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M 69.

Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

66. Jahrgang.

Erscheint D i en S t a a , Donnerstag und SamStag.!' Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- >! gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg. , !>

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Orlsarmknbkhärdkn

werden

1) davon in Kenntniß gesetzt, daß nach einein Beschluß der Landarmenbehörde vom 2. Mai d. I. bis zu Erlassung eines von dem K. Ministerium des Innern zu erwartenden Tarifs für die Verpflegung erkrankter, arbeitsunfähiger, landarmer Personen im Alter von 14 Jahren und darüber in einem Kranken­hause ein Betrag von täglich 1 ^ 40 -üj vom 1. April d. I. an erstattet werden soll. In diesem Tarifsätze sollen auch enthalten sein die Kosten der ärztlichen Behandlung, der verordneten Arzneien, Getränke, Bäder, Bett- und Leibwäsche, der Reinigung der Kleider von Ungeziefer, sowie der etwa notwendig werden besonderen Heizung und Beleuchtung, während für schwerere Fälle eine besondere Liquidirung erheb­licher außerordentlicher Mehraufwendungen für ärzt­liche Behandlung und Arzneien Vorbehalten bleibt. Besondere Rechnung ist zulässig für geliefere Kleidungs­stücke, sowie für ^Brillen, Bruchbänder und ähnliche Heilmittel;

2) angewiesen, in jedem Fall eines Antrags >auf Ausweisung einer landarmen Person aus dem Auslande Vorlage an die Landarmenbehörde zu machen und deren Bescheid abzuwarten;

3) angewiesen, jede Veränderung in den per­sönlichen oder vermögensrechtlichen Verhältnissen Land­armer, insbesondere im Fall von Erbschaften oder anderen Zuwendungen, sofort der Landarmenbehörde anzuzeigen;

4) erinnert, die Circuläre vom 30. Juli und PI. Dezember 1890, insbesondere die Formularien ^ und k genau zu beachten;

5) wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß die Correspondenzen mit der Landarmenbehörde und

Samstag, den 13. Zuni 1891.

Landarmenpflege durch Bezirkswerthzeichen zu frankiren sind.

Calw, den 11. Juni 1891.

K. Oberamt. Supper.

Tages-Neuigkeiten.

Stuttgart, 9. Juni. Zur Warnung für Tierquäler möge hier die Meldung Platz finden, daß in Karlsruhe dieser Tage ein Polytechniker, der mutwilligerweise seinen Hund auf eine Katze gehetzt und so den Tod des Tieres herbeigeführt hatte, außer zum Schadenersatz von 25 ^ zu einer Geldbuße von 200 nebst Kostenfolge verurteilt wurde.

Vom Rothenberg, 9. Juni. Schon seit einigen Tagen giebt es hier reife Kirschen, die zum Preis von 2530 ^ per Pfund verkauft werden. Hält die warme Witterung an, so wird zum Ende dieser Woche die Kirschenernte allgemein beginnen. Die Niederschläge in den letzten Tagen, haben die Vegetation sehr gefördert, namentlich steht nun das Wiesengras recht üppig. Der fortbestehende Wasser­mangel hat die Gemeindevertretung veranlaßt, der Frage einer Wasserleitung näher zu treten. Er­hebungen und Berechnungen werden gegenwärtig von sachverständiger Seite angestellt. Hiebei scheint vie Annahme, daß unsere Höhen selbst die genügende Wassermenge bieten, ausgeschlossen; wir werden viel­mehr das Wasser mittelst Pumpwerk vom Thale be­ziehen müssen. Neuerdings spricht man auch von einem Anschluß an die Nachbargemeinde Untertürkheim, für welche die Herstellung einer Wasserleitung eben­falls in Aussicht genommen sein soll.

Ludwigsburg. Im Favoritepark sind zwei indische Axishjrsche angekommen, welche den seit Jahren schon im Park heimischen Tieren dieser Art zwecks Blutauffrischung beigesellt werden sollen. Die schönen

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt BO Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. IS, sonst ia ganz Württemberg Mk. 1. SS.

Tiere wurden durch Vermittlung einer Hamburger Tierhandlung direkt aus Indien bezogen und haben die weite Seereise gut überstanden.

Eßlingen, 10. Juni. Auf dem heutigen Wochenmarktwaren Kirschen bereits von 12 an per Pfund zu haben.

Kirchheim u. T., 10. Juni. Gestern kam der Eßlinger Wirtsverein, ca. 50 Personen, hier an und machte einen Ausflug auf die Teck. Mit dem Nachmittagszug trafen weitere Gäste von Stuttgart, Eßlingen und Göppingen ein, ebenso hiesige Wirte. In der Post (Hotel Silber) fand das gemeinsame Mahl statt. Bei demselben nahm unter andern Toast- Rednern auch der Landtagsabg. Ehninger, Besitzer des hiesigen Gasthofs zur Sonne das Wort und sagte nach derKirchheimer Ztg":Die Aussicht von der Teck würde noch schöner und interessanter sein, wenn der Blick auf ein freies Schwaben sich richten könnte, wo die Wirte nicht mehr unter dem Druck des Umgeldes zu leiden hätten, vielmehr eine gleich­mäßige Besteuerung eingeführt wäre, wie sie Hessen seit vorigem Jahr besitze." Heidinger-Stuttgart forderte auf, bei den nächsten Wahlen nur solche Kandidaten zu unterstützen, welche sich für Abschaffung des Umgelds erklären. Auf Herrn Ehninger wurde ein Hoch ausgebracht, zum Danke dafür, daß er sich bei den letzten Kammerverhandlungen durch Abstimmung der Wirte angenommen.

