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Stuttgart, 9. Nov. Vom 1. Januar ab, wird in Stuttgart ein Sonntagsanzeiger erscheinen. Die Probenummern werden in nächster Zeit zur Aus­gabe gelangen. Zur Aufbringung der nicht unbe­deutenden Kosten, welche ein derartiges neues Unter­nehmen erfordert, hat sich eine Gesellschaft gebildet. Als Redakteur wird der frühere Herausgeber der Württ. Landeszeitung Rudolf Förster, genannt. Den Druck des Blattes hat die Firma Glaser und Sulz übernommen.

Feuerbach, 10. Nov. Heute Nachm. 4 Uhr wurde im Feuerbacher Tunnel ein Schaffner eines durchfahrenden Zuges gefunden, dem beide Füße unterhalb des Knies abgefahren waren. Nach ärztlicher Hilfe durch den hiesigen Arzt wurde derselbe 4 Uhr 30 Min in besonderem Wagen nach Stuttgart verbracht.

Heilbronn, 8. Nov. Am Mittwoch abend kam in einem Hause der Wollhausstraße sin Brand zum Ausbruch, der jedoch bald wieder, ohne bedeuten­den Schaden anzurichten, gelöscht werden konnte. Das Das Feuer entstand dadurch, daß einer Frau der Oelbehälter der Erdöllampe entfiel, worauf sich sofort das brennende Oel ins Zimmer ergoß und verschiedene Gegenstände in Brand setzte.

Rottenburg, 9. Nov. Der überaus rasche Abgang der heurigen Hopfen und die große Schwierig­keit, jetzt solche zu erlangen, hat die Preise abermals in die Höhe gedrückt. Es werden nun bis zu 130 per Ztr. bezahlt, netto das Doppelte des diesjährigen Anfangspreises. Hier befinden sich vereinzelte Eigner, welchen auch dieser Preis nicht hoch genug ist und welche mit besonderer Zähigkeit bei der Nichtabgabe verharren. Was den Handel mit ausländischem Obst betrifft, so scheint die Zufuhr jetzt nachzulassen. Heute kam ein einziger Waggon mit Obst auf den Bahnhof, von welchem jedoch nichts abgegeben wurde.

Blaubeuren, 5. Nov. Ein eigentüm­licher Unfall trug sich vorgestern hier zu. Eine Frau wollte an ihrem Hause einen lose hängenden Fensterladen befestigen, aber in dem Augenblick, als sie mit einer Leiter um das Haus herumging, stürzte der Laden auf sie herab und traf sie so unglücklich an die Schläfe, daß eine bedeutende Verletzung entstand, welche zugenäht werden mußte. Leider ist die Be­fürchtung vorhanden, daß vie Frau, die nach dem Unfall lange Zeit bewußtlos war, infolge desselben das Auge auf der verletzten Seite einbüßen wird.

Ulm, 9. Nov. Ein gestern hier gewesener Amerikaner aus dem Oberland hatte seine beim Mili­tär stehenden Landsleute in verschiedenen Wirtschaften gut regaliert und hatte sich alsdann in die Vorhalle des hiesigen Bahnhofgebäudes gesetzt, woselbst er bald eingeschlafen war. Als er heute früh erwachte, machte er die unangenehme Entdeckung, daß ihm seine Geld­börse mit einem Inhalt von 160 ^ fehlte. Ob ihm dieselbe gestohlen worden oder ob er dieselbe verlor, ist nicht festgestellt.

Heidenheim, 8. Nov. Daß unsere Jugend

am Sonntag vor Martini dem Schlittschuhlaufen auf der Brenz obliegen konnte, wie es heute der Fall war, ist seit vielen Jahren nicht vorgekommen. Nicht nur die Eisweiher, sondern der Brenzfluß ist so fest gefroren, daß sich heute eine große Menge großer und kleiner Schlittschuhläufer auf demselben bewegte. Für andere, z. B. Bauhandwerker und ebenso für die Landwirte, ist die Kälte viel zu früh eingetreten, auch für den Gesundheitszustand sind die kalten trockenen Nordwinde nichts weniger als zuträglich.

Vom Bodensee, 9. Nov. Der Wasser- stand des Bodensees ist in den letzten vier Wochen um 40 Centimeter zurückgegangen. JnFriedrichs- hafen traf eine für die württembergische Dampf­schifffahrtsverwaltung erbaute neue Dampfbarkasse ein. Das Schiff ist 16'/- Meter lang, hat eine Maschine von 80 Pferdekräften und ein recht gefälliges Aus­sehen. Der Schraubenschleppdampfer ist dazu be­stimmt, den Güterverkehr zwischen den württemberg- ischen Uferstationen zu vermitteln und, wenn nötig, auch Trajekt-Extrafahrten nach Bregenz und Romans­horn auszuführen. Der kleine Dampfer, welcher 50 Personen faßt, soll auch zu Vergnügungsfahrten an kleinere Gesellschaften vermietet werden. In Langenargen bei Friedrichshafen sind letzter Tage gegen 60 Zentner Weißfische mittelst Netzen aus dem See gezogen worden. Als erstes Schiff ist der österreichische SalondampferKaiser Franz Josef" in das Trockendock nach Bregenz befördert worden.

