München, 6. Juli. Der offizielle Saaten­bestandbericht für das gesamte Königreich Bayern konstatiert: Der Verlauf des Monats Juni war sehr günstig. Das Wintergetreide steht dünn, das Sommer­getreide durchweg vortrefflich, die Kartoffeln befriedigend, teilweise allerdings natzfaul. Das Wiesenheu ist trocken eingebracht, Klee und Futterrüben sind gut, Reps ist mittelmäßig, Hopfen gut entwickelt. Die Obsternte wird reichlich. In den Weinbergen machen sich die Frostschäden bemerkbar. Der Tabak hat günstig gesetzt. Hülsenfrüchte sind vorzüglich. In ganz Bayern ist eine gute Mittelernte zu erwarten.

Osch atz, 5. Juli. I'ata Llorxana. Im Ver­laufe des Gewitters vom 1. d. M. war unweit un­serer Stadt auf der rechten Seite der Chaussee nach Zöschau ein wunderbares Luftgebilde sichtbar; am schönsten war es 8 Uhr 5 Min. abends. Am Hori­zont schien ein herrliches Gebirge, dessen Höhepunkte ourch eine mit Bäumen besetzte Chaussee verbunden waren, hingezaubert zu sein. Die Bäume, von denen etwa zwanzig sichtbar waren, hoben sich durch ihre Stämme und verschiedenartige Wipfelbildung deutlich vom Aether ab. Die Chaussee selbst, sowie der eine Felsen, welcher dem Königsstein in der sächsischen Schweiz sehr ähnelte, waren namentlich sehr scharf begrenzt.

Ueber Hitzschlaa fälle, welche das in Weimar garnisonierende Bataillon des 94. In­fanterie-Regiments auf einem Uebungsmarsch bei Azmannsdorf betroffen haben, bringt dieEisen­acher Tagespost" einen Bericht, worin behauptet wird, daß die Katastrophe durch Ueberanstrengung der Mann­schaften entstanden sei. Das genannte Blatt giebt folgende Darstellung:Das Bataillon rückte Montag, 29. Juni, früh 5'/, Uhr aus Weimar aus und traf nach einem Marsch von 5 Stunden auf dem Exerzier­platz Schönthal bei Erfurt ein. Dort wurde Stunden Rast gemacht. Dann fand Gefechtsübung auf bergigem Terrain bis nachmittags 2 Uhr statt, und dann er­folgte der Abmarsch der 4. Kompagnie nach Azmanns­dorf, das 56 Kilometer entfernt war. Die Mann­schaften waren feldmarschmäßig ausgerüstet und bei einer Temperatur von 38 bis 40 Grad Wärme gänz­lich der Sonne preisgegeben, da kein Wald auf dem Wege zu passieren war. Auf dem ersten Marsche von Weimar nach dem Uebungsplatze wurde schon ein Einjähriger, Kürschner aus Weimar, vom Hitz- schlag betroffen, ein zweiter Mann erlitt das gleiche Unglück auf dem Marsche nach Azmannsdorf, so daß der der Kompagnie mitgegebene Lazaratgehilfe mit diesen Beiden und sieben Mann der jeder Kompagnie zugeteilten Ersatzrefervisten zurückblieb. Kurz vor Azmannsdorf fiel ein Elsässer, namens Flügler, mit dem Kopf nach unten in einen Graben und schien sofort tot zu sein. Von diesem Unfall an fielen bis vor das Dorf noch weitere 20 Mann, und als in dem OrteHalt" kommandiert wurde, fiel noch ver ganze Rest der Kompagnie wie auf Kommando um. Es wurde behufs Abhändigung der Quartierbillets noch einmalAntreten" kommandiert, das Kommando Antreten" erscholl zum zweitenmal ohne Erfolg, und erst beim drittenmal suchten 45 Mann an ihren Gewehren sich aufzurichten. Jetzt trat die Bewohner­schaft des Ortes ins Mittel und übernahm die Pflege rc. der ganzen Kompagnie, da von den Soldaten kaum Einer dem Andern zu helfen imstande gewesen wäre. Die vor dem Orte liegenden Mannschaften wurden mittelst Leiterwagen von den Bauern hereingeholt. Außer Flügler starb der Einjährige Koch."

