M 91 . Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Jahrgang.

Erscheint Di en s t a g , Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pfg. die Heile, sonst 12 Plg.

Dienstag, den 4. August 1891.

AbonnementSpretS vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und 30 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen ML. 1. ib, sonst in ganz Württemberg Mk. 1. SS.

Tages-Ueuigkeiten.

»Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Seine Königliche Majestät haben allergnädigst geruht, am 8. ds. Mts. dis erledigte evangelische Pfarrei Mundingen, Dekanats Münsingen, dem Pfarrverweser Heinrich Mayer in Gechingen, Dekanats Calw, zu übertragen.

Das K. Ministerium der auswärtigen An­gelegenheiten, Abteilung für die Verkehrsanstalten, hat am 28. Juli ds. Js. den Bahnmeister Remppis I in Horb nach Calw seinem Ansuchen entsprechend versetzt.

Seine Majestät der König haben am 30. .Juli ds. Js. allergnädigst geruht, den Eisen­bahnpraktikanten I. Klasse Ammer müller in Calw zum Eisenbahnassistenten in Reutlingen, Rau bei der Generaldirektion der Staatseisenbahnen zum Eisen­bahnassistenten in Calw zu befördern.

Altburg, 3. August. Gestern wurde der "hiesigen Gemeinde der seltene Genuß eines Kirchen­konzerts zu teil. Der Kirchenchor von Niefern bei Pforzheim hatte nämlich 42 Stimmen stark, einen Ausflug gemacht und bereitete der Heimatgemeinde eines ihrer Mitglieder den Genuß, abwechselnd mit Schriftverlesung in gemischten mit großer Pünktlich­keit und Reinheit ohne irgend eine Begleitung ge­sungenen Chören das Leben des Profeten Elia vor­zuführen. Es gereicht allen in der gedrängt vollen Kirche Anwesenden zu großer Freude und insbesondere unserem noch jungen Gesangverein zur Aufmunterung, zu hören, was ein ländlicher Verein, meist aus ein­fachen Arbeitern bestehend, erreichen kann. Nach dem Gottesdienst war noch ein gemütliches Zusammensein mit Vortrag von weltlichen Gesängen beider Vereine,..

ch In Ostelsheim brannte in der Nacht zum Donnerstag eine Scheuer des Mühlebesitzers Joh. Münsinger auf den Grund nieder. Weitere Gefahr wurde durch die dortige Feuerwehr abgewendet. Als Entstehungsursache wird Brandstiftung ange­nommen.

Stuttgart, 31. Juli. Auf dem Fangels­bachfriedhof wurde heute die Leiche des so unerwartet schnell aus dem Leben gerufenen Augustin Fohmann, Professors an der kgl. Baugewerkschule beerdigt. Unter den Leidtragenden befanden sich Präsident v. Fischer, der Vorstand der Baugewerkschule Hofbau­direktor v. Egle mit sämtlichen Lehrern und Schülern der Anstalt, die Mitglieder der Bauhütte, frühere Schüler und viele sonstige Freunde. Die Leichen­rede hielt Kaplan Ströbele. Nach derselben legten Kränze nieder Hofbau-Direktor v. Egle für die Bau­gewerkschule und ein Schüler für den Einjährig-frei- willigen Kurs. Der Entschlafene war 17 Jahre in Tettnang als Reallehrer und 19 Jahre hier als Pro­fessor an der kgl. Baugewerkschule thätig.

Ludwigsburg, 30. Juli. Vom Artillerie­schießplatz bei Darmstadt wird derLudw. Ztg." be­richtet, daß bei der Uebung des Feldartillerie-Regiments N?. 29 ein Unteroffizier der Reserve, früher Einjährig- Freiwilliger, ein Sohn der hochgeachteten Familie W. in Ludwigsburg, verunglückte. Wie es heißt, scheute das Pferd beim Hindernisreiten nnd warf den Reiter so unglücklich ab, daß er mit der linken Körperseite auf eine brechende Stange des Hindernisses aufschlug, wobei ihm eine Spitze derselben etwa 15 em tief in den Körper eindrang. Die von dem Unglück tele­graphisch benachrichtigten Eltern begaben sich noch an demselben Tage an das Schmerzenslager ihres im Garnisonlazaret in Darmstadt untergebrachten Sohnes. -Der Zustand des jungen Mannes sei besorgniserregend.

(Nach derNeck.-Ztg." ist der Verunglückte ein Sohn des Blech- und Drahtwarenfabrikanten Friedrich Wagner.)

