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sehr zahlreich besucht war. Das Programm bot in 12 Nummern reiche Abwechslung und seine verständ­nisvolle Durchführung verdient alle Anerkennung. Die erhebenden Männerchöre wiedas deutsche Lied" und der Gesang" gingen frisch und präzis; die zu Herzen gehenden Lieder für Sopran und Alt:Verlassen bin i" von Koschat und ein Duett von Mendelssohn wurden recht ansprechend, rein und mit Ausdruck vor­getragen. Ebenso zeugten die mit Fertigkeit ausge­führten Klavierproduktionen (Jupiter - Symphonie v. Mozart, Geburtstagsmarsch v. Behr, Sonate in v. Mozart) von richtiger Auffassung der Tonge­danken. Herr Wiedenmann von Neuhengstett zeigte sich als gewandter Violinspieler, der vie Schwierig­keiten der Stücke von Hauser, Strauß und Wald­teufel selbst in den höchsten Lagen mit Leichtigkeit überwand. Besonders sagen wir dem tüchtigen Leiter des Ganzen, Herrn Lehrer Appenzeller, unfern besten Dank. Die Stimmung war eine solche, daß man sich weit über das Alltagsleben hinaus ge­hoben fühlte, und wohl jedermann nahm den Ein­druck mit nach Hause, der in dem Sinne des Dichter­wortes liegt:

Wo man singt, da laß dich ruhig nieder.

Böse Menschen haben keine Lieder.

Aus dem Oberndorfer Amt wird dem N. A.-B. von einem ehrlichen Finder eine Epi­sode erzählt, die nicht jedes Jahr wiederkehren wird. Besagter Mann fand auf dem Oberndorfer Markt einen Hundertmarkschein und bemerkte bald, wie ein in der Nähe stehender Handelsmann eifrig die Taschen umwendete, anscheinend nach Geld suchend. Ohne weiteres lief der Finder auf ihn zu und übergab ihm den Schein, welchen derselbe sofort als sein Eigentum erkannte und20 -rZ." Trinkgeld fließen ließ. Sofort bemerkte aber der Handelsmann, er habe nicht nur einen, sondern zwei Hundertmarkscheine verloren und faßte Mißtrauen gegen den ehrlichen Mann. In diesem Argwohn ging er abends demselben auf dem Heimweg in das Dorf L. voraus und ließ ihn durch die dortige Ortspolizei nach dem Rathaus verbringen, woselbst in den Taschen desselben eifrigst nach dem zweiten Schein gefahndet wurde.Nur gut", erzählt der redliche Finder wörtlich,daß ich nicht weiter Geld bei mir hatte, als gewöhnliches Taschengeld. Nach diesem aber machte sich mein Gutedel eiligst aus dem Staube, ohne ein Wort der Entschuldigung oder Be­gütigung. Zu dem Undank mußte ich auch noch dem Burschen, welcher meine Stiere während meiner Ge­fangenschaft in Verwahr hatte, befriedigen, um nicht mit der Ortsjugend in Konflikt zu kommen."

Marbach a. N., 21. Dez. In der Nacht vom Sonntag auf Montag ist dahier die Schellen- berger'sche Säg- und Oelmühle, die hart an die Mahlmühle angebaut war, niedergebrannt; da jedoch die Mahlmühle einen Feuergiebel hatte und völlige Windstille herrschte, so konnte solche gerettet wer­den. Das Schellenberger'sche Anwesen ist bekannt­lich von der Stadt Stuttgart erworben worden und die feith. Besitzerin Frau Witwe Schellenberger

hätte in wenigen Wochen den Betrieb eingestellt. Leider war aber jetzt noch das Gebäude mit vielen Sägwaren und auch etwas Oelsämereien angefüllt, wodurch das Feuer große Nahrung fand. Dem Uebel- stand, daß das Wasser in den Spritzen gefrieren wollte, wurde bald abgeholfen, weil von allen Seiten siedendes Wasser beigetragen wurde.

* Karlsruhe. Das hiesige HotelKrokodil" ist von dem Museumswirt Stark in Stuttgart (früher langjähriger Verwalter des Badhotels in Teinach) um die Summe von 340,000 ^ gekauft worden.

In Baden-Baden hat man mitten in der Stadt eine Höhle entdeckt. Den Weg hierzu fand man durch den Neubau des Rathauses- unter welchem sich die Höhle 10 Meter tief befindet und in den Berg hinein führt. Dieselbe ist Jahrhunderte alt; die Fundgegenstände, die man herausholte, ge­hören der römischen und vorrömischen Zeit an; man hofft wertvollere Gegenstände zu erhalten. Bei der Entdeckung war die Höhle mit Wasser gefüllt, das man auspumpte und welches mutmaßlich mit den heißen Quellen nicht in Verbindung steht. Die Größe der Höhle ist noch nicht genau anzugeben: die Höhe beträgt zwischen 3 und 10 Meter, die Breite zwischen 3 bis 5 Meter. Eine genauere Untersuchung der Höhle ist erst nach Trockenlegung möglich, an der gearbeitet wird.

