514
sehr schönen Vortrag. Die jugendliche Pianistin Frl. Zundel zeigt bei ihren Klaviervorträgen einen feinen, weichen und doch kräftigen Anschlag, bewundernswerte Geläufigkeit, großes Verständnis und edle Auffassung. Beide Künstlerinnen haben überall bei ihrem Auftreten großen Beifall gefunden. Das reichhaltige Programm enthält Stücke von Mendelssohn, Meyerbeer, Brahms, Chopin u. s. w. und verspricht demnach den Zuhörern einen hohen Genuß.
* Calw, 25. Okt. Während bisher der Obstpreis auf dem Bahnhofe bei 5 50 sich fast
gleichblieb, machte sich am Samstag ein Preisrückgang bemerkbar. Es waren mehrere Waggons zum Verkauf gestellt und auch viele Käufer vorhanden, jedoch stellte sich der Preis für österreichisches Obst auf nur 5 ^ 20 bis 5 später ging der Preis sogar
unter 5 herunter. Hessisches Obst war höher an-
eboten, wurde aber wenig abgesetzt. Die Käufer alten etwas zurück, da auf den großen Stationen Obst in Menge vorhanden ist und wahrscheinlich billigere Preise zu erwarten sind. In Stuttgart und anderen Städten ist der Preis für ausländisches Obst erheblich niederer als hier. — Kraut scheint in diesem Jahr ein teurer Artikel zu werden. Auf dem gestrigen Wochenmarkt kostete hiesiges Kraut 10—12 Filder- kraut 16 das Hundert.
Calw. Zu Vertrauensmännern der Steinbruchberufsgenossenschaft Sektion II sind für die am 1. Oktober ds. 'I. beginnende zweijährige Amtsperiode für den Verwaltungsbezirk Calw bestellt worden: Goßger, Steinbruchbesitzer in Renningen OA. Leonberg, und Friedrich Ecker, Steinbruchbesitzer in Herrenalb OA. Neuenbürg, worauf wir die interessierten Kreise aufmerksam machen.
fff De ckenpfronn, 23. Okt. Unsere Jäger hatten in den letzten Tagen das Glück, mittelst eines ausgezeichneten Dachshundes einen fetten Dachs aus seinem Bau zu heben; ebenso drei prächtige Füchse aus einer kurzen Ackerdohle, was in gegenwärtiger Zeit wohl als Seltenheit bezeichnet werden dürfte, da diese Räuber sich zur Zeit noch im Walde aufhalten und dort den Hasen nachstellen, die dieses Jahr ohnehin ziemlich selten sind, was wohl, außer andern Ursachen, in der ziemlich großen Anzahl von Reinecke's ihren Grund haben wird.
Stuttgart, 23. Okt. Wie in den andern großen deutschen Städten, so fand auch hier gestern abend eine Versammlung der Buchdruckergehilfen bei Gustav Weiß statt. Auch hier wurde beschlossen, am Samstag, den 24. Okt., den Kollegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zu empfehlen und die fernere Festsetzung der zukünftigen Lohn- und Arbeitsverhältnisse dem Vorstande des Unterstützungsvereins Deutscher Buchdrucker zu überlassen. Die Resolution wurde einstimmig unter Bravorufen angenommen.
Stuttgart, 24. Okt. Während der Gemüsemarkt in bemerkbarer Abnahme begriffen ist, zeigt heute der Markt für Kellerobst eine Fülle, die m Erstaunen setzt und den Beweis liefert, daß edles Obst in Menge zur Verfügung steht. Auch Zwetschgen sind wieder in ungeahnter Menge zum Verkaufe gelangt. Was die Trauben betrifft, so kommen aus Südtrrol noch Gutedel und Trollinger. Die letzteren können es mit den hiesigen Trollingern in Farbe und reifem Ansehen entfernt nicht aufnehmen. Pilze
immer noch sehr zahlreich. Der Preis für Schellfische ist auf 40 -rZ hinaufgesetzt worden.
