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Die Namen der Verhafteten sind: Joh. Georg Plank von Thalheim, bavr. Bez.-AmtS Kehlheim und Gott» lieb Haug von Döffingen, OA. Böblingen. Dieselben wurden anS Amtsgericht Geislingen abgeliefert.
Reutlingen, 19. Aug. Die Getreideernte hat vorige Woche hier und in der Umgebung ihren Anfang genommen. Es wurden bei sehr günstiger Wüterung in den letzten Tagen eine Menge prächtiger Garben eingeführt; seit heute jedoch haben wir wieder bedeutenden Regenfall und somit eine unliebsame Unterbrechung der Erntegeschäfte. Die Erwartungen in Betreff der Quantität und Qualität sind vielfach übertroffen; denn nicht allein ist die Zahl der Garben sehr befriedigend, sondern auch hell und rein; ganz frei von Ruß und Rost sind Körner und Stroh sämmtlicher Getreidearten. Weniger günstig stehen bei uns die Kartoffeläcker, welche in Folge der häufigen Niederschläge ein bedenkliches Aussehen angenommen haben. Kraut und Rüben dagegen stehen sehr schön, ebenso die meisten Gartengewächse. Die Aussichten für einen günstigen Kernobstertrag haben sich nicht erhalten, denn immer noch fällt eine Menge unreifer Früchte von den Bäumen. Vielfach wird an den letzteren krankhaftes, mit winzigen Pilzchen besetztes Laub beobachtet und dies als Ursache besagten Mißstandes angenommen. Unsere Weinberge werden nach amtlicher Anordnung fleißig bespritzt, auch sonst in jeder Weise läßt man sich eine sorgfältige Pflege der- elben angelegen sein, jedoch voraussichtlich mit nicht ehr lohnendem Erfolg. Hopfen stehen durchweg schön, ie sind bei günstigem Verlauf der Blüte reichlich angeflogen und selbst alte, 20jährige Gärten werden ebenso wie jüngere Anlagen hohe Erträge liefern.
Mainz, 18. Aug. Generalstabsoffizier Major Zahn, welcher sich durch einen Sturz vom Pferde derart beschädigt hatte, daß er in das Militärlazaret verbracht werden mußte, ist heute nachmittag '/-3 Uhr in Folge einer Hirnerschütterung, die er sich durch den Sturz zugezogen hatte, gestorben. Der Verstorbene hinterläßt eine Witwe mit 2 Kindern.
Bern, 18. Aug. Das Eisenbahndepartement teilt amtlich mit: „Ein schweres Eisenbahnunglück ist heute morgen nach 7 Uhr beim Eingang der Station Zollikofen begegnet. Da der Supplementszug Nr. 2246, von Biel kommend, vor der Station hielt, stieß der Pariser Schnellzug darauf. Der Wagen dritter Klaffe Nr. 1806 wurde zertrümmert. Die Reisenden dieses Wagens konnten sich nicht alle retten. Am Pariser Zug ist nur die Maschine leicht beschädigt. Die Zahl der Toten beträgt 14, die der Verwundeten 23. Sie wurden in das Jnselspital transportiert. Agnosziert wurden bis jetzt Frau Neuhaus, Ehefrau des Notars Neuhaus in Biel; Frau Bösiger, Wirtin, Biel; Frau Entemann, Visiteurs, Biel; Frau Tschantre in Tüscherz ; Frau Künzi-Leh- mann, Biel; Frau Sophie Mathey, Tramelan; Frau Estoppey, Biel; Frau Schwarz-Schnyder, Biel." Außerdem sind agnosziert: Notar Neuhaus in Biel, Uhrmacher Entemann in Biel und Bäckermeister Zeiher von da, Frau Reber in Reuchenette. — Vier bis fünf Aerzte fanden sich sofort auf dem Platze ein. In Münchenbuchsee sieht man viele Leute von Biel, wo Regierungsstatthalter Wyß und Statthalter Affolter von Frauenbrunnen, in dessen Bezirk die Unglücks
