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die Sammlung des Vereins für Geschichte des Boden- seeS und seiner Umgebung in Friedrichshafen erworben worden; eine weitere kleinere Sammlung, jedoch in sehr guterhaltenen und bearbeiteten Exemplaren, namentlich Serpentine, worunter eine außergewöhnlich große Axt, kam nach Lindau in die Sammlung (Rathaus) des dortigen Museumsvereins. Im großen Ganzen war. der Wasserstand für die Monate des Absuchens des Seeufers nach derartigen Funden sehr ungünstig. Am Untersee hat Herr Apotheker Hartmann in Steckborn aus dessen Umgebung eine reichhaltige Kollektion (worunter ein noch ganzerhaltener Thontopf), Bohrzapfen, die sehr selten, Nephrite, Jade rc., zusammen 125 Stück, Gelegenheit gehabt zu erwerben. Eine weitere Acquisition, nach Friedrichshafen in die Sammlung daselbst, sind ältere, selten gewordene Städteansichten des Bodenseegebietes. Diese Ansichten entstammen einem Antiquariat in Paris, nach welcher Stadt anscheinend diese Bilder in früheren Kriegsläufen gekommen sind.
— Wie die Frkf. Ztg. mitteilt, soll die Prüfung der Rotschild'schen Kassenbücher ergeben haben, daß die betrügerischen Manipulationen Jägers nicht über 5 Monate zurückreichen. Jäger soll, nach der Angabe eines Berichterstatters, bei Frankfurter Geschäftsfreunden noch erhebliche Summen, insgesamt eine halbe Million Mark, „deponiert haben". — Der Eierhändler Hänsel wurde, da sich die Grundlosigkeit der ihn betreffenden, von einem Konkurrenten ausgegangenen Denunziation ergeben haben soll, aus der Untersuchungshaft entlassen.
Kassel, 14. Mai. Der aus dem siebziger Kriege bekannte General der Infanterie, Blumenthal, früherer Kommandeur der 22. Division, ist g e st o r b e n.
Krefeld, 13. Mai. Das schreckliche Brandung lück am Abend des Buß- und Bettages (Mittwoch) hat, wie jetzt festgestellt ist, 9 Menschenleben gefordert. Ueber den Vorgang selbst berichtet der hiesige Generalanz. u. a.: Es mochte gegen 11 Uhr Abends sein, als Feuersingnale laut wurden. In der engen, vom Dionysiusplatz zur Hochstraße führenden Poststraße war in dem Hause Nr. 6 Feuer ausgebrochen, und zwar in den Dachräumen, die von der Familie des Strumpfwirkers Peter Matthias Drosselt als Schlafstelle benutzt wurden. Die Flammen griffen mit rasender Schnelligkeit um sich, und ehe man überhaupt an Hilfe und Rettung denken konnte, erfüllten Feuer und dichte Rauchmassen die Dachstuben. Als die Bewohner derselben erwachten, war es bereits zu spät, und nur mit großer Mühe gelang es, mehrere derselben dem sicheren Tode zu entreißen. Ehe noch die Berufsfeuerwehr mit gewohnter Schnelligkeit am Brandorte erschien, gingen der Schornsteinfegermeister Ludwig Grütter und ein Herr Namens Marseille mit kühner Entschlossenheit an das Rettungswerk, indem sie in das mit dichtem Qualm erfüllte Haus drangen, die verschlossenen Thüren einbrachen und nach den Bewohnern suchten. Dem letztgenannten Herrn gelang es, ein Kind aus
den Flammen zu holen, er verletzte sich dabei aber selbst, so daß er von der Unglücksstätte hinweggetragen werden mußte. Auch dem nebenan wohnenden Brauer Neu gelang es, von seinem Hause aus 2 Kinder durch die Bodenluke zu ziehen, ebenso den Strumpfwirker Drosselt, der jedoch bereits sehr schwer verletzt war. Rasch ging die Berufsfeuerwehr, welche bald durch die freiwillige Verstärkung erhielt, ans Werk, und es währte nicht lange, bis die Flammen erstickt und der Brand gelöscht war. Die Flammen waren bald unterdrückt, nur hier und da loderten sie noch einmal auf, um rasch gedämpft zu werden, noch aber kannte man nicht die Größe des Unglücks, und man suchte deshalb zunächst festzustellen, wer von den Bewohnern vermißt wurde. Das Haus, ein altes, winkeliges Gebäude, war bewohnt von 4 Familien, und zwar von der Familie des Strumpfwirkers Pet. Matth. Drosselt mit 9 Kindern, ferner von den Familien des Tagelöhners Mich. Greten und des Hausieres Heinrich Köpp. Außerdem wohnt die Familie des Fuhrunternehmers Peters in dem Hause. Die erstgenannten 3 Familien besitzen zusammen 18 Kinder, davon kamen 6 Kinder des Peter Matth. Drosselt und dessen Frau in den Flammen um; Drosselt selbst wurde so schwer verletzt, daß er, sowie ein anderes seiner Kinder heute Morgen seinen Wunden erlegen ist; fürwahr eine entsetzliche Katastrophe.
