^ 101. Amt-- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Jahrgang.
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Deutsches ReilL? X
Berlin, 22. Aug. <^ie Parade des 'Gardekorps ist glänzend verlaufen. Der Kaiser und die Kaiserin ritten Zunächst die Front des in zwei Treffen aufgestellten Korps ab und ließen dasselbe hierauf zwei Mal an sich vorübermarschieren. Sämtliche hier anwesenden Fürstlichkeiten wohnten der Parade bei; eine große Zuschauermenge begrüßte Las Kaiserpaar mit jubelnden Zurufen.
Berlin, 22. Aug. Der Kaiser verlieh dem Kommandeur des Gardekorps, General v. Meer- scheidt-Hüllesem,am Schluß der heutigen Parade den Schwarzen Adlerorden.
Merseburg, 24. Aug. (4 Uhr 5 Min.) Das Kaiserpaar ist soeben hier eingetroffen. Unter dem Gefolge bemerkte man den Reichskanzler v. Ca- privi, ferner die Minister v. Bötticher und Herrfurth. Die Auffahrt zum Schlosse erfolgte in mäßigem Tempo. Das Kaiserpaar dankte auf die Grüße und Zurufe des Publikums nach allen Seiten. Des Kaisers gebräuntes Gesicht wurde als ein Zeichen seiner. völligen Gesundheit mit Freuden wahrgenommen. Es ereignete sich bei der Auffahrt ein Unfall. Die Pferde des Landrats Weidlich, welcher in seinem Wagen dem Kaiserpaar vorauffuhr, gingen durch und zertrümmerten völlig die Kutsche? Der Kutscher wurde dabei verletzt. Zu dem von der Provinz veranstalteten Festessen sind über 300 Personen geladen. Die Speisenfolge ist sehr einfach.
München, 24. Aug. Der „Allg. Ztg." zufolge wird der Kaiser am 7. Sept. abends 9 Uhr von den österreichischen Manövern her in München eintreffen und am Bahnhof von dem Prinz-Regenten, -umgeben von den Prinzen des königlichen Hauses,
Donnerstag, den 27. August 1891.
empfangen werden. Die große Parade findet am 9., die Manöver am 10. und 11. Sept. statt. Vom Manöverfeld aus reist am 11. September der Kaffer nach Kassel.
Ausland.
Mondovi, 24. Aug. Gestern fand die Enthüllung des Denkmals für den König Karl Emanuel I. in Gegenwart der Minister di Rudini, Ferrari und Pelloux, sowie zahlreicher Senatoren und Deputierten statt. Nachmittags hielt der König eine glänzende Revue über 8000 Mann Alpenjäger und Gebirgsartillerie ab und Unterzeichnete das Ämnestie- decret für die Stellungsflüchtigen aus den Jahresklassen von 1848 bis 1872. An der Amnestie nehmen etwa 40,000 Personen Teil.
Paris, 24. Aug. Der russische Generalstabschef Ob rutsch eff ist gestern in Bergerac eingetroffen, wo ihm ein enthusiastischer Empfang durch die Behörden und Offiziere bereitet wurde. Obrutscheff brachte ein Hoch auf Frankreich aus und toastete bei dem Ehrentrunk auf das Woyl aller französischen Soldaten.
— In Cherbourg wurde das Panzerkanonenboot 1. Klasse, der „Styx", vom Stapel gelassen. Es ist von Stahl, kostet 4 Millionen Frs., und ist in zwei Jahren nach dem neuen System des Ingenieurs Chaudoye gebaut. Ein zweites Schiff desselben Systems, der „Phlegethon", wurde voriges Jahr fertig. Der Schiffsbau wird gegenwärtig sehr lebhaft betrieben. Auf französischen Werften wird nächstens auch das chilenische Schiff „Kapitän Prat" fertig, ein Panzerschiff von 7000 Tonnen, 100 Meter lang und 12000 Pferdekräften.
Petersburg, 22. Aug. Die „Nowoje
Lbonnem entspreis vierteljährlich in der Stadt X> Pfg. und so Pfg. Trägerlohn, durch die Post byogen Mk. 1. IS, sonst tv ganz Württemberg Dtt. 1. SL.
Wremja" zufolge ist dem Reichsrat ein Gesetzentwurf betreffend die Einschränkuug der Besiedelung Rußlands durch Ausländer zugegangen. Den Ausländern soll verboten werden, sich außerhalb der Städte anzusiedeln und dort unbewegliches Eigentum zu erwerben oder zu pachten. In einigen Gouvernements, darunter Wolhynien, soll die Novelle rückwirkende Kraft erlangen; der ländliche Grundbesitz der Ausländer soll eventuell expropriirt und den Besitzern die Zurückkehr ins Ausland ermöglicht werden.
Petersburg, 23. Aug. Durch ein heute veröffentlichtes kaiserliches Manifest wird auch die Ausfuhr von Roggen, Roggenmehl und Kleie aus Finnland vom 27. ds. Mts. ab verboten.
Kopenhagen, 24. Aug. Der Zar mit der kaiserlichen Familie ist Mittags angekommen. Der offizielle Empfang erfolgte mit gewohnter Herzlichkeit, die Bevölkerung aber nahm wenig Teil daran und die Stadt zeigt mit Ausnahme einiger beflaggter Häuser das gewöhnliche Gepräge.
