^ 94. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Iahrgaus.

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Tages-Neuigkeiten.

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Dienstag, den 11. August 1891.

Stuttgart, 6. Aug. Auf dem Fangelsbach­friedhof wurde am Donnerstag nachmittag der 14'/-- jährge Realschüler Hans Nägele beerdigt, welcher auf traurige Weise ums Leben kam. Derselbe war mit seinem Bruder zusammen bei seinen Verwandten in Weil der Stadt zum Besuch. Als am Montag nach einem Scheibenschießen mit Pistolen Amtsnotar Renner seine Pistole entladen wollte, prallte die Kugel an einem Stein ab und drang dem jungen Nägele in die Stirn. Nach 24stündigem Schmerzens­lager erlag derselbe der Verletzung.

Eßlingen, 4. Aug. Heute abend '/.6 Uhr, Hätte in dem Müller'schen Hause, Kronenstraße Nr. 5 hier, ein nicht unbedeutender Brand ausbrechen können, wenn nicht einige rasch eingreifende Nachbarn denselben im Entstehen erstickt hätten. Zwei 4- und 5jährige Buben der Nachbarschaft gingen in die zur Parterre­wohnung des Georg Machendanz gehörige Küche, eig­neten sich dort einige auf dem Gesimse liegende Zünd­hölzer an und machten in der an die Küche anstoß­enden Kammer (früher Stall) mit den daselbst auf­bewahrten Hobelspähnen ein Feuerle. Nach dem Auf­lodern der Flammen sprangen sie davon, ihre An­gehörigen darauf aufmerksam machend. Die Inhaber der Wohnung waren auf dem Felde abwesend.

Sulz a. N., 6. Aug. Die Durchforschung eines Grabhügels, welche der hiesige Altertums­verein in den letzten Tagen ausgeführt hat, hat zu dem Ergebnis geführt, daß wir hier allem nach das Grab eines höher gestellten Mannes, etwa eines Häuptlings, aus der vorrömischen, keltisch germanischen Zeit vor uns haben. Die Reste seiner Person freilich sind in der 1 m 4065 em unter der Spitze sich durchziehenden Brandschichte verloren. Dagegen fanden sich noch auf der Sohle, 2 m 80 cm tief, Teile seines

4räderigcn Streitwagens oder Prachtwagens und seiner Waffen. Die vordern Räder des Wagens hielten 7075, die Hinteren 80 ein im Durchmesser. Die Reifen waren von Eisen, das an sie angelegt zu denkende hölzerne Rad ist nur noch andeutungsweise erhalten, wie überhaupt alles nur in Bruchstücken herausgebracht werden konnte und insbesondere was von Holz noch da war, beim Berühren meist sogleich zerfiel. Die Speichen waren von Holz, vermutlich Eichenholz, künstlich gedreht, so daß sie in der Mitte stark ausgebaucht sind und auch gegen die Enden hin sich je wieder in schöner Schweifung ausbauchen, um dann in einen runden Kranz auszulaufen. Ihren Hauptschmuck bildet das, daß sie rmgs mit Metall­blech (Bronze) umhüllt waren, dessen Musterung namentlich durch Reihen oder Streifen mit rundköpfigen Metallnägeln ihren Ausdruck bekommen hat. Wie mögen die Räder einst im Sonnenschein geleuchtet haben! Von den Waffen sind wenigstens die Griffe von Dolch und Schwert und Ringe der Ketten, an denen sie hangen mochten, erhalten. Der Kern war auch bei Dolch und Schwert von Eisen, der Griff aber mit Metalldraht (Bronze) umsponnen und an paffender Stelle mit Perlen vesetzt. 12 derselben in 2 Reihen sind Reim Stichblatt auf der einen Seite des Dolchgriffs noch völlig erhalten. Der Hügel liegt mit mehreren anderen in der Hundsrück benannten Abteilung des Glockenturmwaldes, etwa -/» Stunden von hier zwischen dem Sulzer Viehhaus und Dorf Weiden. Auf dem höchsten Kamm des Rückens ge­legen, würde er schönen Ausblick auf die Alb bieten, wenn nicht der Wald alles bedeckte. Er ist so groß, etwas 1820 m im Durchmesser, daß 47 Tannen be­quem auf ihm Platz gefunden haben. Schw. M.

Vom Brenzthal, 4. Aug. Am Samstag starb in Burgberg ein Knabe, 8 Jahre alt, der des Tags über im Walde war, innerhalb 2 Stunden an Anzeichen der Vergiftung. Die gerichtliche Untersuch­

ung bestätigte Tod durch Vergiftung, und wie es heißt, soll der unglückliche Junge infolge des Genusses von Einbeeren (xarls quaärikolia) gestorben sein.

Konstanz, 5. Aug. Der seiner Zeit von dem hiesigen Schwurgericht zum Tode verurteilte Mörder Adolf Ebner von Steinbach wird in den nächsten Tagen im hiesigen Gefängnis hingerichtet werden. Ebner hatte verschiedene Brandstiftungen verübt, wobei in einem Fall eine 90jährige Frau in den Flammen umkam. Neben einer Reihe sonstiger gemeiner Ver­brechen, die ihn zum Schrecken der ganzen Umgegend machten, hat er im Oktober 1888 vor ihrem Hochzeits­tage seine Schwägerin erdrosselt, und sie an der Thür­klinge aufgehängt, um sich in den Besitz ihres Ver­mögens zu setzen. Gestern abend nun langte die Guillotine von Bruchsal hier an, um heute hier im Gefängnis aufgestellt zu werden. Der Mörder, der bis dahin hartnäckig jede Schuld leugnete, hat ange­sichts der ihm gewordenen Eröffnung ein reumütiges Geständnis abgelegt.

