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fähigkeit von Eltern und Geschwistern u. s. w. be­gründet, so haben die betreffenden Verwandten sich zur ärztlichen Untersuchung bei der Musterung der Ersatzkommission vorzustellen.

Schulamtskandidaten yaben ihre Prüfungs- zeugniffe rechtzeitig, spätestens am Musterungstermin vorzulegen.

4) An- und Abmeldungen von Pflichtigen sind alsbald dem Oberamt anzuzeigen, zutreffendenfalls unter Anschluß der Loosungsscheine.

5) Bei der Musterung haben je die Ortsvor­steher der zu musternden Pflichtigen zu erscheinen, dagegen bei der Loosung nicht. Die Stammrollen sind mitzubringen und bei der Musterung nach dem Ergebniß der letzteren genau zu ergänzen, der Ein­trag der Loosnummern erfolgt auf Grund der den Ortsvorstehern nach der Loosung zugehenden Loosungs­scheine vor deren Ausfolge an die Pflichtigen.

Die Ortsvorsteher sind dafür verantwortlich, daß die Pflichtigen bei der Musterung vollzählig und rechtzeitig in den Musterungslokalen sich einfinden und dort in Ordnung versammelt bleiben. Bei der Vorladung ist denselben all' Vorstehendes und weiter zu eröffnen, daß alles Lärmen und jede Störung der Verhandlungen strenge bestraft werden wird.

6) Ueber die Classificatwn der Mannschaften der Reserve u. s. w. (siehe Amtsblatt Nr. 24) findet die Verhandlung je am Ende der Musterung bezüg­lich der Angehörigen derjenigen Gemeinden statt, welche am betreffenden Tage die Militärpflichtigen gestellt haben.

Calw, den 31. März 1892.

Der Civilvorsitzende der Erjatzkommission:

Supper,

Oberamtmann.

An dik OrtgoorAkher.

Gemäß Z 29 der Vollzugsverfügung vom 26. März d. I. (Reg.-Bl. S. 72) sind bis 2« d. M. Verzeichnisse der in den einzelnen Gemeinden vor­handenen Fabriken und diesen gleichgestellten Anlagen hieher vorzulegen, wobei namentlich die Be­stimmung des Z 61 dieser Vollzugsverfügung (Reg.- Bl. S. 92) zu beachten ist.

Calw, den 12. April 1892.

K. Oberamt.

Supper.

Tllges-Utttiykeiten.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Seine Königliche Majestät haben am 12. April d. I. allergnädigst geruht, dem Oberamtmann Flax­land in Göppingen den Titel und Rang eines Re­gierungsrats zu verleihen.

Calw. Am Ostermontag wird von hier aus ein außerordentlicher Personenzug mit folgenden Ab­gangszeiten ausgeführt:

Calw ab 8.'° abends.

Weil der Stadt ab 9?"

Leonberg ab 9?"

Stuttgart an 10?°

Zur Benützung berechtigen die allgemein giltigen Fahrkarten.

Fellbach, 11. April. Dem in der Land­wirtschaft so wichtigen Grundsatz:Oefterer Saat­wechsel" wird Heuer in sehr ausgedehnter Weise Rech­nung getragen, vor allem mit der Kartoffelfrucht; es giebt hier wohl keinen Bauern, der Heuer nicht 2 bis 4 neue Sorten in den Boden bringt. Der Stand der Wintersaat ist vortrefflich; die Sommerfrucht, die Heuer 23 Wochen früher gesät wurde, streckt be­reits die zarten Blättchen aus dem Boden. In den Weinbergen zeigen sich kräftige Holztriebe und zahl­reiche, bereits grünende Knospen.

Heilbronn, 11. April. In Sontheim brannte das Wohnhaus des Bäckers Sigler und die nebenan stehende Scheuer nieder. An der Stelle, von der aus das Feuer sich weiter verbreitete, fand man den verkohlten Leichnam eines in dein Hause wohnenden Taglöhners Namens Gscheidle.

Das jüngste Unglück auf dem Neckar, wo­bei 3 junge Leute ertranken, hat die bürgerlichen Kollegien in Heilbronn veranlaßt, Rettungsvor­kehrungen anzuordnen. Eiserne Nachen dürfen nur noch benützt werden, wenn sie mit Luftkästen versehen sind; auf den Flußseiten sollen Stangen und außer­

dem an der Quaimauer an den Ringen, welche für die Schiffer vorhanden sind, Ketten angebracht werden u. a. m. In Allmersbach bei Kleinaspach wurden am 7. d., wie man demN. Tgbl." berichtet, auf einem Feld über 100 Stück Kiebitze gesehen. In Ulm kam am Montag abend ein Extrazug mit Pferden aus Ungarn durch, die für die französische Militärverwaltung angekauft sind. Weitere Extrazüge werden folgen; im ganzen sollen von den Franzosen 1500 Pferde in Ungarn angekauft sein.

