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Nr. 279
Verschleuderung deutscher Arbeit.
Die deutsche Industrie als Preisdrükker auf dem Weltmarkt.
Folgen der schlechten Valuta.
In der „Voss. Ztg." beschäftigt sich der bekannte Berliner Großindustrielle Geh. Kommerzienrat Felix Deutsch, Vorsitzender des Direktoriums der Allg. Elektrizitätsgesellschaft mit der Frage, ob Deutschland imstande ist, weiter in dieser Weise sich auskaufen zu lassen. Deutsch gibt dabei eine Reihe von Zahlen an, die ein bezeichnendes Streiflicht auf die Gefahr werfen, in der wir uns befinden. Er schreibt:
„Der deutsche Fabrikant ist sich anscheinend nur in den seltensten Fällen über die günstige Lage klar, in der er sich befindet- Er denkt nicht an den internationalen Warenhunger, sondern ist genau wie in der Friedsnszeit von der Furcht beherrscht, daß sein Konkurrent ihn unterbieten könnte, und so tritt denn die deutsche Industrie in vielen Fällen im Ausland als Preisdrücker auf. Aus der großen Zahl der mir bekannt gewordenen geradezu unsinnigen Offerten will ich nur ein paar herausgreifen, nm die Lage zu kennzeichnen:
Nach der Schweiz sind in der letzten Zeit von deutschen Waggonfabriken Waggons zun, Preise von 23 000 Mk. angeboren worden, für die schweizerische Fabriken 23 000 Franken, also das Fünf- bis Sechsfache gefordert haben. In ähnlicher Weise wurden Zahnräder für 30 Mark offeriert, die die Schweizer Fabriken für 30 Franken anboten. Im neutralen Ausland lag eine deutsche Offerte für Großgasmaschinen zum Preise von 980000 Franken vor, für die die Ententeländer 2,2 Millionen Franken verlangten. Nach Luxemburg wurden deutsche Lokomotiven von etwa 52 Tonnen Gewicht mit 225 000 Mark geliefert, während belgische Verkäufer für ganz ähnliche Lokomotiven von nur etwas leichterem Gewicht 198 000 Franken forderten. Besonders stark sind die deutschen Unterbietungen in der letzten Zeit in Skandinavien gewesen. Deutsche Fabriken erboten sich in Schweden zur Lieferung von Kränen für 50 000 Kronen, für die von schwedischen Fabriken Offerten für 200 000 Kronen Vorlagen. In Kopenhagen lagen Preisofferten für Automobile von 5000 Kronen vor, die die dänischen Fabriken erklärten, nicht unter 12 000 Kronen liefern zu können. In Spanien ist neuerdings Kleineisenguß zum Einheitspreis von 86 Pesetas von Deutschland, 68 von Frankreich, 70 von England ange- boten worden.
Ich glaube, fährt Deutsch fori, diese Beispiele sprechen eine beredte Sprache. Man braucht kein Wort darüber zu verlieren, daß es sich hier um Verschleuderung deutscher Arbeit handelt, die im deutschen Interesse schon an und für sich bedauerlich ist! Aber die deutschen Preisdrücker, die auf diese Weise helfen, das deutsche Reich möglichst auszuverlaufen, scheinen sich über die internationalen Wirkungen, die ein solches Verhalten haben muß, gar nicht einig zu sein. Vor kurzem erst erregte es mit Recht Unwillen in Deutschland, daß deutschen Arbeitern gesagt wurde, sie sollten sich nicht durch die Phrase betören lassen, daß es nötig sei, durch vermehrte Arbeit die deutsche Valuta zu heben, denn die Kapitalisten wollten die deutsche Arbeiterschaft nur als Preisdrücker gegenüber dem Ausland verwenden. So kurzsichtig und so gefährlich eine solche Propaganda der Obstruktion gegen deutsche Aussuhrarbeit an und für sich ist, so muß auf der anderen Seite jedoch gesagt werden, daß das Verhalten mancher deutscher Anbieter im Ausland dieser Propaganda einen Schein von Berechtigung gibt. Tatsächlich haben nämlich die dänischen Gewerkschaften sich bereits mit den deutschen Arbeiterorganisationen in Verbindung gesetzt und diese veranlaßt, der deutschen Schleuderkonkurrenz im Ausland entgegenzutreten. Es ist in Skandinavien und ebenso auch in England und Frankreich bereits angeregt, einen Einfuhrzoll in Höhe der Valutadifferenz zu erheben, und vor ungefähr zwei Wochen haben in der Wweiz Beratungen darüber stattgefunden, ob es nicht notwendig sei, die Grenzen gegen Deutschland zu schließen, um den Eingang zu billiger deutscher Waren zu lähmen."
Der Verfasser des Artikels sieht in der Erhaltung der Zwangswirtschaft das einzige Abwehrmittel gegen diese Ausverkaufsgefahr. Er möchte gerne den Ausdruck „Planwirtschaft" vermeiden, doch kommt das, was er will, auf dasselbe heraus. In Wirklichkeit wird man wohl kaum annehmen dürfen, daß uns damit geholfen würde, denn ein starker Ausfuhrzoll würde wohl erst recht das Schiebertum groß- '
Die Frage von Seapa-Flow.
