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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk <Lalw.
66. Jahrgang
Erscheint Dien S t a g , Donnerstag und SamStag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Psg. die Heile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, den 6. August 1891.
AbonnementSpreir vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. IS, sonst in ganz Württemberg Mk. 1. SS.
Tages-Ueuigkeiten.
Wildbad, 3. Aug. Das vom k. Bade- ckommissariat bestellte Feuerwerk mit Enzprome- nadenbeleuchtung hat gestern abend bei ausnahmsweise günstiger Witterung unter großem Zuzug von Auswärtigen und lebhaftiger Beteiligung unserer Bade- rvelt stattgefunden. Diese neueste Veranstaltung hat alle vorgängigen der Art an Reichhaltigkeit übertroffen. Schon am Eingänge der k. Anlagen überraschten die zahlreich unter den Farrenkräutern verteilten Topflichter und die bunten Reihen der Papierlampions. "Ganz neu und gelungen war die Beleuchtung der Felspavillons am oberen Ende der Anlagen, sowie die Lampenguirlanden an beiden Ufern der Enz. Die Firma W. Fischer von Kleebronn hat sich auch Heuer wieder als sehr leistungsfähig erwiesen und die große Menge der Zuschauer konnte sich nicht enthalten, wiederholt dem prächtigen Spiele der Feuerräder, der interessanten Feuerschlange, der wagrecht über der Enz hin- und herschießenden Sternschnuppen, den feurigen Blumen und den Initialen II. MM. unter einer Lichtkrone inmitten eines Kreuzfeuers von Leuchtkugeln lebhaften Beifall zu zollen.
Leonberg, 3. Aug. Heute Nacht brannte in Weil der Stadt ein Wohnhaus mit 2 Scheuern ab. Die Entstehungsursache ist unbekannt.
Stuttgart. Die Ausrüstung der Lokomotiven, und Wagen der württembergischen Staatseisenbahnen mit der Luftdruckbremse, System Westing- house, ist soweit vorgeschritten, daß zur Zeit, mit Ausnahme einiger, nur an gewissen Tagen laufenden Zügen und mit Ausnahme der Züge auf den nach 'der Bahnordnung für Bahnen untergeordneter Bedeutung betriebenen Linien, bei sämtlichen fahrplan
mäßigen Schnell-, Personen- und Lokalzügen diese Bremse angewendet wird. Staatsanz.
Stuttgart, 3. Aug. Am Samstag wurde ein 18 Jahre altes Mädchen wegen Kindsmords festgenommen. Die Kindsleiche wurde gestern in der Nähe von Berg im Gebüsch gefunden, wo sie vergraben war. Die Festgenommene hat die That nach anfänglichem Leugnen zugestanden. Die Mutter des Mädchens wurde wegen Verdachts der Beihilfe ebenfalls festgenommen. — Heute früh wurde in einem Hause der Böblingerstraße in der Karlsvorstadt Heslach ein verheirateter Mann erhängt gefunden. — In letzter Nacht ist ein Radfahrer in der Cannstatter- straße verunglückt. Er wurde im Straßengraben mit gebrochener Achsel durch eine Schutzmanns-Patrouille gefunden, die ihn zunächst einem Arzt zuführte, welcher einen Notverband anlegte. Hierauf wurde der Verletzte mittels des städtischen Sanitäts-Krankenwagens ins Katharinen-Hospital verbracht. — In letzter Zeit wurden im Schwimmbad den Badgästen mehrfach Uhren und Portemonnaies gestohlen. Am letzten Samstag abend wurde ein junger Mann aus Feuerbach festgenommen, der eine dieser gestohlenen Uhren in einem Pfandhaus veräußern wollte.
