M 64. Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 67. Jahrgang.

Erscheint Dt e» « I» g , Donnerstag und Sanis tag. Die EinrüSnngsgebühr betrLgt im Bezirk und nichster Um­gebung s Psg. die Zeile, sonst IL Pfg.

Dienstag, den 31. Mai 1892.

LbonnemeuLSprei» vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und

SV Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mt« 1. 1b, sonst i» ganz Württemberg M?. 1. 8b.

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Ortsvorstkhkr

welche die Berichte, betr. Erhebungen über die Zahl der Geisteskranken (vgl. Calwer Wochen­blatt Nr. 42), noch nicht eingesendet haben, werden an deren alsbaldige Vorlage erinnert.

Calw, den 27. Mai 1892.

K. Oberamt K. Oberamtsphysikat

Dr. Schönmann A.-V. Dr. Müller.

Bekanntmachung.

In Liebelsberg, Stammheim und Unter­reichenbach ist die Maul- und Klauenseuche wieder erloschen.

Calw, den 30. Mai 1892.

K. Oberamt.

Dr. Schönmann A.-V.

Tages-Ueuigkeiten.

Calw. Der gestrige Sonntag, der am Morgen anhaltend gutes Wetter versprach, brachte wieder eine Masse Fremde hieher. Auch der Arbeiter- und Handwerkerverein von Stuttgart kam schon mit dem Frühzug auf der Station Teinach an und traf nach einer Fußtour über Zavelstein zum Mittagstisch im bad. Hof hier ein. Auf ergangene Einladung hatte sich auch eine Anzahl Mitglieder des hies. ev. Männer­vereins daselbst eingefunden um mit den Stutt­gartern einige Stunden zusammenzusein. Hr. Dekan Braun hieß die Gäste herzlich willkommen und zog im Verlauf der humorvollen Rede eine Parallele zwischen beiden Vereinen, welche ein und dasselbe Ziel vor Augen hätten. Ansprachen, humoristische und

Gesangsvorträge seitens des Singchors der Stutt­garter wechselten miteinander ab und um 6 Uhr brach der Verein auf um noch Hirsau und das Kloster zu besichtigen. Der unterwegs schon eintretende heftige Regenguß gab dort Veranlassung zu nochmaliger kurzer Einkehr und ein großer Teil namentlich die Damen benützten die Bahn zur Rückfahrt nach Calw, wo­selbst der Zug 8,40 den Verein wieder nach Stutt­gart brachte. Möge die prächtige Partie am Morgen, die Rast im Lamm in Zavelstein, und was sonst Auge und Herz erquicken konnte, die Teilnehmer hinwegsetzen über die kleine Unbill in den letzten Stunden.

Auch die Calwer Stadtmusik hatte gestern nachmittag unter der Ungunst der Witterung zu leiden. Das um 4 Uhr ausbrechende Gewitter beeinträchtigte zunächst den Besuch und wer bereits Platz gefunden hatte, mußte sich in die Lokalitäten flüchten. Eine bemerkenswerte Gewohnheit hat sich bei dem hiesigen Publikum ausgebildet, indem alle Besucher des Concerts mit Regenschirmen versehen waren.

Thalmühle, OA. Calw, 26. Mai. Heute mittag ertrank hier beim Baden in der Nagold ein 20jähriger junger Mann aus Holzbronn. Derselbe wollte eben das Wasser schwimmend verlassen, als ein Herzschlag sein Leben beendete.

n. Altbulach, 28. Mai. Heute Nacht "halb elf Uhr brach in dem dem Schulhaus gegenüber­liegenden Wohn- und Oekonomieanwesen des alt Bauern Gaiser Feuer aus. Mit rasender Ge- Geschwindigkeit griffen die Flammen um sich, so daß die Bewohner kaum das Leben zu retten vermochten. Ans Löschen war hier nicht zu denken, zumal sich der Wassermangel, dem ja nun durch die noch nicht ganz vollendete Wasserleitung ein Ende gemacht werden soll, unangenehm fühlbar machte. Die Feuerwehren

von hier, Neubulach und Oberhaugstett beschränkten ihre Thätigkeit zumeist auf den Schutz der Nachbar­gebäude, von welchen dieKrone" und dasSchulhaus" hauptsächlich bedroht waren. Bei der herrschenden Windstille konnte auf diese Weise das Feuer auf seinen Herd beschränkt werden. In kurzer Zeit lag das ganze große Anwesen in Asche.

ildbad, 25. Mai. Vom schönsten Frühlings- "wetter begünstigt vollzog sich heute die feierliche Er­öffnung des in den Blättern bereits beschriebenen neuen König Karls-Bades durch Seine Maje­stät den König und Ihre Majestät die Königin. Ihre Majestäten würdig zu empfangen haben Stadt und Bad ihr Bestes gethan. Vom prächtig geschmückten Bahnhof aus zeigten Guirlanden den Festweg durch die Hauptstraße. Am Eingang der König Karlstraße ist eine Triumphpforte errichtet, die dem fürstlichen Paare ein herzliches Willkommen zuruft:

Willkommen in der Bäderstadt Steh' stets ihr bei mit Rat und That,

Komm' jedes Jahr zu Quell' und Wald So wirst zu unsrem Glück Du alt!

