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M 12. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 67. IahkM-.
Erscheint Dien«tag, Donnerstag und Samstag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- gebun; v Pfg. die Zeile, sonst IS Pfg.
Donnerstag, den 28. Januar 1892.
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Deutsches Reich.
Berlin, 25. Jan. Ihre Majestäten der König und die Königin sind gestern abend 6 Uhr wohlbehalten hier eingetroffen. In Station Luckenwalde wurden Allerhöchstdieselben vom preußischen Ehrendienst, sowie von dem Gesandten von Moser und dem Militärbevollmächtigten von Neidhardt begrüßt. Nach der herzlichsten Begrüßung Ihrer Majestäten durch Seine Majestät den Kaiser erfolgte die gegenseitige Vorstellung des Gefolges, sodann schritten Ihre Majestäten der Kaiser und der König die Ehrenwache ab und begrüßten die auf dem Bahnhof erschienenen zur Zeit in Berlin kommandierten württembergischen Offiziere, während Ihre Majestät die Königin mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Friedrich Karl von Preußen nach dem Schlosse fuhr, wo Allerhöchstdieselbe von Ihrer Majestät der Kaiserin empfangen und aufs herzlichste bewillkommt wurde. Kurze Zeit darauf begaben sich auch Ihre Majestäten der Kaiser und der König dahin, verließen jedoch vor dem Schlosse den Wagen und begingen die Front der vor der Terrasse des Schlosses aufgestellten Ehrenkompagnie, worauf ein Vorbeimarsch der Ehrenwache und der Eskorte erfolgte. Vom Anhalter Bahnhof bis zum Schlosse waren ' Spaliere von der Berliner Garnison gebildet, während längs des ganzen Weges trotz des wenig freundlichen Wetters ein dichtgedrängtes Publikum harrte und den König, dessen Erscheinung überall den sympathischsten Eindruck hervorries, mit lauten, freudigen Hurrahs begrüßte. Ihre Majestäten verfügten sich sodann nach dem königl. Schlosse, wo Seine Majestät der König von Ihrer Majestät der Kaiserin aufs
freundlichste begrüßt wurde. Nach der Vorstellung der Hofstaaten fand für Ihre Majestäten Familientafel und für das Gefolge Marschalltafel statt, zu der auch Seine Exzellenz der Herr Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Mit tu acht, sowie der Gesandte v. Moser und der Militärbevollmächtigte v. Neidhardt eingeladen waren.
Berlin, 26. Jan. Auf dem gestrigen Festmahl bei dem Kaiser zu Ehren der württ. Majestäten toastete der Kaiser: Er heiße die Majestäten herzlich willkommen und danke für ihren Besuch am hiesigen Hofe. Der König von Württemberg sei kein Neuling in Berlin, seit lange sei er mit der preuß. Armee eng verbunden, und daß der König hier nicht vergessen sei, bewies der gestrige, Empfang. Er heiße die Majestäten nochmals willkommen und trinke auf deren Wohl. Der König antwortete sofort: Er danke für den Toast auf sich und die Königin, er danke für den herrlichen, herzlichen Empfang durch den Kaiser und die Kaiserin sowie durch die Bevölkerung. Der Kaiser habe richtig bemerkt, daß er kein Neuling in Berlin sei; die schönsten Jahre seines Lebens gehören der Zeit, wo er auf das engste mit der preuß. Armee verbunden gewesen sei. Dieser Kitt mit der preuß. Armee sei zugleich ein festes Band zwischen dem württembergischen und dem preußischen Volke. Er trinke auf das Wohl des Kaisers und der Kaiserin. — Der Nordd. A. Z. zufolge wird Großfürst Alexis auf der Rückreise von London nach Petersburg gelegentlich seiner Durchreise durch Berlin am 27. (Kaisers Geburtstag) dem Kaiser einen Besuch abstatten.
Kiel, 25. Jan. In dem Befinden des an
einem Erkältungszustande leidenden Prinzen Heinrich ist eine wesentliche Besserung eingetreten. Der Prinz ist fieberfrei. Morgen beabsichtigen der Prinz und die Prinzessin mit dem Prinzen Waldemar nach Berlin abzureisen.
Dresden, 25. Jan. Das „Dresd. Journ." schreibt: „Am Königlichen Hof werden für den Besuch Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von Württemberg die umfassendsten Vorbereitungen getroffen. Ihre Königlichen Majestäten, Aller- höchstwelche vom 24. bis 28. Januar zum Besuch am Königlichen Hof in Berlin weilen werden, treffen am 28. d. M., mittags 12 Uhr, mittelst Sonderzugs auf dem Böhmischen Bahnhof ein. Auf dem Bahnhof werden die Württembergischen Majestäten von Seiner Majestät dem König von Sachsen, den Prinzen des Königlichen Hauses, den Herren Staatsministern und der Generalität empfangen werden. Vor dem Bahnhof wird eine Ehrenwache vom 1. (Leib-) Grenadier- Regiment Nr. 100 mit Fahne und Musik Aufstellung nehmen. Bei der Ankunft im K. Residenzschloß werden die Allerhöchsten Herrschaften vom Kgl. großen Dienste empfangen. Alsdann findet OHeunor su kaiuills in den Gemächern der Württembergischen Majestäten statt, während die Suiten gemeinschaftlich im Speisesaale der II. Etage das Frühstück einnehmen werden. Nachmittags '/-6 Uhr Galatafel im Bankettsaale des Königl. Residenzschlofses. Abends nach 8 Uhr werden die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in Begleitung des Königl. großen Dienstes das Altstädter Hoftheater besuchen und nach der Vorstellung um 10 Uhr im Marmorsaale des Königl. Schlosses gemeinschaftlich mit den Suiten soupieren. Die Abreise Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von Württem-
6 H ^ ^ O . Nachdruck verbaten.
Kapitän Herbold's Tochter.