Erfurt, 4. Aug. Am Freitag abend kam es hier, derSaale-Ztg." zufolge, auf der Schmidt- stetterstraße zu einem ernsten Zusammenstoß zwischen Zivil, Polizei und Militär. Ein polnischer Arbeiter behauptete, in einem Laden ein Fünfzig-Pfennigstück auf den Tisch gelegt zu haben, während die Ver­käuferin auf ein Zehnpfennigstück herausgab. Darüber wurde der Mann wütend und hetzte auf der Straße stehende Leute gegen den betreffenden Ladeninhaber auf. Die sich ansammelnden Menschen ergriffen zu­meist Partei für den Krakehler. Als ein Polizei­sergeant einschritt, sielen etwa sechs Burschen über diesen her und mißhandelten ihn brutal. Es sammelten sich darauf wohl gegen 500 Menschen an; merkwürdiger­weise nahm die Menge zum Teil ebenfalls gegen den

» Nachdruck »rrbotrn.

Aüvstin Wcrr-crnow.

Novelle von Reinhold Ortmann.

Zum letzten Mal blickte das junge, schöne Weib mit einem kleinen, rasch vor­übergehenden Lächeln der Befriedigung in den hohen Spiegel des Ankleidezimmers.

Sie durfte in der Thal Genugthuung empfinden über das herrliche Bild, welches ihr da entgegen leuchtete. Tadellos war die hohe und trotz der Ueppigkeit ihrer Formen noch immer schlanke Gestalt, deren schimmernde Schultern und Arme elfenbeinweiß aus einer Gesellschaftsrobe von kostbarstem Stoffe hervorleuchteten, tadellos waren auch die Linien des feinen Köpfchens mit dem zierlichen, schwellenden Munde und den dunklen, leuchtenden Augen, die wundersam mit dem aschblonden Haar contrastierten. Und wie wenig hatte sie zu thun brauchen, um ihre eigen­artige Schönheit zu so triumphierender Wirkung zu bringen! Daß die roten Lippen vielleicht ein wenig höher gefärbt, die blonden Haare um eine Schattierung Heller gepudert warm, und daß eine geschickte Hand den Glanz der herrlichen Augen durch einen feinen dunklen Pinselstrich noch um ein Geringes erhöht hatte, wer hätte ihr daraus einen Vorwurf machen wollen, wer hätte diese harmlosen kleinen Künste mn Emst eine Täuschung nennen können!

Durchlauchtsehen bezaubemd aus!" flüsterte die Zofe mit beinahe schwärmerischem Llugenaufschlag, während sie ihrer Herrin vorsichtig den pelzverbrämten Atlasmantel um die Schultern legte. Und die Fürstin Baranow dankte ihr mit einem ,-,eund- ckichen Blick und mit einem leichten Neigen des Hauptes.

Erwartet mich der Herr Baron in meinem Boudoir?" fragte sie.

Nein, Durchlaucht! Er zog es vor, im kleinen Salon zu verweilen!"

Gut! Und der Wagen ist vorgefahren?"

Jawohl, Durchlaucht! Seit einer halben Stunde!"

So sind Sie für jetzt entlassen! Sagen Sie dem Baron, daß ich sogleich erscheinen würde!"

Als das Mädchen daS Zimmer verlassen hatte, that die Fürstin einige rasche Schritte durch dasselbe. Eine Unruhe, welche sie bis dahin mühsam bekämpft zu haben schien, zeigte sich an ihren Bewegungen und auf ihrem Gesicht. Aus einem Kästchen des Toilettentisches, das zur Aufnahme von Parfümerien bestimmt war entnahm sie einen arg zerknitterten Brief. Er war auf einen ganz schmucklosen Bogen von grobem, weißen Papier geschrieben, zeigte keine Anrede und war nur wenig« Zeilen lang. Diese Zeilen aber lauteten:

Nur der dringende Wunsch Deiner armen Mutter bestimmt mich, Dir zu schreiben. Sie ist seit mehreren Wochen krank, schwerkrank, und wir haben vielleicht das Schlimmste zu fürchten. Zu all ihren Schmerzen und Leiden quält sie nun noch die Sehnsucht nach ihrem undankbaren Kinde, und ich bin nicht stark genug, ihr eine Bitte zu versagen, die aller menschlichen Voraussicht nach ihre letzte sein wird. Aber es ist keine Zeit zu verlieren, und wenn Du kommen willst, so komme noch heute. Sei versichert, daß Du keine Vorwürfe zu fürchten hast, und daß Keiner daran denkt, Deine vornehmen Kreise zu stören.

Dein Vater."

Die schönste Fürstin laS den Brief noch einmal, oder sie starrte doch wenig­stens Minuten lang auf die unsicheren Schriftzüge. Ihr Atem ging schneller und ihre Lippen bebten leise. Es wurde ihr sichtlich nicht leicht, einen Entschluß zu fasten. Dann aber warf sie den Kopf zurück und an ihren Mundwinkeln erschien rin bei­nahe harter Zug.

Es ist ja unmöglich," murmelte sie,es würde mich unrettbar kompromittieren« Und morgen ist am Ende doch auch noch Zeit genug."

Dir rauschende Schleppe nach sich ziehend, ging sie in ihr Boudoir, in welchem rin offenes Kaminfeuer brannte. Sie riß den Brief in Nein« Stücke und warf die Fetzen in die Flammen, in denen sie in einigen Stunden verzehrt worden waren. Dcmn hob rin Ltrmzug drr Erleichterung ihre Brust. E» war, als ob mit dem