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M 103.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
66. Jahrgang.
Erscheint Di en S ta g , Donnerstag und SamStag. Dir Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung s Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
amsiag, den 5. September 1891.
LbonnementSpreiS vierteljährlich in der stabt *0 Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post btzvgen Mk. 1. 15, sonst iv ganz Württemberg Ml. 1. 85.
Deutsches Reich.
Berlin, 2. Sept. Der Kaiser ist mittelst Sonderzuges in Begleitung des Reichskanzlers, der Generaladjutanten und des Gefolges um 6'/- Uhr zu den österreichischen Manövern abgereist. Die Kaiserin begleitete den Kaiser auf den Bahnhof, wo ein großer Teil der Hofgesellschaft anwesend war.
— Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" begleitet die Abreise des Kaisers zu den österreichischen Manövern mit einem Artikel, in welchem sie hervorhebt, daß beide Monarchen, alle Prunkentfaltung vermeidend, nur auf Kern und Wesen der vor ihren Augen sich abspielenden Kriegsbilder achtend, damit neuerdings den Ernst und das Gewicht bethätigten, welche sie auf die Festigung des Bündnisses legten, dessen Zweck die Pflege und die Sicherstellung des europäischen Friedens sei. Man werde die Begegnung als ein weithin sichtbares Zeichen unauflöslicher Bundesfreundschaft mit der Zuversicht begrüßen, daß der Bestand des europäischen Friedens aus der Zusammenkunft neue Kraft schöpfen werde.
— Die „Kreuzztg." gedenkt in ihrem Artikel zum Jahrestag der Kapitulation von Sedan in dankbarer Erinnerung an die große glanzvolle Zeit der herrlichen Frucht jenes Kampfes- und Sieges, das ist die Einigung des deutschen -Volkes und di: Auferstehung des deutschen Reiches in neuer Herrlichkeit. „Aber der Tag stolzer Erinnerungen mahnt uns auch daran, den Blick in die Zukunft zu richten. Wird das deutsche Reich fernerhin im Frieden sich entwickeln können? Zwiefach ist die Gefahr, die uns und unserem teuren Vaterlande droht, Gefahr droht uns von außen und von innen. Vor allem sind es die Feinde von außen, die unser Vaterland bedrohen. Die Verbrüderung Rußlands und Frankreichs zeigt
uns, was wir zu erwarten haben. Was jene beiden in jeder anderen Beziehung sich wiedersprechenden Mächte verbindet, ist lediglich der Haß gegen Deutschland. Wie lebhaft dieser Haß ist, erkennt man am besten daraus, daß beide Völker ihre eigenste Natur verleugnen und sich verbinden. Der größte Selbstherrscher und die Republik! Man sollte meinen, Wasser und Feuer ließen sich leichter verbinden als Frankreich und Rußland. Mit welchem inneren Zwiespalt muß der mächtige Autokrat jene Revolutionshymne angehört haben, in welcher den Tyrannen Tod und Verderben geschworen wird! Und wie kläglich ist der Anblick, republikanische Freiheitsschwärmer vor dem autokratischen Monarchen Europas sich zur Erde beugen zu sehen! Wie dem auch sein mag, für uns liegt, eine große, nicht zu unterschätzende Gefahr in der Verbindung jener mächtigen Reiche, wenn dieselben auch nur im Haß gegen Deutschland eins sind. So liegen in dem herrlichen Siege von Sedan nicht nur die Keime unserer Einigung und Größe, sondern auch die Keime neuer Gefahren und mächtiger Kämpfe. Was wir durch jenen Sieg errungen, das gerade ist es, was die Feindschaft unserer Nachbarn erweckt hat, was sie bewegt, zu gelegener Zeit über uns herzu- sallen. Was wir durch blutige Kämpfe errungen haben, werden wir vielleicht durch weit ernstere Kämpfe verteidigen müssen. Kommt es wirklich zum Kriege, so wird das ein Ringen sein, wie die Welt noch keins gesehen hat. Wir müssen darum allezeit uns rüsten und, wenn es gilt, unsere ganze Kraft einsetzen bis auf den letzten Mann; denn dann gilt es in der That: Sein oder Nichtsein! Unterliegen wir, dann heißt es: ünis Oermanias! Aber das wird mit Gottes Hilfe nicht eintreten, wenn wir unser Pflicht thun. Kein Opfer darf uns zu groß und schwer sein; es gilt des Vaterlandes Ehre und Existenz. Unser prächtiges Heer, seine trefflichen Führer, der mannhafte Mut unseres thatkräftigen Kaisers — das alles giebt uns Vertrauen."
