300

den auswärtigen Gästen die bürgerlichen Collegien und der Lehrer des Orts sich beteiligten, wurde bei Wirt Schönhardt abgehalten. Den ersten Trink­spruch brachte Herr Oberamtmann Hofmann von Neuenbürg auf S. M. den König aus, wobei er die Gemeinde der wohlwollenden Teilnahme der K. Staats­regierung versicherte, auch ihr zu den großen Kosten, die sie aufgewendet, einen entsprechenden Staatsbei- träg in Aussicht stellen konnte. Andere Tischreden folgten, indem besonders auch dem Herrn Ingenieur Kröber der verdiente Dank der Gemeinde bei diesem Anlaß ausgesprochen wurde. Auch die poetische Leistung eines Mannes aus dem Volk, dem man es kaum glauben mag, daß er aus Anlaß des Unter- lengenhardter Wasserfestes zum erstenmal den Pegasus will bestiegen haben, fand allgemeinen Beifall. Mit den Reden wechselten Gesänge eines auswärtigen Ge­sangvereins, der damit einen recht dankenswerten Bei­trag zum Fest in freundlichster Weise gegeben hat; und draußen auf der Wiese, unter dem grünen Dach der Obstbäume, hatte die Musik ihren Standort ge­wählt, und ließ ihre Weisen ertönen in Mitten einer fröhlicher Menge. Nach Beendigung des Festmahls bei welchem auch der Küche der Frau Schönhardt alles Lob gespendet werden mußte, nahm das Fest seinen weiteren Verlauf. Die Schuljugend wurde mit Festgaben erfreut; die Hydranten, deren 7 im Ort angebracht sind, wurden einer Probe unterzogen, wobei man sich überzeugen konnte, daß die Gemeinde Unterlengenhardt, nachdem ihre Wasserleitung in so wohlgelungener Weise ausgeführt worden, hinfort einer Feuerspritze kaum noch bedarf; die an die Hy­dranten angefügten Schläuche, mit denen jedes Haus im Ort erreichbar ist bis in den höchsten Giebel hin­auf, ersetzen sie vollständig. Gesellige Unterhaltung, die durch keinen Mißklang gestört wurde, füllte den Rest des Tages aus, der auch dem Wirte im Unter­dorf, Kübler, eine über Erwarten zahlreiche Ein­kehr gebracht hat. Möge die neuerstellte Wasserleit­ung der Gemeinde Unterlengenhardt für alle Zukunft sich als ein Segen erweisen, und der Tag, den sie zur Einweihung des vollendeten Werks gefeiert hat, dem jetzt lebenden Geschlecht in freundlicher Erinner­ung bleiben. -

Von Hrn. Schullehrer Wurst in Sim- mozheim werden wir ersucht, die Correspondenz über die Abschiedsfeier des Hrn. Schultheiß Siegel dahin richtig zu stellen, daß der dortige Gesangverein weder bei der Abschiedsfeier noch bei der Begleitung zum Bahnhof beteiligt war. (Wie man uns mitteilt, komme der Feuerwehr die Anerkennung für jene gesang­lichen Leistungen zu.)

Stuttgart, 9. Juni. (Landgericht.) Wegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahntrans­ports hatte sich zu verantworten der 33 Jahre alte verheiratete Weichenwärter Karl Lud.Gaßmann hier, gebürtig von Bissingen a. Enz. Es war ihm zur Last gelegt, durch Vernachlässigung der ihm obliegen­

den Pflichten und vorschriftswidriges Verhalten am 14. März d. Js. abends auf hiesigem Bahnhof den Zusammenstoß der beiden LokomotivenKinzig" und Gaildorf" verschuldet zu haben, indem er vorschrifts­widrig eine zum Rangieren ausfahrende Heizmaschine Cannstatt'/ nicht begleitete und es unterließ, sich rechtzeitig vom Freisein der Geleise zu überzeugen. Der durch den Zusammenstoß entstandene Schaden, für welchen der Angeklagte auch zivilrechtlich haftet, beträgt an Material ca. 300 und am Geleise ca. 93 Die Strafe lautete auf 10 Tagen Ge­fängnis.

Eine in der Höhe recht angemessene Strafe erhielt der 18 Jahre alte Gottlieb Blantz von Weilimdorf vor dem Landgericht in Stuttgart. Der­selbe hatte auf dem Friedhofe seines Heimatorts eine Anzahl Grabsteine umgestürzt und zum Teil zer­trümmert. 8 Monat Gefängnis ist die Strafe für diese bodenlose Rohheit.

Die elektrotechnische Fabrik von W. Reiser in Stuttgart stellt jetzt elektrische Beleuchtung für Hotelwagen her. Die damit vorgenommenen Probe­fahrten sind durchaus befriedigend ausgefallen.