Emmendingen, 8. April. Heute Abend trug sich nach der Heid. Ztg. hier ein Eisenbahn - Unfall zu. In der Station Denzlingen lösten sich von dem hier um 7 Uhr durchfahrenden Güterzug bei der Verschiebung 19 Wagen ab und rasten in furcht­barer Eile gegen die Station Emmendingen zurück. Da rechtzeitig von Denzlingen Drahtnachricht kam, konnte der diensthabende Stationsassistent die zurück­kommenden Wagen auf ein Sackgeleise leiten. Hier durchbrachen dieselben den Wall und 10 Wagen stürzten in den Brettenbach. Das Bild der Zerstörung spottet der Beschreibung. Ein unendlicher Trümmer­haufen, ein Chaos sondergleichen bietet sich dem Auge dar. Unter den abgestürzten Wagen befindet sich ein Speyrer Bierwagen, ein Wagen mir Baumwollballen, Eisenbestandteilen, Kohlenwagen u. s. w. Der Material­schaden dürfte 40000 übersteigen. Der Güter­schaden läßt sich zur Zeit noch nicht feststellen.

Ehingen, 8. April. Diesen Morgen hat sich nach der R.-Z. in Rottenacker beim Wechseln der Züge ein großes Unglück ereignet. Als der Zug 147 eingefahren war, sprach der gegenwärtig auf dem dortigen Bahnhof verwendete Monteur mit einem Arbeiter und wollte dann über die Schienen gehen, während besten der obere Zug einfuhr. Derselbe glaubte noch hinüber zu kommen, allein die Lokomo­tive packte und überfuhr ihn. Es wurden ihm beide Füße abgefahren, wie wenn sie abgeschnitten wären. Der Verunglückte, Vater von 3 Kindern, ist seinen Verwundungen erlegen.

Berlin, 7. April. Die Frage, ob die Heils­armee als eine Religionsgesellschaft anzu­sehen sei oder nicht, war von wesentlicher Bedeutung in einer Anklagesache, welche in diesen Tagen vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts I zur Ver­handlung gelangte. Der 20jährige Lederarbeiter Karl Förster hatte eine Versammlung der Heilsarmee besucht, dort durch laute höhnische Bemerkungen einen Redner in seinem religiösen Vortrage gestört und dadurch Aergernis erregt. Der Staatsanwalt hielt die Andachtsübungen der Heilsarmee für gleichbedeutend mit einem Gottesdienste und beantragte gegen den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von 4 Monaten. Der Gerichtshof trat noch einmal in die Verhand­lung ein, um sich des näheren über das Wesen der Heilsarmee unterrichten zu lassen, und gelangte auf Grund dieser Auskunft zu der Ansicht, daß die Heils­armee als eine Religionsgesellschaft nicht anzusehen sei und ihre Andachtsübungen deshalb auch nicht dem Gottesdienste gleichgeachtet werden könnten. Die Heilsarmee scheine im wesentlichen sozialpolitische Zwecke zu verfolgen. Das Verhalten des Angeklagten falle somit unter den Paragraphen des groben Unfugs und sei mit einer Haftstrafe von einer Woche hin­reichend gesühnt.

sRaubanfall.j In Jnowrazlaw, mel­det die Pos. Ztg., ist der Dekan v. Poninski von einen: polnischen Anarchisten durch mehrere Schüsse tötlich verwundet worden. Auf die Hilferufe des Geistlichen ergriffen der Thäter und drei vor dem Hause harrende Gefährten die Flucht, wurden jedoch von Knechten und Wirtschaftsbeamten des nahen Ritterguts eingeholt. Zwei der Verbrecher fielen so­fort unter den Schüssen der Verfolger, während die zwei übrigen in ihrer aussichtslosen Lage sich selbst erschossen. Die Räuber, von denen jeder 2 Revolver besaß, hatten die sie verfolgenden Bauern mit einem wahren Kugelregen überschüttet, mehrere derselben wurden verwundet. Bei den Erschaffenen wurden noch 300 Patronen und nur 12 ^ baar Geld gefunden. Am Tage vor dem Raubanfall hatte der Dekan eine rote Karte mit schwarzem Rand und folgender Auf­schrift erhalten:Das Komite der polnischen Anarchisten befiehlt dem Herrn Dekan v. Poninski, alle Gelder, welche derselbe besitzt, behufs Organisation der pol­nischen Anarchisten herauszugeben. Im Falle de»

Ungehorsams oder Verrats, der Benachrichtigung der Polizei, wird derselbe vom Exekutionskomite mit dem Tode bestraft."

