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trug die Kinder hinab und eine Anzahl junger Leute hoben die Leiter hoch in die Höhe, da dieselbe bis in den 2. Stock nicht zureichen wollte. Der schwer verletzte Kaufm. Scheer wurde zu Mechaniker Model gebracht, wo ihm ärztl. Hilfe und gute Pflege wurde, auch Frau Blümer erhielt hier einen Verband am Unterarm, doch kann sie nicht angeben, wo und wie sie die Verletzung empfangen hat. Inzwischen löschten die Nachbarn mit allem Eifer und als die Berufsfeuerwache in kurzer Zeit erschien, war das Feuer schon zum größten Teil gelöscht. In sachgemäßer Weise untersuchte dieselbe, ob noch irgend eine Gefahr vorhanden sei, und es fand sich auch, daß ein Gasrohr geschmolzen war, weshalb der Gasometer geschlossen wurde. Im Gang, in der Küche und auf der Treppe bis zum 1. Stock war alles Holz angebrannt, die Fenster zersprungen. Weiter hinauf hatte die Hize und der Rauch das Holzwerk geschwärzt und beschädigt. Der Schaden wird ein ziemlich beträchtlicher sein. Nach 7 Uhr verließ die Feuerwache das Haus; das Publikum blieb noch lange vor demselben stehen.
Cannstatt, 10. März. Durch Allerhöchste Entschließung S. M. des Königs soll das Volksfest nun alle Jahre (als staatliches) abgehalten werden, was nicht nur in unserer Stadt, sondern gewiß im ganzen Lande mit großer Freude vernommen werden wird, insbesondere auch seitens der Landwirtschaft, da mit dem diesjährigen Volksfest — dem ersten seit dem Regierungsantritt des Königs — eine allgemeine große Viehprämiirung verbunden werden soll. Auch die Rennen sollen in bisheriger Weise am Volksfest abgehalten werden. Das diesjährige landwirtschaftl. Hauptfest findet am 28. Sept. statt. Besonders für die Landwirtschaft dürfte die königliche Munifizenz eine besondere Bedeutung erhalten, da durch die Vieh- prämiirungen nicht nur die Landwirtschaft, sondern das ganze Volksfest gehoben und an Ansehen und Frequenz gewinnen wird. Diesmal soll das Vieh mehrere Tage lang öffentlich ausgestellt werden, und zwar nicht nur das prämiierte, sondern alles zur Schau gebrachte, so daß zu hoffen ist, es werde der > Besuch des Festes Heuer ein besonders großer werden.
Ulm, 10. März. Die Strafkammer verurteilte den 66 Jahre alten Kurpfuscher, früheren Güterbuchskommissär Julius Ferdinand Berini von Calw wegen zweier Verbrechen des Betrugs im Rückfall zu der Gefängnisstrafe von 6 Monaten. Berini war
Im Sommer 1888 gab er sich in Ulm auf der Durchreise als prakt. Arzt aus. In Stuttgart bezog er aus der Kasse des ärztlichen Vereins 3 Jahre lang Unterstützungen und wurde nach Obersontheim, Weinsberg, Nürtingen rc. zur Aushilfe empfohlen. In Weinsberg hat er als Stellvertreter des Oberamtsarztes dessen Praxis gegen 2 Monate versehen.
— Die Münch. Blätter enthalten folgende Einladung vom Bürgermeisteramt: Am Montag den 14. und Dienstag den 15. d. M. werden Ihre Majestäten König Wilhelm und Königin Charlotte von Württemberg als Gäste Seiner Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten dahier anwesend sein. Aus diesem Anlasse werden sämtliche städtische Gebäude an beiden Tagen festlich beflaggt werden. Wir loden die Einwohnerschaft Münchens ein, auch ihre Gebäude zu beflaggen.
München. Der Besuch des Württem- bergischen Königspaares. Bis jetzt ist für die Festlichkeiten folgendes Programm festgestellt. Am Montag um 4 Uhr findet Familientafel im kgl. Wintergarten und zugleich Marschallstafel statt. Abends 7 Uhr ist Festvorstellung im Hof- und Nationaltheater und kommt der 2. Akt von „Tannhäuser" mit der Ouvertüre und der 3. Akt der „Feen" von R. Wagner zur Aufführung. Nach dem Theater findet eine größere Soiree bei Prinz Leopold und Prinzessin Gisela statt, wozu das gesamte diplomatische Korps, die Standesherren, die Minister, die obersten Hofchargen, eine Anzahl hier wohnender Württemberger und Württem- bergerinnen, sowie zahlreiche andere Personen Einladungen erhalten haben. Am Dienstag, den 15. März wird Se. Majestät der König von Württemberg unter anderen Audienzen eine Deputation der zahlreichen hier lebenden Württemberger aus Professoren-, Künstler-, industriellen und kaufmännischen Kreisen empfangen. Zürn Dejeuner haben Ihre Majestäten eine Einladung der dem kgl. württembergischen Gesandten, Frhrn. v. Soden, angenommen. Um 4 Uhr findet große Galatafel im Festsaalbau statt. Abends 8 Uhr kehrt König Wilhelm nach Stuttgart zurück, mährend die Königin Charlotte sich um die gleiche Stunde nach Schloß , Hohenburg begibt, allwo bei Sr. kgl. Hoheit dem ! Großherzog von Luxemburg Allerhöchst Ihre Groß- ! mutter, die Prinzessin Marie von Anhalt, weilt, welche § schon seit einiger Zeit leidend ist. Hiezu wird die ! Königin einen Sonderzug benützen, welcher derselben
Literarisches.
