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M 114. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw. 66. Jahrgang
Erscheint Dien s ta g, Donnerstag und SamStag. Die EtnrÜckungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Samstag, den 26. September 1891.
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Die Krpedition.
Tages-Ueuigkeiten.
— Vom 1. Oktober d. I. an wird die Gemeinde Aichhalden OA. Calw mit der Parzelle Oberweiler vom Bestellbezirk des Postamts Calw abgetrennt und demjenigen der Postagentur Simmersfeld zugeteilt.
Calw, 25. Sept. In der gestern abend ab- gehaltenen Verwaltungsratssitzung der freiw. Feuerwehr wurde beschlossen, die allgemeine Schluß- tlbung am Montag den 5. Okt. abzuhalten. Vorher chat jede Kompagnie einmal einzeln auszurücken.
Calw. Die kath. Kirchengemeinde hat zu einem Pfarr- und Schulhaus das Anwesen von Frau Restaurateur R. Lorch's Witwe um die Summe von 20,000 erworben und ist dieser Kauf von der höheren Behörde genehmigt worden.
Calw. Einen seltenen und vielleicht profitabeln Viehkauf haben in den letzten Tagen einige Männer in einem benachbarten Dorfe auf der Waldseite abgeschlossen. Seit mehreren Wochen treibt sich dort nämlich eine Kalbin, welche einem Viehhändler entsprungen ist, auf den Feldern und im Walde herum.
ohne daß dieselbe bis jetzt eingefangen werden konnte, obgleich auf ihre Ergreifung eine Belohnung von 20 ^ ausgesetzt war. Der Händler zog nun das Gewisse dem Ungewissen vor; er verkaufte das Stück um 50 ^ und entledigte sich dadurch aller weiteren Unannehmlichkeiten. Wie wir hören, machen die Käufer eifrig Jagd auf das große Wild, bis jetzt aber ohne Erfolg. Wer das beste „Geschäftche" bei dem Handel machen wird, wird sich bald zeigen.
— Die Herbstübungen der 26. Division endigten am 21. Sept. mit einem Manöver gegen einen markierten Feind. Letzterer unter der Führung des Oberst v. Müller, Komm, der 26. Kav.Brig., war als Teil eines Armeekorps gedacht, das in Stuttgart in Versammlung begriffen war und zur Deckung eine schwache Division in der Stärke von 8 Bat. Inf., 3 Esk. Kavallerie, 5 Batt. Artillerie an die Würm in die Gegend von Magstadt vorgeschoben hatte. Die Artillerie und die Kavallerie waren in voller Stärke, die übrigen Truppen nur markiert. Die von Straßburg her gegen Stuttgart vorrückende Westdivision (26. Division) unter Generallieutenant v. Linde - quist war 9. Bat., 3 Esk., 6 Batt. und 1 Pionierkomp. stark; dieselbe hatte am 20. Sept. abends die Nagold erreicht, mit Vortruppen die Gegend von Alt- hengstett und Ostelsheim. Am 21. Sept. morgens 7 Uhr stand die Division beim Bahnhof Althengstett versammelt und rückte in einer Kolonne auf der Hauptstraße zunächst bis Dätzingen vor, mit der Kavallerie über Simmozheim gegen Weil der Stadt. Man schien den Gegner in einer Stellung beim Jhinger- hof zu erwarten, denn die ganze Division marschierte hinter den Höhen nördl. Döffingen auf, die 51. Jn- fanteriebrig. unter General v. Pfaff auf dem linken, die 52. Jnf.Brig. unter General v. Dettinger auf dem rechten Flügel, dahinter 6 Batterien Feldartillerie unter Oberstlieut. v. Flaiz. Als gegen 10 Uhr durch
die Kavallerie der Feind in einer Stellung nördl. Magstadt westlich dos großen Waldes gemeldet wurde, erfolgte der Rechtsabmarsch der 26. Division dahin, die 52. Brigade ging über Magstadt, die 51. Brig. über den Jhingerhof gegen die feindliche Stellung vor, die Artillerie der Westdivision fuhr mit 6 Batterien auf der Höhe südl. Magstadt auf und eröffnete ein lebhaftes Feuergefecht mit den feindlichen Batterien ; letztere zeigten bald blaue Flaggen, ein Zeichen, daß sie unterlegen waren. Es dauerte ziemlich lange, bis die gesamte Infanterie der Westdivision in der Feuerlinie zur Entwicklung kam, dieselbe nahm den Raum von Magstadt bis zu dem Wald nördlich des Jhingerhofs ein. Es entbrannte nun ein lebhaftes Feuergefecht, das zeitweise nur durch das abwechslungsweise Vorrücken der dichten Schützenlinien unterbrochen wurde und etwa '/-12 Uhr vormittags mit einem allgemeinen Anlauf der gesammten Infanterie der 26. Div. gegen die Stellung des markierten Feindes endigte. Nunmehr wurde das Gefecht durch den kommandierenden General v. Wölckern abgebrochen und zur Kritik gerufen. Die Truppen rückten in ihre Quartiere ab. Trotz der den ganzen vormittag andauernden heftigen Regengüsse wohnten II. KK. HH. Prinz und Prinzessin Wilhelm von Württemberg der Uebung an. Dieselbe gab dem Zuschauer ein ansprechendes Bild eines modernen Gefechtes, wie es sich bei den weittragenden Waffen und dem rauchschwachen Pulver wohl künftig abspielen wird. Bei allen Waffengattungen beobachteten wir das Bestreben, sich möglichst ungesehen dem Gegner nähern und das Feuergefecht aus gedeckten Stellungen führen zu können. Dies führte, wie auch an früheren Manövertagen, sogar so weit, daß Infanterie und Artillerie z. B. die Helme abnahmen, wenn sie ins Gefecht traten, die Fahnen gesenkt wurden, die Berittenen vom Pferde stiegen, um sich möglichst wenig dem Gegner zu ver-
« Nachdruck vnbatrn.
