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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw.
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Ersch-tnt Die» « l» z , Donnerrt»- »nd Samltag. Die Etneücku,,,-gebühr betrSgt im »e,irk und niichster Umgebung S Pfg. bi- Aetle, sonst I« P!g.
Donnerstag» den 16. Zum 1892.
LbsnnementSpret» virrtßljährltch ln der Stadt *0 Pfg. und 80 Pfg. TrSgerlohn, durch die Post biogen Mk. 1. 1V, sonst i» ganz Dürttemderg ML. 1. 8b.
Amtliche Zrekanntmachunge«.
Bekanntmachung.
Nachstehender Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 30. v. M. im Minist.-Amtsblatt von 1892, S. 149 ff, von welchem ein Abdruck den Gernemdepflegern des Bezirks zur genauen Befolgung zugehen wird, wird hiemit zur öffentlichen Kenntnis; gebracht.
Calw, den 14. Juni 1892.
K. Oberamt.
Schönmann A.-V.
Erlaß des Ministeriums des Innern, betr. die Auslegung des 8 0 Abs. 2 lit. Ir der Vollziehungsverfügung vom 28. Okt. 1800 <Reg.-Bl. S. 280) zu dem Gesetze vom 23. Mai 1800 über die Kommunal- Lesteuerung des Hausiergewerbe- betriebs (Reg.-Bl. S. 100).
Nach Art. 2 des Gesetzes vom 23. Mai 1890 ist von denjenigen Personen, welche ein nach Artikel 09 Ziffer 4—7 des Gesetzes vom 28. April 1873 der Wandergewerbesteuer unterliegendes Gewerbe (Hausiergewerbe) betreiben und hiefür zur Staatssteuer mit einem Steuerkapital von 100 ^ und mehr eingeschätzt sind, in jedem Oberamtsbezirk, auf welchen sie ihren Gewerbebetrieb ausdehnen, vor Beginn des Betriebs in diesen Bezirken eine Abgabe an die Amtskörperschaft (Ausdehnungsabgabe) zu entrichten, welche den fünften Teil der ihnen angesetzten Staats- stsuer, wenigstens aber 40 beträgt.
Nun ist neuerdings die Wahrnehmung gemacht worden, daß in irriger Auffassung der Bestimmung in Z 9 Abs. 2 lit. d der eingangs angeführten Vollziehungsverfügung als Ausdehnungsabgabe da und
dort in Fällen, in welchen von einem Hausiergewerbetreibenden erklärt worden ist, in dem betreffenden Oberamtsbezirk den Hausirbetrieb auf einen Zeitraum von nicht mehr als 14 oder 30 Tagen erstrecken zu wollen, nicht der fünfte Teil aus dem vollen — in den Urkunden über die Beiziehung zur Staats- gewerbesteuer eingetragenen — Staatssteuerbetrag, sondern ein Fünftel aus der Hälfte oder dem vierten Teil dieses Staatssteuerbetrages angesetzt worden ist.
Dieses Verfahren, welches die Ausdehnungsabgabe für Einen Oberamtsbezirk von dem fünften auf den zehnten beziehungsweise zwanzigsten Teil der angesetzten Staatssteuer herabsetzt, ist dem Gesetze nicht entsprechend.
Die Ausdehnungsabgabe ist vielmehr nach dem Gesetz, Art. 2, und der Vollziehungsverfügung, Z 9 Abs. 2 lit. a, stets auf den fünften Teil des in den Urkunden (Wandergewerbeschein, Gewerbesteuerschein, Steuerzeugnis — siehe Z 8 der Vollziehungs- Verfügung —) eingetragenen Staatssteuerbetrages, mindestens aber auf 40 ^ für jeden Oberamtsbezirk festzusetzen, ganz ohne Rücksicht darauf, wie lange der Wandergewerbebetrieb in dem einzelnen Bezirk ausgeübt wird, wäre dies auch nur einen oder einige Tage der Fall.
Die Bestimmung in Z 9 Abs. 2 lit. d der Vollzugsverfügung berührt die Zeitdauer, während welcher in den einzelnen Oberamtsbezirken der Wandergewerbebetrieb ausgeübt wird, lediglich nicht, sondern hat nur solche Fälle im Auge, in welchen der steuerbare Betrieb innerhalb des Königreichs überhaupt auf einen Zeitraum von nicht mehr als 14 oder 30 Tagen sich erstreckt und daher nach gesetzlicher Vorschrift nur der vierte Teil oder die Hälfte des auf ein volles Jahr entfallenden Steuerbetrages als Staats st euer anzusetzen ist.
Nach Vorstehendem haben sich die eingangs erwähnten Behörden zu achten.
Stuttgart, den 30. Mai 1892.
K. Ministerium des Innern, (gez.) Schmid.
Tages-Ueuigkeiien.
