mittags 50 Grad in der Sonne. Die Luft war so heiß, daß man glaubte, vor einem geöffneten Backofen zu stehen und alle der Lust ausgesetzten Gegenstände glühten wie in einer Esse gewärmt. In den Lungen hMe man die Empfindung, als ob sich eingeatmete Flammen in dem ganzen Körper verbreiten wollten. Den besten Begriff von dem verderblichen Einfluß der glühenden Atmosphäre lieferte der Umstand, daß di« Sperlinge tob von den Dächern herabfielen. Die Hühner schwankten wie benommen, und wenn man sie verfolgte, so liefen sie noch wenige Schritte, um sich unter allen Zeichen der Ermattung, den Schnabel weit geöffnet, ergreifen zu lassen. Bon den Menschen wurden mehrere Feldarbeiter vom Hizschlag getroffen und starben. Doch Sevilla konnte von Murcia noch beneidet werden, über welches der gefürchtete afrikanische Wind, dort Lereche genannt, hinwegwehte und alles verschmachten ließ. Auch Madrid litt unter schrecklicher Hize, indem das Thermometer im Schatten in früher Morgenstunde 34,8 Grad und in der Sonne gar 48,5 Grad aufwies. Aehnliches ist aus Malaga, Badajoz, Valencia u. s. w. zu verzeichnen.
Tages-Ueuisikeiten.
sAmtliches aus dem Staatsanzeigcr.j Bei der Konkursprüfung für die Aufnahme in das evangelische Seminar in Maulbronn sind nachbenannte als Seminaristen ausgenommen worden:
Hesse, Hermann, Sohn d. Missionars in Calw, Klaiber, Johannes, S. d. Pfarrers in Gräfen- hausen (Enkel von Hrn. Oberlehrer Kopp), Metzger, Theodor, S. d. Pfarrers in Altburg, Ziegler, Otto, S. d. -f Forstwächters in Calw.
sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Bei der im Monat Juli d. I. abgeschloffenen höheren Lehrerinnen-Staatsprüfung ist unter den im König!, höheren Lehrerinnen-Seminar ausgebildeten Kandidatinnen zum Unterricht an höheren Mädchenschulen für befähigt erklärt worden: Elise Proß aus Calw.
Z Calw. In der letzten Woche hat Prälat vr. v. Witt ich die hiesigen Volksschulen einer eingehenden Prüfung unterzogen. Am Sonntag richtete derselbe nach der Predigt eine ergreifende Ansprache an die Gemeinde an der Hand des Textes im Evang. Johannes: Wollt ihr auch Weggehen rc. Unter Anwesenheit des hochwürdigen Prälaten fand am Montag die theologische Disputation, am Dienstag die Bezirkssynode und heute die Bezirksschulversammlung statt. Letztere wurde durch einen Gesang des Schülerchors von Hrn. Roos und der Lehrer des ganzen Bezirks eingeleitet; hierauf erstattete der Bezirksschulinspektor, Hr. Dekan Braun, den Schulbericht, worauf Schullehrer Bohnet von Deckenpfronn Thesen über den Unterricht in der Naturlehre aufstellte. Die Verhandlungen über diesen Gegenstand wurden sehr lebhaft geführt. Das Mittagessen wurde im Waldhorn eingenommen.
* Calw. Der heutige Markt war mit schönem Vieh stark befahren. Zufuhr 909 Stück Rindvieh, 58 Pferde, 96 Körbe Schweine. Handel sehr belebt. Preise gleichbleibend. Höchster Preis für 1 Paar
Ochsen 1,100 Saugferkel kosteten 12 bis 26 ^ pr. Paar.
