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Nr. 139

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Samstag, den 18. Juni 1927

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101. Jahrgang

Der Kampf um

Hie Haltung des ReichLpostmmisters

Tie Postgcbuhrenvorlage zurückgezogen.

TU. Berlin, 18. Juni. Der Verwaltungsrat der Deut­schen Neichspvst trat gestern in die Beratung der Postgebüh- reuvvrlage ein. Zu Beginn der Sitzung gab der Reichspost­minister Dr. Schätze! eine Erklärung ab, in der er auf den Beschluß des Reichstags hinwies, den Neichspostminister zu ersuchen, die Vorlage zurückzuziehcn. Er halte sich als poli­tischer Minister für verpflichtet, der in dem Beschluß des Reichstags zum Ausdruck gebrachten Willcnsmeinung Rech­nung zu tragen. Er könne indessen zu diesem Beschluß nach den Bestimmungen des Neichspystfinauzgesetzes nicht Stel­lung nehmen, ohne die Entschließung des Verwaltungsrats der Deutschen Neichspvst als die entscheidende und verant­wortliche Stelle für die Führung der Geschäfte der Reichs- pvst, eingehvlt zu haben. Um dem Verwaltungsrat die Mög­lichkeit zu geben, über die Sach- und Rechtslage sich ein Ur­teil zu bilden, halte er es für geboten, den Berwaltungsrat vor allem vom Stande und den Zielen der Vorlage zu unter­richten. Zu diesem Zweck sei es erforderlich, daß der Ver- waltnngsrat außer den Vorschlägen der Deutschen Reichspost selbst und den Sitzungsberichten des Arbeitsausschusses die Referate des Berichterstatters des Arbeitsausschusses ent- gcgenuehme und sodann seine Willcnsmeinung darüber zum Ausdruck bringe, welche Stellung der Vcrwaltnngs- rat gegenüber dem Reichstagsbeschluß einnehmen wolle.

Vorerst sei er verpflichtet, festzustellen, daß, wenn den Beschlüssen des Reichstags entsprochen werde, der Deutschen Neichspvst schon heute die Mittel fehlten, um die Ausgaben zu bestreiten, die durch die Gebührenvorlage Deckung finden sollten. Ungedeckt bleiben hiernach bis auf weiteres die lau- « senden Beschaffungen im Betrag von 150 Millionen Mark. Es mühten daher zur Vermeidung haushaltsmäßiger Haf­tungen der beteiligten Beamten alle laufenden Bestellungen, Bauten, Einrichtungen und Betriebsmittel entsprechend ab­gestellt werden. Weitere Bestellungen könnten von heute ab weder an die beteiligten Industrien noch an das Bauhand­werk oder Gewerbe verteilt werden. Einzustcllen seien fer­ner alle Betriebs- und Berkehrsverbesserungen,- einzustellen sei endlich der Ausbau der Verkehrseinrichtnngeu. Er mache hierbei zur Vermeidung späterer Berufungen darauf auf­merksam, daß die von den Abgeordneten Torgler und Taub­adel in der NeichStagssitzung am Mittwoch geforderte Ab­drosselung der Ausgaben für den Ausbau der Einrichtungen der Reichspost schon in der nächsten Zeit die Entlassung von etwa 12 OVO Arbeitern zur Folge haben werde. Endlich fehl­ten der Deutschen Neichspvst die Mittel, um sich an der Er-

die Postgebühren

Höhung der Bcamtenbesoldung zu beteiligen. Ohne Bewil­ligung der vorgeschlagenon Gebührenerhöhuug sei die Be­streitung dieser Erhöhung für das Postpcrsonal schlechter­dings eine Unmöglichkeit. Die Erhöhung der Postgebühren sei auch nach den Prüfungen und Beschlüssen des Arbeits­ausschusses nicht mehr zu umgehen. Erfolge sie jetzt nicht, so müsse sie in einiger Zeit erfolgen, nur daß inzwischen der Postverwaltung Mehreinnahmen entgehen würden, die für den Monat etwa 20 Millionen betrügen.

Nach de» Ausführungen des Berichterstatters des Ar­beitsausschusses, der die Annahme der von diesem Ausschuß abgeändertcn Vorlage empfahl, wurde die Frage der Zu­rückziehung oder Vertagung der Vorlage eingehend erörtert. Der Berwaltungsrat nahm durch Mehrheitsbeschluß den Standpunkt ei», daß von einer Vertagung oder Zurückver- weisuug der Vorlage abzusehen sei. Der Neichspostmini­ster erklärte, daß er der Entschließung des Reichstages vom 18. Juni nachkommend die Vorlage zuriickziehc. Zur weite­ren Behandlung der Angelegenheit wird der Verwaltungs­rat in seiner heutigen Sitzung Stellung nehmen.

