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M 124.
Amts-
und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
66. Jahrgang.
Erscheint Di en S ta g , Donnerstag und SamStag. Dir Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Dienstag, den 20. Oktober 1891.
LbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt *0 Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst t»
! ganz Württemberg Mk. 1. S5.
Amtliche Aekauntmachuugen.
Reutlingen.
De« Ortsarmendehörden
des Schwarzwaldkreises
wird auf diesem Wege eröffnet, daß Reiseunterstützungen an
Raver Rieger, Schuhmacher, geb. am 31. Mai, 1844 zu Mühringen, OA. Horb, dessen Landarmeneigenschaft zweifelhaft ist, und welcher mit seiner Familie im Lande herumzieht, nicht erstattet werden.
Den 12. Oktober 1891.
Vorsitzender der Landarmenbehörde: Regierungsrat Hölldampf.
Tages-Ueuigkeiten.
* Calw, 19. Okt. Eine würdige T r a u e r - frier für den verewigten König Karl vereinigte das Reallyceum am Samstag im Georgenäum. Das Podium war mit der Büste des vielgeliebten Landesvaters und mit verschiedenen Pflanzen feierlich geschmückt. Der Choral „Gott ist getreu" eröffnete die ernste Feier, worauf der Rektor der Anstalt, Hr. Dr. Weizsäcker, auf die segensreiche Regierung des verstorbenen Landesherrn hinwies und dem Gefühl der Mittrauer bei dem das Land so tief betrübenden Verlust erhebenden Ausdruck verlieh. Die Gedächtnisrede hielt Hr. Prof. Haug. In sehr ansprechenden und zu Herzen gehenden Worten erinnerte der Redner zuerst daran, daß ganz Württemberg bei der Nachricht von der Erkrankung und dem Tode des guten Königs eine allgemeine innige Anteilnahme gezeigt, und von dem unerbittlichen Geschick hart betroffen worden sei. Unser Volk habe sich als echte Württemberger bewiesen, die treu und ehrlich zum angestammten Fürstenhause halten und Freud und Leid mit dem Königshause teilen. Ein Gefühl . » > > - » " » »
der Dankbarkeit müsse sich in dem Herzen aller guten Württemberger regen, wenn man zurückblicke auf die 27 Jahre, die der Verewigte dem Lande als König gedient und in welcher Zeit er seinem Volk soviel Liebe und Gutes, soviele trefflichen Einrichtungen und Wohlthaten erwiesen und das Staatsruder so sicher geführt habe. Mit einem Rückblick auf den Lebenslauf des entschlafenen Fürsten schloß der Redner seinen schönen Vortrag. Zum Schluß der erhebenden Feier sangen die Schüler 2 Verse von dem Lied „Himmelan, nur himmelan".
— Gestern fand hier ein Trauerbottesdienst zum Gedächtnis unseres verewigten Königs Karl statt. Derselbe war eingeleitet durch einen feierlichen Zug zur Kirche» an welchem die hiesigen Vereine, die Herren Beamten und Offiziere und die städtischen Kollegien teilnahmen; den Vortritt hatten die Schüler der oberen Klassen, an welche sich die Schüler der Handelsschule anschlossen. Im vollbesetzten Gotteshause sprach Herr Dekan Braun herzliche Worte der Erinnerung an den höchstseligen König Karl mit trefflicher, von der Gemeinde mit voller Andacht gefolgten Ansprache. Der Kirchengesangverein und der Liederkranz hatten den gesanglichen Teil übernommen.
Stuttgart, 14. Okt. In der König!. Münze lagen 5 Zentner Silber, mit deren Ausprägung vorige Woche begonnen werden sollte. Infolge Ablebens des Königs unterbleibt dies, bis die Stempel mit dem Bild des neuen Königs Wilhelm II. fertiggestellt sein werden. Auch die Zivilverdienstmedaillen, welche das Bild des jeweiligen Königs zeigen, müssen neu angefertigt werden.
Stuttgart, 15. Okt. Auf die Beileids- Adresse, welche die bürgerlichen Kollegien der Stadt Stuttgart an Ihre Majestät die Königin Olga anläßlich des Hingangs Seiner Majestät des in Gott ruhenden Königs Karl gerichtet haben, ist heute von Ihrer Königlichen Majestät folgendes allergnädigste Handschreiben bei dem Oberbürgermeister Dr. v. Hack
eingelaufen. Werter Herr Oberbürgermeister Dr. v. Hack! In dem unsägligen Leide, das Mich betroffen, haben Mir die vielfachen, von allen Seiten entgegengebrachten Beweise der Teilnahme unendlich wohlge- than. Aber unter all diesen zahlreichen Kundgebungen des Beileids, welche das Andenken Meines unvergeßlichen Gatten so tief in die Herzen seiner Unterthanen gegraben erscheinen lassen, hat Mir keine zum größeren Tröste gereicht, keine Meinen Schmerz mehr gelindert, als die warmen Worte, welche Sie, werter Herr Oberbürgermeister, im Namen der Stadt Stuttgart an Mich gerichtet haben. War doch Mein teurer Gemahl bis in sein innerstes Herz hinein ein treuer Württemberger und guter Stuttgarter. Das Wohl seiner Residenzstadt, mit welcher die liebsten Erinnerungen seines Lebens aufs Engste verwoben waren, ihr Blühen und Gedeihen und auch ihre Verschönerung lagen ihm stets nah am Herzen und kein durch seine Schönheit noch so berühmter Ort war in seinen Augen vergleichbar mit seiner teuren Heimat. Diese Gefühle sind auch in mein Herz übergegangen und die Jahre, welche Mir von der Vorsehung unter Ihnen zu leben bestimmt sind, will Ich gerne ausnützen, um im Sinne des hohen Entschlafenen zu wirken und, soweit Meine Kräfte reichen, die Not der Armen und Leidenden der Stadt zu mildern. Mit wohlgeneigten Gesinnungen Ihre Königin Olga.
