L82
den Forderungen der Schnelligkeit, leider aber ist der Tiefgang der Torpedos (1,80 Meter) für die Gewässer der Berliner Umgebung ein zu großer; das Boot mußte sich stets genau in der Fahrrinne halten, über deren Lage genaue Karten nicht existieren. Die Fahrt mit dem Torpedoboot war daher namentlich des Nachts für den mit dem Wasserlauf nicht sehr vertrauten Schisfsführer eine sehr schwierige und das Torpedoboot ist daher vor allem aus diesem Grunde wieder nach Kiel zurückgeschickt worden. Der in Aussicht genommene neue Dampfer soll die Geschwindigkeit der Torpedos mit geringem Tiefgang verbinden.
Hannover, 0. Juni. Zum Unglücksfall des Zirkus Carrö. Der Kaiser hat nun ebenfalls Herr Direktor Carrö, dessen Zirkus sich zur Zeit in Hannover befindet, seine Teilnahme aus- drücken lassen. Das seitens der kgl. Eisenbahndirektion in Hannover an Herrn Carrö gerichtete Schreiben lautet: „Seine Majestät der Kaiser und König haben von der amtlichen Meldung über das Eisenbahnunglück bei Kirchlengern mit schmerzlichem Bedauern Kenntnis zu nehmen und allergnädigst Auftrag zu erteilen geruht, den Verwundeten, sowie Ihnen allerhöchst sein Beileid zum Ausdruck zu bringen. Namens des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten benachrichtigen wir Sie hiervon ergebenst mit dem Ersuchen, auch den bei dem Unfall verwundeten Mitgliedern Ihrer Gesellschaft hiervon Kenntnis zu geben.
— Die Gesamtbevölkerung Londons beträgt 4211056 Seelen, gegen 3815704 in 1881. Die Stadt nimmt einen Flächenraum von 75334 Acres ein In welcher Weise sich die Zahl der Einwohner seit Beginn dieses Jahrhunderts vermehrte, geht aus der nachstehenden Tabelle hervor: 1801 958863, 1811 1 138815, 1821 1378947, 1831 1604994, 1841 1948417, 1851 2362236, 1861 2803989, 1871 3254260, 1881 3815 704, 1891 4211056. Bon 1851—1861 nahm die Bevölkerung um 19 Prozent zu. In der folgenden Decade siel der Prozentsatz aus 16 Prozent, um sich zwischen 1871 und 1881 wieder auf 17 Prozent zu heben; seitdem wich er wieder auf 10,4 Prozent.
Petersburg, 10. Juni. Der Czar drückte seine Entrüstung aus über die allzustrenge Ausführung des Ukas über die Judenausweisungen. Er wünsche eine allmählige Ausweisung.
— Ein eigenartiges Ve-rbrechen ist vor Kurzem in Odessa begangen worden. Der Gutsbesitzer Tin nies eff, zeigte in den Zeitungen an, daß er ein größeres Grundstück bei der Eisenbahnstation Gnilakowo für 10 000 Rubel verkaufen wolle. In Folge dessen meldeten sich zwei junge Leute, die sich bereit erklärten, das Grundstück anzukaufen und 1500 Rubel anzuzahlen, während der Kaufvertrag später ausgefertigt werden sollte. Der Verkäufer bat aber die Kauflustigen, ihm sofort in sein Kabiner zu folgen, um die schriftlichen Formalitäten auf der Stelle zu erledigen, und dabei fragte er, was die Herren auf dem Grundstück errichten wollten. Tie Käufer, welche als Weingutsbesitzer sich ausgaben, sagte» aus, es solle dort eine Wein-Großhandlung angelegt werden. Der eine der Käufer entnahm auch seiner Reisetasche eine Flasche Wein, damit Tinniejeff den vorzüglichen Tropfen kosten solle. Kaum hatte er ein Glas Wein getrunken, so wurde ihm schwindelig
und er schlief sofort ein. Als er mehrere Stunden später mit wüstem Kopf erwachte, waren die beiden jungen Männer verschwunden und mit ihnen 77,906 Rubel, welche Tinniejeff in seinem Geldschrank liegen hatte. Der Beraubte hat sich erhängt.
Sofia, 10. Juni. Fürst Ferdinand ist nach Wien abgereist, von wo er sich zur Kur nach Karlsbad begiebt.
Sofia, 10. Juni. Bei Burgas wurde der Angehörige eines Nomadenstammes verhaftet, welcher früher den Räuoerhauptmann der Bande, welche jüngst den Orient-Eisenbahnzug überfiel, beherbergt hat. Demselben wurde das Leben zugesichert, wenn er die Bande verraten hilft. Auf den Kopf jedes Räubers sind Frcs. 5000 Preis gesetzt.
