47. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Calw. 67. Jahrgang

SbonnementSpreiS oterteljLhrltch i« der Stadt »0 Pfg. und Lst Pfg. Lrügerlohn, durch die Poft bqozen M'k. 1. 1^, sonst in ganz Württemberg Mk. 1. 8b.

Amtliche Bekanntmachungen.

Erscheint Di en r l a g , Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung » Pfg. die Heile, sonst 12 Pfg.

Donnerstag, -en 21. April 1892.

Den Ortsvorstehttn

werden von hier aus Formulare zu den Verzeichnissen der ausgestellten Arbeitsbücher zugehen.

Calw, den 19. April 1892.

K. Oberamt.

Supper.

Tages-Ueuigkeiten.

Stuttgart, 18. April. Der schon von an­derer Seite gemeldete Besuch des Königs und der Königin von Sachsen scheint sich zu bestätigen. Doch dürste derselbe nicht schon am 25. ds. Mts., sondern erst am 30. ds. Mts. erfolgen. Man wird sich erinnern, daß von dem beabsichtigten Besuch des württembergischen Königspaares am sächsischen Hof seinerzeit Abstand genommen werden mußte wegen Krankheit der Königin Karola. Der Schwager des Königs, Prinz Max von Schaumburg, hatte das Glück, dieser Tage auf der Auerhahnjagd im Schönbuch zwei prächtige Exemplare zu erlegen. Der König will demnächst auch im Schönbuch jagen.

DerSchw. M." enthält folgende Ein­sendung von Herrenberg: Die Beschlüsse der Eisen­bahnversammlung, welche am 13. März d. I. in Balingen getagt hat, sind hier.mit großen Interesse vernommen worden und bilden immer noch den Gegen­stand lebhafter Besprechung hier und in der Umgegend. Man sucht den Beweis dafür, daß die Bahnlinie Tübingen-Böblingen einer Linie Tübingen-Herrenberg- Böblingen vorzuziehen sei, umsonst in derselben. Wie in der Denkschrift des hiesigen Eisenbahnkomites nach­gewiesen ist, kommt eine Ammerthalbahn um ca. 4 Millionen billiger als eine Bahn durch den Schön­buch. Die Steigungsverhältnisse über Herrenberg sind günstiger als über den Schönbuch, die Höhendifferenz beträgt mehr als 40 Meter, wodurch die virtuelle Länge beider Linien eine gleiche wird. Durch eine Querverbindung der oberen Neckarthalbahn mit der Gäu- und Schwarzwaldbahn, von Tübingen in die Nähe von Wildberg oder Teinach würde Reutlingen, die Alb und ganz Oberschwaben einen kürzeren und günstigeren Weg in das Kohlengebiet über Pforz­heim erreichen als über Böblingen-Mühlacker und es kämen die Bewohner des nordwestlichen Schwarzwalds viel leichter zum Sitz ihrer Kreisstellen in Tübingen und Reutlingen als auf dem Umweg über Horb. Ein zweites Geleise für den großen Verkehr von Reutlingen nach Plochingen wird auch durch eine Schönbuchslinie nicht umgangen werden können. Weiter ist hervorzuheben, daß das Ammerthal mit dem Gäu eine stark bevölkerte Gegend ist mit kaufkräftiger Ein­wohnerschaft und reichen Naturschätzen an Bausteinen, Gips, Holz, Früchten und Wasserkräften, während die Schönbuchslinie größtenteils durch eine wenig be­völkerte Waldgegend und über Baugründe führt, welche den Rutschpartien an der Linie zwischen Metzingen und Reutlingen ähnlich sind. Wir glauben deshalb nicht auf eine schmalspurige Bahn verwiesen zu werden. Bei Ueberreichung unserer Denkschrift an die hohe Staatsregierung, haben wir die Zusage genauer und

gewissenhafter Prüfung erhalten, wir sind dessen ge­wiß und sehen deshalb einer Entscheidung ruhig ent­gegen, wir wissen, daß unsere Sache in guten Händen ruht.

Rothenberg, 18. April. Heute wurde in der Kapelle das russische Osterfest mit Messe und Abendmahl gefeiert, wodurch die zahlreichen Besucher des Bergs und der Kapelle nachmittags die seltene Gelegenheit bekamen, die prächtigen Schmuckgegenstände, wie die goldene Bibel, die wertvollen Bilder, die reichen Meßgewänder u. s. w. zu sehen. Dem Gottes­dienste wohnte auch der russische Gesandte aus Stutt­gart mit Familie an.

