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Ehningen ging es dann wieder zurück in die Stadt, wo nach eingenommenem Vesper in der Krone vom Bahnhof die Abfahrt nach Hause erfolgte. Zur herrschenden heiteren Stimmung trug namentlich auch der Umstand bei, daß die verehrten Prinzipale die Koste» der Fahrt und volle Verpflegung den ganzen Tag über übernommen hatten, und sei ihnen der Dank und die Anerkennung sämtlicher Beteiligten hiefür ausgesprochen. Dieser Tag wird ihnen noch lange in dankbarer Erinnerung bleiben.
* Calw, 29. Juli. Infolge einer jüngst vom hies. Gewerbeverein in Circulation gesetzten Aufmunterung zum Besuch der Elektr. Ausstellung in Frankfurt a. M., haben sich ca. 35 Mitglieder zur Teilnahme unterzeichnet. Wie wir heute vernehmen, hat der Ausschuß in seiner gestrigen Abendsitzung beschlossen, die gemeinsame Fahrt am 33. August anzutreten und yofft man bis zu diesem Tage noch auf weitere Anmeldungen. Die Teilnehmer genießen aus der Vereinskasse, sofern die Gesamtkosten ^ 300. — nicht überschreiten, freie Fahrt nach Frankfurt und retour. Auch Nichtmitglieder können sich anschließen; die ermächtigte Fahrtaxe beträgt dann hin und zurück nur 6.50. — In der Ausstellung selbst wird dem Verein ein fachkundiger Führer beigegeben. Nichtmitglieder müßten sich innerhalb 3 Tagen bei dem Vorstand des Handels- und Gewerbevereins (Handelsschuldirektor Spöhrer) anmelden.
Neuenbürg, 28. Juli. Hr. Commerell, Fabrikbesitzer in Höfen, Mitgl. der Handels- und Gew.-Kammer Calw und Mitgl. des Beirats der Verkehrsanstalten, hat die Kandidatur zum Landtag angenommen. Schw. M.
— Der Stuttgarter Liederkranz, hat, 126 Mann stark, am Sonntag früh mit dem von der Eisenbahnverwaltung veranstalteten Sonderzug seine Sängerreise nach Berlin angetreten. Viele Angehörige und Freunde der Sänger hatten sich auf dem Bahnhof eingefunden und der Chor ließ es nicht an Abschiedsliedern fehlen.
Bereits eingetroffene Nachrichten von Berlin berichten über dessen erstes Concert einen Riesenerfolg. Der Saal war überfüllt. Wiederholt wurde stürmischer Beifall gespendet und die Sänger mußten öfters äs. eaxc» singen. Die Kapelle wurde ebenfalls durch jubelnden Beifall ausgezeichnet. Nach dem Konzert fand ein Bankett mit den Berliner Vereinen statt, wobei dem Liederkranz viel Worte höchster Anerkennung zu teil wurden. Ein Vertreter der Stadt begrüßte den Liederkranz offiziell. Einen Sturm von Beifall erregte Steidles Toast auf das Vaterland. Staatsanz.
Ludwigsburg, 26. Juli. Die in der Nacht vom Freitag auf Samstag aus dem hiesigen Zuchthaus entsprungenen drei Sträflinge, sämtlich Schlosser, heißen Jakob Krumm aus Reutlingen, Wilhelm Geiger von Heilbronn und Paul Gütz aus Pftschkoma, Bezirks Breslau. Sowohl die Zuchthaus-Aufseher als die militärische Wache scheint keine Schuld zu treffen, da die Sträflinge von der Waschküche durch die Gärten sich flüchteten. Gleich nach dem Entweichen der Gefangenen machte der Obmann des betreffenden
Schlafsaales, selbst Sträfling, Lärm, und noch in der Nacht wurde auf die nur notdürftig Bekleideten energisch gefahndet. In dem Bette des Geigers fand man ein spitziges Messer, obwohl im ganzen Zuchthause nur abgerundete im Gebrauch sind. Das komplottmäßige Ausbrechen legt den Gedanken nahe, ob nicht von der aus Humanitären Rücksichten gebilligten Art des freien Verkehrs der Gefangenen untereinander während ihrer Freizeit zurückgekehrt werden sollte, zu der alten Form, einige Schritte Abstand unter denselben nehmen zu lassen. Das Publikum hat ein Recht darauf, geschützt zu werden vor ausbrechenden Sträflingen, die kein Mittel zur Erreichung ihres Zieles unversucht lassen.
