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Stuttgart, 10. Febr. Das Landgericht verurteilte die Urheber des Vaihingcr Bahnunglücks, Finanzrat Lang und Bahnhofverwalter Schwen- ninger zur solidarischen Zahlung des vorläufig eingeklagten Schadenersatzes von 3000 Die Ersatzklage der ganzen Summe, 320,000 wird wahrscheinlich folgen.
Waiblingen, 9. Februar. Zutrieb etwa 680 Stück Ochsen, 250 Stück Kühe und 150 Stück Schmalvieh, zus. 1050 Stück. Handel im allgemeinen ziemlich lebhaft, doch bleiben die Preise etwas gedrückt. Händler waren viele auf dem Platze, namentlich aus Baden und Bayern, Fett- und Zugvieh war hauptsächlich gesucht. Die Preise gestalteten sich: bei Ochsen 500—1000 ^ pro Paar, bei Kühen und Kalbeln 250—300 pro Stück, Schmalvieh 100—200 pro Stück. Auf den Schweinemarkt wurden gebracht 300 Stück Milchschweine und 125 Stück Läuferschweine. Verkauft wurde die Hälfte und zwar Milchschweine zu 20—26 ^ pro Paar und Läuferschweine zu 20—50 ^ pro Stück. — Der gestern stattgefundene Holzmarkt war mit Holzwaren verschiedener Gattungen mittelmäßig befahren und wurde alles bei steigenden Preisen rasch verkauft.
Schorndorf, 8. Febr. Heute weilt Oberstaatsanwalt v. Schm oller von Ellwangen hier, um die Schornbacher Angelegenheit, die sich indessen weit ernster gestaltet hat, zu untersuchen. Zugleich aber mischt sich ein weiterer Fall herein, der seit gestern die ganze Stadt bewegt. Der höchste Bewohner unserer Stadt, der Turmwächter M., welcher voriges Jahr die goldene Hochzeit feierte, nun aber seit einiger Zeit krank darnieder lag, starb gestern unter ganz eigentümlichen Verhältnissen. Das Gerücht geht, die schon längere Zeit geistig erregte Frau habe, wie schon öfter, so auch letzten Samstag ihren alten, gebrechlichen Mann mißhandelt und ihn fast unbekleidet die Nacht über auf dem Zimmerboden liegen lasten. Gestern nach der Vormittagskirche brachte ein zufällig eintreffender Besuch den Mann zu Bette, wo letzterer wenige Stunden später verschied. Da sich an verschiedenen Körperteilen Spuren von Mißhandlungen finden sollen, ist gerichtliche Sektion angeordnet, auf deren Resultat man höchst gespannt ist.
Welzheim, 9. Febr. Auch hier sind die Frühlingsboten, die Staren, angekommen.
Aalen, 10. Febr. Aus zuverlässiger Quelle erfährt man, daß der bei dem Brande im k. Hüttenwerk Wasseralfingen an den Maschinen angerichtete Schaden viel unbedeutender ist, als vermutet wurde; es sind nur etwa 20°/» derselben unbrauchbar. Von den übrigen sind bereits die meisten in andern Werkstätten im Betrieb, bezw. sehen demselben in dieser Woche noch entgegen. Die Maschinen des großen Mittelbaus werden mit einem Notdach überdeckt und durch eine vorläufige Fußtransmission (amerikanisches System) in Betrieb gesetzt.
Ehingen, 9. Febr. Gegenwärtig macht die Influenza in hiesiger Stadt und Umgegend bedeutende Fortschritte. Ganze Familien liegen krank darnieder; aber so hartnäckig sich auch einzelne Fälle gestalten, so ist doch noch kein Todesfall vorgekommen. Die Aerzte haben wegen dieser Krankheit sehr viel zu thun. Glücklicherweise hat sich erst hier ein weiterer Arzt niedergelassen. Wir haben nun in hiesiger Stadt vier Aerzte, die vollauf beschäftigt sind.
— Die Stadt Bocken he im hat mit der Firma W. Lahmeyer u. Cie., Kommanditgesellschaft in Frankfurt a. M., für die Dauer von 40 Jahren einen Vertrag abgeschlossen, nach welchem die letztere Gesellschaft auf ihre eigenen Kosten für die Stadt ein Elektrizitätswerk baut und betreibt. Bei dieser Anlage kommt das Lahmeyer'sche Stromverteilungssystem, wie es zur Versorgung ausgedehnter Gebiete mit Kraft und Licht auf der elektrotechnischen Ausstellung vorgeführt worden ist, in Anwendung.
— AuZBremen wird gemeldet: Der Direktor des Norddeutschen Lloyd, Loh mann, starb plötzlich am Herzschlage, als er im Seefahrtshause einen Toast ausbrachte.