Eine hübsche und gediegene Wochenschrift, welche sich in kürzester Frist einen großen Leserkreis erworben hat, ist die seit Mitte November vor. Jahres in Stuttgart erscheinende „Sonntags-Zeitung." Schon ein flüchtiger Blick auf den Inhalt der letzten Nummern dieses mit Sorgfalt und richtigem Verständnis geleiteten Blattes, läßt das ernste Streben der Herausgeber erkennen, ihren Lesern nur das Beste zu bieten.
Wir finden in der Sonntags-Zeitung eine Fülle unterhaltender und belehrender Artikel, wie sie in gleicher Reichhaltigkeit wohl kaum von einem anderen derartigen Blatte geboten werden dürfte.
Neben der unp wteiisch gehaltenen politischen Wochenübersicht, und ausführlichen Land es- Nachrichten werden reizende Novellen, Skizzen, Plaudereien, Humoresken mit hübschen Original-Illustrationen u. A. m. gebracht. Die Mitteilungen über „Kunst und Wissenschaft", „Theater und Musik", „Technisches", „Post- und Telegraphenwesen", „Landwirtschaftliches" rc. enthalten eine Menge Nachrichten und Notizen aus den bezeichnten Gebieten und eine eigene Rubrik endlich ist den Hausfrauen gewidmet, die hier nützliche Winke für das Hauswesen, neup Rezepte für die Küche von bewährten Mitarbeiterinnen rc. rc. vorfinden. Die äußere Ausstattung der Sonntags-Zeitung ist hübsch und geschmackvoll und wir zweifeln nicht, daß das Blatt, welches sich neben den oben genannten Vorzügen noch durch ganz ungewöhnliche Billigkeit des Abonnementspreises auszeichnet — 50 Pfennig vierteljährlich — bald auf keinem Familientisch mehr fehlen wird.
Nahrungsmittel und Gesundheitspflege.
Neuerdings ist der Kaser, besonders auch durch Pfarrer Kneipp vielfach als ein menschliches Nahrungsmittel ersten Ranges gepriesen worden. Hafermehl ähnelt dem Urbilde unserer Nahrung, der Muttermilch, es hat sogar noch etwas mehr Eiweißstoffe. Man nährt Säuglinge mit Hafermehl-Suppen und die besten Sorten Kindermehl, die als Ersatz der Muttermilch gepriesen werden, bestehen- hauptsächlich aus präpariertem Hafermehl. Der Hafer hat 50 Prozent Stärkemehl und 6,7 Prozent Fett, also weit mehr als Weizen (1,9 Prozent), Roggen (2,75 Prozents, Gerste <2,76 Prozent). Hafer hat auch einen großen Gehalt an Nährsalzen, was für die Blutbildung sehr wertvoll ist. ferner, wenn rationell zubereitet, wie Knorr'» Kafermeyk, ein starkes Aroma, das die Verdauung anregt. Dieser Duft ist ein natürliches Gewürz, wodurch sich die aus Hafer bereiteten Speisen, sehr vorteilhaft vor anderen Mehlspeisen auszeichnen, die von Natur geschmacklos sind und vieler Zusätze bedürfen, um schmackhaft zu werden. Bei Bleichsüchtigen, bei denen Beefsteaks, Wein- und Eisenpräparate vergeblich gereicht werden, bei Wöchnerinnen, bei schwächlichen Personen, alt und jung, thut Haferkost in kürzester Zeit Wunder und kann daher mit Reckt als ein Segen für die Menschheit bezeichnet werden. Es ist statistisch nachgewiesen, daß mit Knorr's gerühmtem Kasermehs jährlich mindestens 100,000 Kinder aufs Beste und Billigste ernährt werden. Iie Aaörlkate von Knorr wurden neuerdings auf der internationaken Ausstellung für das rote Kreuz, Armeeöedarf und Kygiene mit der Hotdenen Medaille und Ehrenpreis der Stadt Leipzig ausgezeichnet, ein neuer Zleweis^ wie sehr diese Fabrikate geschätzt werden.
früher in Australien, kam von dort mit gefälschten Doktordiplomen zurück, wurde 1871 in Stuttgart wegen Betrugs mit 5 Monaten Gefängnis bestraft, 1881 in Basel wegen Urkundenfälschung mit 4 Monaten Gefängnis, in Baden verschiedentlich mit Geldstrafen belegt wegen unerlaubter Führung des Doktortitels. Später praktizierte er in Langenargen, war sogar Ortsarzt in Nonnenbach - Hemigkofen. Vom Landgericht Kempten wurde er wegen Betrugs zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt, die er in Amberg absaß.
von Sr. Kgl. Hoh. dem Prinz-Regenten zur Verfügung gestellt worden ist. M. N. N.