Waiblingen, 35. Juli. Am heutigen Tage waren es 25 Jahre, daß Oberamtmann Regierungsrat Thym, seit 7 Jahren im hiesigen Bezirk, das Amt eines Oberamtmanns (früher in Calw und Göppingen) bekleidet. Da der Jubilar allen seiner Person geltenden Ovationen abhold ist, so mußten die Ortsvorsteher des Bezirks von der-beabsichtigten Veranstaltung einer öffentlichen Feier abstehen und haben daher die Mitglieder des Amtsversammlungsausschufses mit der Beglückwünschung beauftragt. In der Wohnung des Gefeierten brachte Stadtschultheiß Etzel die dankbaren Gefühle der Ortsvorsteher und des ganzen Bezirks mit dem Wunsche zum Ausdruck, es möchte dem Jubilar vergönnt sein, noch lange zum Heil und Segen des Bezirks zu wirken. Erfreut und gerührt dankte der Jubilar.
Rottenburg, 27. Juli. Heute nacht kurz vor 12 Uhr wurde abermals das Feuersignal für die Stadt gegeben. Der Holzschuppen, welcher zur Bierbrauerei „zum Klösterle" gehört und mit Holzvorräten, Fässern u. s. w. gefüllt war, stand in Flammen. Bei der Nähe des Neckars gelang es der Feuerwehr, welche rasch bei der Hand war, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Außer dem Schuppen litten nur das Bräuhaus der Witwe Hellstern und das Wohnhaus der Gärtner Rädels Witwe Not. Der Gebäudeschaden mag 1000 der Mobiliarschaden 2000 ^ betragen. Die Beschädigten sind versichert. Als Entstehungsursache ist nur Brandlegung denkvar. Die Untersuchung ist im Gang.
Weingarten, 26. Juli. Durch das werte Geschenk einer patriotischen Bürgerin gelangte unser Rathaus in den Besitz von ein paar schätzenswerten geschichtlichen Bildern. Im Hause des vor Dezennien verstorbenen Oberaccisers Schwarz von hier befanden sich die in Oel gemalten gut getroffenen, in schönen Goldrahmen gefaßten Bildnisse des mit ihm verwandten und befreundeten Bürgermeisters Dr. Schafheitlin und dessen geschichtlich bekannter Gemahlin. Die einzige bejahrte Erbin übergab diese Bilder auf Ersuchen des Stadtschultheißen dieser Tage als Geschenk dem Gemeinderat, welcher damit eine Wand des Ratssaales schmückte. — Dr. Schafheitlin wurde vom Kaiser Joseph II. von Oesterreich 1789 zum Bürgermeister vom damaligen Flecken Altdorf ernannt. Im Kriegsjahr 1796 hatte Altdorf und die Umgegend viel von
den Franzosen zu leiden. Dr. Schafheitlin wurde bei der Belagerung von Aktdorf von seiner Gemeinde abgeschnitten und konnte einige Tage nicht mehr heimkehren. In seiner Abwesenheit stellte sich nun die Frau Bürgermeisterin in jener grenzenlosen Verwirrung ans Ruder und ergriff die herrenlosen Zügel der Regierung. Sie berief die Ratsherren, sowie die Offizianten und Diener zu sich und erteilte ihnen die- nötigen Weisungen. Dieser Versammlung, sagt das darüber berichtende Aktenstück, stand sie vom 1. bis 5. Oktober „mit männlichem Starkmut, weiblicher Gelassenheit, beispielloser Entschlossenheit und solchem Anstande vor, daß durch sie die Wildheit des Feindes nicht allein gemindert, sondern in eine den Franzosen vormals ganz eigene Artigkeit umgewandelt wurde." Unsere Heldin war der französischen Sprache vollkommen Meister, deshalb vermochte sie bei den französischen Offizieren viel auszurichten; ja sogar die gemeinen Soldaten ließen sich von ihr leiten. Unter ihrem Bilde ist mit großen Lettern geschrieben: „Ihr ist vie Verhütung der Zerstörung des Fleckens Altdorf nach dem Plan der Franzosen unter General Moreau 30. September bis 5. Oktober 1796 zu verdanken."