Stuttgart, 4. Aug. Gestern vormittag ereigneten sich drei Unglücksfälle bei Bauarbeiten. In Berg fiel beim Aufschlagen eines Gerüstes in einer Gießerei ein Zimmermann 8 Meter hoch herunter und erlitt anscheinend schwere innerliche Verletzungen. An einem Neubau in der Furthbachstr. fiel ein Arbeiter vom 5. Stock in den Soutterrain hinunter, wo er den rechten Oberschenkel und den linken Arm brach. Am Schulhausbau in Gablenberg fiel ein Arbeiter herunter und brach den linken Fuß.
Endersbach, 3. Aug. In einem Nachbar-
Ort wollte kürzlich ein Weingärtner eine Erfindung machen, welche aber ganz schlecht gelungen sein soll. Derselbe hatte nemlich ein Schwein, welches krank wurde. Nun dachte er sich, die Weinberge, Kartoffeln, Hopfen rc. die krank sind, die spritzt man mit Kupfervitriol und Kalk, warum sollte man es nicht auch bei den Schweinen thun, wenns doch sonst überall hilft. Gedacht gethan, holte er sich seine Weinbergspritze und spritzte das Schwein mit einer ordentlichen Ladung, so daß es sich krümmte und bäumte. Ueber die Folgen scheint er nicht sehr erbaut zu sein.
Freuden st adt, 2. Aug. Am letzten Freitag mittag brannte in dem 3 Kilometer von hier entfernten Lauterbad ein Wohnhaus nieder. Die Feuerwehr von hier und von Rodt verhinderte weiteres Umsichgreifen des Feuers. Verdacht der Brandstiftung liegt vor. — In letzter Woche wurde hier eine italienische Nacht mit Musik zu Ehren der Luftkurgäste auf dem Marktplatz veranstaltet. Feuerwerk und Beleuchtung der benachbarten Häuser boten einen sehr schönen Anblick. Die hiesige Musikkapelle leistet bei den abendlichen Reunionen recht Anerkennenswertes ; sie ist jüngst durch auswärtige Kräfte verstärkt worden. Heute giebt der Reutlinger Liederkranz im Hotel Waldeck hier ein Konzert. In den Wäldern ist durch Anlegung neuer Wege und durch Aufstellung neuer Sitzbänke an lauschigen Plätzen in letzter Zeit wieder viel geschehen.
Kirchheim u. T., 2. Aug. Heute ist es ein Jahr, daß ein verheerendes Hagelwetter, es war Samstag Abend, über unsere Gegend zog. Am gestrigen Samstag um 3 Uhr nachm, zogen im Westen schwere Gewitterwolken auf, welche Schlimmes be-
Nachdruck verboten.
Das Erbe von Nauheneck.
Novelle von Iranz Augen.
(Fortsetzung.)
Richard hatte Armgard versprochen, ihr gleich nach seiner Ankunft in Melbourne zu schreiben, und wirklich erhielt sie auch pünktlich den sehnlich erwarteten -Brief, der in einem heitern und hoffnungsvollen Ton geschrieben war, von seiner glücklichen und angenehmen Ueberfahrt erzählte und den großartigen Eindruck schilderte, den die australische Metropole auf ihn gemacht, wo er in einem anständigen Gasthof zu mäßigen Preisen ein gutes Unterkommen gefunden. Am nächsten Tage werde er seine Nachforschungen beginnen und sobald dieselben ein günstiges Resultat gehabt, werde er es ihr mitteilen, doch könne darüber vielleicht eine längere Zeit vergehen, da er entschlossen sei, nötigenfalls irt den Golddistrikt zu gehen, um genaue Nachrichten über seinen Bruder zu erhalten. Armgard war sehr erfreut zu hören, daß Richard glücklich das Ziel seiner Reise erreicht und mit froher Zuversicht an die Aufgabe ging, die zu lösen er sich vorgenommen hatte. Sie las den Brief so oft, daß die Tante sie neckend fragte, ob sie ihn denn immer noch nicht auswendig könne; und wollte ihr das Herz bei dem Gedanken verzagen, den Geliebten in so weiter Ferne und mit der Ausführung eines in diesem wenig zivilisierten Lande mit Gefahren verknüpften Vorhabens beschäftigt zu wissen, dann gab ihr ein Blick auf die teuren Schristzüge wieder Mut und Hoffnung. Es lag aber überhaupt ein beständiger, leiser Druck auf ihrer Stimmung, denn wie liebevoll und mütterlich sich Frau von Waldner auch gegen sie zeigte, so konnte sie es doch nicht vergessen, daß sie aus dem Vaterhaus gestoßen und auf die Güte einer ihr bis dahin ganz fremden Frau angewiesen war. Wenn sie durch die gefrorenen Fensterscheiben — es war inzwischen längst Winter geworden — auf die enge Straße der kleinen Stadt herab blickte !wo die hohen Häuser Sonne und Lust ausschloffen, dachte sie mit tiefem Heimweh an Rauheneck. Wie oft war sie an solch Hellem Wintertag durch den Park gewandelt.
