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Kunst und deS Handels erforderlich ist. Nur so lange der Friede herrscht, steht es uns frei, ernste Gedanken den großen Problemen zu widmen, deren Lösung mit Billigkeit und Gerechtigkeit Ich als die hervorragendste unserer Zeit betrachte." Wir wissen, mit welchem Ernst und welchem Eifer Regierung und Volk von England eben diesen großen Problemen ihre Auf­merksamkeit zugewendet haben und wie einmütig die unter dem Szepter Ihrer Majestät der Königin Vik­toria vereinigte Nation in dem Bestreben ist, die Grundlage einer gedeilichen Entwickelung des Volks­wohles, den allgemeinen Frieden zu erhalten. läem veile, iäem volle ist schon vom Altertum als die feste Grundlage einer wahren und dauernden Freundschaft bezeichnet worden. In welchem Umfang diese Grundlage herzlichen Einvernehmens zwischen dem englischen und deutschen Volke vorhanden, konnte klarer und unwidersprechlicher nicht an den Tag ge­legt werden, als es gestern in der City von London geschah."

Emin Pasch ah hat an Konsul Vohsen, in einem Briefe vom Viktoria-See, 2. Februar ge­schrieben :Darf ich Ihnen dringend ans Herz legen, für die Eröffnung eines ganz einfachen, mit wenigen Kosten herzustellenden und mit Ochsenkarren zu be­fahrenden Weges nach dem See hinauf wirken zu wollen? Ich glaube, daß mit 300,000 ^ in fünf Monaten die Sache im Gang sein kann, und würde der Transport von Oelfrüchten, Cerealien, Häuten, Wachs, Kaffee, Elfenbein, Flußpferdzähnen, Körnern u. s. w. von hier nach der Küste und der Trans­port von Waren hieher die Kosten der Anlage reich­lich decken. Auf die Errichtung einer Eisenbahn in kurzer Zeit dürfte wohl kaum zu rechnen sein. Be­reiten sie durch diese Straße den Weg vor für die künftige Eisenbahn, das Mittel, die Handelsbeziehungen zu erweitern und zu fördern und legitimen Handel an die Stelle von Räubereien und Sklavenhetzen zu schaffen. Die Länder am See warten nur darauf, aus ihrem Banne erlöst zu werden."

Ausland.

London, 9. Juli. Der Kaiser machte früh einen Spazierritt nach Rottenrow und begab sich nach dem Frühstück in den Buckingham-Palast, wo die Musik der Goldstreamgarde spielte; dort überreichte dem Kaiserpaar eine Abordnung der deutschen Kolonie Londons eine Huldigungsadresse; der Kai­ser dankte für die Abhängigkeit der Deutschen Londons und nahm dann von einer Deputation der Antisklaverei­gesellschaft eine Adresse entgegen, worin die Unter­stützung des Kaisers für die Unterdrückung der Sklaverei in Afrika erbeten wird. Der Kaiser bezeugte in seiner Antwort ein lebhaftes Interesse an der Frage und wies auf die inhumane Behandlung der Opfer seitens der arabischen Sklavenhändler hin. Später nahm der Kaiser noch eine prachtvoll ausgestattete Bewillkommnungsadresse der Korporation der Fisch­

händler entgegen; diese Adresse hebt hervor, daß die Korporation die Ehre hatte, Kaiser Friedrich zu ihren Mitgliedern zu zählen, heißt den Kaiser willkommen und erfleht den göttlichen Segen über das Deutsche Reich. Der Kaiser dankte huldvollst und sprach seine Bewunderung der kunstvollen Ausführung der Adresse aus. Um 12'/, Uhr setzten die Majestäten den Em­pfang des diplomatischen Korps im Buckingham-Palast fort; der russische Botschafter führte in Abwesenheit des französischen Botschafters Waddington die Ge­mahlinnen der Angehörigen der Botschaft bei den Majestäten ein.

