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raten, u. a. ein Anzeichen dafür, daß der Helm, diese an sich so schöne Kopfbedeckung, als Kriegsbekleidung ebenso wie das weiße Lederzeug u. s. w. nicht mehr zweckmäßig sind. Auffallend für den Beschauer war ferner, wie das eigentliche Gefecht meistens nur von Infanterie und Artillerie geführt wurde, die Kavallerie sahen wir nur in der Aufklärung vor dem Gefecht, keine Attaque derselben; dagegen fielen die zahlreichen Kavalleriepatrouillen auf, die auch während des Gefechtes die Infanterie begleiteten und ein Beweis dafür sein möchten, wie schwierig infolge der sich nicht mehr durch Rauch abhebenden Feuerlinien die Erkundigung des Gegners geworden ist. Schw. M.
Böblingen, 22. Sept. Die Truppen verließen heute den Bezirk Böblingen; sie waren vom 28. Aug. d. I. bis heute 17 Tage lang in 14 Gemeinden einquartiert, gewöhnlich nur 1 oder 2 Tage. Die Gesamtzahl der Einquartierung im Bezirke betrug rund 430 Offiziere, 9000 Unteroffiziere und Mannschaften und 2000 Pferde. Das Verhalten der Truppen ryar durchweg ein recht gutes, die gute Zucht machte sich auch geltend in ihrem freundlichen Verkehr mit den Quartiergebern.
Vom Hohentwiel, 21. Sept. Der gestrige Ausflug des Hohentwiel-Vereins auf den Berg zur Uebergabe des neu angelegten Weges und der neu errichteten Schutzhütte an den allgemeinen Verkehr ist bei herrlichem Wetter günstig verlaufen. Die auswärtigen Mitglieder wurden am Bahnhof Singen abgeholt. Auf dem Berg waren im innern Schloßhof Bänke und Tische aufgeschlagen und für gute Restauration mit bayrischem Bier gesorgt. Kaufmann Teuffel aus Tuttlingen führte in seiner Rede die Verdienste der Vorstandes des Vereins, Kommerzienrats ten Brink, vor Augen und taufte den neuen Weg „ten Brinksweg" und die neue Schutzhütte „Hadwigshütte". Dem Vereinsvorstand wurde in gerechter Würdigung seiner Verdienste um den Verein eine künstlerisch ausgeführte Dankadresse überreicht. Auf derselben ist außer dem Plane der Festung vom Jahre 1591 die jetzige Gestaltung der Ruinen, sowie ein reizendes Aquarellbildchen, eine Szene aus „Ekkehard" angebracht, welche die Gestalten der Herzogin Hadwig, der Praxedis und Ekkehard vor Augen führt. Kommerzienrat ten Brink dankte herzlich und brachte einen Trinkspruch auf die württembergische Regierung aus. Anwesend waren ca. 200 Personen, worunter auch der Liederkranz Waldshut, welcher schöne Gesänge vortrug. — Der neu angelegte Weg, der an der steilsten Stelle des Berges angebracht ist, erleichtert den Ausstieg sehr wesentlich, während die Schutz- Hütte, welche aus Tannenstämmen errichtet ist, einen prächtigen Fernblick aus den See und die Alpen gestattet. Die Weganlage und die Schutzhütte haben einen Kostenaufwand von ca. 3000 ^ erfordert, welcher vom Vereinsvorstand getragen wird. Ferner ist noch die längst ersehnte Ausstellung einer Orientierungstafel in Aussicht genommen.
Schrozberg, 22. Srpt. Vom herrlichsten Wetter begünstigt wurde am Sonntag das Kinderfest dahier gehalten. Unter den Klängen der hies. Musikkapelle bewegte sich um 2 Uhr nachm, der Zug der Kinder vom Marktplatz aus auf den Festplatz. Turn-, Ring- und andere Spiele, das Ablassen von
Luftballons u. dgl. ergözte hier die Kinder; dazwischen hinein wurden sie bewirtet und mit Gaben beschenkt. Der Gesang des Liedes „Deutschland, Deutschland über alles" vor dem bengalisch beleuchteten Kaiserdenkmal schloß die gelungene Feier.
