214
brachten Zwangsvergleichsvorschlag, wonach den Gläubigern sowohl der festgestellten als der bestrittenen Forderungen 85 Proz. geboten werden, nicht nur für annehmbar, sondern als außergewöhnlich vorteilhaft zu erklären.
Aalen, 23. April. Vergangene Nacht wurde bei Kaufmann Wagner beim Hotel Harmonie einge - brochen. Der bezw. die Diebe schlugen in der Ladenstube ein Fenster ein und stiegen daselbst ein. Vorher versuchten sie durch ein eingedrücktes Schaufenster, dessen Rollladen sie emporgehoben hatten, einzudringen. Da in dem erbrochenen Ladentisch nichts zu finden war, nahmen die Diebe Zigarren und andere Gegenstände, zerstörten auch 1 Spielwerk.
Brackenheim, 22. April. Heute nacht sind hier in der kurzen Zeit von 8—12 Uhr 7 Wohnhäuser und 6Scheuern niedergebrannt und andere Gebäude beschädigt worden. Nur der angestrengtesten Thätigkeit der Feuerwehren ist es zu verdanken, daß das Feuer nicht noch weiter griff. Rühmlich anzuerkennen ist, daß die Herren Offiziere, die zufällig wegen der heutigen Musterung hier übernachteten, bei Leitung der Löschanstalten sich beteiligten. Es scheint hier der alte Brandstifter seine ruchlose Hand wieder im Spiele gehabt zu haben, wenigstens war es abermals an einem Donnerstag nach 8 Uhr, als der Brand auskam.
Künzelsau, 20. April. Der Markt war wegen ungünstiger Witterung weniger stark befahren, als sonst. Die Preise gingen bei Ochsen und Kühen zurück, wodurch der Handel ziemlich flau wurde. Zugeführt wurden 227 Stück, davon verkauft 54 St. für 11211 ^ gegen 84 St. für 18116 am letzten Markt (1. März.) Der Preis pro Ztr. lebend Gewicht stellt sich beim Mastvieh auf 32 beim Arbeitsvieh 31 beim Jungvieh 24
Baden-Baden, 22. April. Das hiesige Hotel „Stern", welches jüngst für 310000 ^ verkauft wurde, ist bereits wieder um die gleiche Summe an Hrn. Edmund Kah von hier übergegangen. — Die Prinzessin Amelie Fürstenberg kaufte sich die hiesige Villa Bose und wird für die Folge daselbst wohnen.
— Die Frankfurter Zeitung verzeichnet ein Gerücht, der entflohene Kassier Jäger habe am 14. April bei der Reichsbank durch Check 1,753,000 erhoben, in sein Kontrollbuch aber nur 53,000 eingetragen. Die defraudierte Summe wird mit 2,250,000 ^ beziffert, diese Angabe indes andererseits als zu hoch angezweifelt. Jedenfalls gewinnt die Annahme an Wahrscheinlichkeit, daß Jägers Defraudationen erst aus neuerer Zeit stammen und vaß er eine sehr große Summe bei seiner Flucht mitgenommen hat.
Frankfurt, 22. April. Der gegen den
flüchtigen Kassier Jäger erlassene Steckbrief lautet: Zwei Millionen Mark hat der Bankkassier Rudolf Jäger von Frankfurt a. M. nach Fälschung der Geschäftsbücher unterschlagen und ist flüchtig gegangen. Jäger ist 44 Jahre alt, 1,71 Meter groß, hat dunkles, hochstehendes Haar, blaue Augen, Vollbart, welcher auf den oberen, mit Narben versehenen Backenseiten abrasiert ist, und trug bei seiner Abreise Lodenanzug und Lodenhut. Auf seine Ergreifung sind 1000 ^ Belohnung ausgesetzt.
Eisenach, 22. April. Der Kaiser ist von seinem Jagdausfluge in das Zillbacher Revier heute früh 8'/« Uhr mittels Sonderzuges zurückgekehrt. Vom Großherzog und vom Erbgroßherzog, sowie vom Oberbürgermeister am Bahnhofe empfangen, wurde er nach der Wartburg begleitet. Das zahlreich versammelte Publikum brachte dem Kaiser jubelnde Huldigungen dar.