Rom, 7. Juni. In der vergangenen Nacht fand in Oberitalien, wie bereits kurz mitgeteilt, ein heftiges Erdbeben statt, welches in der ganzen Provinz Venedig und in Mailand um 2 Uhr 8 Min. früh verspürt wurde; etwa um dieselbe Zeit fand auch in Verona eine starke Erderschütterung statt, welcher ein dumpfes Rollen vorausgegangen war. Die Einwohner flohen erschreckt aus den Wohnungen, die Vice-Directrice eines Pensionats ist in Folge des Schreckens gestorben; in verschiedenen Häusern stürzten die Rauchfänge ein. In Marcerigo wurden 3 Häuser zerstört, wobei 3 Personen getötet wurden, in Tregnago wurden viele Häuser beschädigt, ebenso in Babia-Calavena; an letzterem Orte wurden 17 Personen noch lebend aus den Trümmern hervorgezogen. Um 6 Uhr früh folgte ein zweiter Erdstoß. In Pav a wurde um 2 Uhr 5 Min. ein wellenförmiges Erdbeben wahrgenommen, welches etwa 15 Sekunden dauerte; ebenso fand in Ferrara um 2 Uhr 7 Min. morgens ein starkes wellenförmiges Erdbeben.in der Richtung von Süd-West nach Nord-Ost statt, und in Ravenna um 2 Uhr früh ein leichter Erdstoß.
Neapel, 11. Juni. Der neuen Ausbruchstelle des Vesuv entströmt ununterbrochen Lava; letzte Nacht kam auch ein Aschenregen. Ein Ausbruch des großen Kegels gilt als bevorstehend.
Standesamt ßalw.
Geborene:
31. Mai. Sofie, Tochter des Johannes König, Taglöhners.
3. Juni. Daniel Friedrich, Sohn des Wilhelm Bach er, Schuh- und Schäftemachers.
7. „ Friedrich, Sohn des Jakob Knecht, Commis.
Getraute:
30. Mai. Christian Jakob Kirchherr, Bierbrauer hier mit Jda Klara Kohlstadt von Witten in Westphalen.
Gestorbene:
30. Mai-, Gustav Adolf Kümmerle, 17 Jahre alt».
Sohn des Moritz Kümmerle, Stadtbaumeisters.
9. Juni. Ernst Ludwig Schmid, Metzgermeisters Witwe, Katharine, geb. Zahn, 73 I. a. 9. „ Ferdinand Adolf S a u tt c r, Schönfärber,
42 Jahre alt.
Gottesdienst
am Sonntag, den 14. Juni.
Vom Turm: 272. «
Vorm.-Prcdigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Ubr Nachm.-Predigt: Herr Helfer Eytel.
Mittwoch keine Betstunde.
Landwirt zeigen, welches sein größter Feind ist. Nächstens wirh die überaus willige sozialdemokratische Resolutions-Maschine überall in Funktion treten und nach dem vom Parteivvrstande vorgeschriebenen Schema wird gegen die Getreide-Zölle protestiert werden. Warum der sozialdemokratische Parteivorstand nicht gleich giündlich zu Werke geht und gegen a l l e Zölle protestieren läßt, also auch gegen die Jndustriezölle? Mdn weiß eben nur zu wohl, daß die Arbeiter in Form erhöhter Löhne ihren Anteil am Industrie-Zoll genießen, und dre Löhne herabgehen müssen, wenn der Zoll aufgehoben wird. Daß dem ländlichen Arbeiter und dem kleinen Besitzer, der seinen Acker im Schweiße seines Angesichts gebaut, recht ist, was dem I n d u st r i e a r b e it e r billig ist, was kümmert das den sozialdemokratischen Parteivorstand? Diesem ist es überhaupt gar nicht ernstlich um die Verbilligung des Brodes zu thun, sondern um die Schürung der Unzufriedenheit. Das beweisen die allgemeinenAnklagen, Uebertreibungen und Hetzereien der Sozialdemokraten wegen der Brod- verteuerung! Je höher die Brodpreise, um so lieber ist es den Agitatoren. An der Allgemeinheit oder an der Existenz des Bauernstandes liegt einem sozialdemokratischen Agitator gar Nichts!
Augsburg, 9. Juni. Wollmarkt. Die Zufuhren betrugen 2500 Ztr. Die Wäschen sind meist gut, die Behandlung aber durchweg mangelhaft. Es sind nur wenige fehlerfreie Lose angefahren. Heute wurde bis Mittag nahezu Alles verkauft bei einem Aufschlag von 5—8 gegen 1890. Hauptkäufer sind Händler und Spekulanten.
Innsbruck, 9. Juni. Gestern nachmittags gingen mehrere Knaben aus Zirl in die benachbarte Klamm, um Blumen zu pflücken. Ein sieben Jahre alter Knabe wagte sich an einer gefährlichen Stelle zu weit vor und stürzte in die Tiefe, wo er mit zerschmettertem Kopfe aufgefunden wurde. Die anderen Knaben trugen die Leiche nach Hause.
Wittenberg, 9. Juni. Hier mußte ein 21jähriger Buchhandlungsgehilfe öffentlich als Verschwender erklärt werden. Derselbe hatte den dritten Teil seines 72,000 betragenden Vermögens innerhalb 14 Tagen mit seiner „Braut" durchgebracht.