— Von den Herbstaussichten am Rhein wird in einem Rundschreiben, welches die bekannte Firma Joh. Bapt. Sturm in Rüdesheim an ihre Kundschaft versendet, wenig günstiges berichtet. Während des lang andauernden, ungewöhnlich strengen Winters sind viele Reben erfroren und haben im Frühjahr nicht ausgetrieben. Auch das Wetter im Sommer war dem Weinstock nicht günstig, so daß die zahlreichen Feinde desselben ungehindert eine Menge Beeren vernichten konnten. Im Durchschnitt ist deshalb nur etwa '/« Ernte zu erwarten, und da die Trauben in der Reife noch ziemlich zurück sind, so bedarf es noch eines besonderen warmen Herbstes, um eine gute Qualität zu zeitigen. Der September hat manches gebessert, aber das Wetter wird noch lange besonders warm bleiben müssen, wenn der Erfolg ein völliger sein soll.
München, 22. Sept. Zwei sozialdemokr. Versammlungen beschäftigten sich gestern mit dem Erfurter Parteitag. Vollmar führte im Saale des Münchener Bräuhauses aus, daß vor allem die Lebensmittelzölle zum Fallen gebracht werden müssen. Als wichtigste Frage erscheint dem Redner die, welche Streik und Gewerkschaftswesen betrifft, und hier hob Redner hervor, daß er ein Gegner der Streiks und weit entfernt sei, Arbeitseinstellungen zu provozieren. Am Koalitionsrecht müsse festgehalten werden. Ueber- gehend auf die politischen Fragen, betonte Vollmar, daß sich die auswärtige Lage verschlechtert habe; die Sozialdemokraten werden jedoch stets gegen einen Krieg sein, weil derselbe für die Sozialdemokratie in keiner Weise förderlich sei. lieber die Frage der künftigen Taktik der Partei wurde vom Redner, nachdem er das Verhalten der Berliner Jungen kritisiert hatte, namentlich hervorgehoben, daß am Parlamentarismus festgehalten werden müsse. Zum Schluß wurde sodann ein Antrag angenommen, dahin gehend, daß der Parteitag in Erfurt die Errichtung eines statistischen Bureaus auf Kosten der Partei beschließen solle, so weit die nötigen Kräfte und Mittel vorhanden seien. Reichstagsabg. Birk sprach in der Unionsbrauerei. Die Zukunftstaktik der Partei ver- anlaßte den Redner zu einer längeren Erläuterung; er kam zu dem Schluffe, daß der Parteitag, wohl die richtige Form der Taktik proklamiren werde. Redner streifte dann auch die in der Partei aufgetretene Mißstimmung, doch sei zu hoffen, daß sich dieselbe wieder heben werde, denn der größte Teil der Partei sei mit der Fraktion und Vorstandschaft zufrieden.
— Der Umstand, daß selbst englische Blätter die durch die neuen Schnelldampfer der Hamburg- Amerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft ausgeführten schnellsten Reisen über den Atlantischen Ocean anerkennen, ist jedenfalls eine interessante Thatsache. Der „Daily Graphic" schreibt: „Liverpool muß jetzt an Southampton die Ehre der schnellsten Oceanreise östlich von Newyork abtreten. Die Fahrt des „Fürst Bismarck" ist nicht allein die schnellste, welche bisher je von Newyork nach Southampton gemacht wurde, sondern auch, wenn man die längere Reise in Betracht
zieht, absolut die beste nach jedem Hafen des Vereinigten Britischen Königreichs. Nimmt man den Durchschnittssatz von 20 Knoten, und rechnet man 14'/? Stunden für den Unterschied in der Meilenzahl hinzu, die nach Southampton um so viel größer als nach Quenstown ist, so würden auf die Fahrt des „Fürst Bismarck" von Newyork nach Queenstown
5 Tage 22'/- Stunden kommen, während die beste bisherige Fahrt nach Quenstown die in letzter Woche von der „City of Newyork" zurückgelegte, 5 Tage 22 Stunden 50 Minuten betrug. Die nächstbeste Reise nach der des „Fürst Bismarck" war die der „Columbia" von derselben Gesellschaft, welche in
6 Tagen 15 Stunden 15 Minuten von Newyork nach Southampton lief. Der „Fürst Bismarck" ist nicht allein Eigentum einer deutschen Rhedereft sondern auch in Deutschland erbaut, und deshalb charakteristisch für den rapiden Fortschritt, welchen Deutschland in den letzten Jahren in Hinsicht auf schnelle Oceanfahrten zu verzeichnen hat."