Calw. Am Montag hielt die Freiw. Feuerwehr eine Generalprobe ab, die mit der Musterung der Geräte und Mannschaften auf dem Brühl begann, während die Probe mit den Spritzen auf dem Marktplatz stattfand. Bei der nachfolgenden Generalversammlung im bad. Hof standen Fragen, welche eine Beratung erheischten, nicht zur Tagesordnung. Die Mitgliederzahl ist mit den Neueintretenden auf der Höhe des Vorjahrs geblieben. Der Vermögensstand weist eine kleine Zunahme auf. Interesse boten die vom Kommandanten, Hrn. E. Georgii, und dem Schriftführer, Hrn. Verw.-Akt. Staudenmeyer, vorgetragenen Anstände des Hrn. Bezirksfeuerlöschinspektors. Hienach wurden mehrere Requisiten neu beschafft und schließlich die Frage erwogen, statt einiger notwendigen Leitern, die als vorzüglich bekannte mech. Schiebleiter von Magirus in Ulm anzuschaffen, welche 1500 kosten würde. Allgemein war man in der Versammlung der Ansicht, daß diese neue Schiebleiter in unseren Verhältnissen, z. B. in den engen Straßen und in den steilen Gäßchen wenig nutzbringende Verwendung fände. Hr. Verw.-Akt. Staudenmeyer brachte zum Vorschlag von der Schiebleiter abzusehen mit Rücksicht auf die bald notwendig werdende Anschaffung einer neuen, leicht gehenden Saug- und Druckspritze. Dieser Ansicht wurde allgemein beigepflichtet. Die bisherige Art der Abgabe von Getränken bei Brandfällen brachte der Kasse allzugroße Kosten und sollen künftig an die Mannschaften Marken aus-
H. Nachdruck »erböte».
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
„Um denselben besser zu hüten — ich hoffe, den Ring dereinst auch offen tragen zu dürfen. Der Agent, den der General Douglas mir sandte, verlangte auch die Herausgabe des Ringes, der ein Erbstück sei und nur von einem Glied der Familie Douglas getragen werden dürfe! Ha! ha! ha! Er bot mir allein 500 Dollars für den Ring, aber derselbe ist mir nicht feil — er dürfte aus Blei oder Messing sein, ich würde ihn eben so Hochhalten — verbürgt er doch meinen guten Namen und daS Anrecht meines Kindes."
„Und wo ist Ihre Heimat?" fragte der Geistliche, als die Fremde der Thür zuschritt.
„Heimat? Ich habe keine Heimat! Ich schweife unstät und flüchtig von Ott zu Ort."
„Haben Sie keine Verwandte?"
„Nur einen Onkel, doch lebt er in Kalifornien."
„Sorgt der General Douglas für Sie?"
„Nein; vor drei Jahren ließ er mir durch seinen Agenten freie Fahrt nach San Franziko und 10,000 Dollars anbieten, wenn ich mich verpflichten wolle, keinerlei Ansprüche an meinen Gatten zu erheben und die Familie DouglaS überhaupt nie wieder zu „belästigen!" Wäre ich ein Mann gewesen, dann hätte ich den Agenten erdrosselt! Seitdem hat jede Verbindung zwischen uns aufgehött und meine Briefe an meinen Gatten kamen uneröffnet zurück."
„Aber mein Gott — wovon leben Sie denn?" frug Doktor Hargrowe.
Minnie Douglas richtete sich stolz auf und versetzte:
„Das, Herr Pfarrer, ist mein Geheimnis."
„Frau DouglaS," sagte der Pfarrer sanft, „ich wollte Sie nicht verletzen. Sie sind so auffallend schön und so innig, daß Ihnen mancherlei Versuchungen nahe treten müssen und —"
„O, fürchten Sie nicht für mich", rief Minnie schnell besänftigt; „der Gedanke an mein Kind hat mich gefeit gegen Alles, was mir entgegentreten könnte! Es ist schlimm genug für meine arme Kleine, daß sie des Vaters sich schämen muß — ihrer Mutter Ehrenfeld soll dafür um so reiner bleiben, so war mir Gott helfe!"
„So bitte ich Sie um Ihres Kindes willen, eine kleine Beihülfe von mir annehmen zu wollen," sagte der Pfarrer fast schüchtern indem er der jungen Frau einen altmodischen Geldbeutel, den er aus einem Schubfach genommen, bot — durch die Maschen des seidenen Gewebes blitzten Goldstücke. Anstatt indes den Beutel zu ergreifen, schlug Minnie die Hände vor's Gesicht und brach in Thronen aus. Schon fürchtet« der Pfarrer, sie gekränkt zu haben, aber als sie jetzt aufsah und ihre zuckenden Lippen hastig auf seine Rechte drückte, war er beruhigt.
„Verzeihen Sie mir", bat sie dann, „es ist so lange her, daß Jemand gütig gegen mich war und so hat Ihre Freundlichkett mich überwältigt. Das Geld kann ich nicht annehmen, aber eine Bitte möchte ich dennoch an Sie richten. Ich bin über meine Zukunft noch nicht im Klaren, eS könnte aber kommen, daß ich mein Töchterche» auf längere Zeit verlassen müßte. Darf ich, wenn dieser Fall eintreten sollte. Ihnen meine Kleine schicken? Kosten würde sie Ihnen nicht verursachen, nur Liede und Pflege würde sie von Ihnen erbitten und ich weiß, Sie würden Sie hüten, wir Ihren Augapfel!"