Teinach, 19. Juli. Nachdem in unserem gegenwärtig gut besuchten Badeort am Donnerstag Abend Prof. Stengel eine recht interessante Vorstellung auf dem Gebiete der Salonmagie gab, fand gestern Abend zum Besten der hiesigen Kleinkinderschule ein von Kurgästen veranstaltetes, zahlreich besuchtes Konzert statt, welches erfreulicherweise einen recht erheblichen Betrag ergab. Die Leistungen waren über alle Erwartungen hervorragend. Der kräftige Sopran und der warme Vortrag der Frau Sachs-Fuld aus Frankfurt a. M. eroberten rasch die Zuhörer, die stürmisch eine Zugabe verlangten. Frl. Müller aus Stuttgart erfreute uns mit drei gut gewählten Liedern, die ihre sympathische Altstimme vortrefflich zur Geltung brachten, während Miß Lee aus Newyork mit großer Reinheit und sicherer Bogenführung 4 reizende Stücke für Violine vortrug. Die Begleitung wurde von Frl. Epstein aus Frankfurt fein und gewandt durchgeführt, so daß man die Veranstaltung als eine in jeder Beziehung gelungene und sehr befriedigende bezeichnen kann.
* Deckenpfronn, 21. Juli. Am letzten Montag gelang es dem Landjäger Wahl nach langem eifrigen Bemühen, den frechen Thäter zu ermitteln, welcher den Einbruch und Diebstahl beim hiesigen Gemeindepfleger verübt hatte. Es ist dies der etwa 15 Jahre alte Bäckerjunge Schneider, aus hier gebürtig, welcher bei einem Meister im benachbarten Gültlingen in der Lehre war und jeden Tag Brot hieher brachte. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, war es demselben doch gelungen, den Geldschrank zu öffnen, indem aus einem dort befindlichen Säckchen 19 Zwanzigmarkstücke fehlten. Sein Lehrherr fand das Geld in dessen Bett versteckt, wovon noch etwa 60 fehlen. Auch die anderen Diebstähle soll Schneider begangen haben.
Neuenbürg, 19. Juli. Gestern nachmittag ist unser Landtagsabgeordneter, Bijouteriefabrikant Heinrich Bleyer, in Leipzig gestorben, wo er vergeblich Heilung suchte, nachdem er vorher längere Zeit in der Klinik in Tübingen und in Davos gewesen war. Bleyer, geb. 21. Nov. 1852 in Hördten bei Gernsbach, besuchte nach seiner Lehrzeit die Stuttgarter Handelsschule und bereiste nach dreijähriger Militärzeit die Schweiz und Italien, sowie Frankreich, wo er sich zu seiner Ausbildung über ein Jahr aufhielt. Er trat später in sein elterliches Geschäft in Neuenbürg, das er seit dem Tode seines Vaters 1880 leitete. Im Jan. 1889 wurde B. in heftigem Wahlkampf gegen den langjährigen früheren Abg., Stadtschultheiß Beutter in Herrenalb, mit kleiner Mehrheit in den württ. Landtag gewählt; er trat der Linken bei, war aber infolge der langandauernden Krankheit genötigt, dem größten Teil der Kammerverhandlungen fern zu bleiben. Nun ist er, wenige Tage nach dem Tode seines politischen Gegners, ebenfalls einer tückischen Krankheit erlegen.
Wildbad, 19. Juli. Gestern Nachm, konzertierte in den kgl. Anlagen die ganze Kapelle des
kgl. Jnf.Regts. Nr. 97 aus Saarburg unter Leitung, ihres Kapellmeisters, Pistonvirtuosen C. Lenzsch. Das Konzert war gut besucht und fand allgemeine Anerkennung. Darauf folgte gestern Abend eine Jllu- minationdes Kurplatzes mit Konzert der Kurkapelle- Wie im Vorjahre begünstigte eine sternhelle, warme Mondnacht die in jeder Beziehung gelungene Veranstaltung der kgl. Badeinspektion. Ein zahlreiches Publikum hatte sich eingefunden und der ganze Kurplatz war gedrängt voll mit bewundernden Zuschauern. Rote Papierfackeln faßten den Platz ein. Der Musik- Kiosk in der Mitte war malerisch mit bunten Glas- und Gelatinelämpchen besetzt; ebenso die Rundbogenfenster und Gesimse des Wilhelmsbades, sowie die Gesimslinien des kgl. Badhotels, letztere teilweise mit einfachen Topflämpchen. Neu waren die Gelatine- Lämpchen, die in straußartiger Anordnung auf dem Dachgesims eine reizende Wirkung hatten. Auf dem Söller des Wilhelmsbades wurde Feuerwerk abgebrannt, dessen Schlußstück ein in dreifarbigem Lichte erstrahlendes württemb. Wappen bildete.