— Aus Marseille wird gemeldet: Der französische Dampfer „Alesia" ist heute morgen von New-Aork hier eingetroffen. Derselbe hat unterwegs den deutschen Segler „Nayade" auf der Fahrt nach Bremen angetroffen. Da derselbe 91 Tage auf dem Meere war, fehlten der Besatzung seit 48 Stunden die Lebensmittel. Als der Kommandant der „Alesia" die Notsignale des Gegners bemerkte, hat er sich mit demselben in Verbindung gesetzt und ihm die nötigen Lebensmittel überlassen. Der Kapitän des deutschen Schiffes wollte diese bezahlen, aber der französische Kapitän entgegnete, daß es sich hier um eine Thab der Menschlichkeit und nicht um einen Handel drehe, und weigerte sich, etwas anzunehmen. Dieses hat sich in der Nähe der Azoren zugetragen
Standesamt ßalw.
Geborene-
18. Sept. Hermann Gustav, Sohn des Gustav Essig,
Bäckermeisters hier.
19. „ Emilie Luise, Tochter des Christof Walz,
Kutschers hier.
Getraute:
21. Sept. Johann Georg Bauer, Tuchmacher hier mit Anna Katharine Schill hier. Gestorbene:
18. Sept. Johann Mitschdörfer, Cigarrcnmacher,,
ledig, 25 Jahre alt.
19. „ Hermann Haußer, Sohn des Christian
Haußer, Fabrikarbeiters hier, 10 Tage alt. 19. „ Rosa Schäfer, Tochter des Jakob Schäfer,
Schreinermeister hier, 6 Wochen alt.
19. „ Paul Eugen Sch euer! e, Sohn des Rudolf
»Scheuerte, Metzgermeisters hier, 1 Monat alt.
21. „ Bernhard Friedrich Eble, Sohn des Fried
rich Eble, Taglöhners hier, 3 Monate alt..
Gottesdienst
am Sonntag, den 27. September.
Vom Turm: 363.
Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr- Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr Bibelstunde im. Vereinshaus: Herr Stadtpfarrer Eytel.
Freitag, 2. Oktober. Monatlicher Muß- «. Mcltag.. Vorm. 10 Uhr, Vorbereitung und Beichte.
„Der Assessor von Behrendt ist ein Neffe des Präsidenten, nicht wahr, Tantchen?"
»Hm! Hm!"
„Er tanzt ausgezeichnet! — Keiner von den jungen Offizieren, unter denen doch gewiß gute Tänzer waren, konnte sich mit ihm messen. Hast Du es auch bemerkt!"
„Hm!"
„Dabei weiß er so lustig zu plaudern, daß man aus der Heiterkeit gar nicht herauskommt, wenn man ihm zuhört! — Weißt Du, Tantchen, was er von Dir gesagt hat?"
»Hm!"
„Er sagte —, aber Du hörst doch auch zu?"
.Rrrrr!"