Auf der Rückseite:

Besten Dank und Schwur der Treue Nimm entgegen hier auf's Neue,

Treue wie zur Hirtenzeit Hält der Bürger Dir bereit!

Zu beiden Seiten des mit frischem Grün be­kleideten Triumphbogens erblickt man die Büsten Ihrer Majestäten und darunter die königlichen Wappen, von Fahnen und grünem Schmuck umgeben. Die Ausschmückung der Straßen und der städtischen Ge­bäude beweisen, daß alle Einwohner von dem Wunsche beseelt waren, zu dem schönen Festtage nach Kräften beizutragen und neben der Freude über die Vollendung des stolzen Neubaus der innigsten Verehrung für

^ ^ 1^ H ^ 1 O ^ . Nachdruck verboten.

Strandgut.

Novelle von I. von Brun Barnow.

(Fortsetzung.)

Wenn hier von einem Siege die Rede sein darf," entgegnete der Graf be­zwungen,so bin ich der Besiegte, der tieferschüttert die Waffe niederlegt und sich Ihrer Großmut ergiebt."

Das ist brav!" rief der Rheder erleichtert.Im klebrigen ist es mit meiner Großmut nicht weit her. Ich würde das arme Strandgut doch verlieren, wenn sie nicht ihr Arzt sein wollen. Gott gebe, daß Ihre Hilfe nicht zu spät und sie nicht zu einer ernsten Niederlage kommt."

Gras Fabrie wurde totenblaß.Mein Gott, so ist sie bereits ernstlich er­krankt ?" rief er höchst erschreckt.

Ja, ich darf es Ihnen nicht länger vorenthalten. Der Arzt fürchtet ein Nervenfieber."

Und so war es. Die vielfachen Seelenkämpfe hatten schon lange den zarten Organismus Mona's unterwühlt. Es hatte nur noch dieses Anstoßes bedurft, um diese Krankheit mit verheerender Gewalt Hervorbrechen zu lassen.

Graf Fabrie und der Rheder kamen nicht von ihrer Seite; beide Männer teilten sich mit Frau Ursula in ihrer Pflege. Der Rheder wünschte es so.Sie hören, wie sie unausgesetzt Ihren Namen auf der Lippe hat," sagte er resigniert. Wenn jemand helfen kann, so sind Sie es."

Oder Campella," erwiderte Graf Fabrie düster. .Hören Sie nicht, wie ihre Lippen auch seinen Namen flüstern?"

Der Rheder hörte es wohl, aber er legte dem keine Bedeutung bei. Wohl

aber Graf Fabrik. Sollte er an Großmut hinter dem Rheder zurückstehen? Hatte dieser ihm nicht ein hochsinniges Beispiel von Selbstverleugnung gegeben? Was der schlichte Mann vermocht, sollte er es nicht können? Er beschloß nach hartem Kampfe, Campella aufzusuchen, dessen Gesellschaft er seit jenem Konzertabend gemieden und dessen teilnehmende Fragen nach der Geliebten Ergehen, wenn er mit ihm flüchtig zusammengetroffen, er ziemlich kurz beantwortet hatte. Ebenso kurz beantwortete er die neugierigen Fragen der Exklusiven. Die Aristokratinnen ignoriertendiese Person", wie sie Mona zu betiteln pflegten. Sie waren zu ungehalten über das rücksichtslose Interesse des Grafen für eine Person zweifelhaften Rufes. Auch die kleine, gutmütige Frau Rechtsanwalt und ihr Mann wußten nichts zu Mona's Verteidigung zu sagen, als man erzählte, daß Graf Fabrie sogar zu dem Krankenzimmer vorgelassen wurde und der Rheder in seinem Vertrauensdusel durchaus nichts dabei fände. Keiner ließ die reine, schöne Menschlichkeit gelten, welche allein den beiden Männer ihre Hand­lungsweise vorschrieb und bei diesen äußerlich so verschieden gearteten Menschen die gesellschaftliche Kluft, welche sie trennte, vollständig überbrückte.

Graf Fabrie sowohl wie den Rheder kümmerte die Indignation der Gesell­schaft, wenn sie diese überhaupt bemerkten, nicht. Sie fragten in ihrer augenblick­lichen Sorgenstimmung nicht darnach, wie die Welt ihren Verkehr, des Grafen An­wesenheit an Mona's Krankenbett beurteilen mochte, sie folgten jetzt nur der Stimme des Herzens, die aller Vernunftgründe spottete und nur von dem Wunsche, das Leben Mona's zu erhalten, erfüllt war. Es schien wenig Hoffnung dafür vorhanden, mit jedem Tage wurde sie schwächer. Selbst als man die Macht des Fiebers ge­brochen glaubte, wollten die Kräfte nicht zmückkrhren. Die schönen, traurigen Augen leuchteten in einem überirdischen Glanze und brannten wie Feuer in des Grafen Seele.

Seltsamer Weise hatte sie in ihren lichten Momenten ein Befremden gezeigt, als ihre Blicke auf Graf Fabrik gefallen, der in den Nachmittagsstunden meist Frau Ursula oder den Rheder in der Pflege ablöste. Sie lächelte ihn sanft, wie einen