8. Reutlingen, 20. Juli. Heute waren 288 Schützen eingeschrieben, weitere Becher schossen: F. Doll, Ingenieur, Oberndorf, H. Strauß, Cannstatt, C. Bauer, Stuttgart, Fr. Mößner, Eßlingen, Herrmann, Büchsenmacher, Neu-Ulm, L. Mauz, Bierbrauer, Holzbronn, A. Eha, Cannstatt, H. Wittich, Geislingen. Das Festspiel in der Bundeshalle fand vor ausverkauftem Haus statt und hatte den schönsten Erfolg. Das Wetter ist durchaus günstig.
Neresheim, 18. Juli. Heute traf die Schreckensnachricht hier ein, daß der Bauer Andreas Bosch von Meisterstall, Gem. Kerkingen, an der Straße Oberdorf-Kerkingen nur etwa 1 Kilometer vom ersteren Ort entfernt, ermordet aufgefunden worden sei. Die sofort seitens des K. Amtsgericht und der K. Staatsanwaltschaft angestellten Erhebungen ergaben, daß die That von dem Nachbar des Bosch, dem 35 Jahre alten, bisher in gutem Rufe gestandenen Bauern Aloys Wohlfromm von Meisterstall, begangen war. Beide lebten schon seit Jahren in erbitterter Feindschaft. Am gestrigen Tag verließ Wohlfromm, kurz nach Bosch die Gemeinde Oberdorf; sofort, nachdem er letzteren eingeholt hatte, begannen Thätlich- keiten zwischen Beiden, später trennten sie sich, nachträglich aber kehrte Wohlfromm zu Bosch zurück und verübte die schreckliche That. Der Leichnam war entsetzlich zugerichtet; neben schweren Verletzungen am Kopf war Brust und Bauch vollständig zerquetscht. Es scheint, daß Wohlfromm sein Opfer mit einem Stock zu Boden schlug und alsdann mit den Füßen zerstampfte. Er ist der That in der Hauptsache geständig und befindet sich bereits in Haft.
Schönhausen,.17. Juli. Fürst Bismarck ist in Begleitung seiner Gemahlin und seines Sekretärs, vr. Crysander, gestern um 4 Uhr 40 Min. nachm, hier eingetroffen und vom Grafen Herbert Bismarck und den Spitzen der Gemeindebehörden empfangen worden. Zahlreiches Publikum hatte sich versammelt und begrüßte den Fürsten mit einem dreimaligen Hoch. Leutselig sprach der Fürst mit diesem und
ich in meinen kühnsten Träumen kaum zu hoffen gewagt, ist selige Wirklichkeit geworden, ich bin heute mit seinem Segen deine Braut!"
In diesem Augenblick näherte sich den Beiden ein Diener und meldete, der Wagen für den Herrn Lieutenant sei vorgefahren.
„Schon!" seufzte Armgard. „Daß du mich heute verlassen willst, sollte ich dir eigentlich gar nicht verzeihen."
„Der Soldat muß gehorchen, mein Lieb! Und so schwer es mir wird, mich gerade heute von dir zu trennen, so muß ich dem General doch dankbar sein, daß er mich gewählt, ihn auf seiner Mission nach Petersburg zu begleiten, es ist dies eine große Auszeichnung für mich."
