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bei den Mannschaften (Hört, hört!, also bei den Mißhandelnden stärker, als bei den Gemißhandelten. Also ich glaube, der Herr Abgeordnete wird mir zu­geben, wenn auch die Zahl noch immer beklagenswert groß ist, wenn sie auch das übersteigt, was in den gleichen Jahren in der Zivilbevölkerung vorkommt, der Herr Abgeordnete wird mir zugeben, daß auch hier eine Besserung eingetreten ist. Der Herr Ab­geordnete hat uns dann eine neue Militärerziehungs­methode empfohlen. Bei allem Respekt vor seiner umfassenden Kenntnis, würde ich doch den verbündeten Regierungen raten, sich in dieser Beziehung an be­rufenere Männer zu wenden. Er hat dann weiter auch einzelne militärische Uebungen kritisiert, er ist auf die Exerzier- und Uebungsplätze gegangen. Daß Uebungen der Gesundheit schädlich sein können, ist eine bekannte Thatsache; es kommt leider auch vor, daß ab und zu rin Todesfall die Folge sein kann. Er hat einen im vorigen Jahre in Weimar vorgekommenen Fall zitiert; derselbe ist untersucht worden, und es ist festgestellt, wer Schuld gehabt hat. Aber ich muß ein für alle­mal ablehnen, auf Recherchen über die Ausübung des militärischen Kommandos im Dienst einzugehen. Stellen Sie sich einmal vor, wenn das erst Mode würde, daß hier kritisiert wird, ob eine Kompagnie zu lange geritten hat, ob es bei zu strenger Kälte ge­schehen ist, ob der Mann gestürzt ist und ob man dem Pferd den Sprung noch zumuten konnte, (Heiterkeit) stellen Sie sich einmal vor, wenn das Mode würde, und wenn die verbündeten Regierungen darauf ein­gingen, was würden wir im Kriege erleben nach dem ersten unglücklichen Gefecht? Also, das Eingehen auf diese Uebungen, die lediglich von der Kommandoge­walt abhängen, lehne ich ein für allemal bestimmt ab. (Bravo! rechts.) Endlich hat der Herr Abgeordnete gemeint, ich wäre der Meinung, daß man klüger thäte, die Leute nicht lesen zu lehren, damit sie nicht die Zeitungen in der Kaserne läsen. Ich gebe ihm das mit der Beschränkung zu, daß es mir allerdings lieber wäre, die Leute könnten gar nicht lesen, als daß sie die Zeitungen der sozialdemokratischen Partei lesen. (Bravo! Heiterkeit.)

Tages-Neuigkeitcn.

* Calw, 17. Febr. Seit Sonntag schneit es bei 03"U ununterbrochen fort. Der Schnee liegt beinahe 1 w hoch. Die Bahnschlitten sind zur Offenhaltung der Straßen fortgesetzt in Thätigkeit. Die Obstbäume biegen sich unter der schweren Schnee­last und man sieht schon viele abgeknickte Aeste. Es erscheint deshalb angezeigt, daß die Bäume durch Ab­schütteln von dem auf ihnen lastenden Druck befreit werden. Trotz des hohen Schnees hat bis jetzt eine wesentliche Betriebsstörung im Post- und Eisen­bahnverkehr nicht stattgefunden. Habt Mitleid mit den hungernden Vöglein; sie werden Liebesgaben tausendfach vergelten! Futter kann man in den Mühlen, bei Oekonomen und bei Kaufleuten billig haben; wenn es auf Gesimsen, auf Fensterbänken und sonstigen etwas geschützten Plätzen ausgestreut wird, kommen sie scharenweise herbei.

Wildbad, 13. Febr. Heute früh fand man den Anwalt Günthner von Sprollenhaus an einem Bergabhang in der Nähe des Eisenbahnübergangs bei der Gasanstalt unter seinem zertrümmerten Wagen tot auf. Derselbe führte gestern abend Langholz nach Calmbach und scheint im Rückweg in schlaftrunkenem Zustand vom Wege abgekommen zu sein.

Durch die Neuanlage des Exerzierfeldes auf dem Cannstatter Wasen werden künftig die Frühjahrsrennen nicht mehr daselbst abgehalten werden können. Man soll einen Platz bei Eßlingen hiefür ins Auge gefaßt haben.

Cannstatt, 15. Februar. In letzter Nacht fand man den 30 Jahre alten Johannes Beyerlein aus Ansbach, der hier am Brückenbau als Taglöhner beschäftigt ist, mit Stichwunden am Kopfe aus der Straße liegen und vom Blutverlust entkräftet vor. Wie derselbe, der von der Polizei in das Be­zirkskrankenhaus verbracht wurde, zu verstehen gab, wurde er in Gaisburg verletzt.

