M 28. Amts- und Anzeigeblalt für den Bezirk (Lalw. 67. Jahrgang

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Erscheint Di en S t a g , Donnerstag und SamStag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- -gebun, 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Samstag, den 5. Mär; 1892

Abonnementspreis oiertelsährlich in der Stabt 9V Pfg. »vd . Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst » Württemberg Mk. 1 . Sb.

Deutsches Reich.

München, 1. März. Zum bevorstehen­den Besuch des Königs von Württemberg erfahren bayr. Blätter, daß die württ. Majestäten am 14. März mittags von Stuttgart hier eintreffen und daß deren Aufenthalt in der hiesigen Residenz bis zum 15. abends mährt. Der König wird sodann direkt nach Stuttgart wieder zurückkehren, während die Königin sich von hier aus nach Schloß Hohen­burg begiebt, um der Familie des Großherzogs von Luxemburg einen Besuch abzustatten. Während des hies. Aufenthaltes sind eine große Familientafel und «ine Galatafel in Aussicht genommen, sowie wahr­scheinlich auch eine Festvorstellung im Hoftheater.

Dem Reichs-Anzeiger zufolge sind dem Kaiser anläßlich der jüngsten Straßenkrawalle mehr­fache Kundgebungen aus Arbeiterkreisen zugegangen, worin Bedauern über die Vorkommnisse und treueste Anhänglichkeit, sowie unerschütterliches Vertrauen ausgedrückt wird. Namentlich habe der Ausritt des Kaisers am 26. Februar inmitten der wildbewegten Menschenmenge, welcher auf die letztere tiefen Eindruck machte, Eingaben veranlaßt, worin jene Gefühle einen charakteristischen Ausdruck finden.

Bei dem Magistrat von Berlin sind anläßlich der letzten Ruhestörungen bis jetzt Schadenersatzansprüche in Höhe von 30,000 angemeldet. Diese Ziffern stellen natürlich nur die Forderungen der Geschädigten dar und werden sich nach genauer Ermittelung und nach Abzug der Beträge für die größtenteils versicherten Spiegel­scheiben erheblich reduzieren. Die Nachricht, daß eine der verletzten Personen inzwischen gestorben, hat bis jetzt keine amtliche Bestätigung erhalten; dagegen soll allerdings der 17jährige Wilhelm Kist von Charlottenburg schwer verletzt sein. Bei dem­selben hat man einen Sack gefunden, der mit Fleisch­waren bis obenhin gefüllt war.

Berlin, Donnerstag,3. März. Reichstag. Ciesetz über den Belagerungszustand in Elsaß-Lothringen. Petri (Straßburg, n.l.), ist entschieden gegen die Vorlage. Im Reichslande herrsche vollkommene Ruhe, die Bevölkerung wünsche nichts sehnsüchtiger als die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens und freue sich der Zugehörigkeit zum D. Reich. Staatssekr. Bosse: Das Gesetz solle kein Ausnahmegesetz, son­dern ein Provisorium sein. Es habe seinen Grund in der ausgesetzten Lage der Reichslande. Dies würde am besten in der Kommissionsberatung näher erörtert, w. Vollmar (Soz.) gegen die Vorlage. Während des Septennatsrummels wäre dies Gesetz sicher ange- rvendet und der Belagerungszustand erklärt worden. Die Protestpartei sei auffallend zurückgegangen. Jetzt aber werden die Elsässer aufs Neue gekränkt und die Erwartungen in Frankreich aufs Neue geweckt. Hart- mann (kons.): Die Lage der Reichslande sei unzweifel­haft eine ausgesetzte; da ein allgemeines Reichsgesetz über den Belagerungszustand nicht schnell zu erlangen sei, so erscheine die Vorlage, trotz einzelner Bedenken, wie bezüglich der Verhängung der Todesstrafe, an­nehmbar. Er beantragt die Ueberweisung an eine 14gliedrige Kommission, v. Bar (d. fr.) verurteilt

das Gesetz schärfstens. Die Kommission müßte 21 Mitglieder haben. Staatssekr. Bosse: Für die Vor­lage sprechen gewichtige Gründe, er hoffe, nach der Kommissionsberatung auf die Annahme durch eine große Mehrheit. Orterer (Zentr.): Die militärischen Gründe verdienen emste Erwägung. Er betont die Notwendigkeit der Kommissionsberatung, v. Dziem- bowski (Pole): Die Polen seien grundsätzliche Gegner der Vorlage, aber für die Kommission. Petri legt nochmals die Bedenken gegen die Vorlage dar. Die Berliner maßgebenden Kreis« werden über die Reichs­lande falsch unterrichtet. Elsaß-Lothringen wolle von einergueotion ä'^ksLee-I-orrame" nichts wissen.

Wie dieAllg. Reichskorrespondenz" be­richtet, beabsichtigt der Kaiser, diesmal bei seiner Nordlandsreise die Insel Island aufzusuchen. In seiner Begleitung werden sich der Gesandte Graf zu Eulenburg, Premierlieutenant v. Hülsen und Dr. Güßfeld befinden. Aus der norwegischen Aftenposten" ist diese Mitteilung dahin zu ergänzen, daß der Kaiser an der norwegischen Küste auch an Jagden teilnehmen wird. Wie dieAftenposten" be­richtet, hätte man an mehreren Stellen längs der norwegischen Küste mit vorbereitenden Veranstaltungen zur Abhaltung von Adlerjagden und Walfang begonnen, namentlich auf der Walerstation auf Skjärvö.