Diesmal war Tante Dorettens ohnehin recht einsilbige Konversation in ein wahrhaftiges, unzweideutiges Schnarchen übergegangen, und mit einem abermaligen Seufzer gab die arme Nelly dm hoffnungslosen Versuch auf, eine gleichgestimmte Seele für ihr Unterhaltungsbedürfnis zu finden. Sie drückte sich mit trotziger Energie noch tiefer in ihre Ecke und versuchte sich auf eigene Hand mit ihren jungen Erinnerungen und ihren wachen Träumereien die Zeit zu vertreiben. Sie wollte sich die Einzelheiten ihrer heiteren Konversation mit dem Assessor von Behrendt zurückrufen; aber merkwürdigerweise kam ihr trotz alles Nachdenkens keines seiner Scherzworte und keiner seiner geistreichen Einfälle wieder in den Sinn. Sie erinnerte sich jedoch, daß er auch mit ihrer besten Freundin, dem Fräulein von Merkelwitz, mehrere Mal getanzt hatte, und daß dieselbe nachher in einem Augenblick heimlichen Geplauders mit großer Wärme von ihm gesprochen. Ganz naturgemäß schweiften ihre Gedankm davon zu einem anderen Gespräch zurück, daS sie vor noch wenigen Wochen mit derselben Hermine von Merkelwitz über einen recht interessanten und bedeutsamen Gegenstand geführt, nämlich über Verlobungen im Allgemeinen und über ihre eigene Verlobung im Besonderen. Wie in allen Gefühlsangelegenheiten war sie auch über diesen Punkt genau derselben Ansicht gewesen wie die gleichgestimmte Freundin, und Beide hatten ihre unerschütterliche Ueberzeugung da
hin ausgesprochen, daß eine Verlobung nur in irgend einer verschwiegenen Laube bei Mondenschein, Nachtigallensang und Rosenduft und unter den glühendsten, poesievollsten Liebesversicherungen des betreffenden jungen Mannes vor sich gehen könne. Daß daneben auch dieser junge Mann selbst sowohl in Bezug auf seine inneren wie auch namentlich seine äußeren Eigenschaften, in Bezug auf seine Ritterlichkeit, Beredtsamkeit, Klugheit und Schönheit den weitestgehenden Ansprüchen genügen müsse, wurde als vollkommen selbstverständlich vorausgesetzt, und es war für Nellys Gedanken gar keine unangenehme Beschäftigung, sich vorzustellen, ob wohl die Erscheinung des Assessors von Behrendt ungefähr in eine solche Situation Hineinpassen möchte. Einige seiner Eigenschaften stimmten wohl recht gut in das von den beiden Freundinnen entworfene Gemälde; mit einigen anderen wollte es dagegen schon ein wenig hapern und wenn auch sein vorzügliches Talent zum Tanzen, schwer in die Wagschale fiel, so —
Helf Himmel, was war das!
Mit einem entsetzlichen Ruck war Nelly aus ihrer bequemen Ecke herausgeschleudert worden, ein furchtbarer Schrecken war ihr durch alle Glieder gefahren, sie hatte kaum noch Besinnung genug gehabt, einen lauten Schrei auszustoßen, und sich angstvoll an einem dicken weichen Gegenstand festzuklammern, mit dem sie auf das Heftigste zusammenprallt war. Ein unheimliches Stampfen und Krachen, ein Klirren wie von zerbrochenen Fensterscheiben tönte an ihr Ohr, ein eiskalter, feuchter Luftzug streifte höchst unangenehm über ihr Gesicht und an der rechten Hand verspürte sie einen fatalen, brennenden Schmerz. Einige Sekunden nach dem Eintritt, der gräßlichen Katastrophe regte sichs auch in dem dicken weichen Bündel, auf welches Nelly gefallen war. Ein klägliches, halb ersticktes Wimmern klang aus demselben hervor und eine angstvolle Stimme, die nur diejenige Tante Dorettens sein konnte,, fragte unter dem Biberpelz:
»Nelly, mein Herzchen, um Gottes Barmherzigkeit willen, was ist geschehen?. Bist Du noch am Leben oder hat es Dich auch erschlagen?"
(Forts, folgt.)