wenn auf den weiten GraSflächen der Schnee, wie mit tausend Brillanten bestreut, funkelte, und jeder Ast und Zweig der hohen Bäame mit weißem Reif überzogen war! Dann pflegte sie aus Epheublättern und grünen Tannenzweigen einen Kranz für das Grab der Mutter zu flechten und nach dem Mausoleum zu tragen. Wer wird jetzt wohl die Ruhestätte der geliebten Toten schmücken? fragte sie sich voll Wehmut, und in solchen Momenten hatte sie Mühe, die Thränen zurückzudrängen, welche diese Erinnerungen in ihr Auge lockten. Was ihr aber das Herz noch mehr bedrückte war, daß sie seit jenem ersten Brief noch keine weitere Nachricht von Richard empfangen, obwohl bereits Wochen darüber hingegangen; und dies lange Schweigen beunruhigte sie von Tag zu Tag mehr. Die Tante suchte sie zwar damit zu trösten, daß er ja selbst gesagt, er werde nicht eher schreiben, bis er ein günstiges Resultat zu melden habe, aber im Stillen machte auch sie sich ernste Sorgen um den Neffen. Jeden Morgen stand Armgard mit der Hoffnung aus, heute werde ein Brief kommen, und jedesmal, wenn der aste Briefträger, der täglich an ihrem Hause vorüberkam mit einem bedauernden Achselzucken nach dem Fenster hinaufnickte, hinter dem immer ihr fragendes Gesicht erschien, ging es ihr wie ein Stich durch das Herz. Ihre erfinderische Phantasie maste sich zu ihrer eignen Pein dann alle möglichen Schreckbilder aus. Bald dachte sie sich Richard krank, in dem fremden Lande schlecht und mangelhaft versorgt und gepflegt, bald sah sie ihn auf seiner Reise nach den Goldfeldern. durch einen räuberischen Ueberfall verwundet, sterbend am Wege liegen. Die Qual der Ungewißheit und der beständig getäuschten Erwartung wurde endlich so groß, daß ihre Gesundheit darunter litt und Frau von Waldner mit Sorge ihre immer bleicher und schmäler werdenden Wangen und matten Augen bemerkte. Da hielt ihr eines Morgens der Briefbote, als sie wieder angstvoll nach ihm spähte, lächelnd einen Brief entgegen, und im nächsten Augenblick hielt sie das heißersehnte Schreiben, dessen Adresse wirklich Richards Schristzüge trug, in der Hand. Sie traute kaum ihren Augen, als sie auf dem Kouvert den Poststempel Liverpool erkannte, und kaum hatte sie die ersten Zeilen gelesen, als ein lauter Freudenschrei ihren Lippen entfuhr und die Tante aus dem Nebenzimmer herbeilockte. Mit fliegender Hast las sie nun dieser den Inhalt des Briefes vor. »Gestern, meine teure Armgard," schrieb Richard, »bin ich in Liverpool gelandet und bin glücklich, dir sagen zu können.