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Amts-
und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
66. Iahrsavg.
Erscheint Dien «tag, Donnerätag und Samitag. Di« Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um» j gebun, s Psg. die Zeile, sonst IS Psg.
Donnerstag den 26. November 1891.
Lbonnementrpreii oierteljährlich in der Stadt -0 Psg, > ud Sa Psg. Trägerlohn, durch die Post byogen Mk. I- lä, sonst in ganz Württemberg Mk. l. 8ä.
Amtliche Bekanntmachungen.
Dikjkmge« amtlichen Stellen und Personen,
welche zur Verwendung der Bezirkspostwerthzeichen befugt sind, werden unter Bezugnahme auf die oberamtlichen Bekanntmachungen in Nro. 132 und 139 des Calwer Wochenblatts benachrichtigt, daß nach einem neuesten Erlaß der K. Generaldirektion Per Posten und Telegraphen die für den 1. Dezember d. I. in Aussicht genommene Versetzung der mit Bezirkswerthzeichen frankierten Sendungen mit amtlichem Siegel- oder Stempelabdruck, beziehungsweise mit der Beurkundung des Mangels eines amtlichen Siegels nicht schon auf diesen Zeitpunkt, sondern erst auf den 1. Januar 18SL zu beginnen hat und daß von einer ausgedehnteren Verwendung der Bezirkspost- iverthzeichen als bisher zunächst noch abzusehen ist.
Calw, den 25. November 1891.
K. Oberamt.
Supper.
Tages-Neuigkeiten.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s Seine Königliche Majestät haben am 21. November d. I. allergnädigst geruht, zum stellvertretenden Mitglied des neu zu bildenden Disziplinar- hofs für Körperschaftsbeamte dett .Stadtschultheiß Haffner in Calw zu ernennen. '
Bietigheim, 21. Nov. Ein lebensmüder junger Kaufmann verursachte nach der L. Z. hier zweimal seinem Dasein ein Ende zu machen. Nachdem es ihm nicht geglückt zu sein schien, durch Erhängen zum Ziele zu kommen, versuchte er es, sich zu ersäufen. Vorübergehende sahen ihn in der Nähe
der Hammersteige mit dem Tode ringen und riefen ihm zu, durch Schwimmen das Land zu gewinnen. Die Liebe zum Leben war denn doch scheint's noch mächtig genug in ihm; es gelang, ihn zu retten. Wie man vernahm, war es die Verzweiflung darüber, daß er stellenlos geworden, die den jungen Mann zu dem verzweifelten Schritte trieb. Vielleicht bewahrt ihn die Erinnerung an die ausgestandene doppelte Todesangst vor weiteren Selbstmordgedanken.
Backnang, 23. Nov. Im hiesigen Bezirk haben von 6090 Wahlberechtigten 2349 abgestimmt. Hievon erhielten Hartmann 1801, Agster 416, Kiene 34 Stimmen; die übrigen Stimmen zersplitterten sich. In der Stadt selber erhielten von 521 Stimmen Hartmann 298, Agster 169, Fürst Bismarck 23, Kiene 11 Stimmen.
Hall, 22. Nov. Gestern früh nach 6 Uhr ereignete sich dem H. T. zufolge in der hiesigen Maisstärkefaörik ein schreckliches Unglück. Der Schmid von Gelbingen, Vater von 6 Kindern, der allein in dem Lokal anwesend war, geriet aus fast unerklärliche Weise in eine in der Höhe angebrachte Transmission und wurde von derselben in die Höhe gerissen und getötet. Man vernahm Schreie des Verunglückten; aber als ein Nebenarbeiter herbeieilte, war das Unglück schon geschehen. Die Transmissionsanlage ist derart, daß in ihr keinerlei Ursache dieses schweren Unglücksfalls zu erblicken ist.
Braunschweig, 24. Nov. Die Braunschweiger Landeszeitung veröffentlicht eine Ansprache des Fürsten Bismarck anläßlich des am letzten Freitag stattgehabten Empfanges einer Deputation des hiesigen plattdeutschen Vereines zur Ueberreichung des Ehrenmitglieddiplomes. Der Fürst beklagte die Ab
nahme seiner Rüstigkeit. An die Berliner Reise gehe er schwer heran; sie habe für ihn nur Sinn, um als deutscher Bürger seine Schuldigkeit zu thun. Wer glaube, daß er damit wiederein Amt erringen wolle, überschätze seine Bescheidenheit und unterschätze sein Selbstgefühl. Es falle ihm nicht ein, eine Ministerstellung zu begehren.
Aus Breslau wird den M. N. N. berichtet: Im Jahre 1873 gründeten hiesige Buchdruckeroerbandsgehilfen mit Hilfe ihnen wohlwollender Privatleute eine Genossenschaftsdruckerei, die noch besteht. Dieselbe stand natürlich in allen Lohn- rc. Fragen auf Seite der Gehilfenschaft; ihr gehört auch der Gehilfenvertreter des diesseitigen Gaues an. Diese Genossenschaftsdruckerei steht jetzt in der Ablehnung der neuen Gehilfenforderungen oben an. Dieselbe verteilte bisher 5°/» Dividende und es ließ sich leicht ausrechnen, daß nicht nur diese Dividende durch die n»ien Forderungen verschlungen werden würde, sondern noch zugesetzt werden müßte, das heißt, da Niemand da ist, der das thun würde, das Geschäft ruiniert werden müßte. Darüber schweigen sich natürlich die Gehilfen und ihr Vertreter, der eben dieser Genoffenschaftsdruckerei angehörte, völlig aus.