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Das Arbeilsprogramm des Reichstags

Am Donnerstag außenpolitische Reichstagsanssprache

TU. Berlin, 18. Juni. Der Aeltestenrat des Reichstages beschäftigte sich am Freitag mittag erneut mit der Geschäfts­lage und beschloß einstweilen den 18. Juli als Schlußtag für den gegenwärtigen Tagungsabschnitt in Aussicht zu neh­men. Falls es die Zollvorlage und bas Arbettsloscnver- sicherungsgesetz notwendig machen, soll unter Umständen noch länger getagt werben. Am heutigen Sonnabend wird die Verlängerung der Pachtschutzordnnng auf die Tages­ordnung gesetzt werden, ferner das Gesetz über Heimstät­ten und Beamten und der sozialdemokratische Gesetzentwurf über den 11. August als Nationalfeiertag, der wahrschein­lich an den Ausschuß verwiesen wird. Am Montag wirb das Schankstättengesetz beraten. Am Dienstag soll die Be­ratung des Strafgesetzbuchsentwurfes beginnen. Am Don­nerstag wird eventuell die außenpolitische Debatte ihren Anfang nehme». Falls bis dahin Neichsaußenminister Dr. Stresemann zur Beantwortung der sozialdemokratischen Interpellation bereit ist. Ueber die weiteren Dispositionen ist sich der Aeltestenrat noch nicht schlüssig geworden. Je­doch steht bereits fest, daß, falls die Regierung nicht noch rechtzeitig ein Spcrrgcsctz wegen der Abfindung der Fürsten cinbringt, ein solches von den Parteien beantragt werden wird. Die meisten der übrigen von der Regierung ange- kttndigten aber noch nicht vorgelegten Gesetze dürften nicht mehr vor der Sommerpause erledigt werden.

Tages-Spiegel

Ter Neichspostminister teilte im Berwaltungsrat der Reichs­post mit, daß er die Postgebührenvorlage zuriickziche.

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Der Reichstag wird nach dem vorläufigen Arbeitsplan des Aeltestenrats bis 18. Juli tagen.

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Tie Genfer Ratstagung hat gestern nach Vertagung der Tanzigcr Fragen auf September ihren Abschluß ge­sunden.

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Dr. Stresemann wird am Montag in Berlin cintrcsseu und voraussichtlich am gleichen Tage dem Rcichskabinett Be­richt erstatte».

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In Königsberg wurde gestern der zweite verfassungsmAßige evangelische Kirchentag eröffnet.

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Die Ozeanslieger habe» gestern ihre in Bremen eingctrof- senc» Gattinnen abgeholt und sich über Magdeburg nach Berlin znriickbcgebe«.

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Der württembergische Landtag behandelte gestern nachmittag de» Antrag zum Knltctat.

geführt werden. Für die Lösung der rein deutsch-französischen Fragen bedeuteten die Genfer Besprechungen einen günstigen Fortschritt. Dr. Stresemann habe der Unterstandskontrollc nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß die Initiative kür diese Maßnahme der Neichsregierung zufalle und der Ueberprüfung selbst einAusna^mecharakter" bcigemessen werde. In der Frage der Herabsetzung der Besatzungstruppcn hätte Stresemann bei Brianö vor dessen Abreise sicherlich gern »och eine Aussprache herbeigeführt. Diese hätte jedoch, so erklärt der Korrespondent, nicht viel Neues bringen kön­nen, da die französische Regierung nicht in der Lage sei, über die Zahl zu verhandeln, solange die Forderungen der Bot­schafterkonferenz in der Abrüstungsfrage noch offen ständen.

Wie jetzt bekannt wird, Ist in den Besprechungen der 6 Staatsmänner auch die Regelung des jugoslawis ch-a l- banischen Streitfalles eingehend behandelt worden. Es soll eine Einigung dnhin erzielt worden sein, daß eine Völkerbunbsintervention in diesem Konflikt nicht als zweckmäßig angesehen werde. Ferner soll beschlossen wor­den sein, bei den beiden beteiligten Regierungen auf mög- ltchst baldige Regelung der Streitfrage htnzuwirkcn. Wie verlautet, ist der Vertrag von Tirana in den Verhandlungen nicht berührt worden.

Die russisch-polnische Spannung

TU Warschau, 18. Juni. Wie aus Moskau gemeldet wird, wurde im Rat der Volkskommissare in einer außerordent­lichen Sitzung beschlossen, bis auf weiteres keine Note an die polnische Regierung zu richten, bis Rosengolz aus Warschau zurückgekehrt sei. Rosengolz soll erst über den Prozeß Bericht erstatten. Außerdem beschloß der Rat der Volkskommissare, die polnische Regierung zu benachrichtigen, daß die Sowjct- regierung nicht imstande sei, einen neuen Gesandten nach Warschau zu schicken, da das milde Urteil gegen Kowerda keine genügende Garantie für die persönliche Sicherheit des Sowjetgesandten biete. Dies würde eine verkappte Form des Abbruches der diplomatischen Beziehungen zwischen Sowjetrußland und Polen bedeuten.