Ulm, 29. Juli. Württemb. Fleischerverbands­tag. Die Fachausstellung für Fleischerei nimmt eine ganze außerordentliche Ausdehnnng an; der Raum der Turnhalle reicht nicht mehr aus und muß noch ein 100 gm großer Schuppen erstellt werden, dem wahrscheinlich noch ein weiterer angefügt wird. Die Ausstellung wird demnach sehr vieles Interessante bieten. 6 Gas-, 2 Petroleum- und Benzin-Motoren werden Fleischwiege- und Schneidemaschinen verschie­dener Systeme in Betrieb setzen. Des weiteren wirv eine große Sammelausstellung von einem berühmten Hause in Heilbronn gebracht mit allen möglichen Ar­tikeln für Fleischerei: Maschinen, Ladeneinrichtungen Wand- und Schaufensterbekleidungen von Marmor, Wurstfüllmaschinen, optische Gegenstände, Mikroskope, große und kleine Waagen, Speckschneidemaschienen, Ladenboden aus Mosaikmarmorplättchen, Ladentisch­platten, Eisschränke, Vieh- und Fleischtransportwagen, künstliche Därme aus Pergamentpapier, Pack- und Einwickel-Papiere, Konservesalze und Präparate, Ge­brauchsgegenstände aus Blech, email. Gußwaaren, zu­sammengesetzte Fleischblöcke, Schmalzpressen, trans­portable Kessel, große Sammlungen von Fleischer­stählen und Messern von den feinsten bis zu den ge­wöhnlichsten, Gewürzmühlen und noch viele andere Gegenstände ausgestellt. Die Halle wird hübsch de­koriert werden und ein schönes Gesamtbild darstellen. Mit der Ausstellung ist eine Wirtschaft über die Dauer derselben verbunden und wird daselbst auch Konzert stattfinden. Ein sehr schön ausgestatteter Katalog wird herausgegeben, derselbe stellt auf der Vorderseite des Umschlags das Ulmer Münster, sowie die Totalansicht von Ulm dar; die Rückseite zeigt den

Nachdruck vrrboten.

Das Erbe von Nsuheneck.

Novelle von Kranz Engen.

(Fortsetzung.)

Es ist menschlich und natürlich, daß Sie in dem Manne, dessen Erscheinen so schwere Konflikte für Sie und Ihre Braut herbeigeführt, einen Betrüger sehen möchten, aber da Ihr Onkel anderer Meinung ist, so bleibt Ihnen nichts übrig, als sich darein zu fügen, es ist in dieser Sache absolut nichts zu thun."

O mein Gott," sagte Armgard, die seither still weinend an Richards Schulter sich gelehnt,was soll aus mir werden, da mein Vater mich aus, seinem Hause stößt!..."

In welchem du auch keine Stunde länger bleiben sollst!" sagte Richard rasch.

Aber wohin soll ich gehen?" fragte Armgard zagend.

Ich bringe dich zu einer verwitweten Schwester meiner Mutter," versetzte Richard.

Aber wird diese mir fremde Frau mich auch gern aufnehmen?"

Dessen kannst du gewiß sein. Diese Tante war mir stets eine zweite Mutter, sie hat längst gewünscht, meine Braut kennen zu lernen und wird dich mit offenen Armen empfangen."

Es wird am besten sein, wenn Sie den Vorschlag ihres Verlobten annehmen," mischte sich jetzt der Doktor, der seit Jahren nicht nur der Arzt, sondern auch der Freund der Familie war, in das Gespräch,denn bei der Gemütsstimmung Ihres Vaters ist, wenn Sie sich seinem Willen nicht fügen, vorerst Ihres Bleibens in diesem Hause nicht mehr."

Sie habm recht," sagte sie tonlos,ich muß fort von hier und das sogleich.

Ich will hinauf in mein Zimmer gehen und die nötigsten Sachen zusammenpacken bitte benachrichtigen Sie unterdes den Kutscher, daß er sogleich anspannt." '

Zehn Minuten später kam Armgard, eine kleine Reisetasche in der Hand tragend, die Treppe wieder herunter, an deren Fuß sie mit Ferdinand zusammentraf.

Um Gotteswillen, teure Kousine," sagte er. erschreckt auf die Reisetasche, deutend,ich hoffe doch nicht, daß Sie die im Affekt gesprochenen Worte Ihres Vater so ernst genommen, daß Sie darauf wirklich dies Haus verlassen wollen? Ich

wäre untröstlich, wenn mein Erscheinen hier den Anlaß zu." Aus den sonst so

sanften, braunen Augen Armgards traf ihn bei diesen Worten solch' ein Blick des Haffes und der Verachtung, daß er davor verstummte und hastig in der nächsten Thür verschwand. Gleichzeitig traten Richard und der Arzt auf den Korridor her­aus, und nachdem der letztere herzlichen Abschied von Armgard genommen, hob sie ihr Verlobter, dem hier der Boden unter den Füßen brannte, in den eben ange­fahrenen Wagen. Bleich und tief erschüttert lehnte Armgard schweigend in dem rasch dahin rollenden Wagen, aber als sie die nächste Anhöhe erreicht hatten, von der aus man Rauheneck überschauen konnte, bog sie sich hinaus, um noch einen langen, schmerzlichen Abschiedsblick auf die geliebte Heimat zu werfen. Vom hellsten Sonnenglanz bestrahlt ragte das Schloß mit seinen grauen Mauern, seinen blinkenden Fensterreihen und seinem mit Epheu umsponnenen alten Turm aus hohen Baum­gruppen hervor; weiterhin am Ende des Parks schimmerte zwischen dunkeln Tannen das weiße Marmorkreuz, welches die Familiengruft schmückte, in der auch Armgards Mutter ruhte; dahinter dehnte sich ein stolzer Buchenwald, von gelbschimmernden Feldern blumigen Wiesm begrenzt, und alles, so weit das Auge reichte, war Rauheneck'scher Besitz. Armgard bog den Kopf zur Seite, um Richard die Thränen zu verbergen, die sich heiß in ihre Augen drängten, sie wollte ihm nicht zeigen, wie schwer ihr der Abschied von der Heimat wurde. Aber er erriet ihre Empfindungen, und sie sanft an sich ziehend, sagte er:Du opferst mir viel, Armgard!"