London, 11. Juli. Gestern abend fand ein Hofball im Buckingham-Palast zu Ehren des Kaiser­paares statt. Der Saal und die Zugänge waren mit seltenen Pflanzen, mit Blumen und Palmen herr­lich geschmückt. Eine glänzende Festversammlung fand sich ein. Es herrschte die strengste Hofetiquette. Die Musiker der Königin spielten. Der Kaiser und die Prinzessin von Wales, der Prinz von Wales und die Kaiserin eröffneten den Ball, der sich bis spät in die Nacht ausdehnte.

Nachrichten aus Shanghai zufolge dauern die Unruhen in China gegen die Christen immer noch fort. Das kaiserliche Dekret, kraft dessen die Fremden und die ausländischen Missionen beschützt werden sollen, hat keine Folgen gehabt. Die Ver­treter der Mächte beraten wegen Ergreifung gemein­samer Schritte gegenüber dieser Lage. Diese Nach­richten stammen aus französischer Quelle und brauchen darum nicht mit der gleichen Vorsicht ausgenommen zu werden wie die über England eingehenden. Denn letztere leiden oft an starker Uebertreibung, wenn was man nie wissen kann die britische Regiernng irgendwo einen Plan hat, dem noch das Motiv fehlt, d. h. eigentlich die Entschuldigung. Wenn China nicht im Stande ist, diese Excesse zu unterdrücken, wenn die Soldateska mit dem Pöbel sympathisiert, dann werden freilich europäische Mächte die nötigen Schritte thun müssen, militärisch Ordnung zu schaffen, denn mit den Kanonenbooten von dem Wangpoo aus allein zu operieren, das wird nicht genügen. Die britische Regierung hat aber immer Lust gezeigt, Shanghai in ihrer Art zu neutralisieren; vielleicht gelingt es diesmal.

Tages-Ueui,lkeiten.

Stuttgart, 9. Juli. Neuwahlen. Durch die Ernennung des Reg.-Rats Leemann zum Professor an der staatswissensch. Fakultät der Universität Tübingen ist eine Neuwahl zum Landtag für den O.-A.-Bezirk Oehringen nötig geworden, ebenso eine Neuwahl zum Reichstag für den 11. württ. Wahlkreis (Backnang, Hall, Oehringen, Weinsberg.)

Stuttgart, 10. Juli. Vor einigen Tagen abends zwischen 9 und 10 Uhr hörten mehrere Spazier­gänger in den Anlagen am Mörike-Denkmal einen Schuß fallen unv gleich darauf ein starkes Geschrei ertönen. Als sie sich der betreffenden Stelle näherten, war alles wieder ruhig und sie konnten nur erfahren, daß ein Zivilist gegen einige- Soldaten mit einem

Revolver geschossen habe, worauf diese ihn gehörige durchbläuten.

Dettingen, 9. Juli. Die Kirschenernte die jetzt in vollem Gange ist, läßt in Bezug auf die- Menge des Ertrags nichts zu wünschen übrig, aber der Wert der Kirschen ist durch die ungünstige Witterung, bedeutend herabgedrückt worden. Zwar fehlt es auch dieses Jahr nicht an Händlern, welche täglich die süße Frucht in großen Quantitäten aufkaufen, um sie nach allen Richtungen hin zu verschicken; doch bleibt den Leuten nichts besseres zu thun übrig, als diejenigen Kirschen, welche in Folge des anhaltenden Regenwetters ihre größere Haltbarkeit verloren haben und von den Händlern nicht angenommen werden, auf dem Markt oder gar durch Hausierhandel abzu­setzen. Die Preise bewegen sich zwischen 8 und 12 per Pfund.