Thieringen O.A. Balingen, 7. Juni. Gestern nachmittag arbeiteten die beiden Töchter des Bauers Koch von hier auf dem Felde, wobei sie vor dem Gewitter, das über den Heuberg hinzog, unter Bäumen Schutz suchten. Ein in diese Baumgruppe einge­schlagener Blitz tötete das 24 Jahr alte blühende Mädchen, während die jüngere Schwester unbeschädigt blieb.

Ravensburg, 10. Juni. Der Oberschw. Anz. schreibt: Die von den Sozialisten betriebene Hetze wegen Aufhebung der Getreidezölle wird jedem

Nachdruck verbaten.

Die Spionin.

Roman aus dem russischen Nihilistenleben.

Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.

Von Willibald Mencke.

(Fortsetzung.)

Versuchen wir es. Aber wird es nicht auffallen, daß Du ohne Kutscher fährst?"

Oder, halt, ich weiß etwas Besseres. Siehst Du, dort im Hotel Demut steht daS Thor offen. Ein Hausknecht trägt einen Koffer in den Wagen. Halte dort an. Ich springe heraus und trete in das Hotel ein, Du fährst weiter nach dem Bahnhofe. Man wird mich verfolgen und nicht Dich. Hier ist daS Geld, das -wir für Dich gesammelt haben, tausend Rubel. Reise über Warschau nach Wien; Du kommst dort leichter über die Grenze als bei Wirballen. Es giebt dort Juden, die für hundert Rubel einen, der keinen Paß hat, über die Grenze schmuggeln."

Uber der Schlitten, die Pferde?"

Wer fragt nach Schlitten und Pferden? UebrigenS halte bei dem Traiteur vor dem Bahnhofe an und gehe zu Fuß hinüber. Da ist das Hotel! Reise glücklich, J»an! Kein Händedruck! Du bist mein Kutscher, Halt!" Der Fürst sprang aus dem Schlitten, der sich gleich darauf wieder in Bewegung setzte.

Der Fürst trat in das Hotel ein und redete den Portier an, der ihm ent- grgenkam und dem er wohlbekannt war.

Freund Wassia", sagte er in flüsterndem Tone,Du könntest mir eine Ge­fälligkeit erweisen, für die ich Dich mit hundert Rubeln belohnen würde."

Selbst für einen Portier des Hotels Demut findet sich nicht jeden Tag ein« Gelegenheit, hundert Rubel zu verdienen, und der Portier machte daher große Äug«.

Sie befehlen. Eure hohe Gnaden?"

Mademoiselle Camille Dupre hat mich zu sich bestellt. Ich will nicht, daß man erfährt, wer bei ihr ist, Du verstehst mich?"

Ich verstehe", sagte der Portier mit einem grinsenden Lächeln.

Wenn Jemand fragen sollte, wer soeben eingetreten ist, so sagst Du, es sei irgend ein Geschäftsreisender gewesen, der im dritten oder vierten Stocke wohne. Auf jeden Fall weißt Du nicht, daß ich im Hotel bin, auch wenn die Polizei sich erkundigen sollte. Du brauchst mich ja nicht erkannt zu haben."

Ganz wohl. Eure hohen Gnaden."

Denk an die hundert Rubel und sei auf der Hut." '

Der Fürst sprang mit leichten Schritten die Treppe hinauf. Der Korridor des ersten Stockes, in dem er dann leise den Weg nach einer ihm wohlbekannten Thüre einschlug, war nur durch einen einzigen Gaslüster erhellt, dessen Hahn halb zugedreht war und dessen Flamme» nur ein mattes, ungewisses Licht verbretteten.

Vor der Thür Nr. 18 blieb er stehen. Er klopfte und horchte am Schlüssel­loch. Im Zimmer drin blieb Aller still. Niemand hatte ihn gehört.

Er klopfte nochmal» und diesmal stärker.Wer ist dar?" ließ sich jetzt eine Helle Stimme vernehmen.

Ich bin», Fürst Alexander" antwortete er in französischer Sprache. Machen Tie mir auf, HenriE«, ich muß Sie sprechen."

Gleich, gleich. Ich will nur etwa» Tostette machen."

ES ist nicht nötig, mein schönes Kind. Oeffnen Sie mir."

Der Schlüssel drehte sich im Schlosse. Der Fürst trat ein und schloß rasch hinter sich die Thür. Das klein« Ammer mar behaglich erwärmt. Auf dem Tische vor dem Bette, von dem sich die Zofe der Schauspielerin soeben erhoben hatte, flackerte ei» Licht.

DaS hübsche Mädchen errötete, als sie sah, wie der Fürst Anstalten machte, mit ihr allein zu sein. Vielleicht war sie auch « Verlegenheit darüber, daß sie sich