Aelly's Jertobung.
Eine nächtliche Geschichte von Reinhold Ort mann.
„Nur diese Decke noch, mein Herzchen! — Und die Kapotte etwas tiefer ins Gesicht! — So! — Nun lege Dich recht behaglich in die Ecke mrück und laß uns versuchen, diese beiden Stunden zu verträumen?"
Der Wagenschlag war zugefallen. Der Kutscher hatte m>t der Peitsche geknallt, weil ihm der Zuruf, an den seine Gäule sonst gewöhnt waren, in einem gewaltigen Gähnen unterging, und mit diesem Aechzen und Knirschen, das wie ein Ausdruck des Aergers über die nächtliche Anstrengung klang, setzten sich die Räder des bequemen Landauers in Bewegung.
Zwei junge lebhafte dunkle Augen, die aus einem Wall von Tüchern, Decken und anderen schützenden Umhüllungen hervorschauten, sandten durch das trübe Wagenfenster, an dem der Regen in vielen Bächlein herniederrieselte, einen letzten dankbaren Blick zu den hell erleuchteten ScheibewHes Hauses zurück, und ein leichter Seufzer war die Antwort auf die freundliche Aufforderung der älteren Dame, die sich's unter dem Schutze eines mächtigen Pelzmantels in der anderen Wagenecke bequem gemacht hatte.
Träumen! — Darunter verstand die Tante zweifellos nichts Anderes als Schlafen! — Und wie man gleich nach einem Balle schlafen könne, war für Nelly von jeher etwas völlig Unbegreifliches gewesen. Nun gar während der beständigen Bewegung einer mehr als zweistündigen Wagenfahrt und unter den mannigfachen Geräuschen, welche das gleichmäßige Traben der Pferde, das Rollen des Wagens und das Niederströmen des Regens hervorbrachten! Hatte sich doch der rasche Schlag ihres Herzchens kaum beruhigt, klangen ihr doch die lustigen Tanzweisen noch immer im Ohre nach und zuckte eS ihr doch in den Füßchen, als müßten sie sich auf der Stelle zu ihrem Lii-blingswalzer in Bewegung s-tzm. Es war eigentlich jammer
schade, daß statt der Eltern, die durch einen unerwarteten Besuch auf dem Gute festgehalten worden waren, Tante Dorette ihre Begleiterin auf dem Balle gewesen war. Sie hatte ihr mit ihrer übergroßen Sorgfalt und Aengstlichkeit schon einen guten Teil des Vergnügens verdorben, und durch die tausendmal wiederholte Mahnung, sich ja nicht zu sehr zu erhitzen und anzustrengen, gerade die schönsten Augenblicke recht garstig gestört; das Schlimmste aber war jedenfalls Tante DorettenS unzeitiges Schlummerbedürfnis, das jetzt, wo doch die prächtigste Gelegenheit dazu gewesen wäre, jeden Meinungsaustausch über die bedeutsamen Erlebnisse der letzten Stunden unmöglich zu machen drohte. Eine gute Weile hatte Nelly das drückende Schweigen in der unheimlichen Fmsterniß ertragen. Sie hatte sich die lieblichen Bilder des hinter ihr liegenden Festes in buntem Durcheinander vor die Seele gezaubert und mehr als einmal still vor sich hin gelächelt, wenn sie der unverkennbaren Huldigungen gedachte, die ihr von dem liebenswürdigen und eleganten Affeflor von Behrendt zu Teil geworden waren. Aber gerade, als diese ihre Gedanken sich mehr und mehr auf diesen einen Gegenstand zu vereinigen begannen, steigerte sich ihr Wunsch nach Mitteilung zu einem unwiderstehlichen Bedürfnis.
„War eS nicht w mderschön auf dem Balle, Tantchen?" fragte sie einle-'ungs- weise mit etwas schüchternem Ausdruck; aber ihr Mut wuchs sogleich, als unter dem Pelzmantel hervor einige Laute vernehmlich wurden, die zwar an und für sich durchaus unverständlich waren, die aber immerhin erkennen ließen, daß der Gott des Schlummers von Tante Dorette noch nicht ganz Besitz genommen habe. Das aber war für Nelly vollkommen genügend.
„Ein wie liebenswürdiger Herr ist doch der alte Präsident!" fuhr sie fort. „Und nun gar erst seine Frau und seine Töchter! — Sie sind wirklich zu reizend! — Findest Du nicht auch Tantchen!"
Wieder erfolgte die Antwort in Gestatt jener schwachen, unverständlichen Töne und Nelly trug dämm kein Bedenken ihre Stimme ein wenig zu erhöhen, als sie jetzt nach der außerordentlich diplomatischen Einleitung auf den Kernpunkt der Unterhaltung loSging.