stätte liegt, in Verbindung mit den Aerzten Schwand- ner und Glaser eine genau« Beschreibung des That- bestaud» ausgenommen hat. Die meisten Toten sind sehr entstellt: einer jungen Frau wurde der Kopf bis zum Munde hinunter weggedrückt, so daß sie bis jetzt noch nicht erkannt werden konnte. Drei Wagen sind zertrümmert: ein Viehwagen, ein Personenwagen dritter Klaffe und ein Personenwagen zweiter und erster Klaffe. Die Insassen des Viehwagens, der wegen deS kolossalen Andrangs mit Personen besetzt war und sich zu hinterst im Zuge befand, sprangen nach beiden Seiten hinaus und sind alle gerettet. Vom Wagen sieht man nur noch Trümmer,. vom folgenden wenig mehr. Hier gab eS die meisten Toten. Bei zwanzig Verletzte kamen ins Jnselspital Bern. Die Verwundungen bestehen meistens in Becken-, Schenkel- und Armbrüchen und Verstauchungen. — Ein junger Mann, der von Biel auf dem Bicycle nach Zollikofen fuhr, langte gerade im Augenblick des Unglücks an und mußte seine Mutter unter den Opfern erkennen. — Die allgemeine Frage lautet, wem die Schuld für die Katastrophe beizumeffrn sei. Es wird wohl unbestritten bleiben, daß der Schnellzug bei Münchenbuchsee vorbeigelaffen wurde, ohne daß von Zollikofen Mitteilung vorlag, daß die Bahn frei sei. Nun wird der „N. Z. Ztg." „von berufener Seite" mitgeteilt, ein Zug dürfe laut schweizerischem Eisenbahnreglement abgelaffen werden, wenn auf gestellte Anfrage, ob die Bahn frei sei, in zehn Minuten keine Antwort erfolge, indem dann auf Störung der Telegraphenlinie geschloffen werden müsse. „Nach den jüngsten Vorgängen", schreibt das Blatt, „sollte diese Bestimmung sogleich fallen." — Die bisherige Untersuchung hat fast zweifellos ein Verschulden des Stationsvorstands in Zollikofen ergeben, der, durch Extrazüge übermäßig angespannt, das Haltesignal dem Pariser Zug nach Münchenbuchsee zu geben vergessen hat.
Heilsarmee, — s weh.
Wenn Schreiber dieses die Eindrücke und Vorgänge des Heilsarmeeabends sich und andern zu Nutz und Frommen etwas zu ordnen und unter Gesichtspunkte zu stellen sucht, so wird ihm mancher Dank wissen. Also:
I.: Was will die Heilsarmee?
II.: Durch welche Mittel sucht sie ihr Ziel zu erreichen ?
1) durch Gesang; 2) durch öffentl. Bekennnt- nis; 3) durch Gebet; 4) durch allerlei Aeußerlichkeiten.
aä I. Die Heilsarme will die Sünder zum Heiland führen, welcher für sie den Kreuzestod erlitten hat; auch in Deutschland soll der Bann gebrochen und durch die Heilsarmee gleichsam eine „Erweckung" hervorgerufen werden.
Ich denke, die Versöhnung der Menschen, die ja alle Sünder sind, mit Gott ist Aufgabe aller christlichen Konfessionen, eine Heilsarmee ist also, was diesen Punkt anbelangt, unnötig.
aä II. Die gestrige Versammlung war eine Vorstellung, welche die Heilsarmee von ihrem Gottesdienst gab (Entree 10 -rZ). Denn ein Gottesdienst war es: es wurde gesungen und gebetet. Das Eingangslied ging nach der Melodie: Heil
dir im Siegerkranz" und lautet der erste VerS also: Wenn ich zum Heiland geh, um seine Gnade fleh, so hört er mich. In Freude wie in Schmerz, fft offen mir sein Herz, er führet allerwärts, mich seliglich." Ich lasse gleich noch Verse von anderen Liedern folgen, um zu zeigen, daß daß die Heilsarmee textlich über schöne Lieder verfügt. „Horch, des Heilands Ruf ertönet, Sünder, sieh, ich starb für dich, Gott ist nun mit dir versöhnet, Fried und Freud dein ewiglich; O ihr Sünder (3 mal) kommt zu ihm der für euch starb.