Man schreibt dem N. Tgbl. aus Reut­lingen, 14. Februar: die Vorbereitungen zu dem in diesem Jahre hier abzuhaltenden XXIII. Lied er- fest des Schwäbischen Sängerbundes haben begonnen, ein Festausschuß hat sich gebildet. Das Ehrenpräsidium hat Oberbürgermeister Benz über­nommen. Als geschäftsführender Vorsitzender des Festausschusses ist der Vorstand des hiesigen Lieder­kranzes, Gemeinderat Rupp, gewählt. Als Tage des Festes sind der 10., 11. und 12. Juli endgiltig bestimmt. Zum Festplatz ist die Rennwiese ausersehen. Die Baukommission, welche unter dem Vorsitz des Bauinspektors Landauer ins Leben getreten ist, hat den Platz für die 60 m lange und 30 m breite Sängerhalle und für die Trinkhalle, welche 48 m lang und 15 m breit wird, ausgewählt. Um diese beiden Hauptgebäude gruppieren sich die Wirtschaftsbuden mit Sitzplätzen für 1012,000 Personen. Verschiedene auswärtige Vereine haben sich schon wegen Quartieren hierher gewandt, so daß die meisten Gasthöfe schon vollständig belegt sind.

Reutlingen, 14. Febr. Am 10. ds. Mts. haben die bürgerlichen Kollegien beschlossen, ein Gesuch an die K. Staatsregierung um Gestattung einer Lotterie zu Gunsten der Wiederherstellung der Marienkirche zu richten. Vorbehältlich höherer Genehmigung wurde der von der Lotteriekommission festgestellte Lotterieplan und das von dieser Kommission mit Eberhard Fetz er in Stuttgart getroffene Ueber- einkommen wegen Uebernahme der Lose in feste Rech­nung von den bürgerlichen Kollegien genehmigt. Es sollen 3 jährliche Lotterien mit 2 kur; nacheinander folgenden Ziehungen veranstaltet und Volllose für beide Ziehungen L 2 und Einzellose für die Einzel­ziehungen L 1 ^ ausgegeben werden.

Heilbronn, 16. Febr. Wie der N.-Ztg. von verläßlicher Seite berichtet wird, hat die K. Kreis­regierung in Ludwigsburg die Suspendierung des Oberbürgermeisters Hegelmaier von seinem Amte als Stadtvorstand bereits ausgesprochen. N. Tagbl.

Oehringen, 15. Febr. Die von einer An­zahl protestantischer Männer aus allen Ständen auf gestern abend einberufene evangelische Männer­versammlung wurde durch Stadtschultheiß Schäufele eröffnet, worauf Pfarrer Brecht von Oberkochen in 1 'Mündiger fließender Rede das Thema behandelte:Was hat Württemberg von den Mönchen zu erwarten?" Nach ihm erhielt Stadtpfarrer Kallse von hier das Wort. Beide Redner betonten, daß die Zulassung der Mönchsorden eine ernstliche Gefahr für das protestantische Württem­berg bedeuten würde. Als daher Stadtpfarrer Kallse am Schluß seiner Rede drei Protestbeschlüsse verlas, welche der K. Staatsregierung unterbreitet werden sollen, erklärten sämtliche Anwesende durch Erhebung von ihren Sitzen ihre Zustimmung.

Ulm, 12. Febr. Das Schwurgericht verur­teilte den Laupheimer Brandstifter, den 19 Jahre alten Werkzeugarbeiter Bernhard Baur zu vier Jahren Zuchthaus. Der Staatsanwalt hatte acht Jahre und fünf Jahre Ehrverlust beantragt. Baur war geständig. Auf die Frage, warum er denn immer wieder angezündet habe, erwiederte er, es habe ihn eben gefreut. Aus dem Gutachten der gerichtsärzt­lichen Sachverständigen ist hervorzuheben, daß in der Familie Baurs verschiedene Fälle von Selbstmord,, Selbstmordversuch und Tobsucht zu finden sind. Direktor Dr. Koch von Zwiefalten hat neben der Möglichkeit erblicher Belastung bei Baur körperliche Entartungs­zeichen gefunden und bezeichnet denselben als nicht geistig krank, aber degeneriert. Der Grund, den Baur für seine Brandstiftungen angebe, weise auf einen Zwangsantrieb hin, dem er nachgegeben. Er halte den Zustand Baurs unter der Grenze stehend, wo die freie Willensäußerung zu finden sei. Ober­medizinalrat Dr. v. Landenberger aus Stuttgart ver­gleicht den Antrieb, der Baur geleitet, mit der Freude der Kinder am Zündeln; dieser bösen Lust habe er vermöge seiner geistigen Konstitution weniger zu wider­stehen vermocht. Die Geschworenen hatten mildernde Umstände abgelehnt. Der Gerichtshof zog bei der Strafausmessung das jugendliche Alter und den durch die ärztlichen Gutachten dargelegten Zustand des An­geklagten mildernd in Betracht.

In Mannheim hat der Stadtrat be­schlossen, sofort nach Inkrafttreten des neuen badischen Volksschulgesetzes auf Erhebung des Volksschulgeldes zu verzichten.