Die deutsche Regierung hat im Anschluß an die mündlichen Besprechungen dem Generalsekretär der Friedenskonferenz eine Denkschrift über den Standpunkt der deutschen Regierung in der Scapa-Flow-Frage übergeben lassen, in der u. a. hervorgehoben wird, daß hurch die im Waffenstillstandsvertrage vereinbarte Jniernierung der deutschen Kriegsschiffe in keiner Weise über deren Schicksal .endgültig entschieden und die Verpflichtung der deutschen Regierung mit der pflichtgemäßen Entsendung der Schiffe nach dem futk ok üortk erfüllt war.
Ausschlaggebend für die Beurteilung der ganzen Frage sei die Tatsache, daß die Versenkung der Schiffe nicht dem
Montag den 1. Dezember 1919
Verhalten der deutschen Regierung, sondern dem Verhalten der a. und a. Regierungen zur Last gelegt werden müsse: Die Kriegsschiffe sind im Widerspruch mit den Bestimmungen des Waffenstillstandes und ohne Rücksicht auf die deutschen Proteste nicht in einem neutralen, sondern in einem britischen Hafen interniert worden. Die Gegner haben die Internierung in den in Betracht kommenden neutralen, namentlich also niederländischen und skandinavischen Häfen überhaupt nicht versucht. Infolge der Unterbindung jeden Verkehrs mit der Heimat mußte Admiral v. Reuter in jenen Tagen zu. der Ansicht kommen, der Waffenstillstand lause ain 21. Juni mittags ab. Darauf veranlaßte er nach seemännischem Brauch die Versenkung. 'Admiral v. Reuter war in Scapa-Flow der Befehlsgewalt der deutschen Regierung tatsächlich entzogen. Damit entfällt von vornherein jede Haftung der deutschen Regierung für die Handlungen des Admirals; denn für Anordnungen eines kriegsgefangenen Militürbefehls- habers ist sein Heimatstaat nicht verantwortlich. Außerdem kommt aber das eigene Verschulden der'Gegner hinzu, deren vertragswidriges Vorgehen die eigentliche Schuld der Versenkung geworden ist. _
Die deutsche Regierung kommt in der Denkschrift zu dem Ergebnis, daß die deutsche Regierung jede Verpflichtung von Leistungen, die von ihr aus Anlaß der Versenkung gefordert werden, von rechtswegen als unbegründet zurückweisen muß. Zum Schluß wird betont, daß es nicht den Absichtender deutschen Regierung entspreche, wenn durch eine derartige Streitfrage das auch deutscherseits dringend erwünschte alsbaldige Inkrafttreten des Friedensvertrages verzögert werden würde. Sie macht deshalb den Vorschlag, die Angelegenheit dem ständigen Schiedsgerichtshof im Haag zur Entscheidung darüber zu unterbreiten, ob die deutsche Regierung für die Versenkung der Schiffe verantwortlich ist, im Bejahungsfälle welcher Schaden den a. und a. Mächten durch die Versenkung erwachsen ist und wie dieser Schaden von Deutschland wieder gut zu machen wäre.
Wieder eine Enttäuschung.
Die schwäbische Liga zum Schutze deutscher Kultur schreibt uns:
„Die Weltrevolution marschiert!" Mit Riesenbuchstaben ist es so und so oft der Welt verkündet worden, und wenn in irgend einem Lande der Welt, eine sozialistische Versammlung Beschlüsse faßte, die sich irgendwie im Sinne oder zu Gunsten einer Weltrevolntion auslegen ließen, darin jubelten unsere Radikalen in ihren Blättern und Versammlungen und sahen darin wieder einmal das Heil der Zukunft u. Rettung aus aller Not. Alle Warnungen auf dergleichen Kundgebungen keinen Wert zu legen, verhallten vor dem Geschrei: „Es lebe die Weltrevolution!" Der Wunsch war eben auch hier der Vater des Gedankens. Was man so sehr wünscht steht man kommen, und wenn es auch nur Fata morgana ist. Es mußterr erst Tatsachen kommen, die dergleichen Phantastereien und Utopien zu zerstören vermochten. Was man den Radikalen immer vorgehalten hat, daß nämlich in den Ländern der Sieger keinerlei Neigung zur Revolutionie- rung bestehe und vollends keine Partei zur Weltrevolution die Hand bieten werde, ist durch Tatsachen jetzt bestätigt worden. Frankreich, auf dessen Sozialisten unsere radikalen Wortführer die stärksten Hoffnungen gesetzt hatten, hat sich eine neue Volksvertretung gewählt, und dabei haben die Sozialisten im allgemeinen, die Radikalen aber unter ihnen ganz besonders schlecht abgeschnitten. Die letzteren verloren 85 Sitze und traten sie zum größten Teil an die Bourgeoisie- Parteien ab. Der Franzose ist eben in erster Linie Nationalist und dann erst Parteimann, und das französische Volk denkt gar nicht daran, sich die Errungenschaften des Sieges durch Revolutionäre, die den Versailler Frieden als einen Gewaltfrieden nicht anerkennen wollen, entreißen oder verkümmern zu lassen, und so erfahren unsere Jllusions- politiker durch den Ausfall der französischen Wahlen eine schwere Enttäuschung. In Italien und Belgien hat ebenfalls das Volk durch die Wahlen sein Votum abgegeben. In dem elfteren haben die Sozialisten zwar eine Änzahl Mandate erobert, diesem Gewinn steht aber eine Zunahme der Katholiken gegenüber und außerdem denken die italienischen Sozialisten nicht an eine Weltreoolution. Aehnliches gilt von Belgien, wo ebenfalls kein sozialistischer Zuwachs in der gewählten Volksvertretung zu verzeichnen ist. Aber auch hier sind die Sozialisten nicht von jenem Radikalismus, der sein Ideal in einer Weltrevolution erblickt. Unsere Wolken- kuckuksheimer sind durch diese Geschehnisse von harter Hand vor die Wirklichkeit gestellt worden. Ob sie aber durch diese Enttäuschung belehrt sein werden, daß das Mittel einer Weltrevolntion in weiter nebelhafter Ferne liegt, muß man angesichts ihrer Verbohrtheit stark bezweifeln.
