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gegeben werden, welche nachher von den betr. Wirten, wo sie verausgabt wurden, wieder eingelöst werden. Für bei Brandfällen und Uebungen zu Schaden gekommene Feuerwehrleute mußten seitens der Centralkaffe für das Vorjahr etwa 1000 hieher ausbezahlt werden.
* Calw, 14. Juni. Gestern nacht wurde hier von der Polizei ein Knabe aufgegriffen, der auf der Straße übernachten wollte. Auf Befragen gab derselbe an, er sei von Sulz a. N. und seinem Vater wegen schlechter Behandlung am letzten Freitag entlausen; er heiße Wilhelm Keck und sein Vater sei Bahnwärter. Er trug einige badische Schulbücher bei sich, auch weist seine Sprache eher nach Baden als nach Württemberg, so daß seine Angaben etwas zweifelhaft scheinen. Ueber seinen bis hieher gemachten Weg und seinen Aufenthalt äußerte sich der 10jährige Flüchtling nicht.
— Seit Menschengedenken ist kein so schweres Gewitter über Stuttgart hereingebrochen, schreibt das N. Tgbl., wie das am gestrigen vormittag (Montag); Blitz und Donner folgten sich Schlag auf Schlag, das Firmament war mit Gewölk so dicht behängen, daß wegen des herrschenden Dunkels allenthalben in den Geschäftsräumen und Privatzimmern Licht angezündet werden mußte. Naturgemäß knüpften sich an das Unwetter die schauerlichsten Gerüchte über die stattgehabten Beschädigungen. In der Stadt selbst hat glücklicherweise der Blitz nur in ein Kamin eingeschlagen, ohne irgend einen Schaden anzurichten!; außerdem wurden einige Personen durch den grellen Schein etwas geblendet; sie haben jedoch meist ihre Sehkraft heute schon wieder vollständig erlangt. Die großen Waffermassen haben namentlich an den Weinbergen viel Boden abgeführt; sonst ist der angerichtete Schaden erfreulicherweise nicht bedeutend. Die elektrischen Entladungen haben eine sehr bedeutende Abkühlung gebracht; heute früh 8 Uhr hatten wir nur noch 14 "6. Wärme.
— Bei dem am Sonntag stattgehabten Rennen in Weil stürzte Graf v. Zeppelin I vom 20. Ulanenregiment und erlitt eine schwere Hirnerschütterung. Er wurde in's Katharinenhospital gebracht.
Feuerbach, 13. Juni. Diesen Morgen zog in der Richtung von Weilimdorf über Feuerbach hin ein sehr schweres Gewitter. Zweimal schlug der Blitz ganz in der Nähe des Orts in südwestlicher Richtung ein, ohne jedoch zu zünden. Das Gewitter ging glücklicherweise ohne jeglichen Schaden vorüber.
Cannstatt, 14. Juni. Gestern Abend wurde die Leiche eines ca. 18 Jahre alten Mannes und heute früh diejenige eines jungen Mädchens bei der Militärschwimmschule aus dem Neckar gezogen. Die Persönlichkeiten konnten bis jetzt nicht festgestellt werden.
Möhringen, 13. Juni. In der Nacht vom letzten Freitag auf Samstag wurden von bubenhafter Hand 2 hiesigen Bürgern, Karl Grundier, Oekonom, und Christian Frank, Bauer, ca. 140 Hopfenstöcke abgeschnitten. Ein Racheakt liegt hier vor; möge es gelingen, diesen elenden Buben zu ermitteln, damit er der verdienten Strafe nicht entgeht!
Vom unteren Remsthal, 12. Juni. Die herrliche Witterung bringt in den Weinbergen mächtige Fortschritte hervor; in allen Lagen sieht man blühende Trauben und bis Ende nächster Woche wird voraussichtlich der „Traubenblühet" allgemein sein. Trauben giebt es indes nicht besonders viel. — Die letzten Regen zeigen ihre Wirkung allenthalben an den Brach- und Futtergewächsen, deren Stand keine Futterarmut mehr voraussehen läßt; auch die Fruchtfelder stehen schön; Roggen hat bereits verblüht, Dinkel und Gerste zeigen ihre Aehren. Nichts zu wünschen übrig lassen die Kartoffeln, besonders zeigen die neueingeführten Sorten schönen, gesunden Wuchs, so daß sie bereits behäufelt werden. Die Obstaussichten sind nicht glänzend.