Konstantinopel, 23. Aug. Die „Agence de Constantinople" meldet, die Ueberbringer des Lösegeldes für den von seiner Farm durch Räuber weggeführten Franzosen Raymond sind erst seit gestern mit der Räuberbande, welche sich infolge der Bewegung des Militärs ins Gebirge zurückgezogen hat, in Fühlung getreten. Für die Befreiung des Bahnmeisters Solini sandte die Pforte 2000 türk. Pfund nach Saloniki. Gerüchtweise verlautet, auch ein in Jalova (Asien) ansässiger Franzose sei von Räubern gefangen genommen worden.
London, 24. August. Am Freitag besiegten angeblich die chilenischen Insurgenten die Truppen Balmaceda's bei Viladelmas am Aco-
§t LL. Nachdruck verboten.
Isürstin Wcrrnnow.
Novelle von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
Dem Fürsten allein hatte seine Sorge und Aufmerksamkeit gegolten, und in der rückhaltlosen Hingabe an die heiligen Pflichten seines Berufs hatte er es vielleicht nicht einmal wahrgenommen, daß ein üppiges, jugendschönes, leidenschaftliches Weib immer und immer wieder an seiner Seite war, daß zwei wundersam tiefe, leuchtende Augen jeder-ftiner Bewegungen folgten, und daß manches Mal, wenn er nach einem der Arzneigläser griff, oder wenn er sich bemühte, dem Leidenden eine bequemere Lage zu geben, seine Finger von der warmen, weichen, lebensvollen Haut einer feinen Frauenhand gestreift wurden. Erst als der Fürst durch einen sanften Tod von seinen Qualen erlöst worden war, schien Nordenfeld zu bemerken, daß die gramgebeugte Witwe ein herrliches Weib von hinreißender Schönheit sei. Nichts in seinem Wirken hatte es ihr verrathen, nichts in seinem Benehmen, — nur ein seltsames Aufflammen in seinen Augen, und das war ihr genug gewesen, um sie mit überschwenglicher Seligkeit zu erfüllen und mit der Gewißheit, daß kein anderes Weib ihn besitzen dürfe als sie allein. Und sie hatte ihr Ziel erreicht, aber mühevoll, langsam, nach Tagen und Stunden heißen Ringens und qualvollen Zweifels. Fast scheu war er vor ihr zurückgewichen, und erst, als sie alle Waffen in's Feld geführt hatte, über welche ein schönes, sinnberückendes Weib voll Geist und Lebenserfahrung gebietet, erst als sie ihn mit all' ihren Zauberkünsten umstrickt und gefesselt hatte wie mit einem unzerreißbaren Netz, erst da hatte er sich besiegt gegeben, und mit wonnigem Erbeben hatte sie auch in ihm jene leidenschaftliche Glut emporflammen sehen, die er bis dahin mit eiserner Energie niedergehalten und vor ihrem sehnsüchtigen, fragenden Blick verborgen hatte.
Gewisse Rücksichten auf die Familie ihres verstorbenen Gemahls hatten eine Wiederverheiratung der Fürstin bisher unmöglich gemacht, und Nordenfeld selbst hatte einen Aufschub begehrt, weil Asta ihren stolzen, aristokratischen Namen nicht früher mit dem seinigen vertauschen wollte, als bis derselbe klangvoll genug geworden war, um den Tausch eher als eine Erhöhung, denn als eine Herabsetzung erscheinen zu lassen. Auch hatte es keineswegs seinen Wünschen entsprochen, daß Asta noch vor dem Hochzeitstage ihren Wohnsitz wieder in Berlin genommen, aber er hatte nicht den Mut gehabt, das Opfer einer Trennung gebieterisch von ihr zu fordern, nachdem sie ihm in ihrer leidenschaftlichen Weise erklärt hatte, daß sie sterben würde, wenn sie nicht in seiner Nähe bleiben dürfe.
In der Berliner Gesellschaft hatte man auch wohl anfänglich über die täglichen Besuche des Professors im Palais der verwitweten Fürstin Baranow und über ihr gemeinsames Erscheinen vor der Oeffentlichkeit ein wenig die Nase gerümpft; aber die Stellung Beider war eine so angesehene und unerschütterliche, daß man sich bald mit der Thatsache abgefunden und sich daran gewöhnt hatte, sie als ein erklärtes Brautpaar zu bettachten. Sie waren darum nicht gezwungen, sich in ihrem Verkehr irgend welche lästige Beschränkungen aufzuerlegen und sie hätten in diesem Verkehr vollkommen glücklich sein können, wenn Nordenfelds Benehmen nicht zuweilen in Astas Herzen von Neuem jene quälenden Zweifel wachgerufen hätte, unter denen sie vor seiner Erklärung oft genug gelitten, jene Zweifel, daß seine Liebe für sie in Wahrheit von jener elementaren, allumfassenden Gewalt sei wie die ihrige. Seine Neigungen, seine Vorstellung von dem erstrebenswerten Glück des Daseins waren andere als die, in denen sie sich se>t ihren Mädchenjahren gefallen hatte. Er äußerte oft seine Mißbilligung über Dinge, welche sie für selbstverständlich hielt, und er entwarf ihr Bilder von der gemeinsamen Zukunft, welche sie im Grunde des Herzens erzittern ließen. Wenn sie dann erzürnt war und ihn mit ihren La men zu quälen begann, erschien oft ein so seltsam kalter, strenger Ausdruck auf seinem Gesicht, daß e« sie wie Fieberangst ergriff, ihn zu verlieren, und in einer glutvollen