Stuttgart, 24. Okt. Zufuhr auf dem Wilhelmsplatz: 800 Ztr. württ. Mostobst zu 5 ^ 20 -rZ bis 5 80 pr. Ztr. (Luiken 6 ^ 20 iZ),
— 23. Okt. Güterbahnhof. Zufuhr: 96 Waggon
— 19,200 Ztr. Mostobst (77 östr., 3 bayr., 4 Hess., 12 schweiz.), Preis per Waggon 860 bis 920 (schweiz. 800—840 ^), pr. Ztr. 4 ^ 60 bis 4 ^ 80 ^ (schweiz. 4 ^ 50 ^ bis 4 ^ 70
Stuttgart, 21. Oktbr. Landgericht. Gestern standen wegen Vergehens gegen Z 12 Abs. 1 des Nahrungsmittelgesetzes vor der II. Strafkammer: Bauer W. Schneider, 37 Jahre alt, von Thamm, Metzger Chr. Mergenthaler, 40 Jahre, Fleischschauer Hemr. Schäffer, 70 Jahre, Polizeidiener und Metzger Gottl. Wölffing, 32 Jahre alt, alle Drei von Markgröningen. Mergenthaler hatte am 13. Juli d. I. von Schneider eine kranke Kuh gekauft, die schon vor dem Orte liegen blieb und von Wölffing gestochen wurde. Dieselbe war schon vorher vom Stadttierarzt in Bietigheim als Lungentuberkulös bezeichnet und dem Schneider aufgegeben worden, daß er das Fleisch vergraben müsse. Trotzdem verkaufte er es, und obgleich Mergenthaler gesehen, daß die Tuberkeln auf Lunge, Nierenfett, Herzschmalz und Rippenfell saßen, die Lunge selbst aber sofort weggeworfen werden mußte, wurde das Tier doch zerlegt und auf die Freibank gebracht. Schäffer hatte das Fleisch als gesund und freibankwürdig bezeichnet, Wölffing aber den Verkauf auf der Freibank durch Ausschellen bekannt gemacht, obwohl er gesehen, wie das Fleisch beschaffen war. Die beiden Sachverständigen, der Stadttierarzt von Bietigheim und der Oberamtstierarzt von Ludwigsburg, bezeichneten das Fleisch von an der Perlsucht oder Tuberkulose krank gewesenen Tieren als gesundheitsschädlich, wenn das Fleisch nicht sehr lange gekocht werde. Metzger Mergenthaler wurde zu 2 Monaten, Bauer Schneider zu 2 Wochen, Polizeidiener Wölffing zu 3 Tagen Gefängnis verurteilt, Fleischschauer Schäffer wurde kreigesprochen, da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, daß er wider besseres Wissen gehandelt hat, obgleich er seiner Dienstanweisung zuwiderhandelte.
Brackenheim, 22. Okt. Heute morgen 8 Uhr ertönte Feuerlärm, es brannte in der enggebauten Klappergasse. Bis mittag dauerte es bis man über das Feuer Herr geworden. Es brannten zwei wohlgefüllte Scheuern, einige Stallungen und ein Wohnhaus nieder, außerdem sind mehrere andere Gebäude beschädigt. Entstehungsursache bis jetzt unbekannt. Nachmittags halb 5 Uhr erhob sich die Feuersäule nochmals, indem ein weiteres Wohngebäude, das man schon gerettet glaubte, niederbrannte, so daß die Löschmannschaft voraussichtlich die ganze Nacht in voller Thätigkeit bleiben muß.
Fridingen OA. Tuttlingen, 19. Okt. Heute vormittag wurde hier eine Frau beerdigt und pflegen gewöhnlich die Schulkinder auch mit dem Leichenzug auf den Gottesacker zu gehen. Beim Verlassen des Gottesackers fiel ein Grabstein, welcher erst kürzlich aufgestellt wurde, plötzlich um und schlug das 7 Jahre alte Mädchen des Wendelin Herrmann von hier derart zu Boden, daß dasselbe wahrscheinlich nicht mehr am Leben erhalten werden kann, denn der Kopf des
Kindes soll schrecklich zerschlagen sein. Noch ein Knabe erhielt am Kopf auch eine Verletzung, welche jedoch nicht gefährlich ist.