Reutlingen, 11. Juni. Nur noch wenige IPochen trennen uns von den Tagen des Lieder- ^festes des schwäbischen Sängerbundes und immer mehr treten die Vorbereitungen zu demselben auch äußerlich in die Erscheinung und giebt sich in den weitesten Kreisen der hiesigen Bevölkerung jene teilnehmende Bewegung kund, welche zur gelungenen Durchführung einer derartigen großen Festlichkeit unerläßlich notwendig ist. Schon sind die Arbeiten für die Bauten auf dem Festplatz in Angriff genommen und ragen insbesondere die hohen Giebel der Sängerhalle aus dem weiten Plan empor. Die Wirtschaftsführung in der großen Festhalle wurde dem Wirt der L'ederhalle in Stuttgart W. Roßnagel übertragen. Zu dem am Sonntag den 10. Juli abends hier stattfindenden Festbankett haben der Stuttgarter Liederkranz und der Gutenbergverein von da, ferner die Liederkränze von Eßlingen und Gmünd und die Liederhalle Pforzheim Einzelvorträge hervorragender neuerer Kompositionen des deutschen Männergesangs zugesagt. Durch die Einführung strengerer Kontrolbestimmungen für die Gesamtaufführungen ist eine allgemeine Beteiligung der Sänger zu erwarten, wodurch deren Wert und Bedeutung gegen früher wesentlich gewinnen dürfte. Unter diesen werden die Altniederländer Volkslieder von Kremser, vorgetragen von 15—20 auserlesenen Vereinen mit vollem Orchester (Harmonium und Harfe) und unter Mitwirkung des Hofopernsängers Karl Lang (Tenor) in Karlsruhe, eine hervorragende Stellung einnehmen. Die Gesamtzahl der angemeldeten Vereine ist inzwischen aus 120 mit rund 4100 Sängern gestiegen. Durch Ueber- lassung zahlreicher Privatquartiere wird allen Anforderungen an eine gute Unterbringung der Festgäste entsprochen werden können und sich die Gastfreundschaft unserer Stadt aufs neue bewähren.
Vom Bezirk Marbach, 13. Juni. In Erdmannhausen traf den Landwirt G. Kleinknecht ein bedauernswertes Unglück. Derselbe besitzt ein Stutenpferd mit einem 3 Wochen alten Fohlen. Da das Muttertier sehr besorgt um sein Junges ist und sich nicht nahe kommen lassen will, so mußte der gen. Züchter durch einen eigenen Zugang dem Pferde sein Futter zuschieben. Plötzlich biß das Pferd nach dessen Arm und riß ihm diesen bis auf etliche Fasern vom Leibe.
Laupheim, 12. Juni. Bei dieser anhaltend
günstigen Witterung schreitet das Wachstum der Pflanzen ungemein rasch voran. Klee und Gras in reichster Fülle; auch die Frucht steht prachtvoll auf den Feldern und verspricht reichlichen Ertrag. Obst, besonders Aepfel, giebt es in Menge. Allen Anzeichen nach steht ein gesegnetes Jahr in Aussicht.
Leutkirch, 12. Juni. Vorgestern fand man auf der Straße gegen Reichenhofen einen Mann, der fast bewußtlos im Blute auf der Straße lag. Wie es sich herausstellte, wollte derselbe in einem bei Arnach gelegenen Weiler mit seinem leeren Heuwagen heimfahren, als die Pferde scheuten, und er dabei zu Fall kam. Hilfe war bald zur Stelle und der Knecht wurde in das hies. Spital verbracht.
— Aus Tettnang, 12. Juni schreibt man d. N. Tagbl.: Diesen Morgen gegen 8 Uhr zog ein Gewitter vom Bodensee her über unsere Stadt. Unter heftigen Blitzen und Donner entwickelte sich dasselbe mit großer Heftigkeit. Um 8'/« Uhr schlug der Blitz in das Haus des Gerbermeisters Schnee hier. Dank dem raschen Eingreifen der hiesigen Feuerwehr konnte das Feuer bewältigt werden, so daß nur der Dachstuhl und die Mansardenwohnung abbrannten; doch wurde das Gebäude durch die Wassermassen sehr verdorben. Der Blitz schlug noch gleichzeitig in die Telegraphenleitung Tettnang—Wangen bei Baumgarten und zerstörte dieselbe auf eine Strecke.
Bingen, 12. Juni. Inden Weinbergen der hiesigen Gemarkung sind sämtliche Traubensorten vollständig in Blüte. Die Stöcke sind alle rein, ohne Ungeziefer. Verschiedene Lagen haben schöne Ansätze. Im allgemeinen ist der Nebenstand sehr befriedigend. Die Weinberge sind gegen voriges um 14 Tage voraus.
— Die Luftschifferin Corell-Großmann, welche in Berlin aufgefahren war, stürzte bei Schloß Weißensee vom Fallschirm ins Wasser und erlitt schwere innere Verletzungen. Sie verstarb auf dem Transport ins Krankenhaus.