Bier Dentschc in Moskau verhaftet?

TU. Berlin, 18. Juni. Nach einem Telegramm aus , Warschau sind im Savoy-Hotel in Moskau von der russi­schen politischen Polizei am Mittwoch vier Deutsche verhaf­tet worden. Nach einer anderen Version soll es sich um Kommunisten handeln. An Berliner zuständiger Stelle war" von einer Verhaftung von Deutschen in Moskau noch nichts bekannt.

Indochina bedroht

TU Berlin, 18. Juni. Wie dieVoss. Ztg." aus Paris meldet, ist in der Jndochina benachbarten chinesischen Provinz Nvenan eine Milttärrevolte ausgebrochen. Die Truppen des Generals Hu Au Au griffen plötzlich die Truppen des Gene­rals Longyuan an und entwaffneten sie nach zehnstündigen Kämpfen in der Stadt Auenan-Fu. Nur der Vermittlung des französischen Konsuls war es zu danken, daß der besiegte General und seine Familie nur mit der Ausweisung aus der Provinz davon kamen

Der Abschluß

Vertagung der Danziger Fragen

Stresemann am Montag in Berlin TU Genf,-18. Juni. In der gestrigen Sitzung des Rates gab es nur ein wirkliches Ereignis, nämlich die Vertagung der Krage, ob Polen seine exterritorialen Rechte aus der Wcstcrpiatte behalten soll, die ihm der hohe Kommissar des Völkerbundes kürzlich zugesprochen hat. Weiterhin wurde die armenische Flüchtlingsfürsorge behandelt und den inter­essierten Negierungen eine eingehende Prüfung der Berichte Nausens empfohlen. Ferner wurde der Antrag des Finanz­komitees angenommen, nach dem der Völkerbundsrat sich auf der Septembertagung abschließend mit der griechischen Sanie- rungsanleihe zu befasse» haben wird. Der finnländische An­trag auf Unterstützung angegriffener Staaten wurde gleich­falls auf September vertagt. Zum Schluß sprach der Nats- präsidrnt Chamberlain dem aus dem VülkerbundsrcH aus- scheidenben bisherigen Vertreter Japans, dem Grafen Jshii, den Dank des Vülkerbundsrates für seine Mitwirkung an den Arbeiten des Völkerbundsrates aus.

Die Abreise der Genfer Delegierte«.

Im Laufe des gestrigen Abends haben bereits zahlreiche Völkerbundsdelegationen Genf verlassen. Auch Paul-Bon- cour fuhr gestern abend nach Paris zurück. Dr. Stresemann dagegen verbleibt noch heute zu einigen Besprechungen in Genf und reist erst am Sonntag früh nach Berlin ab, um dort am Montag vormittag einzutreffe». Auf Wunsch Dr. Stresemanns wird das Kabinett noch im Laufe des Montags seinen Genfer Bericht eutgegennehmen. Der Völkerbunds-

der Ratstagung

rat wird am 1. September in Genf wieder znsammentreten. Die Bölkerbnndsvcrsammlnng wird zum 5. September ein­berufen.

Das Gesamt-Ergebnis von Genf

Die deutsche Delegation znm Konscrenzendc TU Genf, 18. Juni. Bon Seiten der deutschen Delegation wird nochmals nachdrücklichst allen Pressemeldungen ent- gegengctreten, nach denen in Genf über eine antirusstsche Ein­heitsfront gesprochen worden wäre. Zu der Herabsetzung der Besatznngstruppen und der Kontrolle der Ostschleifungen wird erklärt, daß eine endgültige Regelung zurzeit noch nicht soweit erzielt worden ist, «m darüber etwas Abschlie­ßendes sagen zu können. Zur Diskussion dieser Fragen wird sich in nächster Zeit noch Gelegenheit in Berlin bieten. Man dürfe jedoch annehmen, daß die Frage der Ostbefestigungen endgültig geregelt werden könne. Es wird weiter mitgeteilt, daß während Ser Tagung eine Beratung der Besatzungs­mächte vorgesehen war, die infolge Briands frühzeitiger Ab­reise nicht mehr stattfinden konnte.

Eine frauzöstfchc Stimme znm Ergebnis der Genfer Beratungen.

Marcel Ray betont imPetit Journal" die bedeutend Rolle, die Stresemann in Genf bei der Behandlung der rus­sischen Frage gespielt habe. Der etwas überraschend gekom­mene Abbruch der Verhandlungen der 6 Staatsmänner sei darauf zurückzuführen, daß man die Besprechungen weniger öffentlich gestalten wolle. Die Beratungen würden übrigens an einem anderen Ort und unter anderen Bedingungen fort-