Ebingen, 11. Juli. Lebensmittelpreise. 1 Zentner feines Mehl 18., Mittelmehl 17., schwarzes Mehl 16.. 2 Pfd. Nuckenbrod 32 Pfg., 5 Pfd. Schwarzbrot» 75 --Z, 1 Paar Wecken 6 A 1 Pfund Rindfleisch 60 iL, Kuhfleisch 60 Kalb­fleisch 60 Hammelfleisch 56 Schweinefleisch 50 1 Pfd. Butter 85 -A 2 Stück Eier 19 A

1 Ltr. Milch 15 -4, 1 Pfd. Rindschmalz 1 Schweineschmalz 65 -A 1 Pfd. neue Kartoffeln 12 1 Pfd. Bohnen 30 4 Raummeter Buchenholz

33 100 Stück buch. Wellen 15

Neu-Ulm, 9. Juli. In Wullen st etten hat sich der prakt. Arzt Dr. Hering gestern samt seiner Frau vergiftet. Das Ehepaar war erst seit einigen Monaten verheiratet; es war in sehr guten Vermögensverhältnissen. Die Frau war, wie der N. U. A." berichtet, während der Zeit, als ihr Mann das Gift nahni, beim Metzger, um Fleisch zu bestellen. Als sie zurückkehrte, fand sie ihren Mann als Leiche vor. Sie warf sich über die Leiche, nahm ebenfalls Gift und verschied nach fünf Minuten.

Nürnberg, 9. Juli. Nach demFränk. Kurier" ist wegen des Eisenbahnunglücks von Eggols- heim Untersuchung eingeleitet gegen den Strecken- Ingenieur, den Stationsmeister und die Führer beider Lokomotiven.

Eine Lloyd-Depesche aus Montevideo vom 8. Juli meldet: Der deutsche Dampfer Kleopatra" aus Hamburg stieß in der Magel- haensstraße auf einen Felsen und mußte gestrandet werden, um das Untergehen zu verhindern. Das Schiff bricht auseinander und geht wahrscheinlich verloren; Mannschaft und Passagiere sind gerettet.

Bern, 9. Juli. Der schweizerische Tier­schutz-Verein beschloß, durch Partial-Revision der Bundesverfassung ein Verbot des israelitischen Schäch- tens herbeizuführen.

Prag, 9. Juli. Vor dem Bezirksgerichte in Smichow fand heute die Verhandlung gegen den

beiten läßt, um das Haus fürstlich einzurichten, um es zur Wohnung seines Schwieger­sohnes zu machen, der wiederum Niemand anders ist, als der frühere Besitzer."

Betroffen schwieg der Fürst einen Augenblick.Ihr wißt mehr als ich selbst weiß", sagte er dann.

Hüte Dich, Dmitri", fuhr der Rote fort.Du gehst Wege, die sich von den unseren trennen. Du bist der Sklave eines Weibes geworden und Du strebst den Besitz von Glücksgütern an, die denen versagt sind, die sich dem heiligen Werke widmen. Du hältst Dich ferne von unseren Versammlungen und die Wünsche, die Du hegst, reifen zu Plänen, die das Band zerreißen, das Dich mit der Gemeinschaft der Brüder verknüpfte. Aber ich wiederhole es das Auge des Bundes wacht über Dich und Das, was soeben geschehen ist, sollte Dir eine Lehre sein, wie schnell der Verrat seinen Lohn findet."