Biberach, 22. Oktbr. Einen bedeutenden Schaden hat heute vormittag ein hiesiger Metzger erlitten, indem auf dem Wege von Warthausen hierher ein zum Schlachten bestimmter Ochse scheute, durchging und im Walde, immer wilder werdend, die in der Nähe befindliche 30 Meter hohe Kiesgrube herabstürzte. Das schwer verletzte, sieben Zentner wiegende Tier mußte auf dem Platze getötet werden.
Ulm, 23. Okt. Dr. Wölfert, der sich durch seine unterbliebenen Auffahrten mit seinem lt. U. T. lenkbaren Luftballon am Oktoberfest in weiteren Kreisen bekannt gemacht hat, ist mit Hinterlassung von 40,000 ^ Schulden verschwunden. Dr. Wölfert habe sein ganzes Vermögen von über 60,000 der fixen Idee eines lenkbaren Luftballons in Zigarrenform geopfert. Wölfert war bekanntlich vor einigen Jahren mit seinem Ballon auch hier, hatte aber damals schon kein Vermögen mehr.
— Der Briesmarkenhändler Krippner in Freiberg in Sachsen ist wegen Betrugs zu 2'/- Jahren Gefängnis verurteilt worden. Derselbe hat ungebrauchte Briefmarken mit selbst gefertigten Stempeln versehen und zu hohen Preisen verkauft. Ein sächsisches Zehngroschen-Couvert, das Krippner ungebraucht um 37 erwarb, verkaufte er gestempelt für 110 «A an Briefmarkenhändler Bogen in Köln, welcher letztere das seltene Stück wieder an einen Hamburger Rentner um 500 absetzte. Dieser Fall führte zur Anklage des K., welchem nicht mehr wie 23 Fälle des Betrugs nachgewiesen wurden. Krippner gab an, daß die im Handel vorkommenden alten deutschen abgestempelten Briefmarken zum allergrößten Teil von Händlern abgestempelt worden seien. Diese Angaben dürften auf Briefmarkensammler obiger Art von recht abkühlender Wirkung sein.
Berlin, 23. Okt. Eine von etwa 4000 Setzern und Druckern gestern abend abgehaltene Versammlung nahm einstimmig eine Resolution an, welche, da die Prinzipale kein Verständnis für die Forderungen gezeigt und über 500 Genossen gemaßregelt hätten, den Vereinsmitgliedern empfiehlt, zum 24. Ökt. das Arbeitsverhältnis zu kündigen und die Festsetzung der künftigen Lohn- und Arbeitsverhältnisse den Vorständen des Unterstützungsvereins Deutscher Buchdrucker zu überlassen. Die Hauptforderungen sind neunstündige Arbeitszeit und für Berlin 33'/» Prozent Lokalzuschlag.
Aus Böhmen, 19. Okt. Am gestrigen Tage wurde die Prager Ausstellung geschloffen, zum Schluß ließ man noch 2 Luftballons, einen großen und einen kleinen, steigen und veranstaltete noch eine Beleuchtung im kleinen Maßstabe. So erglänzte der Rasen vor dem Pavillon des Fürsten von Hanau von vielen Lämpchen, die den Spruch Unis ooronat opU8 darstellten. Um 5 Uhr rollte der Wagen des Statthalters Grafen Franz Thun durch das Thor und es begannen die Abschiedsfeierlichkeiten. Das Komite hatte schon vormittags dem Statthalter eine prachtvoll ausgestattete Dankadresse in einem mit Edelsteinen und Gold reich verzierten Einband überreicht. Es wurden Reden gehalten vom Statthalter, vom Oberstlandmarschall Fürsten Lobkowitz u. s. w. In allen
unten am Musik-Pavillion trat eben ein junger Mann seiner schönen Schwiegertochter scheinbar zufällig entgegen und begleitete diese mit dem Hut in der Hand in den zur Straße hinabführenden Laubgavg.