Die „Berliner Liedertafel" in Wien, lieber den festlichen Empfang der Berliner Sänger auf dem Bahnhof in Wien, schreibt die „N. Fr. Pr.": Sobald die Gäste die Waggons verlassen hatten, fand die allgemeine Begrüßung durch unsere Sänger statt; ^da hörte man frohen Ruf und Gegenruf. Da wurde manch alte Bekanntschaft iyr Fluge erneuert; überall gab es herzhafte HändedrüHe und manche stürmische Umarmung. Bald hatte sich ein großer Kreis gebildet und die offizielle Begrüßung ging vor sich. Besonders tiefen Eindruck rief die Rede desR. v. Olsch - baur, Vorstandes des „Wiener Männergesangvereins", hervor, und spontan brauste, nachdem er geendet, der Wahlspruch: „Grüß' Gott, grüß' Gott, mit Hellem Klang" aus tausend Kehlen durch die weite Halle. In würdiger Weise stattete der Vorstand der „Berliner Liedertafel", Kanzleirath Weisse, den Dank im Namen seiner Berliner Genossen ab. Deutlich merkte man ihm, als er vortrat, die freudige Erregung an, die aber seinem mächtigen, hell und weithin klingenden Organe keinen Abbruch that. Stürmische Hochrufe ertönten nach seinen für Wien so liebenswürdigen Worten, und die lebhafte Acclamation pflanzte sich auf die Straße fort, wo eine zahlreiche Menschenmenge die Berliner Gäste mit freundlichen Zurufen und Tücherschwenken begrüßte. Die Sänger begaben sich in offenen Wagen in ihre Hotels, an deren Fronten Fahnen wehen, und saßen nach kurzer Zeit mit Wiener Freunden beim Mittagessen zusammen. Nachmittags wurden in zwanglosen Gruppen Spaziergänge unternommen, und man begegnete Berliner Gästen auf dem Stephansplatze, im Stadtpark, auf der Ringstraße und vor den Monumentalgebäuden, wo sie, mit dem rotgebundenen Führer in der Hand oder den Stadtplan sorglich studierend, den ersten Wiener Tag mit Vergnügen ausnützten. Am Freitag vormittag erschien eine Deputation der Berliner Sänger vor dem Beethoven-Monument und legte einen Lorbeerkranz auf den Sockel des Denkmals nieder. Die
hatte? Vor einem Katzenjammer wenigstens hatte ich mich sicher gewähnt, und nun hatte ich doch einen solchen, und zwar erster Garnitur. Im Kopfe das Gefühl, als sei er mit quellenden Erbsen gefüllt, im Magen schien Jemand einen mächtigen Regenschirm aufspannen zu wollen, die Festigkeit der Kniee erinnerten mich an meine ersten Gehversuche in schöner Kinderzeit.
„Das kann ja gut werden," war mein erster klarer Gedanke. Dann ließ ich mir willenlos von meinem Burschen den Schmuck der Waffen anlegen, etwas zu genießen war keine Zeit mehr, und nun so schnell, als mein Zustand es erlaubte, in die Kaserne!
Richtig, mein Dusel hatte mich verlassen. Da stand bereits die Kompagnie, und vor ihr hielt hoch zu Roß mit finsterer Dienstmicne der gestrenge Herr Hauptmann. Daß mir das gerade heute passieren mußte, es war das erste Mal, daß ich zu spät kam.
„Feldwebel Fritz, ich hätte erwartet, das Sie an einem für Sie so wichtigen Tage wenigstens pünktlich sein würden. Lassen Sie sofort antreten. Das gefällt mir gar nicht von Ihnen."
Da hatten wir ja Blamage Nummer eins!
Um den ersten, schlechten Eindruck wenigstens einigermaßen wieder gut zu machen, beschloß ich, mich durch ein schneidiges Kommando bei dem Herrn Hauptmann wieder herauszureißm und kommandierte mit aller Kraft meiner Lunge:
„Stillgestanden!*
O weh, ich selber war über mein schneidiges Kommando auf'S Heftigste erschrocken, und deS Hauptmann's „Liese" machte einen mächtigen Satz zur Seite. Erstens war mir die Stimme bei jeder Silbe zweimal übergeschnappt, und dann klang eS, als ob die Stimme aus einer in den tiefsten Tiefen eines unterirdischen Gewölbes versteckten leeren Tonne käme.
„Herrgott, Mensch, brüllen Sie doch nicht wie ein Dachmarder!"
Damit spengt« der Hauptmann ergrimmt zum Kasernenthor hinaus.
Der Tag fing ja gut an. Wo war mein vielgrrühmter Dusel?
weiß-goldenen Schleifen trugen die Aufschrift: „Dem Andenken Ludwig van Beethovens, die Berliner Liedertafel. 21. April 1892.". Auch im Stadtpark erschien eine Deputation und legte einen Kranz zum Andenken an Schubert auf die Stufen des Monumentes nieder. — Am Abend fand — wie schon in einem Teil der vorigen Nummer der „M. N. N." durch Privatdepesche gemeldet — das Konzert der Berliner Liedertafel im dichtbesetzten großen Musikvereinssaale statt und erzielte einen vollen künstlerischen Erfolg. Dem Vereinsvorstandc Weisse wurde ein mächtiger Lorberkranz gespendet. Unter den Anwesenden war Prinz Reuß mit Gemalin, die Mitglieder der deutschen Botschaft, die Bürgermeister.. Dem Konzerte schloß sich eine gesellige, zwanglose Vereinigung im kleinen Musikvereinssaale an.