Zürich, 13. Juni. Gestern Vormittags 9 Uhr ermordete mit einem Transchirmesser durch einen Stich ins Herz eine Frau Burg, in der Niederdorfstraße dahier wohnend, ihren Ehegatten Adolf Burg, Lokomotivführer der Nordostbahn, im Augenblicke, als er am Tische sitzend die Zeitung las. Dann schrieb sie, nachdem der Tote zu Boden gesunken war, einen 4seitigen Brief, worin sie alle Motive der That aufzählte, und stellte sich hierauf als Mörderin der Polizei. Die Frau hatte früher in Basel gewohnt und war bereits dort von einem Manne geschieden worden.
Madrid, 14. Juni. Gestern Abend fand in Barcelona unter freiem Himmel eine Arbeiterversammlung statt, woran 30 000 Ausständige teilnahmen. Aufreizende Reden wurden gehalten. Die Arbeiter durchzogen die Stadt mit dem Rufe: Nieder mit den Kapitalisten! General Blanco veröffentlichte eine Proklamation, worin erklärt wird, das Militär werde im Falle der Wiederholung der Unruhen die Feuerwaffen gebrauchen.
„Wie flehend die dunklen Augen ihn anblickten — dennoch antwortete der Pfarrer nicht sofort. — „War ich zu kühn?" frug Minnie unsicher und leise.
„Nein — Frau Douglas — ich habe nur die Gewohnheit, jeden Entschluß reiflich zu überlegen — hätte ich dies vor vier Jahren gethan, dann wäre Ihnen viel Kummer erspart worden. Ich kann mich von dem Vorwurf, Ihr Unglück mit verschuldet zu haben, nicht freisprechen; was ich thun kann, um Ihnen dasselbe tragen zu helfen, thue ich gxrn und freudig, und so bitte ich Sie, mir Ihr Kind zu schicken, wann es Ihnen wünschenswert erscheinen sollte, — so Gott mir helfe, will ich es treulich hüten."
„Tausend Dank und nun noch Eins — Niemand darf erfahren, was wir soeben besprochen."
„Niemand," sagte der Pfarrer feierlich.
„Ich führe eben einen andern Namen — ich muß es um unserer Sicherhett willen thun und auch mein Kind darf einstweilen nicht erfahren, wer sie ist und wie sie heißt."
„Auch dem Kinde gegenüber werde ich schweigen."
Der Pfarrer begleitete seinen Gast durch daS stille Haus und das Vorgärtchen bis zum Thor, wo ein Wagen hielt; bevor Minnie Douglas indes denselben bestieg, sagte sie nochmals innig und leise:
.Tausend Dank für Ihre Güte und wenn ich sterben sollte, sorgen Sie für mein Kind."
„So Gott mir helfe — leben Sie wohl, Gott schütze Sie auf Ihrem einsamen, dornenvollen Pfade!"
Die Pferde zogen an und der Pfarrer kehrte traurig in's HauS zurück.
II. Kapitel.
A« nächste« Morgen hatte sich de» Sturm gelegt und starker Frost hatte sich
eingestellt. Dagegen scholl in früher Morgenstunde aus Hannah's Kehle lautes Geschrei durch das stille Pfarrhaus; mit einem Besen in der Haud stürmte die alte Dienerin von Zimmer zu Zimmer und schrie überlaut:
„Diebe! Einbrecher! Räuber!"
Der Pfarrer, welcher erst gegen Morgen eingeschlummert war, fuhr verwirrt auf, als das Rufen an sein Ohr schlug; im nächsten Augenblick pochte Hannah heftig an seine Thür, sich hastig ankleidend, rief der Pfarrer bestürzt:
„Was giebt's denn, Hannah — doch hoffentlich kein Erdbeben? Oder ist Jemand erkrankt?"
„Wer weiß, was noch geschieht," knurrte Hannah; „einstweilen ist ein Einbruch verübt worden und die silberne Theekanne fehlt!" Das kommt von den Geheimnissen verschleierter Damen und —"
„Beruhige Dich, Hannah," rief Frau Lindsay, die zugleich mit ihrem Bruder ihre Thüre öffnete und auf den Hausflur trat; „die Theekanne habe ich gestern Abend noch in den Schrank gestellt — hier ist dieselbe."
Hannah blickte grimmig auf die Theekanne, während Frau Lindsay herzlich lachte und der Pfarrer, der sich inzwischen ziemlich erfolglos bemüht hatte, Björn seine Pantoffeln abzujagen, fragte unruhig:
„Hannah — ist noch was geschehen — Du siehst so verstört aus."
„Na, ich möchte wissen, ob's nicht Jedem so ginge, wenn er ins Zimmer käme und sähe die Unordnung, die ich heute in der Bibliothek gefunden habe?" brummte Hannah. Das Fenster war geöffnet — etliche Stühle lagen umgeworfen auf dem Teppich und die Tinte floß lustig auf dem Tisch herum. Aber natürlich ich bin nur eine alte, alberne Person und das nächste Mal schweige ich mäuschenstill, wenn's- auch noch schlimmer aussieht."
(Fortsetzung folgt.)