„Leichter einen Sack voll Mücken zu bewachen, als ein junges Weib!" knurrte er, wieder auf seinen Stuhl zurückfallend und beide Hände über die Krücke pressend. „Aber nur sachte, Alter!" beschwichtige er sich nach einiger Uebcrlegung. „Sie hat Dir ja noch keine Ursache gegeben; die Anderen sind schuld, wenn sie ihr lästig fallen, und schließlich, sie war neunzehn Jahre alt, als sie meinen Franz heiratete.... Ah, grüß Gott!" unterbrach er sich, einem herantrctenden früheren Kameraden die Hand reichend, der ihm aber gerade mit dem richtigen Thema kam, indem er sich zu ihm setzend ausrief:
„Süperbes Weib, Deine Schwiegertochter! War' ich fünfundzwanzig Jahre jünger, sie dürfte mir nicht Witwe bleiben!"
Der Alte lachte in seinen grauen Braut.
„M u ß, lieber Freund! Hat aus eigenem Herzenstrieb meinem sterbenden Sohn versprochen, nur unter einer Bedingung wieder . . ."
„Und die ist?"
„Darf ich nicht ausplaudern; auch sie darf es nicht! Mein Sohn ist aber beruhigt über die Zukunft seines Kindes gestorben!"
„Woher kennt sie denn den Herrn von Lehnin, der sie eben da unten begrüßte? Hübscher, interreffanter Mensch, vielverheißende Karriere . . . ."
„Soll sich nur keine nutzlose Mühe geben!" brummte der General. „Sie lebt nur für ihr Kind!"
„Gute Mutter also! Aber die ist doch auch Weib, und in dem Alter schon dem Leben entsagen zu sollen. . . ."
Der General schnitt ihm die Rede ab; er erhob sich und sprach von etwas Anderem. So wenige Tage erst waren sie hier, und die Kameraden, die er gefunden, hatten chm noch von nichts als von seiner Schwiegertochter gesprochen, die aus den
Augen zu lassen, ihm heute unmöglich erschien. Er, der als Chef eines Regiments im Jahre 1870 der Held eines der glänzendsten Gefechte gewesen, bei seinem Kaiser hoch angeschrieben stand und endlich, müde des Dienstes, als Excellenz seinen Abschied begehrt und erhalten, er hatte die schöne junge Frau hierher begleitet, wohnte in einem Hause mit ihr, schaukelte das zweijährige hübsche Knäbchcn auf seinen Knieen, fragte stets besorgt, wohin sie geführt zu sein wünsche, suchte eifrig sie zu zerstreuen, und das hatte die notwendige Folge, daß sie sich schon in den wenigen Tage gegenseitig unbequem geworden. Er opferte um ihretwillen seine Ruhe, und sie mußte ihm eine dankbare Miene zeigen, wenn er sie mit seiner Sorgfalt ermüdete.
Irgend welchen Eindruck hatten seine Worte auch heute auf sie deshalb nicht gemacht, weil sie dieselben schon zu oft gehört und sie sich bewußt war, ihre Pflicht zu üben. Sie hatte auch ohne eine wirkliche Herzensneigung die kurze Zeit ihrer Ehe zufrieden mit dem Gatten gelebt, und auch als das Trauerjahr vorüber, war sie in ihrer Häuslichkeit die zärtlichste Mutter, nach außen Weltdame des feinsten Tons. Als solche schritt sie, die hochelegante Frauengestalt, auch jetzt durch die sich vor ihr teilende Gruppe von Kavalieren, unbelästigt durch deren demonstrative Aeußerung der Bewunderung. Erst als sie am Pavillon den jungen Mann an sich herantreten sah, färbte sich ihr stets matter Teint um eine Nuance — vielleicht doch eingedenk der Worte des Generals, der ihr gerade von diesem, von Ottomarvon Lehnin, gesprochen.
Die Begegnung schien auch Beiden überraschend zu sein. Nur einen flüchtigen Moment indeß haftete NadineS Blick auf dem hübschen, jungen Kavalier mit dem von weiter Seereise noch gefärbten, frischen Antlitz, der keck gestutzten Nase und den roten Lippen zwischen dem kurz geschnittenen dunkelblonden Vollbart; schnell aber vor sich schauend, nicht ahnend des freudigen Glanzes in den klugen grauen Augen schritt sie langsam weiter, ihn mit sich ziehend, während er sie in tiefstem Respekt, amedete:
„Gnädigste Frau, verzeihen Sie einem vielleicht in Ungnade Gefallenen ..
(Fortsetzung folgt.)