Stettin, 13. Mai. Der Kaiser und die Kaiserin sind nachmittags 5 Uhr mit großem Gefolge hier eingetroffen. Auf dem Bahnhof hatten sich die Spitzen der Militärbehörden Zur Begrüßung eingefunden. Die Majestäten begaben sich vom Bahnhof durch die festlich geschmückten Straßen, von der ^ zahlreich versammelten Bevölkerung jubelnd begrüßt, nach dem Schloß. Auf dem Denkmalplatz hielt Oberbürgermeister Haken die Begrüßungsansprache an die Majestäten. Die Stadt und der Hafen sind aufs festlichste geschmückt.
Berlin, 13. Mai. Die Frage einer Berliner Weltausstellung scheint allmählig greifbarere Formen anzunehmen. Wie nach der „Allg. Ztg." verlautet, beabsichtigt die Stadt Berlin einen Garantiefonds von zehn Millionen Mark aufzubringen, ein gleicher Betrag sei aus deutschen Handels- und Jndustriellenkreisen bereits gesichert, das letzte Drittel soll vom Reiche erbeten werden und ein solcher Antrag dürfte an zuständiger Stelle auf Willfährigkeit stoßen. Als Ausstellungsterrain gewinnt das Tempelhofer Feld an Wahrscheinlichkeit. Der Besitzer einer vielgenannten Zeitung soll allerdings bedeutende Terrains für diesen Zweck hinter Charlottenburg erworben haben, und läßt infolgedessen für diesen Ausstellungsplatz plaidieren, beim Magistrat besteht indes wenig Neigung, auf diese Idee einzugehen.
— Aus Oberbozen wird dem Tiroler Volksbl. geschrieben: Der „Unterbergerhof" in Ober- bozen ist dem Untergange nahe. Ein Bergsturz droht denselben samt Wohn- und Futterhaus zu vernichten. Ein teilweiser Absturz gewaltiger Felsmassen hat unter donnerähnlichem Gekrache schon stattgefunden,
wodurch die Felder oberhalb des Gebäudes bereits unter dem Schutte begraben wurden. Es steht jedoch stündlich der Absturz der Hauptmaste bevor, da sich eine große Kluft aufgethan hat und fortwährend Felsstücke in die Tiefe rollen. Eine gänzliche Ueber- schüttung des Anwesens mit Steingeröll; ist beinahe unvermeidlich. Es ist ein Glück, daß die Kluft in der Höhe rechtzeitig entdeckt wurde und die Bewohner auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht werden konnten. Dieselben haben das Haus verlassen. Der Unterbergerhof besteht nachweislich seit dem Jahre 1742.
Paris, 15. Mai. Aus Saint Etienne wird über den Empfang Ravachols gemeldet: Der Bahnhof war von berittener Gendarmerie mit blankem Säbel vollständig umringt, sämtliche Quais, sowie der Hauptplatz waren militärisch abgesperrt. Im Bahnhofe befanden sich sämtliche Präfekturpolizeibehörden und zahllose Schutzleute und Geheimpolizisten versammelt. Der Zutritt bis zur Absperrungsbarriere war nur den Reisenden gestattet. Der einlaufende Waggon wurde sofort abgehängt und mit einer Separatmaschine und zwei Schutzwaggons nach dem Nebenbahnhof Bellevue übergeführt. Die Behörden und Schutzleute nahmen in dem Extrazuge Platz, der General-Polizeiinspektor stand auf der Lokomotive. Navachol, der von 60 Schutzleuten umgeben war, rief, als er auf dem äußeren Perron angekommen war, angesichts der versammelten Menge lächelnd mit Stentorstimme: „Hoch die soziale Revolution! Noch lebe ich!" Der Zellenwagen brachte, umgeben von berittener Gendarmerie und zahllosen Schutzleuten — das Militär bildete Spalier — Navachol zu dem 400 Meter entfernten Gefängnis, welches militärisch i vollständig besetzt und umzingelt ist. Anarchistengruppen drohen demonstrativ in den öffentlichen Cafes, Navachol zu rächen.
vermischtes.
Rätselhafter Vorfall. In der Nacht auf den 13. Mai sah der Wächter eines Neubaues in Wien, wie ein gutgekleideter junger Mann mit unglaublicher Tollkühnheit und Gewandtheit außen an dem Baugerüste bis zum 4. Stock emporkletterte; oben angekommen, warf der Mensch Steine, Balken und den Ziegelstein-Aufzug herunter. Als auf den Lärm Wachleute herbeikamen, gelang es, den sich auf's Aeußerste Wehrenden festzunehmen und zur Polizei zu bringen. Dort erklärte er, Student der Philosophie zu sein, verweigerte jedoch jede weitere Auskunft über seine Person und das Motiv seiner That.
