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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
67. Jahrgang.
Trlchrtnt DtD-nn-r-t», und «»mit»,. Die EinrückungSgebühr betrS.t im Bezirk und nächster Um» ,-dung S Ps«. die Zeile, s.nst lS Psg.
Amtliche Nekarmtmachttrrge«.
Kekanntmachuvg.
In Liebelsberg ist die Maut- und Klauenseuche ausgebrochen.
Calw, den 2. Mai 1892.
K. Oberamt. Supper.
Tayes-Neuitzkeiien.
L a n d e s v e r s am m l u n g des Evangelischen Bundes. Am Sonntag, den 15. und Montag, den 16. Mai wird in Göppingen eine Landesversammlung des „Evang. Bundes in Württemberg" stattfinden, wozu nachfolgendes Programm ausgegeben ist: Sonntag, den 15. Mai, abends 5 Uhr, Predigt in der Stadtkirche: Hr. Prof. Eitle-Urach, abends 7 Uhr: Gesellige Vereinigung im Saale des Dreiköniqs mit Ansprachen und Vorträgen des Kirchenchors. Montag, 16. Mai. Morgens 8 Uhr: Wissenschaftliche Spezialkonferenz unter Leitung von Hrn. Pfarrer Brecht-Oberkochen im Vereinshaus, vormittags 10 Uhr: Hauptversammlung im Gasthof zu den Aposteln, 1) Berichterstattung des Vorsitzenden, Schriftführers und Rechners, 2) Bemerkungen zur gegenwärtigen Lage. Referent Hr. Prof. Dr. v. Degenkolb-Tübingen; 3) Unsere Pflicht gegen die Diakonissensache. Referent: Hr. Stadtpfarrer Wurster- Heilbronn; 4) Soziale Aufgabe des Evangelischen Bundes. Ansprache von Hrn. Pfr. Brecht-Oberkochen. Nach Schluß der Verhandlungen gemeinsames Mittagessen im Gasthof zu den Aposteln. Auswärtige, welche Privatlogis zu erhalten-wünschen, werden gebeten, sich
Donnerstag, Len 5. Mai 1892.
bis zum 8. Mai bei Hrn. Oberlehrer Büttner in Göppingen zu melden.
Maulbronn, 30. April. Gestern Nachmittag besuchte Seine Exzellenz der Herr Staatsminister der Finanzen Dr. v. Riecke in Begleitung der Herren Finanzrath Currlin und Baurath Berner unser altberühmtes Kloster und nahm die eingehendste Besichtigung der sämtlichen Klostergebäude vor, wobei auch die Unterrichts-, Wohn- und Schlafräume der Seminaristen nicht vergessen wurden. Mit der Betrachtung der Ruinen des abgebrannten Pfründhauses, die, wenn sie vollends aufgeräumt ist, mit gärtnerischen Anlagen versehen werden sollen, wurde der Rundgang, der nahezu 3 Stunden in Anspruch genommen hatte, abgeschlossen. — Wie man hört, handelte es sich zunächst um die zur Verhütung von Feuersgefahr für die Klostergebäude zu ergreifenden Maßregeln, wozu der Brand des Pfründhauses Anlaß gegeben hatte, sodann aber um die Prüfung der Vorschläge für den Abbruch des seit dem Neubau nun entbehrlichen alten Amtsgerichtsgebäudes eines häßlichen Aufbaues über dem alten Laienrefektorium und die Entfernung der die Hauptfront des Klosters so sehr verunzierenden Speisemeisterei, sodann um weiter vorzunehinende Restaurationsarbeiten, wie Trockenlegung des Chors der Klosterkirche rc. N. Albbote.
Bönnigheim, 30. April. Heute nacht kurz vor 1 Uhr brach in der Nähe des „Schlosses", unweit der letzten Brandstätte, in einer Scheune Feuer aus, das sich rasch dem angebauten Wohnhause mitteilte und mehrere angebaute und Nachbargebäude sehr in Gefahr brachte. Scheune und Wohnhaus brannten total nieder; die Bewohner konnten nur das
Abonnnnmtspreis oitttegährlich in der Stadt so Pfg. und »» Vs». Träzeilohn, durch die Post bezogen Mk. t. lb, sonst in goni Württemberg Mk. I. Sä.
Leben retten. Wieder scheint eine ruchlose Hand das Feuer gelegt zu haben.
Heilbronn, 2. Mai. Ein hübsches Geschenk zum 1. Mai hat die chemische Fabrik hier ihren Angestellten und Arbeitern zu teil werden lasten, indem «n alle über fünf Jahre in der Fabrik Thätigen ansehnliche Geschenke verteilt wurden. — Gestern entstand in einer Wirtschaft unter jungen Leuten Streit, wobei einer einen Messerstich in den Arm erhielt. Der Thäter ist verhaftet.
Ebersbach a. F., 30. April. Die einzige Tochter des Witwers Krapf in Baiereck war gestern nachmittag mit Distelstechen auf einem Acker beschäftigt. Aus irgend einer Veranlassung sprang sie, wie der Schw. B. berichtet, mit dem offenen Messer in der Hand von einer Anhöhe herab, stülpte nieder und stieß sich das Messer so tief in den Leib, daß an ihre Rettung nicht mehr zu denken ist.
