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M 127. Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Ishrgaug.

Erscheint Di en S t a g , D o n n e r s t a ^ und ScnnStag. ! Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- ! gebung S Pfg. die Zelle, sonst 12 Pfg. s

Dienstag, den 27. Oktober i891.

AbonnernentSpreis vierteljährlich in der Stadt *ü Pfg. und !j 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. L. 18, sonst i» !! ganz Württemberg Mk. 1. 85.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Beschaffung von Forelleneiern und von Aalbrut für in­ländische Fischzüchter.

Die Zentralstelle wird auch in diesem Jahr an­gebrütete Forelleneier (Bachforelle) von größeren Brut­anstalten beziehen und an inländische Fischzüchter gegen Ersatz der Selbstkosten, unter Umständen auch zu er­mäßigtem Preis unmittelbar versenden lassen.

Unter denselben Bedingungen wird sie die Ver­mittlung von Aalbrut übernehmen.

Gesuche mit Angabe der gewünschten Stückzahl sind längstens bis 1. Dezember ds. Js. an dasSekre­tariat der Kgl. Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart" zu richten.

In den Gesuchen um Forelleneiern ist auch anzugeben, welchen Brutapparat der Besteller besitzt.

Sollte es der Zentralstelle nicht gelingen, die bestellte Gesammtmenge zu beschaffen, so behält sie sich vor, eine verhältnismäßige Ermäßigung der Einzel­bestellungen eintreten zu lassen.

Stuttgart, den 19. Oktober 1891.

v. Ow.

Tages-Neuigkeiten.

»Amtliches aus dem Staatsanzeige rj. Unter den Kandidaten, welche sich zu der bevorstehenden ersten höheren Dienstprüfung im Departement des Innern gemeldet haben, ist für zulassungsfähig er­kanntworden: Pfeifle, Wilhelm, von Hirsau Ober­amts Calw.

Infolge der bei der K. Kultministerial-Ab- teilung für Gelehrten- und Realschulen abgehaltenen

Dienstprüfung für philologische Lehrämter ist für be­fähigt erklärt worden: Thym, Ernst, Lehramts­kandidat von Calw.

* Calw. Im Handels- uno Gewerbe­verein sprach am Samstag abend im I. Dreiß ffchen Saale Hr. Dr Pohlmayer aus Berlin überdas neuzeitliche Gewerbe und seine Hebung". Die Aus­führungen des Redners stimmen überein mit dem von Dr. Fränkel im vorigen Jahr Gesagten. Wer ein warmes Herz und offenen Blick besitze, habe schon längst erkannt, daß eine dauernde Hebung des Hand­werkerstandes notwendig angestrebt werden müsse. In kleineren Orten beschränke sich leider die Thätigkeit des Handwerkers nur noch auf Reparaturen, etwas Ganzes produziere er nicht mehr, seine Einnahmen werden zwar noch etwas gehoben durch einen kleinen Laden mit Erzeugnissen seines Faches, aber alles dies sei aus der Fabrik bezogen. Das seien Beweise technischer Erniedrigung. Die Großindustrie ziehe alles durch ihr Kapital an sich, ihre Arbeit überrage die des Handwerkers durch größere Billigkeit und mitunter auch exaktere Ausführung. Daß die Arbeiter in großen Etablissements sich mit der Zeit und jetzt schon besser stellen, als die Handwerker, werde zu einer sozialen Gefahr. Der Ruin des Mittelstandes, welch letzterer bisher die Vermittelung zwischen arm und reich ge­wesen, stehe bevor. Der Handwerker sei aber so wenig entbehrlich wie jeder andere Fachgenosse, denn er sei der Feind aller leidenschaftlichen polnischen Bestreb­ungen, er ist für soziale Gerechtigkeit. Niederdrückend für ihn sind die parteipolitischen Anschauungen, seine stetige Besorgnis damit anzustoßen, müsse ihm alle Energie nehmen und seine Selbstachtung untergraben. Es sei schon alles vorgeschlagen, um das Handwerk zu heben, doch sei dem rollenden Rad der Zeit nicht in die Speichen zu fallen. Mit besseren Zahlungs­bedingungen bei der Kundschaft, denn der Hand­werker müsse zu lang borgen wäre wohl etwas erreicht, aber nicht geholfen. Die Kreditvereine und

Darlehenskassen müssen mehr dem Handwerker zu­gängig gemacht werden, aber da bekommen nur die kreditfähigen und -würdigen, diese können aber in diesem Falle überall Geld erhalten. Auf die kleinen Kraftmaschinen setzt der Redner auch keine Hoffnungen. Mehr Intelligenz müsse den Stand wieder zu Ehren bringen. Leider herrsche unter unfern Handwerkern zu wenig Standesehre, zu wenig Corpsgeist, das sei z. B. in Frankreich anders; dort erziehe der Hand­werker auch die begabteren Söhne zum Handwerk, während bei uns dieselben gleich studieren müssen. Hiefür führt Redner Beispiele aus gemachten Er­fahrungen an. Auch durch das Jnnungswesen, durch Produktivgenossenschaften sei keine dauernde Hebung zu erhoffen. Nur auf dem Gebiete des Kunsthand­werks könne der goldene Boden des Handwerks wieder zurückerworben werden. Hiezu gehöre, daß die Kunst­geschichte in den Lehrplan der höheren Lehranstalten für andere weniger notwendige Fächer eingeführt werde. Er will die Verurteilung aller Imitationen, vor welchen die Abneigung eine allgemeine werden soll, wovon der Handwerker den meisten Nutzen hätte. Museen sollten helfen durch Formen der Schönheit Geschmack in die Massen zu tragen. Die oberen Zehntausend dürften ihre Geschmacksbildung verbessern und das einheimische Gewerbe unterstützen. Es war bedauerlich, daß der gediegene, erschöpfende Vortrag von den hies. Gewerbetreibenden nicht in größerer Anzahl besucht worden war. Den Dank im Namen der Anwesenden erstattete Hr. Handelsschuldirektor Spöhrer.