Winnenden, 10. Juni. Die Einheimsung der Frühkirschen ist hier, sowie in Breuningsweiler, Hanweiler in vollem Gange. Der Ertrag ist ein reichlicher. Bereits sind auch Händler von Neuen­bürg und Nördlingen eingetroffen. Im Engrosver­kauf werden 1015 ^ per Kilo bezahlt; ausge­wogen 1218 Dank der ausgezeichneten

Witterung haben sich unsere Weinberge sehr schön entwickelt: der Früchteansatz ist ein reichlicher; blühende Trauben gehören nicht mehr zu den Seltenheiten.

Oberndorf a. N., 9. Juni. Ein gräß­licher Unglücksfall ereignete sich heute Morgen in der hiesigen Waffenfabrik. Bei dem auf ihre Festigkeit unternommenen Probeschießen der neu herge­stellten Gewehrläufe geschah es, daß einem dabei be­schäftigten Arbeiter eine Hand vollständig verstümmelt und die Finger der andern Hand schwer verletzt worden sind. Wie man hört, soll das Abfeuern der in großer Zahl eingsspannten und zu gleicher Zeit abzufeuernden Gewehrläufe unzeitig erfolgt sein, so daß sich der Verletzte nicht mehr retten konnte.

Thalheim, O.-A. Tuttlingen, 10. Juni. Zur allgemeinen Freude der hiesigen Einwohner wird am 18. d. M. S. Hoheit der Prinz Herrmann von Sachsen-Weimar am Sarge des Dichters der Wacht am Rhein, unseres Landsmannes, einen Kranz niederlegen. Diesem hohen Besuch zu Ehren wird gegenwärtig die Gruft, worin die Gebeine Schnecken­burgers in einem eisernen Sarge ruhen, in würdiger Weise hergerichtet. Leider ist es nicht gelungen, die Einfassung der ausgemauerten Gruft, sowie das eigentliche Grabdenkmal bis zum 18. Juni ds. Js.. fertig zu stellen. Von den Deutschen Burgdorfs in der Schweiz, sowie aus Colorado in Nordamerika

. ^

' 5-,-tz. . i-

hat am Pfingstmontag die Gemeinde Unt^rleAgLn- h ardt gefeiert. Es galt der glücklichen Vollendung der neuerbauten Wasserleitung, über die früher schon berichtet worden ist. Ingenieur Kröber aus Stuttgart, der die Gemeinde bei Ausführung des Werks beraten, die Pläne und Zeichnungen gefertigt und in der nach seiner reichsgesetzlich geschützten Er­findung gefertigten Maschine, die Motor und Pump- Apparat zugleich ist, das Wichtigste zum Gelingen des Unternehmens beigetragen hat, war selbst zugegen bei der Feier, zu der die Gemeinde Unterlengenhardt zahlreichen Besuch von auswärtigen ' Gästen, auch manchen Vereinen, bekommen hat. Noch nie hat der Ort einen solchen Tag gesehen, nie eine solche Menge von Menschen beherbergt; daher denn auch das kleine Dorf durch Errichtung von Ehrenpforten, durch Be- kränzung der Häuser, durch Fahnen, die von den Dächern wehten, ein ganz außerordentlich festliches Ansehen schon zum Voraus sich gegeben hatte. Um diese Zurüstungen zum Fest hat sich auch Schullehrer Haasis ganz besondere Verdienste erworben. Vom Regen zeitweise bedroht hat die Feier dennoch einen ganz ungestörten, schönen Verlauf genommen. Nach einem Umzug durch das langgestreckte Dorf, der unter den Klänge» der Calwer Kapelle (Direktor Speidel) ausgeführt wurde, langte der stattliche Festzug beim Hochreservoir im nahen Walde an, von der Menge der sonstigen Festteilnehmer dort erwartet, wo sodann auch, nachdem noch der ChoralLobe den Herren" geblasen worden, die Festrede gehalten wurde. Sie hob hervor, wie wichtig die Versorgung mit gutem Ouellwasser für eine Gemeinde ist, schilderte die bis­herige Wassernot der Einwohner von Unterlengenhardt, betonte teils den Fortschritt menschlicher Wissenschaft und Technik, wodurch es möglich geworden ist, das Wasser, das in der Tiefe der Thäler entspringt, auf die Höhe der Berge mühelos hinaufzuleiten, teils die Opferwilligkeit der Gemeinde, die für ein gemeinnütziges Unternehmen so große Kosten aufgewendet hat und hierinnen Nachahmung seitens anderer Gemeinden ver­dient, und schloß mit Segenswünschen für die Gemeinde, nicht ohne auch darauf hinzuweisen, daß das irdische Wasser, dessen die Gemeinde Unterlengenhardt sich jetzt erfreut, eine edle Gottesgabe und zugleich ein Hinweis ist auf jenes Wasser des Lebens, welches der göttliche Heiland der durstigen Seele spendet in seinem Wort und Evangelium. Das Wort Psalm 65,

V. 10:Du suchest das Land heim und wässerst es, und machest es sehr reich; Gottes Brünnlein hat Wassers die Fülle" wurde in die Rede verwoben.