Mannheim, 15. Febr. Unsere Stadt wurde heute Mittag, wie bereits telegrafisch gemeldet, von einem großen Brandunglück heimgesuchQ Während der Mittagspause brach nämlich im ersten Flügel der landwirtschaftlichen Maschinenfabrik von Heinrich Lanz Feuer aus, das mit rasender Schnellig­keit um sich griff. Dem Brande nach wäre unzweifel­haft das ganze Gebäude zum Opfer gefallen, wenn dasselbe nicht durch Brandmauern in drei Teile ge­schieden gewesen wäre, welcher Umstand es verhin­derte, daß das Feuer auf sämmtliche Flügel Übergriff. Der rechte Flügel der Fabrik, in welchem das Feuer:

Nein, mein Fräulein! Er ist zwar schwer verletzt; aber es ist doch nicht jede Hoffnung ausgeschlossen, ihn am Leben zu erhalten. Er selber war es ja, der auf eine an ihn gerichtete Frage Ihren Vater als den Thäter bezeichnet hat."

Die letzten Worte hatte das junge Mädchen kaum noch vernommen. Wie eine Himmelsbotschaft klang ihr die Kunde, daß der Geliebte noch am Leben sei, und alle Qualen der letzten Tage waren vergessen in der jubelnden Seligkeit dieses Augenblicks.

Nun zweifelte sie nicht mehr, daß sich Alles zum Guten wenden würde, und das dumpfe Schmerzgefühl, welches ihr bis dahin noch immer mit schwerem Druck auf Kopf und Herzen gelegen, begann endlich einer beinahe heiteren Zuversicht zu weichen, die zwar nach der Ansicht jedes Anderen gewiß noch um vieles verfrüht gewesen wäre, die aber nach der tief innerlichen Überzeugung ihres Herzens nicht mehr trügen konnte.

Und die Prüfungszeit für Kapitän Herbold und seine Tochter näherte sich in der That ihrem Ende. Die auf so eigentümliche Weile zu Tage gekommene Selbst­beschuldigung Johannes Jasmunds war zwar bei dem Staatsanwalt anfänglich auf einigen Unglauben gestoßen, aber je eingehender die Nachforschungen nach dieser neuen Richtung hin wurden, desto mehr gewannen sie an innerer und äußerer Wahr­scheinlichkeit.

Abgesehen davon, daß die Handschrift auf dem bedeutsamen Blatte nach dem übereinstimmenden Urteil der Sachverständigen unzweifelhaft diejenige Jasmunds war, fand man auch nach Entfernung der Leich« unter den Tüchern de» Bettes ver­steckt das blutige Dolchmesser, mit welchem die That verübt worden war, und der Waffrnhändler, dem eS vorgewiesen wurde, erkannt es nicht nur sofort als sein Fabrikat, sondern er erinnert« sich auch mit aller Bestimmtheit des Käufers, als «me» kleine», schwächliche«, etwa» verwachsenen Mensche«, der chm halb und halb

den Eindruck der Unzurechnungsfähigkeit gemacht, und der unter anderem auch die in dem Bekenntnis Jasmunds erwähnte Frage an ihn gerichtet habe.

DaS waren Bestätigungen von sehr großer Bedeutung; aber die bedeutsamste ergab sich doch erst aus den Erklärungen des Verwundeten selbst, der in der That am nächsten Tage im Stande war, einige zusammenhängende Aussagen zu machen.

Was er von seiner ersten Begegnung mit JaSmund und von dem sonderbaren Benehmen des kleinen Schreibers erzählte, stimmte genau überein mit den eigenen Aufzeichnungen des Letzteren, und von sehr hoher Wichtigkeit war es außerdem, daß Kurt mit großer Lebhaftigkeit mehrfach wiederholte, es sei ihm nicht in den Sinn gekommen, den Kapitän der Urheberschaft des Verbrechens zu bezichtigen, und es sei Vielmehrseine felsenfeste Überzeugung, daßHerbold nicht den geringstenAnteil daran habe.

Unter solchen Umständen ließ sich die Verhaftung des alten Kapitäns nicht länger aufrecht erhalten. Am Abend des zweiten Tages wurde ihm vom Staats­anwalt in Gegenwart des Untersuchungsrichters mitgeteilt, daß das Verfahren gegen ihn eingestellt sei, und daß eS ihm fteistehe, zu gehen, wohin es ihm beliebe. Im nächsten Augenblick hielt er die schluchzende Elsbeth, die sich im Nebenzimmer ver­borgen gehalten, in seinem Arm und dem rauhen Seemann selber liefen die Hellen Thränen der Rührung über die wettergebräunten Wangen.

In der B.straße aber herrschte große Freude über diesen Ausgang

der Untersuchung. Da hatte Keiner an die Schuld des Kapitäns glauben wollen, und al» er seinen Laden zum ersten Mal wieder geöffnet hatte, da kam Jung und Alt zu ihm herein, um ihm seine einzige Hand zu drücken und ihm mit mehr oder weniger wohlgesetzten Worten zu versichern, daß man niemals aufgrhört habe, ihm für einen Ehrenmann zu halten.

(Schluß folgt.)

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