Schiltach, 19. Dez. Der Bau der Eisen­bahn nach unserer Nachbarstadt Schramberg, der von Mitte Mai d. I. ab fortschreitend mit den Grund­erwerbungen in Angriff genommen wurde, ist nun­mehr so weit vorgeschritten, daß der Zug der Bahn allenthalben sichtbar geworden ist. Dieser Bahnbau bietet Schwierigkeiten mancherlei Art. Mit besonderer Energie wird an dem bedeutendsten Bauobjekt der Linie, dem etwa 320 w langen Tunnel in unmittel­barer Nähe des hiesigen Orts gearbeitet. Derselbe muß durch harten Granit getrieben werden und es ist zum erstenmal in Süddeutschland zu seiner Herstellung Maschinenbohrung mit Preßluft und Dampf­kraft in Anwendung gebracht worden. Mit Hilfe derselben konnte ein täglicher Fortschritt des Richt­stollens von durchschnittlich 2,5 w, das 3-4fache des Fortschritts bei Handbohrung, erreicht werden und so ist es gelungen, denselben nach 7monatlicher, Tag und Nacht fortgesetzter Arbeit, fertigzustellen. Der Durchschlag erfolgte am 16. ds. Mts. Wenn der Vollausbruch und die Mauerung des Tunnels mit derselben Raschheit voranschreiten, so wird Aussicht vorhanden sein, die Bahn im Spätjahr 1892 zur Vollendung zu bringen.

Die Stürme in der Nordsee sind auch an Helgoland nicht spurlos vorübergegangen. Es hat, so schreibt dasHelg. Wchbl", unsere Düne wieder etwas von der Südspitze verloren, auch ist von dem am Strande lagernden Kies für das Badehaus etwas fortgeschwemmt. Von der neuerbauten Mole

sind mehrere Schaufeln und Karren» sowie Holz fort- geschlagen, bedeutenderer Schaden ist jedoch nicht zw melden.

Nermischtes.

^ Das Publikum ist durch die Auswahl von Kalendern und Notizbüchern, welche ihm gegen Schluff jeden Jahres als Geschenk auf den Schreibtisch und Geschäftspult gelegt werden, eigentlich schon recht ver­wöhnt. Was aber, und namentlich der Geschäftsmann, jetzt Niemand mehr missen möchte, das sind jene eleganten Zeitungskataloge mit Notizkalender, welche sich als praktische Hand- und Nachschlagebücher beinahe in jedem Geschäft und Haushalt eingebürgert haben und das ganze Jahr durchaeführt werden- Reich­haltiger und geschmackvoller als jemals hat nun dieses Jahr die Firma Haasenstein L Vogler A.-G>, die älteste Annoncen-Expedition Deutschlands, ihren soeben erschienenenNotizkalender und Zeitungs­katalog für das Jahr 1892" ausgestattet. Der Einband ist noch schöner geschmückt als früher, als neue Beilage ist eine sorgfältig ausgeführte Eisen­bahnkarte von Mittel-Europa in Buntdruck angefügt und ein riesiger Bleistift im Bismarckformate vervoll­ständigt das schmucke Aeußere, dem ein mannigfach vermehrter Inhalt entspricht. Ein hübsch geschriebenes Vorwort begrüßt diesmal den Benutzer, die Post- und sonstigen Tarife sind an die vorderste Stelle gerückt, damit sie sofort aufgeschlagen werden können,, darauf folgt der Tageskalender für 1892 mit splen­didester Raumausstattung und dann jene allseitig wegen ihrer Zuverlässigkeit und Vollständigkeit ge­schätzten Zeitungs- und Zeitschriftenverzeichnisse, die dies Mal noch übersichtlicher geordnet, durch alle neue Erscheinungen ergänzt und behufs leichterer Benutzung durch ein eigenes Inhaltsverzeichnis bereichert wurden. Es giebt kein sonstiges Nachschlagebuch für Fachzeit­schriften, sowie Journale des In- und Auslandes» das so absolut sichere Auskunft über Erscheinungsort, Auslage, Jnsertionspreis u. s. w. gewährt, wie der Notizkalender und Zeitungskatalog für das Jahr 1892" von HaasensteinL Vogler A.-G. Das wertvolle Andenken wird den Freunden und Kunden dieser renommierten Firma dieses Jahr besondere Freude bereiten.

Weihnachtsgottesdienste.

Donnerstag, äcn 24. Dezember. (Leik. Abenä.)

Nachm. 4 Uhr Weihnachtsandacht im Vereinshaus mit nachfolgender Beichte.

Freitag, äcn 25. Dezember: Beil. Ebrisifcst.

Vom Turm: 105.

Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Feier des heiligen Abendmahls. 2 Uhr Nachm. Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel. (Beide Kirchenopfer sind für die Rettungsanstalten des Landes bestimmt.)

Samstag, äen 26. Dezember. Feiertag Atepboni.

Vorm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel.

Sonntag, äen 27. Dezember.

Vom Turm: 111.

Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen.

Fülle goldglänzenden Blondhaares umrahmt, offenbarte selbst in der schlechten und ungewissen Beleuchtung dieser Bücherhöhle all' seine wundersame bestrickende Schönheit.

Mit einem leichten Neigen des Hauptes begrüßte die mit Elsbeth Angeredete den unbekannten Käufer. Der aber bot ein wahrhaft bemitleidenswertes Bild der höchsten Befangenheit und Verwirrung. Seine Wangen waren wie mit Blut über­gossen, seine Augen waren unverwandt auf die reizende Mädchen erscheinung geheftet und seine Lippen bewegten sich, als wenn er ihr irgend ein wohlgesetztes Wort des Grußes sagen wollte, ohne daß doch ein einziger Laut vernehmlich geworden wäre-

Kapitän Herbold mußte ihn erst in seiner gemütlich derben Werse aus der peinlichen Situation befreien.

Der Herr ist unser Nachbar,' sagte er, indem er sich gegen seine Tochter wandte,und er interessiert sich für gute Bücher. Du weißt ja besser, was wir haben als ich. und Du kannst ihm wohl gleich das eine oder das andere zeigen, wennS dem Herrn Nachbar gerade recht ist."

Elsbeth trat vollends in den Laden hinein. In die Gestalt des kleinen Schreibers aber schien endlich Sprache und Beweglichkeit zurückzukehren.

Nicht doch, mein Fräulein," stammelte er, indem er die vorhin versäumte Verbeugung überaus ungeschickt nachzuholen suchte.Ich werde nicht zugeben, daß Sie sich um mcimtwillen irgend welche Blühe machen. Nein, nein, gewiß nicht!" Und ganz kleinlaut fügte er mit niedergeschlagenen Augen hinzu:Ich werde Ihnen ja wahrscheinlich doch nichts abkaufen können."

Kapitän Herbold lachte und legte ihm seine einzige derbe SeemannSfauk ver­traulich auf die schmale Schulter.

Machen Sie sich wegen des Kausens keine Sorge, Herr Nachbar! Ist'» nicht heute, so ist eS vielleicht ein anderes Mal! Wir sind ja Beide Invaliden, und Leidensgefährten sollen sich allemal beistehen, so weit sie können."

Elsbeth, welche diese Andeutung nicht verstand, richtete ihre schönen Augen kagend erst auf den Fremden und dann auf den Vater. Herbold aber wiederholte ihr, ohne erst die Zustimmung seines neuen Kunden einzuholen, fast wortgetreu alles, was er vorhin aus dem Munde desselben über sein Mißgeschick vernommen hatte. Das Mitleid und die herzliche Anteilnahme, welche dabei aus dem lieblichen Mädchenantlitz zu Tage traten, mußten wohl einen tiefen Eindruck auf den kleinen Schreiber machen, denn seine Stimme zitterte merklich, als er sich jetzt, nachdem Her­bold geendet, gegen diesen wandte:

Sie benehmen sich so freundlich gegen mich, Herr Herbold"

Kapitän wenn's Ihnen nichts verschlägt!" fiel der Buchhändler mit einigem Nachdruck ein.

Herr Kapitän," verbesserte der Kleine bescheiden,daß ich cs für meine Schuldigkeit halte, mich Ihnen ordentlich vorzustellen. Ich heiße Johannes Jas- mund, und wohne nur zwei Häuser von Ihnen entfernt, in Nummer dreizehn, im dritten Stock."

Kapitän Herbold runzelte die Stirn und wiegte mißbilligend das graue Haupt.

In Nummer dreizehn," widerholte er, »das ist nicht klug, Herr Jasmund k Sie sollten nicht in Nummer dreizehn wohnen! Ich bin sonst nicht abergläubisch, aber die dreizehn ist nun einmal keine gute Zahl."

lieber das hagere Gesicht des Kleinen ging wieder jenes eigentümlich weh­mütige Lächeln, das ihm einen so rührend kindlichen Ausdruck gab.

Ich danke Ihnen für die Warnung, Herr Kapitän," sagte er,aber ich glaube nicht, daß es mir Not thut, sie zu behelligen. Mein ganzes Leben ist bis­her nichts anderes gewesen, als eine einzige Kette von Leid und Ungemach, da ist e< schon verzeihlich, wenn man einigermaßen gleichgiltig wird gegen das Schicksal und eS auch wohl gelegentlich einmal ein wenig herausfordert. Ich meine immer, es könnte mir nicht mehr all zu viel Schlimmes begegnen." Forts, folgt.