Hamburg, 8. Juli. Die Arbeiten für die Befestigung Helgolands beginnen demnächst.

Ein Dergiftungsfall hält, wie aus Stuhlweißenburg gemeldet wird, seit einer Woche die Ortschaft Tarnok m fürchterlicher Aufregung. Trotz des Verbotes, Schwämme zu suchen, hatten Michael Csernyanßky und Andreas Riho solche gesammelt; zahlreiche Leute in der Gemeinde aßen von den Schwämmen und sämtliche erkrankten. Die erste Hilfe leistete der Etyeker Arzt Siegl. Der Notar Lauturner hat bei der Hilfeleistung einen anerkennens­werten Eifer an den Tag gelegt: sein Haus gleicht einer Apotheke. Alle Kranken wurden in ein Haus gebracht; 29 derselben liegen im Sterben, sieben sind fchon gestorben, darunter die Frau Andreas Szabo; ihr Mann hatte die Schwämme zum Fenster hinaus­geworfen, sie aber las dieselben auf und bereitete sie zu einer Speise. Die Sektion ergab Vergiftung durch Schwämme.

Windsor, 7. Juli. Der Kaiser begab sich nach dem Frühstück mit dem Prinzen von Wales, dem Herzog von Connaught und anderen Mitgliedern der königlichen Familie zu Wagen nach dem Park, um der Reiterquadrille, die von 46 Mann der königlichen Garde bei Musik ausgeführt wurde, beizuwohnen. Der Kaiser machte später einen Spazierritt mit dem Prinzen von Wales, dem Herzog von Connaught und dem Gefolge durch den Park. Dem Gabelfrühstück bei dem Prinzen Christian wohnten 26 fürstliche Personen bei, darunter der Kaiser, der Prinz von Wales, der Herzog und die Herzogin von Connaught, die Herzogin von An­halt, die Prinzessin Beatrice, der Herzog und die Herzogin von Edinburgh. Später fuhr der Kaiser nach dem sechs englische Meilen entfernt liegenden Orte Bray, wo er mit den anderen hohen Herrschaf­ten Dampfbarkassen bestieg und den Fluß abwärts fuhr.

Zum Kaiserbesuch in England. Beim Staatsbankett in der St. Georgshalle war das goldene Tafelgeschirr zur Verwendung gekommen, das allein einen Wert von 3 Mill. L. beträgt. Auf einem der Büffet war der erbeutete Tigerkopf aus getriebenem Golde, der in vergangenen Tagen Tippu Sahib, dem Sultan von Mysore als Fußschemel seines Thrones gedient hatte, aufgestellt. Hinter demselben prangte ein prachtvoller Pfau mit Rubinen, Smaragden, Diamanten und Perlen geziert, der an Edelsteinen auf einen Wert von 20,000 L. geschätzt wird; ein Beutestück bei der Erstürmung von Seringapatam und seitdem im Geiste der Indier mit dem Namen der Königin verknüpft. Bei den Ausführungen von Reiterkünsten durch 46 Mann des Leibgarderegi- mcnts scheute das Pferd des Kaisers, so daß die Prinzessin von Wales und die übrigen fürstlichen Damen in Hellen Schrecken gerieten. Der Kaiser drückte dem Stallmeister Burt seine Befriedigung aus.

Moskau, 6. Juli. Ein Unstern schwebt immer noch über der französ. Ausstellung. Das Moskauer Kreislandschaftsami hat plötzlich vom Ausstellungs- komite etwa 36,000 Rubel verlangt; wofür, erfährt man nicht. Außerdem sind die Aussteller durch die bevorstehende Einführung des neuen Zolltarifs in hohem Grade beunruhigt. Die Zollverwaltung erklärt ihnen, wenn ver Ausstellung nicht eine Vergünstigung gewährt werde, würde nach Einführung des neuen Tarifs für verkaufte Ausstellungswaren ein erhöhter Zoll erhoben werden. Die Preise der Gegenstände

sind infolge dessen bereits hinaufgegangen. Der neue Tarif bedroht somit die Ausstellung mit namhaften Verlusten.