Eure Drohungen schrecken mich nicht," sagte der Fürst mit der kaltblütigen Ruhe, die seine Worte bestätigten.Ihr hättet mich nicht an das Schicksal der armen Vera erinnern sollen, wenn Ihr meine Pflichten als Mitglied des Bundes mir in die Erinnerung rufen wollt. Wenn mir bis jetzt noch nicht recht klar war- was mich von Euch trennt, diese Stunde hat mir die Augen geöffnet. Ich will nichs mehr mit Menschen zu thun haben, die im Stande sind, kaltblütig ein wehr­loses Mädchen zu schlachten. Wie lange ist es her, daß ich Pugatschew rettete? Wer war es denn damals, der Euch Mut zusprechen mußte, zu seiner Befreiung das Aeußerste zu wagen? War ich Euch nicht Allen gleich an Begeisterung für die Ideen, die mein großer Freund in meine Seele gepflanzt hat? Ich war ein Schwärmer, wie Ihr, aber ich bin nüchtern geworden. Ich habe gesehen, daß eS Euch nicht um den Zweck zu thun war, sondern um die Mittel. Ihr gefielt Euch in der Rolle, die Ihr spieltet und die Ihr noch spielt. Wenn ich Euch zu entschlossenen Thaten aufforderte, dann hattet Ihr nichts als Zaudern und Bedenken. Den Bund zu organisieren und seine Mitglieder zu überwachen, Druckereien zu gründen und Proklamationen unter das Volk streuen. Euch mit jenem geheimnisvollen Nimbus umgeben, der einst um die Inquisitoren von Venedig Schrecken verbreitete, daS war es. was Euch behagte. Und was habt Ihr erreicht? Der Polfteimeister lebt und Vera Timanoff ist tot. Geht mir, Ihr seid nicht« als Komödianten."

Mäßige Dich, Dmitri! Sollen wir Dich daran erinnern, daß Du es warst, der dieses Mädchen in den Tod trieb?"

Wenn sie gefehlt hat, so hat es der Zufall so gefügt, daß ihr Anschlag ver­eitelt wurde. Ich habe ihr nie Versprechungen gemacht, die ich getäuscht hätte. Sie hat in der Erregung der Leidenschaft gehandelt und hättet Ihr sie mir vorgeführt, so hätte ich sie zur Rede gestellt, wie ein Kind, das die Ruthe verdient. Aber Ihr seid schnell bereit, zum Dolch oder zum Strick zu greifen und statt den Richter den Henker zu spielen. Ich Thor, der ich glaubte, man könne Weltgeschichte mit Menschen machen, die an nichts anderes denken, als eine dramatische Komödie aufzuführen. Giebt eS nicht Schuldigere in diesem Lande als diese Vera Timanoff? Hat Euer Dolch kein besseres Ziel als die Brust eines wehrlosen Mädchens? Geht mir! Ich will nichts mehr zu thun haben mit elenden Komödianten."

Dmitri." Der Rote hatte sich erhoben, um wie eine Katze zum Sprung auszuholen. Ein Anderer drückte sich um den Tisch herum, um Dmitri von hinten zu fassen. Aber schon stand er in der Ecke des Zimmers nahe an der Thüre und die erhobene Hand streckte ihnen einen Revolver entgegen.

.Rührt Euch nicht!" donnerte er ihnen entgegen.Jeder, der sich mir nähert, ist ein Kind des Todes! Ein Zeichen auf dieser Pfeife hier" er zog ein kleines Pfeifchen aus seiner Rocktasche seines Paletotsruft meine beiden Diener herbei, die mit einem Schlitten unten auf mich warten und Ihr habt kein Interesse daran, Lärm zu machen, der die Polizei hierher in Eure Schlupfwinkel führt. Glaubt Ihr, ich sei nicht so klug gewesen, mich vorzusehen, als ich hierher kam, um Euch zu sagen, daß ich nichts mehr mit Euch zu thun haben will? Und Ihr braucht nicht zu fürchten, daß ich an einer Sache zum Verräter werde, die mir einst heilig war. Spielt Eure Komödie ruhig weiter, aber verlangt nicht, daß ich noch länger der Souffleur bleibe, der Euch Eure Rolle vorsagt. Gehabt Euch wohl und denkt nicht mehr an mich, wie ich an Euch nicht mehr denken werde."

Er schob den Riegel zurück und im nächsten Augenblicke war er verschwunden.

Der Fürst hatte seinen Schlitten bestiegen, um dem Kuscher Ordre zu geben, ihn nach der inneren Stadt zurückzuführen.

(Fortsetzung folgt.)