Tegernsee, 28. Juli. Gestern abends halb 9 Uhr ertranken durch Umkippen des Kahns Hofphotograph Reitmayer von Tegernsee, sowie die Schuhplattler Obermayer und Schmidt; Gastwirt Terofal von München wurde gerettet. Münch. N. Nachr.
Bremen, 27. Juli. Ueber die bereits gemeldete Expedition nach Spitzbergen mit dem Dampfer „Amely" wird von zuständiger Seite mit-- geteilt: Die vom Kommerzienrat Stänglin (Stuttgart) ausgerüstete Expedition nach Spitzbergen ist heute vormittag an Bord des neu erbauten Fischereidampfers „Amely" in Begleitung des Capitain Bade in See gegangen. Die auf 6 bis 7 Wochen berechnete Reise hat das genauere Studium der Geologie Spitzbergens sowie die nähere Untersuchung der Fischereiverhältnisse der nordischen Gewässer zur Aufgabe. Die bekannte Rheeder- und Hochseefischereisirma Droste, Gehrels und Comp, hat den Dampfer für die speciellen Zwecke der Expedition mit besonderer Sorgfalt eingerichtet.
Leipzig, 25. Juli. In einer gestern abend abgehaltenen allgemeinen Studenten-Versammlung erstattete oanä. für. Rogge Bericht über das Ergebnis der Sammlungen für den Ehrenhumpen. Danach sind unter den Studierenden der Leipziger Hochschule nahe an 1000 beigesteuert worden, es folgen dann die Universität Tübingen mit 700 das Polytechnikum zu Dresden und die Forstakademie zu Tharandt. Nur zwei Hochschulen, die zu Rostock und Göttingen, haben überhaupt nicht zu den Sammlungen beigesteuert. Die Thatsache ist, soweit Göttingen in Betracht kommt, um so verwunderlicher, als Fürst Bismarck ein alter Göttinger Corpsstudent ist. Der Ehrenhumpen wird von dem Juwelier Lind in Berlin ausgeführt.
Berlin, 28. Juli. Der „Reichs-und Staatsanzeiger" meldet aus Maalsnaes: Der Kaiser
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Auf demselben Wege, auf dem er vor einer halben Stunde gekommen, ging er nach der Bahnstation zurück, aber mit viel leichterem Herzen als zuvor, denn hatte auch die Unterredung mit seinem Onkel seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, so wußte er doch nun, daß er fest auf Armgards Treue baue» konnte. Er hoffte auch, ihr Vater werde, sobald er sich nur erst überzeugt hatte, daß sie sich durch keine Drohung von ihrem Verlobten trennen ließ, doch endlich ihrer Verbindung mit ihm seine Zustimmung geben, mochte er dann auch dem Manne, in welchem seinen Bruder zu sehen, Richard sich noch immer nicht entschließen konnte, das Erbe von Rauhencck zuwenden, er wollte gern darauf verzichten, wenn ihm nur der Besitz Armgards blieb . . .