— Die XVII. Kommission des Reichstags zur Vorberatung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Bestrafung des Sklavenhandels, besteht aus 14 Mitgliedern. Vorsitzender ist Dr. Virchow. Von württemb. Abgeordneten gehören ihr an Frhr. v. Gültlingen und Gröber, letzterer als Schriftführer.
New - Jork, 24. Nov. Ein heftiger Orkan, verbunden mit starken Regengüssen, der bis zur Küste des atlantischen Ozeans sich erstreckte, suchte Was-
^ . Nachdruck verboten.
Der Schiffbruch der „Felicitas".
Erzählung von Ferdinand Herrmann.
(Fortsetzung.)
Der schrille Klang der Hausglocke, welche in demselben Augenblick zweimal sehr heftig gezogen wurde, konnte nicht bis in das kleine behagliche Seitenzimmer dringen in welchem diese Unterhaltung geführt wurde. Der Pförtner war im Stillen ein wenig darüber verwundert, daß ein verspäteter Gast auf so ungeberdige Weise Einlaß verlange, aber er wich ganz entsetzt zurück, als er den Schein der Flurlampen auf das totenbleiche und wie von schwerem körperlichen Leiden durchfurchte Antlitz des ihm wohl bekannten Direktors Sarnow fallen sah.
„Ich muß auf der Stelle den Generalkonsul sprechen!" sagte der junge Mann mit heiserer Stimme und sichtlich mübsam nach Atem ringend. »Lassen Sie ihm sagen, daß es sich um Dinge von der allerhöchsten Bedeutung handle. Wo kann ich ihn erwarten?"
»Ich werde Sie in das Arbeitszimmer des gnädigen Herrn führen, denn das liegt am meisten abseits von den Festräumen. Aber ich weiß wirklich nicht, ob ich es wagen darf, Herrn Röhrsdorf jetzt —"
„Sie thun es auf meine Verantwortung! Ich fordere Sie dringend auf, keinen Augenblick zu verlieren."
Gegen eine so entschiedene Sprache wagte der Diener keinen weiteren Widerspruch. Er bemühte sich, die mit Gästen erfüllten Gemächer zu vermeiden, während er Sarnow in das seitab gelegene Zimmer führte; aber er konnte doch nicht verhindern. daß ihnen in Folge einer zufälligen Fügung gerade an der Schwelle desselben die Gattin des Generalkonsuls entgegentrat.
»Sie — Herr Sarnow?" fragte Felicitas erstaut, »und wie verstört Sie auS- sehen! — Mein Gott, ist denn ein Unglück geschehen — oder sind Sie krank?"
Er hatte angesichts der unerwarteten Begegnung all' seine Kraft zusammengenommen, um gefaßter und ruhiger zu erscheinen; aber es wollte ihm doch nur schlecht gelingen.
»Eine dringende geschäftliche Angelegenheit zwingt mich, Ihr Fest zu stören!" erwiederte er, zum erstm Mal ihrem ängstlich forschenden Blick ausweichend. „Ich bitte Sie deshalb um Verzeihung; aber ich habe dem Herrn Generalkonsul eine Mitteilung zu machen, die keinen Aufschub duldet."
Es war unverkennbar nicht seine Absicht, ihr den Inhalt dieser Mitteilung zu offenbaren, und wie heftig auch Felicitas durch die auffallende Veränderung in seinem Aeußeren erschreckt worden war, besaß sie doch Stolz genug, eine Teilnahme zu verbergen, welche ihr leicht als müßige Neugier ausgelegt werden konnte.
»Ich werde meinen Gatten von Ihrem Hiersein in Kenntnis setzen", sagte sie, »und ich zweifle nicht, daß er sogleich zu Ihrer Verfügung sein wird."
Mit einem leichten Neigen des schönen Hauptes verabschiedete sie sich von chm und die Schleppe ihres seidenen GewandeS rauschte über das Parket. Sarnow trat in daS Arbeitszimmer des General-Konsuls ein, ohne der Davongehenden einen Blick nachzusenden. In der gewaltigen Erregung, die sichtlich von seinem ganzen Wesen Besitz ergriffen hatte, war sein Auge blind geworden selbst für den süßen Reiz ihrer bestrickenden Schönheit.
Und eS vergingen noch beinah« zehn Minuten, ehe RöhrSdorf kam- Er hatte die Botschaft, zu deren Trägerin sich Felicitas selbst gemacht, nicht sehr gnävig ausgenommen, und mit einer unwilligen Bemerkung über Zudringlichkeit und allzu großen Diensteifer hatte er sich wieder an den Bürgermeister gewendet, um das für ihn so schmeichelhafte Gespräch ruhig bis zur Dazwischenkunst anderer Personen fortzusetzen.