Aus Baden, 7. Nov. Der Hauptgewinn der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellungs-Lot­terie im Betrage von 100,000 siel einem Arbei­ter der Mannheimer Baumwollspinnerei zu.

München, 9. Nov. Bisher ist hier in 41 Druckereien der Aus st and eingetreten. Das Erscheinen der Zeitungen ist sichergestellt. Die Druck­sachen des Landtages sollen vorerst auf lithografischem Wege hergestellt und nicht dringende Arbeiten zurück­gestellt werden. Falls wichtige amtliche Arbeiten zu erledigen sind, sollen die dem Buchdruckergewerbe un­gehörigen Soldaten der Garnison zur Aushilfe beordert werden.

Berlin, 9. Nov., abends. Nachdem preuß. Staatsanz. verlieh der König von Preußen dem kommandierenden General des 13. Armeekorps General- lieut. v. Wölckern den Kronenorden 1. Klasse.

Berlin, 9. Nov., Abends. In einer Vor­standssitzung des Kolonialvereins zu Hannover wurde heute ezne Depesche Wißmanns mitgeteilt, in welcher es heißt: Ich beabsichtige nur Aufschub, nicht Auf­gabe meiner Dampferexpedition.

Berlin, 10. Nov. In einer gestern abend stattgehabten Versammlung der Berliner Buch­druckereibesitzer wurde mitgeteilt, daß obwohl am Samstag zahlreiche dem Verbände ungehörige Setzer und Drucker die Arbeit niedcrgelegt, alle Zeitungen dennoch ausreichend mit neuen

Setzern versehen seien. Man könne dem weiteren Streik ruhig entgegensetzen.

Berlin. Auf merkwürdige Weise hat ein alter pensionierter Beamter, Kanzleirat F. in Berlin, sein Vermögen aus dem Zusammenbruch der Firma Hirschfeld u. Wolfs gerettet. Anfang September d. I. befand sich F. auf einer Fußtour in der sächsischen Schweiz und besuchte dabei am Sonntag die Bastei. Im Wirtshaus oben war es drückend voll, kein Plätzchen mehr zu haben, und so mußte der Rat sich an einen Tisch setzen, wo bereits vier Herren Platz genommen. Es waren dies augenscheinlich auch Berliner. Dieselben unterhielten sich von den Kursen und vom Differenzspiel und hechelten schließlich die finanziellen Verhältnisse größerer Börsenfirmen durch. Dabei kamen sie auch auf die Firma Hirschfeld u. Wolff zu sprechen und ergingen sich über das Bankhaus in nicht gerade schmeichelhafter Weise. Nun horchte F. hoch auf; der Name seines Bankiers, bei dem er sein ge­samtes Vermögen, 180,000 in Staatspapieren deponiert und der dasselbe schon seit zwei Jahrzehnten verwaltete, wurde hier von jungen Männern in den Schmutz gezogen. Dem alten Herrn ging das, was er von den Fremden gehört, im Kopf herum; er konnte die folgende Nacht nicht ruhig schlafen und als er wenige Tage darauf nach Berlin zurückkehrte, informierte er sich der Sicherheit halber über H. u. W was zur Folge hatte, daß er Anfang vorigen Monats sein Depot zurückzog.

Petersburg. In der bevorstehenden elek­trischen Ausstellung in Petersburg soll eine elektrische sprechende Uhr, von Edison, ausgestellt werden. Die Uhr ist mit einem Phonographen versehen, welcher mit menschlicher Stimme die Stunden, halben und Viertelstunden meldet. An Stelle des Zifferblattes befindet sich ein Gesicht, das mechanisch den Mund öffnet, um die Zeit anzugeben. Gleichzeitig dient die Uhr auch als Wecker. Vermöge eines besonderen Mechanismus kann man sie so stellen, daß zu einer bestimmten Stunde in der Nacht die Uhr mit lauter Stimme mehrere Mal den RufEs ist Zeit zum Aufstehen" erschallen läßt. Auch am Tag kann die Uhr Mahnungen in der ArtGeh jetzt ins Geschäft" oderdas Theater fängt bald an" vernehmbar machen.

DieGazetta Venezia", meldet, daß der Bauer des Rosas, der nach Verbüßung einer sieben­jährigen Kerkerstrafe in seine Heimat Usinia zurück­kehrte, den dortigen Bürgermeister Melis, den Guts­besitzer Sechi und zwei Bäuerinnen, die in seinem Prozeß belastend für ihn ausgesagt hatten, getödet habe.