Armgard hielt ihr Versprechen; fast täglich erhielt er Briefe von ihr, die ihn immer von neuem ihrer unwandelbaren Treue und Liebe versicherten. Aber so glücklich ihn dies auch machte, er legte doch jeden ihrer Briefs mit einem Gefühl der Enttäuschung aus der Hand, denn vergeblich suchte er darin nach irgend einer Andeutung, welche seinen Zweifel an der Identität des Fremden mit seinem Bruder einen positiven Anhalt geben sollte. Armgard erwähnte desselben überhaupt selten, that sie es aber, so geschah es in einer Weise, die deutlich zeigte, daß er in ihren Augen fraglos derjenige sei, für den er sich ausgab. Sie erzählte beiläufig, daß ihr Vater sich immer mehr an ihn anschließe, daß er ihm sogar schon den größten Teil der Verwaltung von Rauhencck übergeben habe und ihm ganz die Stellung eines Sohnes und Erben in seinem Hause einräume. Es werde daher einen harten Kampf kosten, bis er sich darein gesunden, daß sie nicht die Gattin dieses seines Lieblings werden wolle; „aber," setzte sie hinzu, „wie mir auch vor dem Moment bangt, wo die mir von ihm gegebene Frist abgelausen ist und ich ihm direkt den Gehorsam weigern muß, so fürchte doch nichts; was immer es mir kosten mag, ich bleibe dein."
So waren säst vierzehn Tage vergangen, als Richard eines Morgkns ein Telegramm von Armgard empfing, welches nur die Worte enthielt: Komme augen
blicklich nach Rauheneck, ich habe dir eine Mitteilung von der höchsten Wichtigkeit zu machen."
Richard erschrack; es mußte etwas Ungewöhnliches geschehen sein, wenn Armgard ihn nach Rauheneck rief, nachdem ihr Vater ihm dort die Thüre gewiesen, er begab sich daher sofort zu seinem General, um Urlaub zu fordern. Dieser sah ihn befremdet an, als er seine Bitte vorbrachte, und sein Ton klang streng als er sagte:
„Sie verlangen oft Urlaub, Leutnant von Rauheneck. Doch Sie sind ein so diensteifriger Offizier," setzte er freundlicher hinzu, „daß ich annehme. Sie würden so kurz vor den Herbstübungen keinen Urlaub nachsuchen, wenn nicht zwingende Gründe vorlägen, ich bewillige Ihnen also denselben. Zugleich will ich Ihnen noch eine r
angenehme Mitteilung machen. Sie sind vom 1. Oktober ab zur Dienstleistung bei
dem Prinzen von B.nach C.... kommandiert, man ist höhern Orts auf Sie
aufmerksam geworden, durch die kriegswissenschastlichen Arbeiten, die Sie jüngst ein- geliesert, und wenn Sie der günstigen Meinung, die man an maßgebender Stelle von Ihnen hegt, auch ferner entsprechen, so ist Ihnen eine glänzende Karriere gewiß."
„Ich bin überzeugt," sagte Richard freudig bewegt, „daß ich diese Auszeichnung in erster Linie Ihnen, Herr General, zu danken habe."
Der alte Herr klopfte Richard wohlwollend auf die Schulter. „Verdient haben Sie dieselbe jedenfalls, und nun gehen Sie mit Gott und seien Sie in vier Tagen wieder hier." '
Richard verabschiedete sich mit warmem Dank von dem ihm so gut gesinnten Chef und war zwei Stunden später schon auf der Reise nach Rauheneck. Wieder mußte er den Weg von der letzten Station ab zu Fuß machen, ein Zeitverlust, der ihm bei seiner Ungeduld, die Veranlassung zu Armgards Telegramm zu erfahren, diesmal peinlich war. Doch war er kaum eine Stunde gegangen, als er von weitem Armgard erkannte die ihm entgegen kam.
„Was ist geschehen, Geliebte?" rief er, sobald er sie erreicht und in seine- Arme geschloffen hatte. (Forts, folgt.)