Reutlingen, 18. April. Die Anmeldungen der Vereine zum Liederfest des Schwäbischen Sängerbundes haben sich in letzter Zeit recht lebhaft gestaltet. Neben den Gesangvereinen des Landes dürfen wir auch rege Teilnahme aus Sänger­kreisen vom benachbarten Baven und der Schweiz erwarten. Einschließlich der wettsingenden Vereine haben bis jetzt etwa 60 Vereine mit annähernd 2500 Sängern ihr Erscheinen beim Feste angezeigt. Von den 43 wettsingenden Vereinen singen 14 in der I. Abteilung ländlicher Volksgesang, 20 in der 2. Abteilung höherer Volksgesang und 9 in der 3. Ab­teilung Kunstgesang mit zusammen rund 1700 Sängern. Dem Festausschuß wäre mit Rücksicht auf eine erfolg­reiche Thätigkeit des Wohnungsausschusses erwünscht, in thunlichster Bälde von den noch ausstehenden Vereinen bestimmte Mitteilungen zu erhalten, die vom Ausschuß bis spätestens zum 20. Mai erbeten werden. Mit Errichtung der großen Festhalle des Bundes für die Gesamtaufführungen wird auf dem Festplatz der Rennwiese am 16. <Nai begonnen werden. Diese Gesammtaufführungen, bei denen 35004000 Sänger Mitwirken, unter welchen die altniederländischen Volkslieder von Kremser mit dem Solisten Hofopern­sänger Lang aus Karlsruhe eine erste Stelle einnehmen, werden den musikalischen Glanzpunkt des Festes bilden. Als Mittelpunkt der geselligen Veranstaltungen wird neben der Festhalle eine große Trinkhalle mit Raum für etwa 2000 Personen Aufstellung finden, insbe­sondere auch um etwaigen ungünstigen Zwischenfällen der Witterung genügend Rechnung zu itragen. Für den ersten Festtag, Sonntag abend, ist hier ein großes Festbankett in Aussicht genommen, wobei einige be­deutendere Vereine in Vorträgen sich hören lasten werden. Für den musikalen Teil des Festes, beim Empfang der Gäste, den Festzug und auf dem Fest­platz ist neben der hiesigen Stadtkapelle und der Tübinger Bataillonskapelle die ganze Premsche Re­gimentskapelle von Stuttgart, diese insbesondere auch zur Mitwirkung bei den Gesamtaufführungen gewonnen. Die allgemeine Beteiligung dürfte um so zahlreicher werden, als die bekannten großen landschaftlichen Vorzüge der Feststadt und die Naturschönheiten ihrer Umgebung, die von jeher eine besondere Anziehung gerade zur schönen Jahreszeit ausgeübt haben, infolge der am I. Juni stattfindenden Eröffnung der Echatz- thalbahn in leichterer Weise als bisher zugänglich gemacht werden.

Kirchheim u. T. 16. April. Bei dem in der Nacht vom 12. auf 13. d. stattgehabten Brande

verloren 5 Familien, von denen 4 teilweise versichert sind, ihre Habe; hierunter befindet sich die Familie des viel von Krankheit heimgesuchten Hilfsbriefträgers Pantel, der allein unversichert ist; die Scheuer, in der das Feuer entstand, war nur durch eine Wand von der Wohnung Pantels getrennt, so daß Pantel nur die notwendigsten Kleidungsstücke retten konnte. Halb gekleidet fand sich die flüchtende Familie in einem Nachbarhaus zusammen und als die älteste Schwester die Kinderschaar zählte, waren es nur 6 statt 7. Der 7jährige Ernst, der sich stets eines tiefen Schlafs er­freute, fehlte. Sofort eilte der 11jährige Karl wieder zurück ins brennende Haus, um nach dem Bruder zu sehen. Im Schlafzimmer brannte des Vaters Bett lichterloh, aber im anderen Bett, tief unter der Decke versteckt, schlief, furchtbar schwitzend, ruhig der kleine Ernst. Mit Aufbietung aller Kräfte trug ihn der Bruder fort; hinter ihm stürzte die Zimmerdecke ein. Ein Feuerwehrmann nahm ihm auf der Treppe dir Last ab. Der kleine Knabe erwachte erst, als er sich im Nachbarhaus befand. Unter Leitung von Dekan Kapff hat sich ein Komite gebildet, das Gaben an Betten, Kleidern und Geld für die armen Abgebrannten entgegennimmt.

Flein, 16. April. Am Karfreitag abends 10'/« Uhr ist von secys Beobachtern gleichzeitig halb­wegs zwischen Heilbronn und Flein ein ungewöhnlich schönes und glänzendes Meteor beobachtet worden. Es bewegte sich von Nordost gegen Nordwest, aus einer Höhe von ca. 70" über dem Horizont, bis es etwa 2530" über demselben unsichtbar wurde. Seine scheinbare Größe, anfangs zunehmend dann wieder abnehmend, war ungefähr dem Flächeninhalt einer halben Vollmondsscheibe gleich, das Licht war so stark, daß die Umgegend etwa 5 Sekunden lang taghell er­leuchtet war. Die Farbe war anfangs bläulich, gegen Ende der Erscheinung aber, als das Meteor sich in einzelne Stücke oder Trümmer zerteilte, sahen diese Stücke glutrot aus. Diese Stücke sind dann ziemlich parallel in senkrechter Richtung fallend verschwunden.

Ellwangen. Die Strafkammer be­schäftigte dieser Tage einer der in letzter Zeit so häufigen Gras- und Waldbrände. Angeklagt war, wie dieJagstztg." berichtet, Franz Wette­mann, Schreinergeselle von Vorderlinthal, Gde. Spraitbach, OA. Gmünd, wegen Brandstiftung. Am 24. März d. I. zogen 4 Handwerksburschen, worunter der Angeklagte, von Aalen nach Heidenheim und lagerten nachmittags auf einer Waldwiese im Staats­wald Eichhalde, Markung Jtzelberg-Heidenheim. Der eine steckte seine Pfeife in Brand und warf das Zünd­holz in das hohe Gras, welches sofort brannte. Nach­dem er das Feuer gelöscht, machte der zweiie dasselbe Spiel nach, und der dritte, der Angeklagte ebenso, doch gelang es diesem nicht mehr, das Feuer zu er­sticken. Bis die andern halfen, hatte cs derart um sich gegriffen, daß sie davonliefen. Der Angeklagte und ein Begleiter gingen wieder zurück und versuchten des Feuers Herr zu werden; umsonst, die Waldwiese brannte weiter und drohte dem nahen Hochwald, so­wie vierjährigen Fichtenkulturen gefährlich zu werden. Nun suchten die drei Burschen Hilfe yerbeizurufen, während der Angeklagte auf der Brandstätte blieb.