Petersburg, 5. Juli. Die Juden in Palästina. Die Dampfer, welche von Odessa nach Egypten gehen, sind jetzt in der Regel mit vertriebenen Juden überfüllt, die sich auf dem Wege nach Palä­stina befinden. Von ihren ausländischen Glaubens­brüdern wird ihnen in jeder Weise Vorschub geleistet. Sobald sie in Jaffa eintreffen, erhalten sie von einem ständigen Ausschuß alle notwendigen Fingerzeige. Man weist den neu Eintreffenden das ihnen bestimmte Land an, dessen billigst gestellten Kaufpreis sie in zehnjährigen Raten zu tilgen haben. Ihre Hauptbe­schäftigung wird Gartenbau sein. Als Leiter deL ganzen Palästina-Unternehmens werden die Herren. Rothschild, Bleichröder, Hirsch und noch vier bis fünf andere jüdische Geldfürsten genannt. Uebrigens scheint, es den nach Palästina übergesiedelten Juden dort zu gefallen, denn von allen aus Odessa ausgefahrenen israelitischen Familien sind bisher nur zwei zurückge­kehrt. Der Pariser Baron Edmund Rothschild soll jetzt gerade im Begriffe stehen, abermals 5'/- Millionen Quadratmeter fruchtbaren Land.s am östlichen Jordan­ufer zu weiteren Kolonien zu erwerben.

DasNew-Iorker Schwäbische Wochen­blatt" verichtet: In Bridgeport (Connecticut) wurde letzte Woche der wegen Ermordung des Konstablers Drucker zum Tod verurteilte Gastwirt Jakob Scheele gehängt. Scheele (Schiele) war Württemberger und kam vor 38 Jahren nach Amerika. Er war Schneider von Profession und ersparte sich eine erkleckliche Summe Geldes. 1885 kam er nach New-Canaan und eröffnete daselbst eine Wirtschaft. Im darauf­folgenden Jahre stimmte das Volk von New-Canaan gegen Licenzbewilligung und nun begannen für Scheele die Tage des Unglücks. Wegen unerlaubten Liquor­verkaufs kam er öfters in Konflikt mit den Gerichten. Den Konstabler Drucker, der ihn verhaftet hatte,, verfolgte er mit seinem ganz besonderen Haß. Als nun Drucker am 25. Januar 1888 nachmittags mit zwei Assistenten nach Scheeles Haus kam, um ihn zu verhaften, feuerte der leidenschaftlich erregte Mann zwei Gewehrschüsse auf Drucker ab, die denselben sofort töteten. Als Scheele sah, was er angerichtet, brachte er sich selbst vier Schußwunden bei, von denen er jedoch bald wieder genas.

Sansibar, 8. Juli. Als der Sultan, gestern das Cooper-Jnstitut, an dessen Einweihung er sich mit dem englischen Admiral und den englischen Offizieren beteiligt hatte, verließ und seinen Wagen bestieg, scheuten die Pferde infolge der zu Ehren des Sultans abgefeuerten Geschützsalven. Dek Sultan sprang aus dem Wagen und zog sich mehrere Ver­letzungen am Kopfe und an den Beinen zu.

Gottesdienst

am Sonntag, den 12. Juli.

Vom Turm: 251.

Vorm.-Predigt: Herr Helfer Eyt'el. 2 Uhr Nachm.-Predig t: Herr Dekan Braun. _

Mer Schneidern, Schuhmachern, überhaupt allen sitzenden Berufsarten stellen sich sehr gern in Folge mangelnder Bewegung Störungen in den Verdauungs­organen ein, die man rasch und sicher durch die in den Apotheken erhältlichen ächten Apotheker Mchard Brandt's Schweizerpilleu beseitigen kann.Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandteile sind: Tilge, Moschusgarbe, Aloe, Absynth, Bitterklee, Gentian."

Rückkehr adzuwarten, da er mich benachrichtigt hatte, daß er nach dem Diner nach Hause kommen werde.

