Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw

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Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Etnrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pfg. die Aeile, sonst 12 Pfg.

Tages-Neuigkeiten.

Calw, 30. Sept. Auf dem hiesigen Bahnhof wurde gestern der erste Waggon österreichisches Obst aus­gewogen. Das schon verstellte Obst war von sehr guter Qualität und kostet der Ztr. 5 50 -A

Bebenhausen, 28. Sept. Nachdem am 25. Sept. ein stärkerer Fieberanfall aufgetreten war, ist seither der Zustand Seiner Majestät des Königs ein leidlich befriedigender geblieben. Fieber ist nicht wieder aufgetreten, auch die Erscheinungen der Unter­leibsstörung haben sich gemindert.

Beim landwirtschaftlichen Haupt­fest in Cannstatt erhielten einen II. und IV. Preis für ausgestellte Farren die Hospitalpflege Weild er­st ad t, einen IV. Preis Farrenhalter Härlin in Renningen.

Vom Volksfest. Am Montag vormittag ließ der strömende Regen einen lebhaften Verkehr nicht aufkommen; um so dichter wurde aber der Strom, als um die Mittagsstunde der Regen zeitweilig auf­hörte. Der Lehmboden des Festplatzes war tief auf­geweicht und schlüpferig; er gestattete nur einen un­sicheren Tritt. In solchen Fällen bildet sich allemal eine eigene Industrie; es kommen Frauen mit Kübeln voll Master, Wischlappen und Bürsten; sie reinigen das Schuhwerk der Heimkehrenden von den nur zu deutlichen Spuren des Besuches auf dem Volksfeste. Der Besuch am Sonntag war, trotz aller Unbilden der Witterung, ein außerordentlich starker. Abends, als die Lichter angesteckt wurden, waren alle Wirt­schaftszelte, die Bedachung hatten, gut besetzt; einzelne zeitweilig überfüllt. Nachdem wieder schönes Wetter eingetreten, steigerte sich der Zudrang zum Festplatz wieder ungeheuer. Schon am Vormittag war der

Donnerstag, den 1. Oktober 1891.

Pferdebahnverkehr nach Berg sehr lebhaft und auch die Staatseisenbahn ließ mehrere Sonderzüge nach Cannstatt ab; heute nachm, war der Andrang so stark wie je. Ein gewisses Hindernis für den freien Ver­kehr boten auf dem Festplatze die Linien der Wurst­verkäufer, die sich unter der Pappelallee hinziehen; man hatte die Linien so dicht werden lassen, daß ein Verkehr von der Straße herüber und hinüber kaum stattfinden konnte. Die Errichtung von 3 provisorischen Brücken neben dem Gittersteg» die Kontrole des vor­geschriebenenRechtsausweichens" auf diesem Steg durch Landjägerposten hat sich bewährt; aber keine Kontrole ist im Stande, den hölzernen Steg über den Floßkanal auch nur um einen om breiter zu machen; dieser Steg war von jeher der wunde Fleck für den Volksfestverkehr. Als wohl überlegt erwiesen sich die Einrichtungen der Staatseisenbahn; sie ver­wendete zum Volksfestverkehr nur Wagen III. Kl. und gab Fahrkarten an jedem Schalter des Bahn­hofes aus. Dadurch wurde der Dienst in hohem Grade vereinfacht. Das war um so wertvoller, als der Andrang ein riesiger war. Die Thätigkeit der Straßenbahn über die Tage des Volksfestes kann nur als eine ausgezeichnete gerühmt werden. Mit einem Bestände von 300 Pferden war sie in der Lage, den Dienst vollständig zu besorgen, ohne ihr Material an Menschen und Tieren über Gebühr anstrengen zu müssen. Am Charlottenplatz standen bisweilen 10 bis 12 Wagen zur Verfüguug der anstürmenden Fahrgäste. (Schw. M.)

Aus dem Schönbuch, 26. Sept. In Folge der schönen Herbsttage werden im Wald neben blühen­den Erdbeeren herrliche reife Erdbeeren von ganz be­sonderem Wohlgeschmack allenthalben gefunden. In den wildreichen Revieren des Schönbuchs wird von

AbonnementSpretS vierteljährlich in der vtadt ro Pfg. v»d 20 Pfg. TrSgerlohn, durch die Post bezogen Ml. 1. 15, sonst iu ganz Württemberg Mk. 1. 35.

den Herren des Hofs in gegenwärtiger Brunstzeit die Hirschjagd eifrig betrieben. Das Schreien der Brunfthirsche ist in den kalten klaren Nächten weithin vernehmbar.

Dettenhausen, 26. Sept. Gestern abend wurden hier zwei Handwerksburschen, Sattlergeselle Paul David Glückler von Weilderstadt und der Flaschnergeselle Karl Schmidt von Spremberg bei Frankfurt a. d. Oder, beide 24 Jahre alt, nach kurzen Händeln von einem den Gerichten wohlbekannten Stromer Wilhelm Frank von Ottenhausen, vulgo Frankfurter Beck und seiner Dirne in einer Dorf- gaffe getötet. Beide Getötete sind durch mehrere Stiche getroffen worden; Glückler wurde, während Frank den ersten niederstach, von der Dirne mit einem schweren Prügel niedergeschlagen und dann von Frank ums Leben gebracht. Beiden Verbrechern gelang es zu entfliehen, dieselben sind aber inzwischen in der Nähe von Stuttgart verhaftet worden.