— Die „Nordd. Allg. Ztg." giebt ein Schreiben eines Kunstmühle- und Bäckereibesitzers in Baden wieder, dessen Inhalt in weiten Kreisen Verbreitung verdient. Wir entnehmen, da es uns an Raum fehlt, nachstehendes auszugsweise:
Die Getreidezölle sind Schutzzölle und nur dies. Sie haben aber bis vor kurzem nicht als Schutzzölle gewirkt, sondern blos als Finanzzölle, weil ihre Einführung eine Getreidepreissteigerung nicht hervorzubringen vermochte, wir selbst (die Müller und Bäcker) verloren damals Geld auf unsere vor der Zolleinführung resp. Zollerhöhung gekauften Getreidevorräte, indem wir nach dem Zoll hätten billiger kaufen können als vorher. Es schien als ob Niemand mehr esse . . Die heutigen hohen Getreidepreise haben mit dem Zoll gar nichts zu schaffen, sie sind bedingt durch schlechte Ernten und diese wiederum werden ausgebeutet durch die Spekulation; letztere um sich zu verbergen, schiebt den Zoll als Ursache vor, stellt sich als Beschützerin des armen Mannes hin und füllt sich dabei rasch die Taschen. Wem es darum zu thun ist, dem Volke das Brot nicht teurer werden zu lassen, als zur Erhaltung des heimischen Kornbaues nötig ist, der soll nicht mitten in der Ernte eine Hungersnot an die Wand malen und die „wilde stürmische Hausse" der Berliner Getreidebörse in das Land hinaus telegraphieren, damit die Müller und Bäcker dann diese Alarmzeitungsnachrichten in die Tasche stecken und dem lieben, blinden Publikum bei jeder Gelegenheit vor die Nase halten können, um ihre Mehl- und Brotaufschläge zu motivieren. Bequemer ist uns Müllern und Bäckern der Mehl- und Brotaufschlag noch nie gemacht worden als jetzt, und man braucht sich daher nicht zu wundern, wenn auch diese beide Gewerbe auf den Zoll loshauen, um unschuldsvoll dazustehen. Uns (dem Vers.) ist es wertvoller, es bleibt uns ein zahlungsfähiger Kundenkreis in den getreidebautreibenden Dörfern unserer Umgegend er-
Aeuillelon. Nachdruck verb°t-n.
Iüvstin Wccrcrnow.
Novelle von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
Noch in später Stunde war ein Diener mit einem Rezept Nordenfelds in die nächste Apotheke geschickt worden und gegen Mitternacht kehrte er mit der fertigen Arznei zurück. Die Wirkung derselben auf Guido war, nach dem ersten Anschein wenigstens, eine sehr befriedigende, denn seine Atemzüge wurden gleichmäßiger und ruhiger, das schmerzliche Stöhnen verstummte und nach Verlauf von etwa einer Viertelstunde siel er in einen wirklichen, fieberfreien Schlaf.
„Es ist anzunehmen, daß er den Rest der Nacht ruhig verbringen wird," sagte der Professor. „Wollen Sie sich nicht wenigstens jetzt durch einen kurzen Schlummer zu stärken suchen, Fräulein Alice?"