„Mag sein! Aber der Dienst ist doch ein schlimmer Tyrann. Könntest du dich denn gar nicht entschließen, die Uniform aurzuziehen und hier in Rauheneck friedlich deinen Kohl zu bauen, wie mein Vater eS dir vorgeschlagen und so sehr wünscht, da er höchst ungern einen Offizier seinen Schwiegersohn nennt."
„Nein, teure Armgard. Abgesehen davon, daß ich mit Leib und Seele Soldat bin, möchte ich nicht meinen Beruf aufgeben um in Rauheneck ein müßiges Dasein zu führen, denn dein Vater würde mir ja nie gestatten, die Verwaltung des Gutes zu übernehmen, so würde ich hier nichts sein, als ein Müßiggänger, das aber könnte ich nicht ertragen, ohne in meiner eigenen Achtung zu sinken."
„Du magst Recht haben," stimmte Armgard bei, „aber es wäre so schön gewesen hier in Rauheneck mit dir zu leben! Du weißt nicht, wie ich an diesem Fleckchen Erde hänge, wo ich geboren und aufgewachsen bin, und das mit so viel teueren Erinnerungen an die frühverstorbenr Mutter verknüpft ist. Mir ist, als verlöre ich sie noch einmal, wenn ich die Stätte verlasse, wo ich mit ihr gelebt und wo ihr Grab ist." -
„Und doch muß ich dies Opfer von dir fordern, Geliebte!"
„Und ich bin ja bereit, es zu bringen," sagte sie, zärtlich zu ihm aufblickend, „denn ich kann mich dem Gewicht deiner Gründe nicht verschließen, und wie schwer
ich auch von Rauheneck scheide, so weiß ich doch, daß deine Liebe mir jeden Ort zur Heimat machen wird. . . . Aber komm jetzt zum Vater, um dich bei ihm zu verabschieden."
Er nickte und sie wandten sich nach der Veranda, wo Herr von Rauheneck noch immer über seinen Zeitungen saß.
„Ich komme, lieber Onkel," redete ihn Richard an, „um Ihnen Lebewohl zu sagen und möchte Ihnen zugleich recht herzlich dafür danken, daß Sie heute den heißesten Wunsch meines Herzens erfüllt und mir erlaubt haben, Armgard meine Braut zu nennen."
Rauheneck sah mit finsterm Blick von der Zeitung auf und sagte in ironischem Ton: „Du bist ja recht eilig, die kaum gewonnene Braut zu verlassen, aber bei dir heißt es natürlich: Herrendienst geht vor Frauendienst."
„Daß ich sehr gern länger bliebe, daran werden Sie wohl nicht zweifeln Onkel, doch muß ich. . . ."
„Du mußt," unterbrach ihn Rauheneck scharf, „weil du nicht anders willst und es vorziehst, in sklavischer Abhängigkeit von Vorgesetzten und Dienstreglement zu leben, statt hier in Rauheneck ein freier Mann zu sein. Wahrlich," fuhr er mit einem bösen Lächeln fort, „ich hätte mir früher nicht träumen lassen, daß ich jemals einen Fürstenknecht und Gamaschenhelven zu meinem Schwiegersohn wählen würde, aber da heute die letzte Frist, die ich mir selbst für die Möglichkeit des Wiedererscheinens deines Bruders gesetzt, verstrichen ist und du außer mir der einzige noch lebende Rauheneck bist, so mußte ich, will ich anders einen Träger meines Namens zum Erben des alten Familiengutes einsetzen, dir die Hand Armgards geben, gern habe ich es nicht gethan."
Eine dunkle Röte färbte Richards Stirn, aber er beherrschte sich und sagte ruhig: „Ich bedauere das aufrichtig und hoffe, daß es mir gelingen wird. Sie in der Zukunft freundlicher für mich zu stimmen. Jedenfalls bin ich glücklich zu wissen daß Armgard andere Gesinnung für mich hegt und freudigen Herzens meine Braut!' gewordm ist. Leben Sie wohl, Onkel." (Forts, folgt.)