Nr. 64 V. 1.: Nichts was unrein, kamr dort eingehen, wo Gott, der Höchste thront. Dem Flammenaug' kann nichts entgehen, was in uns Menschen wohnt rc. Nr. 108: O Welt, du hast nicht Reize mehr für mich, wohl ließ mein Herz einst von dir fesseln sich; es lauschte lang dem eiteln Sang, und glaubt' dem falschem Schein, so könnt Unruh denn auch mein Teil. nur sein."
Anklänge an bekannte Melodien, wie: Bemooster Bursche zieh' ich aus rc., Brüder zu den festlichen. Gelagen, Drum sag ichs noch einmal rc. waren nicht u verkennen. Schade, daß die sonst schönen Melodien o verketzert wurden. Auch unsere Reformation ist seiner Zeit zum guten Teil ersungen worden, nur ein ganz klein wenig anders. Wer Text und Melodie unserer evang. Kirchenlieder hat, braucht keine Heilsarmee. Eine große Rolle spielt sodann das öffentliche Bekenntnis sämtlicher Offiziere und Soldaten, im allgem. also beginnend: „Hallelujah! Gott sei Lob und Dank, daß er mich zur Heilsarme geführt hat rc. Was die Soldaten betrifft, so hat man das Gefühl, daß dieselben Soldaten dasselbe mit denselben Worten schon oft haben sagen müssen. Auch Damen singen und „bekennen" und verleugnen dabei die ihrem Geschlecht eigene Zungenfertigkeit nicht.
Ich verweise auf I. Korinther 14,34: Eure Weiber lasset schweigen in der Gemeinde (mulisr taesat in seelssla) und I. Timoth. 2, 12: Einem Weib aber gestatte ich nicht, daß sie lehre.
Wenn der leitende Kapitän sagt: Du hast öffentlich gesündigt, so mußt du auch öffentlich bekennen, daß du ein anderer geworden bist! so ist er im Irrtum. Ja, in einer vor Gott versammelten Gemeinde kann einer das thun, und man hat Beispiele; aber eine derart. Sinnesänderung in einer derart. Versammlung preiszugeben, widerspricht der h. Schrift:: Matth. 7, 6: Vom Heiligthum, das man nicht preisgeben soll.
Die Heilsarmee betet viel und anhaltend und es scheint ihnen ernst zu sein. Auch was sie beten, ist schön und gut. Aber wie! In illustrierten Missionsschriften habe ich schon Gruppen von Heiden gesehen, die vor ihrem Götzen beteten. Genau so sieht es aus, wenn die Heilsarmee betet. Dadurch wird das Gebet vor denen, die nicht glauben, ins Lächerliche gezogen und den Gläubigen ein Aegernis gegeben. Auch scheint man gern äußere Zeichen der inneren Erschütterung zu sehen. Ich verweise auf Matth. 6,5 ff. wo ausdrücklich vom Gebet die Rede ist. Ein gewisses Gefühl hat den Heilsarmisten doch verboten, das Gebet des Herrn zu sprechen, und das schon genügt!
Das Tragen einer Uniform, die verschiedenen
Gold, mit schnödem, erbärmlichem Gold wolltest Du es Dir erkaufen! Du schämtest Dich Deiner armen Eltern, und Du hattest uns Deinem Verlobten gegenüber verleugnet. Wahrscheinlich hattest Du irgend ein abenteuerliches Märchen ersonnen, um ihn zu täuschen, und nun war cs die Furcht vor einer Entdeckung, welche Dich wie ein Gespenst verfolgte. Vor jeder Sorge wolltest Du uns bewahren, ein behagliches Wohlleben wolltest Du uns bereiten, — und Du warst anspruchlos genug, keine andere Gegenleistung zu verlangen, als daß wir darauf verzichteten, Dich jemals wiederzusehen, uns Dir jemals zu nähern, und daß wir keinem lebenden Wesen anvertrauten, eine wie vornehme Dame aus unserer entlaufenen Tochter geworden sei. Was Du mit diesem unglückseligen Briefe an Deiner armen Mutter gesündigt hast, das löscht keine Reue und kein Verzeihen aus, — das traf uns schwerer als Deine Flucht, denn es gab uns die traurige Gewißheit, daß Du nicht mehr oberflächlich und leichtfertig warst, wie wir geglaubt, sondern herzlos und schlecht!"