Nermischtts.

Lebensversicherungsbank für Deutsch­land in Gotha. Die vorgenannte älteste und größte deutsche Lebensversicherungsanstalt hat auch im Jahre 1891 wieder recht günstige Geschäftsergebnisse erzielt. Es wurden von ihr 366 Versicherungen über 4613300 -^ mehr abgeschlossen als im Jahre 1890, und es stellte sich der Neuzugang insge­samt auf 4971 Versicherungen über 39017500 Dagegen blieben die Summen, welche für eingetretene Sterbefälle zu zahlen waren, erheblich um 1515434 ^ hinter der rechnungsmäßigen Er­wartung zurück, und ebenso hielten sich die Abgänge bei Lebzeiten in mäßigen Grenzen. Der Ver- sicherungsbestand stieg auf 77002 Personen mit 607 737 800 ^ Versicherungssumme. Er hat einen reinen Zuwachs von 1849 Personen mit 22 001 700 ^ Versicherungssumme erfahren. Auch in finanzieller Hinsicht erwiesen sich die Ge- schäftsergebniffe im Jahre 1891 wieder durchaus günstig. Der reine Ueberschuß bezifferte sich auf 7 034 149 Dieses Ergebnis ist außer dem

günstigen Verlauf der Sterblichkeit haupt­sächlich dem Umstande zu verdanken, daß die Bank­fonds ungeachtet des niedrigen Standes des Zinsfußes immer noch einen den rechnungsmäßigen Be­darf erheblich übersteigenden Ertrag lieferten, und daß die Verwaltungs kosten auf dem außerordentlich niedrigen Satze von nur 5 Prozent der Jahres-Einnahme gehalten werden konnten. Die Fonds der Bank erreichten die Höhe von 175 572 269 davon bilden 30 931 399 ^ den Bestand des Sicherheitsfonds, welcher in den nächsten fünf Jahren als Dividende an die Ver­sicherten verteilt wird. Für das Jahr 1892 be­trägt diese Dividende 38°/o der im Jahre 1887 ein­gezahlten Normalprämie nach dem alten System und 30°/° der Normalprämie und 2,1°/<> der Prämien­reserve nach dem neuengemischten" System der Ueberschuß-Verteilung. Bei dem letzteren System be­rechnet sich hiernach die Gesamtdividende für die ältesten Versicherungen bis auf 116°/-> der Normal­prämie.

Siemens u. Halske in Chicago. Klein­licher Konkurrenzneid gewisser amerikanischer Firmen ist es, der die Firma Siemens u. Halske dazu getrieben hat, von einer richtigen Beschickung der Welt­ausstellung abzusehen. Dieser Tage ist Herr Arnold v. Siemens, Mitinhaber der Firma, von Chicago zurückgekehrt, wo er Vorarbeiten für die Ausstellung der Firma auf der Ausstellung treffen wollte. Die großen elektrischen Firmen der Vereinigten Staaten, unter ihnen in erster Reihe Edison (dem Siemens u. Halske, als er mit dem Phonographen nach Berlin kam, in geradezu großartiger Weise auch geschäftlich Gastfreundschaft erwiesen), Westinghouse und Thompson u. Houston haben sich zusammenge- than, um die Erfüllung der Wünsche der Berliner Firma bei den Ausstellungsdirektoren zu Hintertreiben, namentlich soweit es sich um die Wahl und die Aus­dehnung des Platzes und um Beleuchtung der Ge­samtausstellung handelt. Unter solchen Umständen haben Siemens u. Halske beschlossen, in nur geringem Maße auszustellen, dafür aber in Chicago selbst dauernd eine große Fabrik für die Ausbeutung ihrer zahlreichen noch 17 Jahre laufenden Patente zu errichten. Die betreffenden Verträge sind bereits geschloffen, die Pläne ausgearbeitet. Eine Anzahl Vertreter der Firma rüsten sich angeblich auch schon zur Abreise. N. Tagbl.

Das kostspieligste Bahnhofs- Empfangsgebäude der Welt befindet sich, nach der Schles. Z. auf dem vor kurzem eröffneten neuen Bahnhofe in Bombay. Der Bau soll 10 Jahre ge­dauert und an Kosten die erhebliche Summe von fast 70 Millionen Mark verzehrt haben. Dieser Aufwand findet seine Erklärung in der Größe der Bauanlage, in der künstlerischen Ausstattung, die dem Gebäude in allen hervorragenden Teilen gegeben ist, sodann in dem Werte des Materials, das zur Errichtung und zur Ausschmückung Verwendung gefunden hat. Die Mittelkuppel des Gebäudes wird von einem riesigen Kunstwerk gekrönt, das den Fortschritt darstellt. Den Hauptschmuck des Innern der großen Halle bildet