Novelle von F. Herrmann.
(Fortsetzung.)
Damit bot er Kurt auf einem Präsentierbrett das Briefchen dar, dessen Couvert weder parfümiert war, noch irgend eine Verzierung zeigte. Von einer bangen Ahnung ergriffen, nahm es der junge Mann ungestüm an sich, und als er den Diener durch eine ungeduldige Handbewegung verabschiedet hatte, entfaltete er eS hastig, um mit einer an Erstarrung grenzenden Bestürzung zu lesen:
„Mein lieber Kurt!
Niemals werde ich die wenigen glücklichen Stunden vergessen, welche Deine Liebe mir bereitet hat und immer werde ich Dir von ganzem Herzen dankbar sein für die edle Opferwilligkeit, mit welcher Du bereit warst, um meinetwillen «inm Kampf aufzunehmen, der Dich im Fall des Gelingens sowohl wie in dem des Unter- liegens sicher unglücklich gemacht haben würde. Ich zweifle nicht, daß es Deine feste und ehrliche Absicht gewesen ist, Deine verpfändetes Wort einzulösen und mich trotz aller entgegenstehenden Hindernisse, ja selbst auf die Gefahr eines unheilbaren Bruches mit Deiner Familie hin zu Deinem Weibe zu machen. Ein solches Opfer aber dürste ich nur im einzigsten Falle annehmen: nur dann, wenn ich wirklich die Kraft in mir fühlte, Dir allein durch meine Liebe Alles zu ersetzen, was Du um meinetwillen hingegeben hast. Und es muß gesagt werden, Kurt, daß ich mich dazu nicht stark genug glaube! Ich fürchte, das Gefühl, das für Dich in meinem Herzen lebt, nicht verstanden zu haben! Ich habe für echte und innige Liebe gehallen, was doch wohl nichts Anderes gewesen ist, als Freundschaft, als die Wirkung ein« plötzlich lebendig gewordenen Erinnerung an eine weit hinter uns liegende glückliche Kinderzeit. Vielleicht war es ein« gnädige Fügung des Himmels, für die wir der Vorsehung aufrichtig Dank wissen müssen, daß sie uni gleich im Anbeginn unseres
wohl all zu rasch cingegangenen Verlöbnisses so ernste und gewaltige Schwierigkeiten in den Weg legte. Ich bin dadurch zu einer Selbstprüfung gezwungen worden, und als das Ergebnis dieser Prüfung kann ich Dir nichts Anderes sagen als: Wir müssen den übereilten Schritt ungeschehen machen! Ich gebe Dich frei, wie auch ich mein Wort von Dir zurück fordere, und ich erkläre feierlich, daß nichts im Stande sein wird, mich in diesem nach langer und reiflicher Ueberlegung gefaßten Entschlüsse wankend zu machen. Versuche darum nicht, Kurt, meinen Sinn zu ändern. Du würdest damit Dir und mir nur unnötige Seelenpein verursachen, und das endliche Ergebniß würde dennoch kein anderes sein können.
Ich weiß wohl, daß ich mich der Gefahr aussetze, wegen meines Wankelmutes von Dir verachtet zu werden, und ich leide schwer unter dieser Vorstellung; aber ich sehe vorläufig keine Möglichkeit, Dir eine andere Meinung von mir beizabringen, und mein Gewissen sagt mir. daß ich das Rechte gethan habe. Wenn es Dir leichter wird, mich zu vergessen, sobald Du Dich berechtigt glaubst, mich zu verachten, so mag es immerhin darum sein. Da wir einander doch niemals angehören können, wünsche ich nichts Anderes so sehnlich, als daß Du an der Seite einer Anderen' Würdigeren dahin gelangen mögest, in den Ereignissen dieser bewegten Tage bald nichts weiter zu sehen als einen flüchtigen, rasch verwehten Traum.
Einer Antwort auf diesen Brief bedarf es ja nicht, und wenn Du barmherzig sein willst, willst Du sie mir ersparen. Elsbeth Herb old."
Mit einem bitteren, zornigen Auflachen schleuderte der Offizier das Blatt au den Tisch.
„Eine überraschende Wendung — in der That!" stieß er. überwältigt von sein« Erregung, hervor. „In dem Augenblick, wo ich um meiner Liebe willen mit Allem gebrochen habe, was mir heilig und teuer war, wo ich im Begriff stand meine ganze Zukunft zu zerstören, weil ich mir damit einen Engel zu gewinnen glaubte — in diesem Augenblick sagt sich dieser Engel von mir los. — Und warum — warum?"
Roch einmal durchlas er Elsbeths Brief vom ersten bis zum letzten Wort