„Vergönnen Sie eS mir doch, bei ihm zu bleiben," bat das junge Mädchen herzlich, beinahe demütig, „und wäre es auch nur, damit ich mich an dem Anblick seines friedlichen Schlummers erfreuen kann. Er sieht jetzt beinahe aus wie in seinen gesunden Tagen, und cs macht mich glücklich, ihn so beobachten zu dürfen."
„Sie haben das Kind sehr lieb, Fräulein Alice?"
„Unaussprechlich lieb, Herr Professor!"
„Und doch haben Sie es erst hier kennen gelernt?"
Sie neigte das Köpfchen und vermied es, ihn anzusehen.
„Ja! Wir hatten bis dahin keinen Verkehr mit meiner Schwester!"
Nordenfeld schwieg und blickte wieder für eine lange Weile nachdenklich auf die mondbeschienenen Streifen der Wasseroberfläche hinaus. Da fühlte er die Berührung einer warmen, weichen Hand auf der seinigen und hörte Alicens gedämpfte Stimme nahe an seinem Ohr:
„Zürnen Sie mir nicht, wenn ich mich durch eine bescheidene Bitte unberufen in Ihr Vertrauen dränge! Aber es scheint mir, als wenn meine Mitteilungen Ihnen einen Grund gegeben hätten, meiner Schwester zu zürnen, und die Sorge darüber liegt mir schwer auf dem Herzen. Ich weiß, daß Asta keinen Menschen auf der Welt so inbrünstig liebt als Sie, daß selbst in der verzweiflungsvollen Angst um das Kind ihre Gedanken stets bei Ihnen weilten, und daß nur irgend ein geheimnisvolles Hinderniß, unter welchem sie unsäglich zu leiden hatte, die Schuld davon trug, wenn sie nicht zuerst und vor allem nach Ihnen gerufen. Nach schwerem Kampfe erst habe ich mich entschlossen, statt meiner Schwester zu handeln, und trotz der Hoffnungen, welche ich auf Ihre Hilfe setzte, sah ich Ihrem Kommen doch nicht ohne Bangen entgegen. Nun hat ein Zufall gefügt, daß Sie das Haus ohne Asta's Wissen betreten konnten, und ich hoffe, sie auf Ihr Hiersein vorbereiten zu dürfen, ehe das Wiedersehen erfolglos. Aber was hilft mir das Alles, wenn Sie ihr zürnend, vielleicht mit schweren Vorwürfen entgegentreten wollen! Bei dem Gemütszustände, in welchem sich meine Schwester jetzt befindet, würde sie kaum fähig sein, zu all' dem bisherigen Unglück auch noch dies zu ertragen! Nein, nein, Herr Professor, — mehr als je sind Sie gerade jetzt verpflichtet, ihr ein freundliches Gesicht zu zeigen und sie aufzurichten in ihrem schweren Leid. Was auch immer zwischen Ihnen und ihr stehen mag, — sei es nun ein Mißverständniß oder ein Unrecht, welches Asta begangen, — Sie dürfen darum nicht jetzt mit ihr rechten und Sie dürfen sie nicht befürchten lassen, zu allem Anderem auch noch Ihre Liebe zu verlieren!"
Eine wie eindringliche Beredsamkeit hatte ihr die liebevolle Sorge um die Schwester verliehen, und wie liebreizend erschien sie mit ihren schönen, flehenden Augen und ihren zart geröteten Wangen, die sowohl der Eifer ihrer Fürsprache als eine holdselige mädchenhafte Scham mit lebhafterer Farbe geschmückt hatte. Ueber dem Anschauen dieses lieblichen Antlitzes, welches ihm so nahe war, daß er ihren Atem zu spüren meinte, ging dem Professor vielleicht von dem, was sie sprach, da» Meiste verloren. Aber den Sinn ihrer Worte begriff er doch, und wenn e» das