Stuttgart, 17. Okt. Heute nachm, begaben Sich Ihre König!. Majestäten für einige Zeit, während welcher notwendige bauliche Einrichtungen im Wilhelmspalast getroffen werden, nach Marienwahl. S. M. der König wird die Regierungsgeschäfte teils von dort aus besorgen, teils im Bedürfnisfall zu deren Erledigung, insbesondere zur Teilnahme an den Sitzungen des Staatsministeriums, zur Entgegennahme der Vorträge der Minister und zu Erteilung von Audienzen hieher kommen. Begleitet werden Ihre Majestäten von der Hofdame Ihrer Maj., Gräfin Uxkull, Hofmarschall Frhr. v. Plato
ered^^öt^re» » Nachdruck verboten.
Uelly's Jerkoöung.
Eine nächtliche Geschichte von Reinhold Ort mann.
(Fortsetzung.)
„Sie dürfen sich nicht nach dem richten, was ich vorhin gesagt habe! — Ich war so verwirrt und bestürzt von unserem Unfall, daß ich mich wohl recht häßlich und undankbar benommen habe. — Aber vielleicht hätten Sie gegen eine so alte Bekannte auch imnierhin etwas liebenswürdiger sein können. Ich habe mich ja beinahe vor Ihnen gefürchtet."
„Wirklich? — Es machte nicht den Eindruck. — Aber was meine Liebenswürdigkeit anbetrifft, möchte ich doch um etwas Nachsicht bitten. Meine Gewandtheit in den gesellschaftlichen Umgangsformen ist leider nur sehr gering. Und da Sie, wenn ich nicht irre, eben von einer Festlichkeit kamen, so war der Kontrast gewiß ein sehr auffälliger!"
„Sie wollen mich für meine Unart beschämen, Herr Doktor! — Und Sie Ihun ganz recht daran. Aber Sie sind doch gewiß nicht so rachsüchtig, daß Sie mir nicht verzeihen sollten, nachdem ich in aller Form Abbitte geleistet habe. — Sie glauben gar nicht, wie sehr ich meine Ungezogenheit bereut habe, als ich hörte, daß Sie sich so edelmütig gegen den Mann der Mutter Konrad benommen haben."
„Nun, daS Verdienst war nicht groß! — Die alte Frau vergaß eben, daß ich nicht um eines Haares Breite mehr thur, als meine Schuldigkeit, und sie denkt nicht daran, daß mir mein« sehr geringfügige Praxis Zeit genug für meine wenigen Pattenten läßt."
„Sie haben sich also in der Thal hier auf dem Lande al» Arzt niedergelassen?"
„Gewiß! In Schönweide! — Mein alter Vater ist so schwach und gebrechlich, daß er schon längst verdient hätte, von seinem alten Tagewerk befreit zu werden.
Aber ich kann ihm nicht zumuten, sich für den kurzen Rest seines Lebens von dem Dörfchen zu trennen, in dem er mehr als vierzig Jahre zugebracht hat. Da blieb denn nichts Anderes übrig, als vorläufig ebenfalls in Schönweide meinen Wohnsitz zu nehmen. — Er ist um seine Pensionierung eingekommen und wir werden unseren kleinen Haushalt gemeinschaftlich führen."
„Wie reizend ist das!" fuhr Nelly heraus. Aber gleich darauf fügte sie etwas nachdenklicher hinzu: „Es muß Ihnen doch eigentlich ein schweres Opfer sein, alle die Freuden und Vergnügungen der großen Stadt so plötzlich mit der Langweile und Einsamkeit des Dorflebens zu vertauschen. Leiden Sie darunter nicht sehr?"
„Der Unterschied ist viel weniger bedeutend, als Sie zu glauben scheinen, mein Fräulein! — Ich war vier Jahre Assistenzarzt an einem großen Krankenhause, in dem rS so viel zu thun gab, daß ich von den Freuden und Vergnügungen der großen Stadt genau so viel wahrgenommen habe, als wäre ich durch eine Entfernung von hundert Meilen davon getrennt!"
„Aber Sie haben doch gewiß während Ihrer Studentenzeit so viel davon genossen, daß Sie jetzt oft eine gewaltige Sehnsucht überkommen muß. Der Assessor von Behrendt, mit dem ich heut» Abend sehr viel tanzte, hat mir die lustigsten Geschichten davon erzählt. Ich beneide wahrhaftig alle jungen Männer um diese fröhliche Ungebundenheit, der sie sich da Jahre lang hingeben dürfen!"
„Wobei Eie nicht versäumen dürfen, einige kleine Unterscheidungen zu machen. Nicht Jeder findet an dieser fröhlichen Ungebundenheit Geschmack und nicht Jedem ist die Möglichkeit gegeben, sich ihrer zu erfreuen. Ich kannte da ,. B. einen Studenten, der sich die achtzehn Arbeitsstunden, welche jeder Tag für ihn hatte, sehr sorgfältig einteilen mußte, um außer der Zeit, die seine Studien in Anspruch nahmen, auch noch Zeit für die mancherlei anderen Verrichtungen zu finden, die es für ihn zu erledigen gab. Da blieb für dir Kneipe und den Paukboden und was sonst noch zum fröhlichen Burschen gehört, bedauerlicherweise nicht eine einzige Viertelstunde."