— Aus Davos wird vom 9. Febr. geschrieben: Infolge 8tägigen Schneefalls steigerte sich die Masse auf 2'/- m, weshalb große Unglücksfälle unausbleiblich sein werden. Alles muß Hand anlegen, um den 2 m hohen Schnee von den flachen Dächern zu schaffen, selbst die gesünderen Herren und Damen, Kurgäste, bieten ihre Dienste gerne an und machen dabei gute Kur. Gestern stürzte bei Davos-Dörfli eine Lawine mit furchtbarem Getöse nieder, über die Landstraße hinweg in den Davoser-See, ohne jemand zu treffen. Heute vormittag ging, unweit von diesem Platze, eine weitere, sehr starke Lawine nieder, nahm aber 5 Ställe mit Vieh und Futter mit in die Tiefe. Ein Knecht, welcher zum Füttern in einem Stalle war, konnte mit großer Mühe noch lebend ans Tageslicht befördert werden. Mehrere Stück Vieh und Ziegen sind umgekommen. Die Hauptstraße nach Klosters-Landquart ist gesperrt; man mußte Sturm läuten, worauf sich 300 Personen zur Rettungsarbeit anschickten. Mittags gingen noch weitere 3 Lawinen ins Thal (in Laret, Clavadell und Frauenkirch), ob hiebei Jemand verunglückt, ist bis jetzt nicht bekannt. Viele Familien ziehen aus, da weitere Lawinen zu befürchten sind. Gestern vormittag blieben auch die Schneelokomotiven stecken, obgleich dieselben die ganze Nacht hindurch mit Mühe die Bahn offen hielten. Voraussichtlich ist nun der Bahnverkehr auf mehrere Wochen zwischen Davos nnd Klosters unterbrochen; wie auch heute die Bahnverwaltung dem Kreisamt Mitteilung macht. Der Verkehr zwischen der Station Klosters-Davos resp. Landquart-Davos wird nun täglich mit 30 Postschlitten unterhalten, wobei die nötige Bedienungsmannschaft nicht fehlen darf. Heute schneit es den ganzen Tag unausgesetzt weiter. Seitenstraßen, in
seligen los und wich bis an die entgegengesetzte Wand des kleinen Zimmers zurück. Noch vermochte sie das Entsetzliche nicht in seiner ganzen Bedeutung und Tragweite zu erfassen; aber ihre erste Eingebung war doch, daß sie davoneilen und den ersten, der ihr in den Weg käme, zum Bett herbeirufen müsse für das Bekenntnis des Mörders und für die Unschuld ihres armen unglücklichen Vaters. Schon wollte sie sich der Thür zuwenden, da fiel ihr Blick noch einmal auf den Kranken und — so groß auch noch eben ihr Abscheu gegen ihn gewesen sein mochte — so wurde er doch abermals von einer Empfindung tiefen Mitleids überwältigt.
Es war, als ob Jasmund einen schweren Faustschlag erhalten hätte. Stöhnend und röchelnd lag er in seinen Kiffen. Die Kräfte, welche ihm bei Elsbeths Anblick noch einmal für eine kurze Zeit seine gewaltige Erregung verliehen hatten, waren von ihm gewichen und hatten einer nur um so tieferen Erschöpfung Platz gemacht, die nun merklich die Erschöpfung eines Sterbenden war. Dabei waren seine Augen mit einem so unsäglich schmerzlichen Ausdruck auf das junge Mädchen geheftet, daß dieses deutlich genug darin die stumme Bitte lesen konnte: Verfluche mich nicht, denn nur aus namenloser, leidenschaftlicher Liebe zu Dir bin ich zu einem Verbrecher geworden!
Sie wollte wenigstens nicht gehen, ohne ihm zuvor ein mildes, versöhnendes Wort gesagt zu haben. Und obgleich es ihr eine schwere Selbstüberwindung kostete, näherte sie sich ihm doch noch einmal und flüsterte:
.Ich will zu Gott beten, Herr Jasmund, daß er Ihnen Ihre furchtbare Thal verzeiht!"
Der kleine Schreiber bewegte die Lippen, als wenn er ihr danken wollte, aber die Fähigkeit zu sprechen war ihm bereits genommen. Wieder durchzuckte Els- beth mit Bangen der Gedanke, daß er sterben könne, ehe er sein Geständnis vor dem Ohr eines Zeugen wiederholt. Wenn seine Lippen auf ewig verstummt waren, wer sollte ihr dann Glauben schenken? Welche Beweismittel konnte sie dann noch für die Unschuld ihres armen Vaters beibringrn, der doch aus seiner entsetzlichen Lag» gerettet werden mußt« um jede« PreiS!
Noch einmal machte sie den Versuch zu gehen» und noch einmal ließ sie sich
welchen der Schnee nicht festgewalzt werden kann^ gleichen tiefen Gräben und Wällen, vor denen man Parterrewohnungen nicht mehr sehen kann.
Nermischles.