Baden-Baden, 11. März. Wie in den letzten 3 Jahren, so wird auch in dieser Frühjahrsaison Prinz Al brecht von Preußen, Prinzregent von Braun schweig, am 13. d. M. zur längeren Badekur hier euttreffen und im Europäischen Hose Absteigquartier nehmen. — Auch die Räume des Großh. Schlosses werden z. Zt. hergerichtet, um unseren Großh. Herrschaften einen baldigen Frühlingsaufenthalt zu bieten.
mußte. Sollte er den Toten in das Gebüsch schleppen und ihn in der nächsten Nacht verscharren? — Nein — nicht um alle Schätze der Welt wäre er nochmal nach der Mordstätle zurückgekehrt!
Da fiel se n Blick auf die Eiche — die Zeit hatte sie zum großen Teils ausgehöhlt, er hatte oft ferne Waffe und Jagdbeute darin verborgen. In sie wußte er den Leichnam schaffen — kein Mensch kannte das Versteck, und wie selten betrat auch Jemand die verrufene Stelle.
Es war eine schwere, schreckliche Arbeit, aber dies gerade reizte seine ganze Thatkraft. Der Jammer seine- Innern wurde auf Augenblicke, sich zu sichern, verdrängt, und mit oller Umsicht ging er ans Werk. Mit starken Armen faßte er die Leiche des Försters und trug sie an den Fuß der Eiche, die nicht besonders hoch war, aber gewaltig in die Breite ging. Der weite Spalt, der in das Innere des hohlen Baumes führte, war unten an der Seite überwuchert von Schmarotzerpflanzen, Gestrüpp und dichtem Moos. Es kostete viel Mühe, den Leichnam da hinein zu zwängen, und als das furchtbare Werk endlich vollbracht, der Tote geborgen, die beiden Gewehre in dem Baum versteckt und auck die verräterischen Spuren am Fuße desselben verwischt waren, da rann der Schweiß in dichten Strömen von der Stirne Ulrichs, und erschöpft warf er sich zur Erde nieder, um neue Kraft für den Rückweg zu sammeln und noch einmal über das Geschehene nachzusinnen. Es waren schwere, trübe Gedanken, die ihn beherrschten, aber eS war nun einmal nicht zu ändern, und die Kette, an die er sich selbst geschmiedet hatte, mußte getragen werden durch das lange, düstere Leben, welches freudlos vor ihm lag.
Endlich raffte er sich auf und ging. Und hinter ihm schlichen schon die Geister der Rache und Vergeltung — die beiden Vagabonden, welche alles mit angesehen hatten, und ihre glühenden Augen hefteten sich fest an seine Schritte.
„Den haben wir, Dieter, und halten ihn fest," flüsterte der Alle seinem jüngeren Gefährten zu, „heute Bruderherz, kampiren wir nochmal- im Wald, aber morgen hat alle Not und Sorge ei» Ende."
„Und was willst Du thun?" fragte der Deserteur. „Willst Du ihn anzeigen?"
„Pay, Unsinn!" antwortete der Gewährte. „Wäre mir auch was Rechts- Nein, bluten soll er, Geld soll er geben — viel Geld, damit wir schweigen, und ich will ihn pressen, so lange noch ein roter Heller aus ihm herauszukriegen ist!"-
Und während die Beiden auf dem mondbeschienenen Waldweg verschwanden^ schritt Ulrich dem einsamen Hof zu und versuchte vergeblich den Haß gegen den Toten wieder neu aufleben zu lassen in seiner Brust. Aber umsonst. Seltsamerweise sah er jetzt alles in ganz anderem Lichte, und nur eines stand jetzt groß und furchtbar vor ihm — seine eigene Schuld!
V.
Acht Tage waren seit der Mordscene am Waldquell vergangen — acht bange — schwere Tage.
Die Försterin hatte am anderen Abend bereits im Dorfe die Mitteilung gemacht, daß ihr Mann, der in das Revier gegangen, nicht wieder zurückgekehrt sei. Hatte sie auch an seiner Seite ein freud- und trostloses Leben geführt, so überkam sie doch jetzt eine schreckliche, innere Angst, und ein schwerer Vorwurf lastete auf ihrem Gewissen, wenn sie der letzten Unterredung mit ihm gedachte.
Ob er vielleicht hinausgegangev war in die weste Wett, wie er schon einmal gedroht? Ob er sich am Ende gar ein Leid angethan? Sie wußte es nicht — aber eines fühlte sie, daß sie ihn nie Wiedersehen werde.
Und sie sah ihn nie wieder.
Wohl wurde der ganze Forst abgestreist — kein Busch blieb undurchstöbert, denn die Männer aus dem Dorfe hatten sich tagelang auf die Suche begeben, allein der Förster blieb verschwunden. Der erschossene Hirsch wurde gefunden und neben ihm eine mächtige Blutspur, allein da» dunkle Rätsel blieb ungelöst, der Mund des Grabes in der Mordeiche verschlossen.
Fortsetzung folgt.