„Vater!" fiel Alice bittend ein, indem sie zugleich wie zum Tröste ihre Hand auf die Schulter der Schwester legte. Aber Asta selbst sagte, ohne ihren Blick vom Boden zu erheben:
„Es ist die Wahrheit! Und Gott allein weiß, was ich seither unter dieser Lüge gelitten habe!"
„Nicht durch unsere Schuld!" ergänzte Reimann bitter. „Wir haben Dein Gold nicht genommen, aber wir haben Dein Geheimnis getreulich bewahrt. Nicht einmal Albert Hartung hat von uns erfahren, daß seine ehemalige Verlobte und die reiche Fürstin Baranow, von der er manches Mal in den Zeitungen gelesen haben mag, eine und dieselbe Person seien. Und als wir hörten, daß Dein Gatte gestorben war, als uns das prächtige Haus in der Voßstraße gezeigt wurde mit dem Bemerken: „Das ist das Palais der Fürstin Baranow!" — da haben wir unser Herzeleid erst recht still in unserer Brust verschlossen! — In weitem Bogen fft Deine Mutter dem stolzen Hause vorbeigegangen, um ihrem Kinde nicht die Beschämung eines zufälligen Zusammentreffens zu bereüen. Um Deine» falschen, erlogenen Glückes willen hat
sie sich in stillem Gram verzehrt — und Du hast ihr gestern Deinen Dank dafür abgestattet, indem Du sie allein ließest in ihrer Todesstunde!"
Jeder seiner Vorwürfe hatte Asta getroffen wie ein Faustschlag, und doch erhob sie, als er geendet, wie von einer plötzlichen Eingebung ermutigt, das Haupt.
„Wohl!" sagte sie. „Ich habe schwer gefehlt und Du hattest ein Recht, mich mit so unbarmherzigen Worten dafür zu strafen. Aber wenn auch mein ganzes bisheriges Leben eine Lüge war, so ist es doch noch nicht zu spät, diese Lüge zu zerreißen und sie für immer abzuthun. Von heute an sei Euer Platz in meinem Hause, an meiner Seite! Alle Welt mag erfahren, wer ich bin und was ich an Euch gesündigt! Mögen sich dann immerhin die Thüren der vornehmen Häuser vor mir schließen, mag es mich immerhin die Achtung vieler und die Liebe des Einen kosten, der mir teurer ist als mein Rang und mein Reichtum, teurer als irgend etwas auf der Welt, — ohne Murren will ich es auf mich nehmen als eine nur zu wohl verdiente Buße, und nie will ich aufhören. Euch die liebevollste Tochter, die treueste Schwester zu sein!"
Was sie sprach, kam ihr unverkennbar aus dem tiefsten Herzen. Es war die Aeußerung einer leidenschaftlichen Reue, die unbedenklich das Schwerste, das Furchtbarste auf sich herabbeschwört, um die schmerzliche Wollust einer erbarmungslosen Buße bis zur Neige auszukosten.
Ein kurzes Schweigen folgte ihren Worten, dann trat der alte Mann dicht vor sie hin und schaute ihr mit durchdringendem Blick in's Gesicht.
„Ist auch das nun eine Komödie?" fragte er. „Rechnest Du darauf, daß ich Dein großmütiges Anerbieten auch jetzt zurückweisen werde?"
„Mit erhobenen Händen flehe ich Dich an, es anzunehmen, Vater!"
„Und Du hast alle Folgen bedacht, die es nach sich ziehen kann? Du wirst. eS niemals bereuen?"
„Niemals! — So wahr mir Gott helfe!"
(Forts, folgt.)
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