— Von einem neuen Mittel gegen die Influenza wissen die letzten medizinischen Wochenschriften zu berichten. Das neue Mittel, Antinervin genannt, soll darnach das Antipyrin weit übertreffen und besonders haben die Berichte des vr. Klügler,, welcher das Antinervin bei der jüngsten Epidemie in Glogau mit vielem Erfolg angewandt hat, die Aufmerksamkeit der medizinischen Welt auf dieses Mittel gelenkt. Ungünstige Nebenwirkungen sind bei seiner Anwendung nicht beobachtet worden, dagegen macht sich fast in allen Fällen ein wohlthuender Einfluß, auf Kopf- und Rückenschmerzen bemerkbar und man hat ein baldiges Sinken des Fiebers unter reichlicher Schweißabsonderung beobachtet. Meist genügten 8. Pulver zu Z, im Zeitraum von 2 Tagen genommen, um die Macht der Krankheit zu brechen.. Was dem Antinervin noch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil vor dem Antipyrin verleiht, ist der Umstand, daß das neue sowohl erprobte Mittel sich um. das Fünffache billiger stellt, als das ältere Antipyrin. Auf die Empfehlung deutscher Aerzte ist das Antinervin übrigens an den Königlichen Kliniken zu Turin und Genua, als diese mit Jnfluenzakranken überfüllt waren bereits ebenfalls in Anwendung gekommen und auch dort sind nach den Berichten der betreffenden Direktoren die Erfolge durchaus günstig gewesen..
— Reimregel eines Sextaners von
1870.
Viele Dinge sind auf is Längst verschwunden in karis: kanis, xiseis sind am ünis,
Und vom oanis bleibt nur erinis,
Selbst die saure cucumis Fehlt schon längst, auch muxilis (ein Meerfisch),. Und etwas ganz Rares ist b'ölis, Katz und Ratte, A'lis.
Doch Paris, was ist dein tmis?
„iKuis, luxis, pulvis, eiuis".
Standesamt ßakw.
Geborene:
4. Febr. Emma Friedrike, Tochter des Karl Friedrich.
Schnaufer, Schuhmachers hier.
7. „ Karl, Sohn des Jakob Geh ring, Bäcker
meisters hier.
Gestorbene:
7. Febr. Marie geb- Merz, Gattin des Karl Spöhrer, Handelsschuldirektors hier. 42 Jahre alt. 9. „ Theodor Schmid, Sohn deSSabbas Schmid,.
_ Weichenwärters hier, 7 Monate alt.
Gottesdienst
am Sonntag, den 14. Februar.
Vom Turm: 236.
Vorm-.Prcdigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr Vortrag im Vereinshaus: Der Kampf des Jesuitenordens gegen die deutsche Reformation: Herr Stadtpfarrer Eytel.
durch sein angstvolles Stöhnen und durch seine flehenden Augen bewegen, zu bleiben. Es war ein schwerer Kampf, den sie in diesen unsäglich bangen Minuten zu durch ringen hatte. Ihre kindliche Liebe trieb sie fast unwiderstehlich von hinnen, und der Anblick des Unglücklichen, dessen letzte Augenblicke erleichtert und verklärt wurden durch ihre Anwesenheit, griff ihr doch so mächtig an da» Herz, daß sie den Mut nicht fand, ihn zu verlassen. Nebem seinem Lager sich setzend und seine kalte Hand in der ihrigen haltend, verbrachte sie fast eine ganze Stunde. Vor der heiligen Majestät des Todes vergaß sie, daß ein Mörder, daß es der Mörder ihres Geliebtem sei, dem sie den letzten Dienst erwies und daß ihr Vater um dieses Mannes willen unter einer schimpflichen Beschuldigung schmachtete. Sie sah in Jasmund nur noch den unglücklichen, bejammernswerten Menschen, den Einsamen und von der Welt Verlassenen, und das göttliche Mitleid ließ jede Empfindung des Hasses und des gerechten Zornes in ihr verstummen.
Und der Augenblick der Erlösung kam endlich heran. Während mehrerer Minuten hatte der Kranke regungslos mit geschloffenen Augen dagelegen, und nur das schwache Röcheln und Raffeln in seiner Brust hatte Zeugnis dafür gegeben, daß noch Leben in ihm sei. Da plötzlich ging ein Zittern durch seine Gestalt, er schlug, die Augen auf und deutete mit einer leichten Anstrengung nach dem Tische, wo neben einem Stoß von Büchern die Utensilien seines Schreiberhandwerks lagen. Er schien nach irgend etwas zu verlangen, denn er machte auch einen abermaligen fruchtlosen Versuch, zu sprechen. Als sich aber Elsbeth, die ihn nicht verstand, anschictte^ nach dem zu suchen, was er begehrte, fühlte sie ihre Hand von seinen hageren Fingern so fest umklammert, daß sie vor Schmerz hätte laut aufschreien können. Sie kehrte sich nach chm um und sah mit einem einzigen Blick, daß der letzte Todeskampf begonnen hatte. Es war ein entsetzliche» Schauspiel, aber eS war zum Glück nur von. kurzer Dauer. Ein paar kurz« gurgelnde Atemzüge noch, einige unverständliche Laute, — dann ein Dehnen und Strecken im ganzen Körper — und Johanne«. JaSmund hatte seine irdische Laufbahn beendet! —
(Fortsetzung folgt.)