Vermischtes.

Das uralte, am Fuße des Teutoburger Waldes gelegene Städtchen Bevegern hat am vor­letzten Sonntag einen Ueberfall von fremden Ein­dringlingen tapfer zurückgewiesen und die wilden Gegner teils erlegt, teilts in die Flucht geschlagen. Der aufregende Vorgang trug sich m den Nach­mittagstunden zu. Es war, erzählt die Köln. Z.,

Dann werden wir weiter über das Geschäft sprechen, Ihre Tochter erweist mir viel­leicht die Ehre, Sie zu begleiten."

Welch' eine Liebenswürdigkeit, verehrter Freund! Ich weiß kaum, ob ich Ihre Güte in solchem Umfange in Anspruch nehmen darf. Aber es wird uns natürlich sin ganz besonderes Vergnügen sein wir werden pünktlich erscheinen."

Sind Sie der Zustimmung des Fräuleins so gewiß, Herr Heldrungen?"

Nun, wir können sie ja selber fragen, denn da ist sie, um Ihnen den kümmerlichen Labetrunk zu kredenzen. Höre, mem Kind: Herr Röhrsdorf läßt uns die Auszeichnung zu Teil werden, uns für morgen zu Tisch in sein Haus zu laden. Er wünscht aus Deinem eigenen Munde zu hören, daß Du mich gerne be­gleiten wirst."

Wieder schlug Felicitas ihre Augen zu dem Fremden auf, und wieder er­rötete sie vor seinem durchdringenden Blick. Das gefüllte Wasserglas auf dem Teller, welchen sie in der Hand trug, klirrte leise.

Gewiß! Ich werde es gerne thun!" sagte sie mit einem Ausdruck mädchen­hafter Scheu und Verlegenheit, der sie nur noch reizender machte. Röhrsdorf nahm das Glas, das sie ihm darbot, und als seine Finger dabei scheinbar absichtslos ihre weiche Hand streiften, fühlte Felicitas, daß dieselben kalt und feucht waren wie die Haut einer Schlange.

Ich danke Ihnen für die gütige Zusage, mein Fräulein!" erwiederte er. Auf Wiedersehen denn! Ich darf die Herren in der Stadt nicht länger auf mich '^varten lassen!"

Er verabschiedete sich rasch und ließ nicht zu, daß Heldrungen ihn weitet als bis zur Thür des Zimmers begleitete. Als er eben im Begriff war, draußen seinen Fuß auf den Tritt des harrenden Wagens zu setzen, keuchte der Agent Lifser atem­los und mit beängstigend rotem Gesicht heran.

Welch' eine Hetzjagd!" prustete er.Dieser Heldrungen war ja rein des

Teufels. Er jagte davon, noch ehe ich ein Wort mit ihm sprechen konnte, und wie es scheint, waren Sie nun ebenfalls im Begriff, mir durch die Lappen zu gehen Ihre Unterredung mit ihm muß ja merkwürdig kurz gewesen sein. Haben Sie es ihm nun wirklich glattweg abgeschlagen, das Geld gegen eine weitere Hypothek auf Dreilinden herzuleihen?'

-Ja!"

Der Kleine drängte sich ganz nahe an den Bankier heran, und indem er die listigen Aeuglein bedeutsam zusammenkniff, flüsterte er ihm zu:

Sagen wir achthundert Thaler und wir Beide sind über alles Weitere im Reinen!"

Röhrsdorf stieg in den Wagen und gab dem Kutscher einen Wink.

Ich bedauere, von Ihrem Anerbieten keinen Gebrauch machen zu können, Herr Lisser", sagte er in dem eisigsten Ton, der ihm zur Verfügung stand.Hanseln Sie in dieser Angelegenheit gefälligst ganz nach Ihrem Belieben. Adieu!"

Die Pferde zogen an, und der kleine Agent, der nicht wieder zum Mitfahren aufgefordert worden war, schaute dem bavonrollenden Wagen mit äußerst ver­blüffter Miene nach.

Daraus mag der Teufel klug werden!" knurrte er.Aber ich will nicht Benjamin Lisser heißen, wenn nicht eine abgefeimte Spitzbüberei dahinter steckt. Er ist ein ausgemachter Schurke, aber Gott sei's geklagt, ich darf es nicht mit ihm verderben."

Und mit einem sehr nachdenk' Men Zug auf seinem roten, gedunsenen Gesicht trat der wackere Mann in das Herrenhaus von Dreilinden, wo durch die Kunde von der merkwürdigen Einladung sein Erstaunen nur noch um ein Gewaltiges ge­steigert werden sollte.

(Fortsetzung folgt.)