Aalen, 1. Mai. Heute nachmittag hielt Rechtsanwalt Stockmayer aus Stuttgart einem nahezu zweistündigen Vortrag im Spritzenhaussaal über das neue Programm der deutschen Partei. Zu demselben hatte sich eine große Versammlung von hier und Umgebung eingefunden; auch die Nachbarstädte Ellwangen, Gmünd und Heidenheim waren zahlreich vertreten.
Aus der Taubergrunde, 1. Mai. Statt der sehnsüchtig erwarteten und jährlich mit Freuden begrüßten Maiblümchen hat uns der erste Mai eine Schneedecke gebracht. Höhe und Thal sind weiß und die Bäume dicht mit Schnee behängen. Ob der Schnee den blühenden Obstbäumen Schaden bringt, kann natürlich heute noch nicht beurteilt werden. Für die
Aeuüüelon. R.chdruck »irbotm.
Strandgut.
Novelle von I. von Brun Barno w.
I.
Das kleine Nordseebad S. auf der Insel gleichen Namens war dieses Jahr sehr besucht. Die Saison stand auf ihrer Höhe, täglich trafen neue Gäste ein. Heute jedoch hatte die Schaluppe nur einen Badegast gebracht. Er war im Strandhause beim alten Jansen, einer einstöckigen kleinen Villa, abgestiegen und hatte sich dann nach dem „Hotel International" begeben, wo gegen drei Uhr zu Mittag gespeist wurde. Trotzdem es an der Table d'hote bereits sehr lebhaft zuging, blieb sein Eintritt von dem größten Teil der Gäste nicht unbemerkt. Er war eine auffallende Gestalt von beinahe sechs Fuß Höhe und sicherer, selbstbewußter Haltung. Die schlank gezeichneten Augenbrauen, die oberhalb der scharf geschnittenen Nase aneinander stießen, gaben seinem Gesichte etwas Strenges, fast Finsteres, wa» aber durch den ruhigen festen Blick der dunklen Augen gemildert ward. Den charaktervollen Mund beschattete ein gut gepflegter Schnurrbatt. Quer über die Stirn hatte er eine Narbe und im Knopfloch seines dunkelgrauen Übenockes steckte das Abzeichen des eisernen Kreuzes. Der Fremde nahm am oberen Ende der Tafel, wo der dienstbeflissene Kellner ihm einen Stuhl zurecht gerückt hatte, Platz. Dabei umfaßten seine dunklen Augen mit prüfendem Blick jeden Gast, den sie «reichen konnten, als wollte « sich sofort überzeugen, in welcher Gesellschaft er sich befände. Dieselbe mußte ihm nicht sonderlich interessant erscheinen, denn « war mit der Prüfung bald fettig, zog rin Zeitungsblatt hervor und las, bis d« Kellner ihm die Suppe gebracht hatte.
„Wer mag nur der Fremde sein?" flüsterte eine hübsche Brünett« ihrem Manne, dem Rechtsanwalt Karsten, zu.
„Er sieht übnau» distinguiert und vornehm auS. Nach d« Narbe auf der Stirn und dem Kreuz zu urteilen, ein hoher Offizier."
„ES ist der Legationsrat Graf Fabrie. Ich kenne ihn von dem französischen Feldzüge her," mischte sich ihr Nachbar zur Rechten, ein junger, reich« Fabrikant aus Erlangen, der neben einem Engros-Geschäft in Tuch noch üb« ein empfängliches Herz zu verfügen hatte und der jungen Frau eifrig den Hof machte, in das Gespräch.
„Sie kennen ihn, wie interessant!" rief die lebhafte Frau Karsten.
„Nicht so laut!" warnte der Mann.
Graf Fabrie hatte ihre Bemerkung aufgefangen und wurde aufmerksam. Er sah üb« sein Zritungsblatt nach dem Fabrikanten hin, erhob sich und grüßte verbindlich.
„Er hat Sie erkannt," flüsterte triumphierend die junge Frau, als Graf Fabrie nach dieser Höflichkeitsform wieder zur Zeitung gegriffen. „Nun müssen Sie mir aber auch Näheres über ihn berichten und in welchen Beziehungen Sie zu ihm gestanden."
„Ich stand einfach als Freiwilliger in seiner Kompagnie, weitere Beziehungen hatten wir zueinander nicht," dämpfte der Fabrikant ihren Enthusiasmus herab.
„So werden wir nicht durch Sie die Gelegenheit haben, Graf Fabrie kennm zu lernen?" fragte enttäuscht die junge Frau, welche sich bereits vergebens bemüht, in den Kreis der „Exklusiven" zu dringen, wie eine vornehme Clique d« Badegesellschaft hieß, und sich mit dies« Bekanntschaft ein Air zu geben gehofft hatte.
„Sie möchten wohl, daß ich den Elephanten bei dem interessanten GesandtschastS- Attachee spiele," neckte sie der Fabrikant.
„Wenn Sie sich für die Rolle geeignet hatten, warum nicht?" gab sie mit einem koketten Lachen zurück.
Und Ihr Herr Gemahl, was würde er zu dies« Rolle sagen?
,.O, der hat vor lauter Rechtsfällen keine Zeit, an solchen Fall zu denken. Nicht wahr, Atter?"
D« Alt«, ein gut aussehend« Fünfzig«, der bereits über eine behagliche Rundung gebot, hatte von d« Unterredung, die wegen des Gegnübers sehr leise geführt worden wa». kein Wort verstanden, sagte aber dennoch: „Natürlich, meine Frau hat imm« Recht!""
„Sehen Sir," lacht« Frau Karsten. „Mein Mann giebt da» selbst zu."