Berlin, 9. Juni. Ein Betrug am Totalisator in Hoppegarten ist am Freitag verübt worden. Drei Leute veränderten die Ziffer auf den Karten zu ihren Gunsten und erhielten auf die ge- fälschen Karten eine Gewinnsumme von 1200 Als der Schwindel entdeckt wurde, war es nicht mehr möglich der Thäter habhaft zu werden.
Berlin, 9. Juni. Ein kleine.r schnellfahrender Dampfer für den Kaiser soll auf der Schichauschen Werft in Elbing gebaut werden. Derselbe ist für den Verkehr auf der Havel und der Spree bestimmt. Der Kaiser hatte schon seit längerer Zeit den Wunsch, einen derartigen Dampfer namentlich für plötzlich eintretende Fahrten zur Verfügung zu haben und aus diesem Wunsch heraus war denn auch die Kommandierung des Torpedobootes nach Berlin, bezw. Potsdam erfolgt. Das Torpedoboot hat eine Fahrgeschwindigkeit von 15 Knoten, währenv beispielsweise unsere großen Spreedampfer nur 10 Knoten Fahrt haben, das Boot genügte somit wohl
dem ju> a.n Manne in einem Negligee zeigen mußte, das seine Kühnheit nur en- kouragieren konnte.
„Fürchten Sie nichts für Ihre Unschuld, schöne Henriette", sagte iächelnd der Fürst. „Ich wollte Sie nur bitten, mich bei Ihrer Herrin anzumelden. Ich muß Mademoiselle Dupre sprechen."
„Das wird nicht gut angehen, mein Fürst", sagte die Zofe, indem sie den Fürsten anlächclte und dann den Blick zur Erde senkte.
„Und warum nicht?"
„Madame ist nicht allein."
„Ah! Und wer ist bei Ihr?"
„Der Herr Staatsrat."
„Der Herr Staatsrat Gregorjew?"
„So heißt er, glaube ich."
„Teufel! Hat der rasch reüssiert!"
„Madame hat nur mit ihm soupiert. Sie befahl mir, hier zu waitm, bis sie klingeln werde. Ich war müde und legte mich etwas auf das Bett."
Der Fürst sah auf die Uhr. „Das Souper scheint lange zu dauern. Es ist halb ein Uhr."
„Ich glaube es hat eben geklingelt", sagte die Zofe, indem sie aufhorchte.
„Ich habe nichts gehört. Aber warten Sie — ich höre etwas auf dem
Korridor —"
Er öffnete die Thüre etwas, so daß er durch den Spalt, der frei wurde, aus den Korridor blicken konnte. Er sah, wie aus der Thüre, die zum Sa'.on der Schauspielerin führte, eine dunkle, in einen Pelz gehüllte Gestalt in den Korridor herausschlüpfte.
„Gleichzeitig hörte man laute Stimmen und schwere Tritte die Treppe her- cmfkommen.
Die dunkle Gestalt versteckte sick> hinter einen Schrank, der auf dem Korridor stand, um sich den Blicken der näher Kommenden zu entziehen.
In diesem Augenblicke klingelte es von Neuem, und diesmal stärker, im Nebenzimmer. Die Zofe öffnete die Mittelthüren, die in die Appartements ihrer Herrin führte, und der Fürst folgte ihr nach, nachdem er die Thür zum Korridor wieder verschlossen hatte.
Der Fürst trat durch das Schlafzimmer in das Boudoir der Schauspielerin ein, die ihm auf der Schwelle entgegentrat.
„Sind Sie's wirklich, Alexander? Wie in aller Welt kommen Sie hierher,, durch das Zimmer Henriette's? Was für Abenteuer, mein Herr!"
Sie reichte ihm ihre kleine Hand und lud ihn ein, aus dem Sopha vor dem Tische Platz zu nehmen, auf dem noch die Reste eines reichen Soupers, eine leere und eine fast ganz volle Flasche Champagner standen.
In demselben Augenblicke hörte man Stimmen auf dem Korridor. Jemand sprach sehr laut im gereizten Tone des Aergers und Unwillens.
„Um Gotteswillen" — rief Camille aus — „das ist die Stimme des Staatsrates. Was ist da vorgefallen?"
Sie wollte Henriette rufen, aber d e flinke Zofe, die in ihr Zimmer zurück- gceilt war und bei dem ersten Geräusch, das sie hörte, auf den Korridor hinausgeblickt harte, stand bereit? auf der Schwelle des Schlafzimmers.
„WaS ist geschehen, Henriette?"
„Es sind Leute von der Polizei draußen, Madame."
„Was wollen sie?"
„Sie scheinen Jemand zu suchen, und gerade als ich durch die Thürspalte hinaussah, zogen Sie den Herrn Staatsrat aus der Ecke hervor, in die er sich versteckt hatte." —
„Ein köstlicher Spaß." lachte der Fürst, „der Generalsekretär der dritten Abteilung wird von der Polizei verhaftet. (Forts, folgt.)
»