Ausland.

Mailand, 2. März. Eine zahlreich besuchte Versammlung hiesiger beschäftigungsloser Arbeiter be­absichtigte, sich heute vormittag im Massenaufzug nach dem Municipio und der Präfektur zu begeben, kam jedoch auf das Abraten des Vorsitzenden von diesem Beschluß zurück, da nach bestimmten Zusagen der Staatsverwaltung nächste Woche bedeutendere Bauten in Angriff genommen werden sollen.

Der Notstand in Rußland. Manschreibt derN. Fr. Pr." aus Petersburg unterm 28. Februar:Die Lage der Notleidenden in Rußland gestaltet sich immer trauriger. In einer Schrift des Hilfskomites vonSchradinsk, welche die verzweifelte Lage der Bevölkerung im Gouvernement Perm rück­haltlos schildert, heißt es:Die Mißernte von 1891 hat die Bevölkerung von Perm am Härtesten be­troffen, denn sie stand noch unter den Nachwirkungen der Mißernte von 1890. Gegenwärtig kann man sich von dem hier herrschenden Elend gar keine Vorstellung machen. Die Staaten von mehr als 107,000 Dessja- tinen sind total vernichtet worden, und die Emte von 123,000 Dessjatinen ergab weniger als zwei Pud für eine Person. In 144 Dörfern nährt sich die Bevölkerung seit dem Monate August mit Unkraut und Baumblättern; diese Surrogate haben jetzt den Preis von 1 Rubel für das Pud erreicht! Schrecklich ist, was die arme Bevölkerung von der Zukunft zu erwarten hat. Das Herz bricht bei dem Gedanken, daß noch volle sechs Monate hingehen müssen, bis die Unglücklichen, wenn sie am Leben bleiben, die Früchte der neuen Ernte werden genießen können. Die Geistlichen teilen mit, daß sie zahlreichen von Hunger gänzlich entkräfteten Familien die Sterbe­sakramente gereicht haben. In einem Dorfe find

mehr als 200 Kinder am Hungertyphus erkrankt." Und dieses Gebiet ist nicht das einzige, wo die Be­völkerung eine solche Not erdulden muß. JnSemi- palatinsk sind ebensolche Erscheinungen zu ge­wärtigen. Mehr als 400 Einwohner haben ihre Behausungen verlassen, um Brod zu suchen. Die offiziellenSimbirskija Gubernskija Wjedomosti" be­richten von dem Elende in Simbirsk. In diesem Bezirke allein befinden sich 83 000 Personen, die dem Hunger preisgegeben sind. Zur Fristung des Lebens dieser Hungernden, schreibt das Blatt, ist monatlich eine Quantität von wenigstens 62 200 Pfund Brod erforderlich, was bis zum 15. Juli eine Quantität von 343 000 Pfund ausmacht, während keine Aussicht vorhanden ist, diese Quantität herzuschaffen. Eben­solche Fortschritte wie der Hunger machen die epide­mischen Krankheiten im ganzen weiten Notgebiete. Der Kasanskij Listok meldet aus Kasan, daß nun­mehr auch unter den Soldaten der dortigen Garnison der Typhus ausgebrochen ist, trotzdem die Mannschaft in den Kasernen isoliert war. Die Spitäler sind überfüllt und die ärztliche Hilfe erweist sich bei Be­kämpfung der Epidemie als machtlos. In Peters­burg werden Sanitäts-Ambulanzen organisirt, um sie in das Hungergebiet zu entsenden. Die Studenten der militär-medizinischen Akademie gehen ebenfalls dorthin ab, denn die epidemischen Krankheiten drohen thatsächlich das ganze Reich zu ergreifen."

Tilges-Ueuigkeiten.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.s Seine Königliche Majestät haben vermöge allerhöchster Entschließung vom 23. Dezember v. Js. dem Kgl. Niederländischen Generalkonsul vonGeorgii- Georgenau in Stuttgart das Commenthurkreuz zweiter Klasse des Friedrichsordens allergnädigst ver­liehen.

Calw. Telegraphisch erhalten wir die Nach­richt von dem Ableben des res. Schultheiß Roth fuß in Dennjächt. Die Beerdigung findet Sonntag nachmittag 1'/- Uhr statt.

Stuttgart, 29. Februar. Einer Anregung Professor Kürschners Folge leistend, bringt die Stadt Marbach die Zimmereinrichtung, in dem Schiller ge­boren wurde, sowie sämtliche im Besitze der Gemeinde befindlichen Gegenstände, die sich auf Schiller beziehen, zur internationalen Musik- und Theater-Ausstellung in Wien.

Stuttgart, 2. März. Am 29. Februar, abends, spielte in einem Hause der Metzgerstraße ein 3'/, Jahre alter Knabe während kurzer Abwesenheit der Eltern mit Bohnen und brachte eine Bohne in die Nase und dann in die Luftröhre, so daß das Kind nach wenigen Minuten erstickte. Wieder­belebungsversuche blieben ohne Erfolg.

Degerloch, 2. März. Eine neue Mahnung, zur Nachtzeit die Treppenhäuser zu beleuchten und das nicht bloß in der Stadt, sondern auch auf dem Lande, dürfte der hier eingetretene traurige Unglücksfall sein, wonach ein hier in Arbeit stehender Zimmermann im dunkeln Hausöhrn einen Fehltritt that und infolge desselben so unglücklich die Treppe hinabstürzte, daß alsbald der Tod eintrat.