Nachdem noch die ganze Festversammlung den Choral:

Nun danket alle Gott" gesungen hatte, folgte der Abstieg zum Glasbrunnen und zu der in der Nähe desselben aufgestellten Maschine, deren sinnreiche Kon­struktion von dem Erfinder selbst den Anwesenden er­klärt wurde. Zurückgekehrt nach Unterlengenhardt wurden die Festteilnehmer von den beiden Gasthäusern, die große Vorbereitungen getroffen hatten, freundlichst ausgenommen. Das eigentliche Festmahl, an dem mit

wenig, daß sie kein Recht auf den Namen Douglas hat. Und nun, Herr Pfarrer, geben Sie mir die Licenz."

Der Geistliche trat zu dem in der Ecke stehenden Schreiblisch, öffnete ein Ge­heimfach desselben und nahm ein zusammengefaltetes Papier heraus. Dann setzte er sich an den Tisch und schrieb, während Minnie unruhig auf- und abschritt und Björn leise knurrend auf die Fremde blickte.

Jetzt erhob sich der Pfarrer und der jungen Frau den Bogen, welchen er so­eben beschrieben dardietend, sagte er:Ihre Mitteilungen sind so überraschender Art, daß sie mir schon verzeihen müssen, wenn ich ungewöhnlich vorsichtig bin. Hier dieses Papier enthält eine wortgetreue Abschrift der Licenz und zugleich habe ich der Kopie mein wahrheitsgetreues Zeugnis, daß ich als Geistlicher die Trauung vollzogen, an­gefügt. Das Orginal selbst dagegen gebe ich nicht aus der Hand, bitte überzeugen Sie sich von der Genauigkeit der Abschrift."

Neben den Tisch, auf welchem die Lampe stand, tretend, verglich die junge Frau beide Blätter, welche sie in den bebenden Fingern hielt; dann atmete sie tief au? und sagte innig:

Ich danke Ihnen von Herzen. Wenn ich's recht bedenke ist das Original in Ihrer Hand sicherer, als in der meinen. Mich kann man leicht bei Seite schaffen, aber an einem Diener des göttlichen Wortes vergreist man sich nur in den seltensten Fällen und sollte ich wirklich sterben, so werden Sie mein armes Kind nicht schädigen und beraubm lassen."

Ihr Kind? Barmherziger Gott Sie haben ein Kind?"

Mit erhöhtem Mitleid betrachtete Doktor Hargrowe die junge, selbst kaum dem Kindesalter erwachsene Frau; diese lächelte traurig und sagte dann:Ja das macht mein Leid noch bitterer! Nicht genug daß ich selbst Kummer und Elend dulde auch mein armes, unschuldiges Kind leidet unter dem-Makel, den man mir an- hestet! .... Aber es soll ihnen nicht gelingen," fuhr sie blitzenden Auges fort;ich will für mein Kind kämpfen und dulden und Keiner soll ihm ein Haar krümmen."

Wie alt ist denn ihr Kind?' fragte der Pfarrer nach einer Weile.Es hat sein drittes Lebensjahr zurückgelegt."Und wie alt sind Sie?"Neunzehn Jahre."

In diesem Augenblick schlug die Uhr die zehnte Abendstunde und die junge Frau fuhr auf.Schon zehn Uhr! Ich muß mich beeilen, sonst versäume ich den Zug," rief sie hastig.

Noch Eins," bat der Pfarrer unruhig;war nicht Ihr Haar früher fast schwarz?*

Ja es hatte eine ganz dunkelbraune Farbe nachdem jedoch mein Kind geboren war, wurde ich schwer krank und im Spital rasierte man mir das Haar, um die Eisumschläge, die nötig waren, besser machen zu können. Später schälte sich die Kopfhaut vollständig und das neue Haar, welches mir nach etlichen Monaten wieder wuchs, war hellblond und erschwerte so die Feststellung meiner Identität sehe ich doch, daß auch Ihr Mißtrauen noch nicht völlig geschwunden ist. Ich will Sie in­des noch an einen Zwischenfall bei unserer Trauung erinnern, den eine andere kaum kennen dürfte. Als Sie nach meinem Trauring fragten, ergab sich's, daß für einen solchen nicht gesorgt war und so streifte Robert ein altes Erbstück seiner Familie vom Finger und Sie steckten den Ring, der einen aus der Aschen-Urne auftauchenden Totenkopf vorstellte, an meinen Finger erkennen Sie das Kleinod nicht wieder?"

Eine feine goldene Kette aus ihrem Gewände ziehend reichte die junge Frau dem Geistlichen den an der Kette hängenden Ring. Derselbe bestand aus massivem Gold und zeigte in der Mitte eine aus Onyx geschnittene Urne, der ein grinsender weißer, aus einer Gemme gebildeter Schädel entragte ein Kreis von prächtig blitzenden Diamanten umgab den Schädel.

Der Pfarrer nickte.Ich erkenne den Ring und erinnere mich des Zwischen-- falls," sagte er traurig,vergeben Sie mir meine Zweifel. Aber weshalb tragen- Sie den Ring nicht?"

(Fortsetzung folgt.)