's noch volle Haarkrone schlang. Die Dame ließ es geschehen, indem sie lächelnd sagte: „Du wirst mich auf meine alten Tage noch eitel machen, Kind — was wird Percy sagen, wenn er seine Mutter gleich einer jungen Schönheit geschmückt sieht?"
„Er wird cs ganz natürlich finden, daß seine Ankunft ein Fest für das ganze HauS ist," erklärte Regina ernsthaft; ,o wie ich mich freue, ihn wiederzusehen! Ich kann ihm nie dankbar genug für seine Freundlichkeit gegen das fremde Kind sein," fuhr sie in tiefer Bewegung fort; „Gott segne sein gutes Herz."
«Ja, Gott segne ihn," nickte Frau Lindsay, unter Thränen lachend; „ist er doch mein Ein und mein Alles."
„Wie lange wird er hier bleiben?" fragte Reqina lebhaft.
„Das war noch nicht bestimmt, als er zuletzt schrieb, doch hoffe ich immer, wir werden ihn etliche Monate behalten dürfen. Ach, wenn er nur nicht nach England reisen müßte; ich sehe ja ein, daß es zur Vollendung seiner Studien nötig ist, aber wenn ich denke, daß Meere uns trennen sollen —"
„Aber Tante, so sage ihm doch, er solle in Amerika bleiben — Du bist doch seine Mutter und er war Dir stets ein gehorsamer Sohn."
„Ja, Regina, und gerade weil er das war und ist, lasse ich ihm nun, da er ein Mann geworden, vollständig Freiheit. Er weiß, was er thun und lasten muß und wenn er es für seine Pflicht erachtet, nach England zu gehen, so ist es entschieden das Rechte."
„Ach, das will ich ja gerne glauben, aber es thut mir so leid, daß er nicht immer hier bleiben will. Später geht er zu den Heiden, um sie zu bekehren und"
„Nun — damit hat's noch gute Weile," fiel eine sonore Männerstimme dem Mädchen in's Wort und im nächsten Augenblicke schlangen sich Percy Lindsay's Arme um seiner Mutter Nacken."
„O Percy — das ist eine freudige Überraschung." rief Frau Lindsay, endlich den Sohn aus den Armen lastend; „wir erwarteten Dich gegen Abend."
„Ja, ich wollte Euch überraschen, deshalb nannte ich die Stunde meiner Ankunft nicht. Nun, Regina — aber wo ist Sie denn hingekommen?' unterbrach sich Percy Lmdsay erstaunt, als er bemerkte, daß das Kind verschwunden war.
„Sie hat sich entfernt, um uns nicht zu stören - sie ist unendlich zartfühlend," sagte Frau Lindsay; „hast Du Deinen Onkel schon gesehen, Percy?"
Regina's äußere Erscheinung hatte in den 18 Monaten ihres Aufenthalts in der Pfarrei nichts von ihrer Lieblichkeit und Anmut verloren. Sie war bedeutend