Paris, 22. April. Heute vormittag sind 45 Anarchisten verhaftet worden, um auf Grund des Gesetzes über die Bestrafung von Vereinigungen zu verbrecherischen Zwecken zur Untersuchung gezogen zu werden. Mehrseitig wird versichert, die Verhaftungen seien lediglich Präventivmaßregeln im Hinblick auf den Prozeß Ravachol und die Maikundgebung. 23 Anarchisten, deren Verhaftung angeordnet war, sind flüchtig. Bei den Haussuchungen wurden revolutionäre Druckschriften, aber keme Sprengstoffe vorgefunden. In Saint-Etienne und Umgebung wurden 30 Verhaftungen, in Dijon 5, in Amiens 8 und in Saint-Quentin etwa 10 vorgenommen. Aus Papieren, die bei dreien in Argenteuil verhafteten Anarchisten beschlagnahmt wurden, ergiebt sich, daß geplant war, am 1. Mai Kirche, Mairie und Polizeibureau in die Luft zu sprengen.
Uermischtes.
X. Einen dummen Spaß gestattete sich vor einiger Zeit ein Handwerksmann, der sich mit Vorliebe Hobeloffizier unterschreibt, in einer Stadt des württembergischen Schwarzwaldes unweit Alzenberg. In diese Stadt erlaubte sich nämlich ein auswärtiger Schreiner verschiedene Möbel und — was noch ärgerlicher war — ganze Aussteuern zu liefern. Das wurmte nun den Kollegen vom Handwerk derart, daß er beschloß, dem fremden Schreiner die geschäftliche Verbindung mit dieser Stadt zu entleiden und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß er seine Geschäfte nicht hier, sondern in einem württembergischen Badestädtchen (nicht weit von Pforzheim) betreiben möchte. Gedacht, gethan! Flugs wurde dem verhaßten Eindringling geschrieben, er möchte sofort in das genannte Städtchen kommen, es wäre da ein Geschäft zu machen. Als pünktlicher und fleißiger Mann reist der Fremde dorthin, muß aber bald erfahren, daß ihm ein Schabernack gespielt worden sei. Der anonyme Briefschreiber freut indessen sich stillvergnügt seiner Rache — aber mit des Schicksals Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten und das
Ganz kleinlaut geworden brachte ich dann glücklich die Kompagnie in Marsch» und wir trotteten dem Stadtwalde zu.
Der Hauptmann war vorgeritten. Vor der Stadt jedoch machte er Halt uni» rief mich zu sich.
„Haha," dachte ich, „jetzt geht'S wieder mit der Blamage los," und ich sollte mich nicht geirrt haben.
„Feldwebel Fritz," Hub der Gestrenge mit milderem Tone an, „der heutige Tag entscheidet über Ihre Befähigung zum Offizier. Ich bin überzeugt, daß Sie denselben bei Ihren reichen Kenntnissen und dem klaren Verstände, den ich bei Ihnen immer bemerkt habe, glücklich bestehen werden. Wir wollen uns zunächst einmal über das Gelände informieren, nehmen Sie Ihre Karte vor."
War mir schon bei den Worten „reiche Kenntnisse" und „klarer Verstand," zumal bei meinem augenblicklichen Zustand, ganz schwach geworden, so glaubte ich erst recht umsinken zu müssen, als ich das ominöse Wort „Karte" vernahm. An eine Karte hatte ich den ganzen Tag noch nicht gedacht, wahrscheinlich lag die wohlverwahrt zu Hause, wenn sie nicht zufällig, von der letzten Übung her, noch in irgend einer Tasche steckte. Ich suchte krampfhaft, keine Spur!
„WaS noch nicht einmal eine Karte haben Sie? Na da hört doch Alles auf!"
Und wütend sprengte er davon.
„Der Tag wird gut," das war der einzige Gedanke, den ich zu fassen vermochte.
Vor allem hieß es jetzt in den Besitz einer Karte zu kommen. Ein Unteroffizier brachte denn auch auf meine Anfrage ein furchtbares schmutzige» Exemplar herbei, leider aber war es die Karte der südlichen Umgebung der Garnison, während wir bereits beinahe eine Stunde nach Norden marschiert waren. Das war Pech, aber was thun? Auf jeden Fall hatte ich doch wenigsten« eine Karte, und das genügt« mir für dm Augenblick.
Endlich hatten wir den Stadtwald erreicht. Ich ließ hatten, in Kompagnie- Kolonne aufmarschieren und meldete. Dann wurde weggrtretrn.
(Fortsetzung folgt.)