Tübingen, 27. Sept. Die Sektion der in Dettenhausen am 25. getöteten Handwerksburschen ergab, daß der eine der Ermordeten durch die Stiche, der andere durch einen Schlag mit einem Pfahl, wel­chen ihm die betreffende Weibsperson ins Genick ver­setzte, die tötliche Wunde erhielt. Die Einlieferung dieser beiden Personen vom Amtsgericht Stuttgart Amt soll morgen erfolgen.

Tübingen, 27. Sept. Gestern abend wollte der 8jähr. Knabe des Kornhändlers L. eine auf der Straße im Lauf befindliche Dreschmaschine ersteigen, fiel herab und geriet unter das Rad, das ihm die Hirnschale zerquetschte.

Ludwigsburg, 28. Sept. S. K. H. der Prinz Wilhelm begab sich gestern morgen zu Wagen

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Vd » Nachdruck »erboten.

Aelly's Herlobung.

Eine nächtliche Geschichte von Reinhold Ort mann.

(Fortsetzung.)

Der Doktor wendete ihr sein Gesicht zu, ohne sich vom Boden zu erheben.

Nun, mein Fräulein?"

O, ich bin verwundet," hauchte Nelly.Es blutet! Es wird doch nicht die Pulsader sein?"

Der Arzt beging die unglaubliche Unschicklichkeit, auf die angstvolle Frage zu lächeln, während er fortfuhr, den Kopf des noch immer regungslosen Johann zu untersuchen.

Wohl schwerlich," sagte er lakonisch,wenn Sie es erst jetzt bemerken! Wollen gütigst etwas näher treten, so werde ich Sie gleich vollständig beruhigen können!"

Das war stark! Statt aufzuspringen und sich ihr dienstbereit zu widmen, verharrte dieser ungalante Arzt ruhig in seiner Stellung und forderte sie im gleich­gültigsten Ton von der Welt auf, sich zu ihm zu bemühen. Sie war nahe daran, eine höchst ungnädige Antwort zu geben und auf seine Hilfeleistung zu verzichten; aber die Furcht, daß es doch etwas Ernstliches mit der Verletzung sein könne, be­hielt schließlich die Oberhand. Auf den Fußspitzen tappte sie einige Schritte weiter durch den Morast und streckte dem Knieenden aus einer immer noch beträchtlichen Entfernung die verwundete Hand entgegen. Er nahm die schlanken, zierlichen Dinger­chen in seine Linke, zog ein weißes Tuch aus der inneren Brusttasche seines Mantels, befestigte damü die wenigen noch hervorquellenden Blutstropfen und betrachtete auf­merksam die kleine Verletzung.

Sie haben sich wahrscheinlich an dem GlaS des zerbrochenen Wagenfensters

geschnitten", meinte er dann trocken. .Das hätte freilich eine tüchtige Wunde geben können!"

Damit ließ er die Hand los und wendete sich wieder dem Kutscher zu. Nelly war im tiefsten Grunde ihres Herzens empört über eine solche unbeschreibliche Rück­sichtslosigkeit.

Ja, wollen Sie mich denn nicht verbinden?" fragte sie, ohne ihre Gereizt­heit zu unterdrücken.

Das wäre unter den obwaltenden Umständen eine unverantwortliche Zeit­vergeudung ! Der kleine Schnitt ist so unbedeutend, daß es vorläufig genügt, wenn Sie Ihr Taschentuch darüber legen. Der Bursche hier hat im Augenblick meinen Beistand nötiger, wenn schon es auch mit ihm lange nicht so schlimm be­stellt ist, als es den Anschein hat!"

Und meine Tante, die noch im Wagen liegt und vielleicht viel schlimmer zu­gerichtet ist als Johann? Wollen Sie sich denn um die garnicht kümmern?"

Da ich mich nicht zweiteilen kann, mein Fräulein, muß ich wohl Einen nach dem Andern vornehmen?"

Aber man sollte doch annehmen, daß meine Tante dabei vor dem Kutscher den Vorzug hat!"

Diese Rangordnung hat gewiß überall ihre volle Berechtigung," erwiederte er mit einiger Ironie,nur wir Aerzte sind in dieser Hinsicht leider viel schlimmer als die ärgsten Republikaner. Der Leidende, der uns am nächsten ist, ist uns auch immer der vornehmste! Es ist eine Thorheit, aber es ist nun einmal so!"

Nelly biß sich auf die Lippen, wennschon sie lieber mit dem Fuße gestampft hätte.

So können Sie mir vielleicht die Richtung bezeichnen, in der ich auf mensch­liche Wohnungen stoße," fuhr sie nach einer kleinen Pause fort. .Ich werde noch andere Hilfe Herbeiholm."

Das wäre allerdings sehr wünschenswert, mein Fräulein! Ich fürchte nur, e« wird Ihre Kräfte übersteigen, denn das nächste Häuschen ist zwar nur ein«