* Calw, 26. Okt. Wie aus dem Annoncen­teil zu ersehen ist, werden die beiden Fräulein Johanna Bracken Hamm er und Marie Zundelam nächsten Samstag im Badischen Hof ein Konzert geben. Frl. Brackenhammer, eine Schülerin Hromadas, ist eine Mezzosopranistin, welche zu den schönsten Hoff­nungen berechtigt. Sie hat eine kräftige, ansprechende, in allen Lagen ausgeglichene, glockenreine Stimme, die sie ganz in der Gewalt hat, verbunden mit einem

Nachdruckverboten.

Nur unter einer Bedingung.

Von Hans Wachenhusen.

Es ist hohe Saison in Homburg, der Abend ein wunderbar schöner. Ueber den Laubkronen des Parks, auf dessen Wiese die englische Jugend larvn tsmüs spielt, legt sich bereits ein dünner Nebelschleier; vom Horizont dringt noch der Re­flex der hinter der Tounushöhe niedergegangenen Sonne auf die große Curhaus- Terrasse. Gruppenweise sitzen und stehen sie auf derselben, Fürstlichkeiten, Diplo­maten, amerikanische Millionäre, vornehme Frauengestalten, blonde Misses mit dem Blau des Himmels und die Töchter südlicher Zonen mit der schmachtenden Nacht in den Augen; zwischen ihnen in neutraler Anspruchslosigkeit deutsche Familien, die nicht der Weltton, sondern der Arzt hierher geschickt.

Unter einem der Kandelaber erregt eine junge Dame in einfacher, Heller Sommerrobe, ein gleichfarbiges, leichtes Hütchen auf dem glänzend braunen, über den Schläfen gewellten Haar, die Aufmerksamkeit einer Männergruppe, die das zartgeschnittene Profil bewundern. Den Ellenbogen auf den Tisch gestützt, richtet diese die großen dunklen Augen zum Park hinab; ihre weiße Mignonhand spielt mit einem Löckchen über dem Ohr; mit halbgeöffneten frischroten Lippen horcht sie den Worten eines ihr gegenübersitzcnden alten Herrn von soldatischem Aeußern, un­befangen, vertraulich, überlegend, als spreche er zu ihr in Familiensachen. Als er jetzt geendet und das Kinn auf die Krücke seines Stockes lehnt, nickt sie leise vor sich hin, blickt dann mit halbem Lächeln auf ihn und legt ihm die weiße Hand auf die seine.

Sie haben Recht, Papa," sagte sie mit weicher Stimme.Aber haben Sie Rücksicht mit einer armen Witwe, die ja nur ihrem Kinde lebt. Der Arzt sandte mich einmal hierher rznd ich bin glücklich, unter Ihrem Schutz zu sein."

General von W«. drückte gerührt die Hand seiner Schwiegertochter und bl ckte ihr dankbar in die Augen.

«Ich setze ja ein felsenfestes Vertrauen in Dich, Nadine", sagte er.Nur die sonderbare Begegnung mit diesem einen jungen Mann beunruhigte mich. Nicht wahr, Ihr kanntet Euch, ehe Du meinem leider so früh dahingegangenen Sohn die Hand reichtest sagtest Du nicht so? Du erzähltest mir, er sei einige Jahre hindurch in überseeischen Legationen beschäftigt gewesen .... Ich komme ja rur darauf, weil . . . Aber Du verstehst mich ja! Dein eigen Gefühl wird Dir diktieren, was Du dem Seligen schuldig, der Dich so sehr geliebt und die Geburt des Kindes nur kurze Zeit überlebte, um dessen Zukunft er noch auf dem Sterbebette so unbe­ruhigt war, daß er . . . ."

Sie sind so eifrig in Ihrer Besorgnis!" lächelte Nadine, ihre Hand von der seinigen zurückziehend.Mein Herz ist am besten durch mich selbst bewacht! Ich fühle mich nur einsam, wenn ich das Kind nicht bei mir habe, und da ich immer bei ihm bin . . ." Sie blickte über die Terrasse hinweg und gab ein Zeich'en mit dem Taschentuch.Sie sehen, auch ich bin ihm unentbehrlich; die Jungfer scheint mich schon zu suchen. Am Abend führen Sie mich hierher zurück zum Conzert. Sie sind ja mein einziger Kavalier.

Sie erhdb sich, reichte ihm herzlich die Hand und schwebte die Terasse hinab.

Zärtlich, zugleich mit abwehrenden Seitenblicken auf die ihr nachschauenden Herren, sah er sie in der Richtung der unteren Promenade über den Platz schreiten; seine Brauen aber zogen eine tiefe vertikale Falte, als er auch unten auf dem Platz eine Gruppe von jungen Elegants sich vor der jungen Frau teilen, und ihr eine Be­wunderung äußern sah, die ihm keck und unpassend erschien.

Der Arzt hätte sie auch anderswohin schicken können", brummte er.Seit sie hier ist, höre ich überall von ihr sprechen! So eine schere WittruH ist natürlich die Zielscheibe aller Monocles!" Er reckte den Hals, hob seine steifen Glieder^ legte die Hand über die Augen und stieß unwillig den Krückstock auf die Fliesen,-denn