Humoristisches. Moderne Annonce. Gesucht ein Ausrufer für eine Auktion; der Betreffendemuß Bauchredner sein, um gleichzeitig mit-
bieten zu können.-Ah so! A.: „Sagen
Sie, wer ist denn jener Herr dort drüben mit der Dame am Arm?" — B.: „Das ist ein Schriftsteller. Denken Sie, dem haben vor etwa einem halben Jahre sechs Zeilen 100,000 Mark eingebracht." — A.: „Ah, nicht möglich!" — B.: „Doch, doch — es war eine Heiratsanzeige."
„Richtig, das Conzert, das hätte ich fast vergessen. Wir haben ja auch zu diesem Billets genommen."
„Eben weil Sie das vergessen zu haben scheinen, komme ich Sie daran zu erinnern. Herr Wantrop war bereits Ihretwegen in Unruhe und sucht in der entgegengesetzten Richtung nach Ihnen die Insel ab," setzte der Graf lächelnd hinzu.
„Wie bedauere ich die Unruhe, welche meine Vergeßlichkeit dem Herrn gebracht," entschuldigte sie sich und stieg an seiner Seite die Klippe herab. „Ich wundere mich nur, daß Sie mich, Herr Graf, in dieser entlegenen Klippenwelt gesucht und gefunden haben."
„Wundert Sie das wirklich, Fräulein Mona?"
Die wie in leisem Vorwurf gestellte Frage trieb ihr das leicht bewegliche Blut nach den Wangen und sie blieb ihm die Antwort schuldig.
„Erinnern Sie sich nicht," fuhr er lebhaft fort, „wie oft wir uns hier vor Jahren begegnet? Einmal überraschte ich Sie sogar in Thränen. Sie weinten über ein kleines Vogelnest, das Fischerknaben zerstört hatten, und über die Alte, welche unruhig und jammernd nach den geraubten Kleinen schrie. Ich habe an diesen Vorfall ganz besonders lebhaft bei einem Gedichte Lenau's, „Das Vogelnest", denken müssen. Kennen Sie das schöne Gedicht?" fragte er, dem Gespräch nicht ohne Absicht eine objektivere Richtung gebend.
„Nein, ich kenne es nicht," gestand sie bedauernd.
„So müssen Sie es lesen; ich besitze es, ich werde es Ihnen morgen bringen. ES hat einen ungewöhnlich tiefen poetischen Sinn."
„Sie lieben Gedichte?" fragte sie.
„Gewiß. In meinen Jahren sind sie die Freistatt, wo uns der Jugendquell »och rauscht."
»In Ihren Jahren?" lachte sie gezwungen aus. „Man giebt uns Frauen sonst schuld, mit dem Alter zu kokettieren.
„Glauben Sie, es ist mir nicht ernst mit meinem Alter?" fragte er. „Es giebt allerdings —" Er brach kurz ab, denn er hatte auf der Zunge, zu sogen: Monate, wo man trotz seiner reiferen Jahre die Thorheiten eines Jünglings begehen und alle Herrschaften über sich verlieren kann — und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Es giebt Momente, wo man das Altwerden, ich meine hiermit weniger die Jahre, sondern den Verlust des Ideals, schmerzlich empfindet und selbst in der Poesie keinen Ersatz mehr finden kann."
„Und in dieser Lage sollten Sie sein?" fragte sie enttäuscht, bekümmert. „Wie traurig!"
„Ja wohl, Sie haben das richtige Wort gewählt, wenn Sie solchen Verlust traurig finden. Besonders, wenn er uns mit der Zeit zu Pessimisten macht."
Sie sah ihn schüchtern von der Seite an. Er fing den Blick auf, der ihn seltsam heiß durchzuckte und cs ihm unmöglich machte, den unbefangenen Ton der Unterhaltung beizubehalten. So schritten sie Beide einige Zeit schweigend neben einander her. Er empfand dieses Schweigen ebenso bedrückend wie sie, und machte zuerst den Versuch, cS zu brechen und auf ein anderes Thema überzugehen.
„Wissen Sie," bemerkte er zerstreut, „daß der alte Jansen Sie erkannt hat?"
„Wirklich, hat er das?" fragte sie und eine Wolke glüt über ihr schönes Gesicht. „Vielleicht halten Sie mich für feige und undankbar," fügte sie hinzu, „daß ich mich lieber als tot betrauert, als in das Gedächtnis der Fischer zurückgerufen zu sehen wünsche."
Fortsetzung folgt.