Ich hatte vielleicht eine halbe Stunde in dem halbdunklen Zimmer gewartet, als ich plötzlich schwere Tritte und laute Stimmen auf der Treppe hörte. Ich erkannte Dmitri's Stimme, aber ich überzeugte mich auch, daß er Besuch mitbrachte, und da ich nicht wünschte, daß man mich in einer Situation bei ihm finden sollte, die auf vertrauliche Beziehungen schließen ließ, so trat ich rasch in einen Winkel zurück, den ein großer Schrank mit der Ecke des Zimmers bildete, und stellte einen Kleiderhalter vor mich, an dem ein Schlafrock und mehrere Röcke hingen.

Dmitri Jelagin zündete, nachdem er eingetreten war, eine Lampe an und ich erkannte nun die beiden Männer, die in seiner Begleitung erschienen waren. Der Eine war in den Kreisen der Nihilisten alsder Rothe", der Andere unter dem Namen Pugatschew bekannt; Beide galten als Mitglieder des geheimen Komitee'- während es mir wenigstens damals noch nicht bekannt war, daß auch Dmitri Jelagin dazu gehörte.

WaS ich Anfangs nur als Verlegenheit empfunden hatte, steigerte sich all­mählich zu einer tätlichen Angst, als ich Zeuge einer Unterredung wurde, deren Gegenstand ein Attentat auf das Leben des Zars war. In der Anlage L., die diesem Berichte beigeschloffen ist, sind alle Details über dieses Projekt mitgeteilt, von dem ich annehmen kann, daß es nur vertagt, nicht aber, daß es völlig aufgegeben ist.

Dieser Dmitri Jelagin, der auch, wie in der Anlage L nachgewiesen ist, bei der Befreiung Pugatschew'S in hervorragender Weise beteiligt war, ist niemand Anderer als der Fürst Alexander G.

Al- Müglied des Bundes führt der Fürst den Namen Dmitri Jelagin. Er gehört dem geheimen Exekutivkomitee an und war längere Zeit Mitglied des Dreier- komitre's, das den engeren Ausschuß deS Komitee'- und die Spitz« der ganzen Ver­

schwörung bildet. Da dieses Komitee, als dessen Mitglied er den BeinamenDer Andere" führt, fortwährend wechselt, so weiß ich nicht, ob er demselben in diesem Augenblicke noch angehört.

Der Fürst, der das stolze Palais an dem englischen Quai von seiner Familie ererbt hatte, bewohnte gleichzeitig als Dmitri Jelagin ein Zimmer im Hause Sujeff an der Fontanka, das ihm als Absteigequartier diente, so oft es ihm gefiel, sich seiner fürstlichen Hoheit zu entäußern, den Konspirator oder den Don Juan zu spielen, der für seine Liebesabenteuer ein verschwiegenes Plätzchen suchte.

Man stelle Nachforschungen an und man wird alle meine Angaben bestätigt finden^

Ich bemerke schließlich noch, daß die Sitzungen des Exekutivkomitee's meist im Narwaer Stadtteile in einer Fuhrmannskneipe der kleinen Landstraße stattfanden, auf deren Schild eine Peitsche und ein Schnapsglas gemalt ist. Zuweilen ver­sammelten sie sich auch auf dem Zimmer eines- gewissen Baklanoff, der im Bunde den NamenDer Ukrainer" führt, im Hause Olivier der großen Sadojawa..

Der Himmel möge es mir verzeihen, daß ich diese Anzeige gemacht habe; ich habe es mit einem zerriffenen Herzen gethan, dem Derjenige den Todesstoß versetzt hat, gegen den sie gerichtet ist. Möge die menschliche Gerechtigkeit mit ihm ver­fahren wie sie cs für gut findet und wie er es verdient. Vera Timanoff."

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Der Fürst hatte den Bericht gelesen und einen Blick in die Papiere geworfen, die ihm beigelegt waren.

An wen war diese Anzeige gerichtet?" fragte er dann.

An den Polizeirat Waldeck, den Chef des Detektiv-Korps, in dessen Dienst sie stand. Sie wollte diesmal wirklich der Polizei als Spionin dienen, und sie war. wie es scheint, dabei von dem Gedanken geleitet, an Dir einen Akt der Rache auszuüben."

(Fortsetzung folgt.)