TageS-Neuigkeiten.
Der „Krieg" mit Lettland.
Berlin, 28. Nov. Wie die Deutsche Allg. Ztg. erfährt, sind bereits neue Waffenstillstandsverhandlungen mit den Letten im Gange. Da die Kriegserklärung wohl ergangen, zur Kriegsführung jedoch niemand da istz so braucht rein
93. Jahrgang
praktisch genommen, der Abbruch der Beziehungen nicht zu tragisch aufgefaßt zu werden. Und es dürste zu kriegerischen Verwicklungen schwerlich kommen. Warum überhaupt der Krieg erklärt worden ist, ist nicht recht ersichtlich. Von Seiten der Letten wird allerdings eine Reihe von Forderungen gestellt, die erkennen lassen, daß es den Letten in erster Linie um den Besitz des deutschen Heeresmaterials zu tun ist. — Lautet doch die dritte Forderung auf Uebergabe allen Materials in unversehrtem Zustande. Die Mitglieder der lettischen Gesandtschaft in Berlin werden erst dann ihre Pässe zugestellt erhalten, wenn die ungestörte Ausreise der deutschen Bevollmächtigten in Riga gesichert erscheint. Man darf als Motiv der Erklärung des Kriegszustandes auch annehmen, daß die lettische Regierung, deren Stellung bereits schwankend geworden waren, bei dem ausgesprochenen Deutschenhaß der lettischen Bevölkerung durch diese Handlung ihre eigene Lage zu verbessern hofft.
Helsingfors, 28. Nov. Die russischen Nordwesttruppen werden, soweit sie sich nicht freiwillig dem Befehl der Esthen unterstellen, entwaffnet. Die Liquidation der Nordwest-Angelegenheiten bereitet große Schwierigkeiten. In Narwa befinden sich etwa 50 russische Generale. Die finnische Regierung wird mit Gesuchen um Einreiseerlaubnis bestürmt, doch wird prinzipiell nur die Durchreise erlaubt. Die Mitglieder der russischen Nordwest-Regierung und andere hervorragende Russen wollen nach Paris übersiedeln.
Ein Millionengeschenk an Litauen.
Kowno, 28. Nov. (Havas.) Die deutsche Regierung hat alle litauischen Bedingungen angenommen. Sämtliches Kriegs- und Eisenbahnmaterial der deutschen Truppen ist den Litauern übergeben worden. Das besetzte Gebiet wird unter der Kontrolle Litauens geräumt in einer noch nicht festgesetzten Frist. Litauen verpflichtet sich seinerseits, seine Offensive einzu st eilen und seine Streitkräfte hinter der Demarkationslinie zu halten, sowie der deutsch-russischen Armee die Benutzung der litauischen Eisenbahnen für den Rücktransport zu garantieren. Die alliierte Kommission für das Baltikum wird die Innehaltung der Bestimmungen überwachen.
„Hei lewet noch".
Aus dem Untersuchungsausschuß wird mitgeteilt: Es werden Gerüchte verbreitet, als ob der parlamentarische Untersuchungsausschuß seine Arbeiten einstellen und langsam in der Versenkung verschwindeil wollte. Das Gegenteil trifft zu. Der Ausschuß arbeitet daran, seine Methodik zu verbessern. Unrichtig ist es auch, daß beschlossen sei, daß der Untersuchungsausschuß vor Weihnachten keine öffentlichen Sitzungen mehr abhalten iverde. Ueber den Zeitpunkt der weiteren Vernehmung Hindenburgs und Ludendorffs konnte mit Rücksicht auf die Geschäftslage der Nationalversammlung ein Beschluß noch nicht gefaßt werden. Nach Abschluß dieser Vernehmung wird allerdings der 2. Untersuchungsausschuß eine längere Pause eintreten lassen, da das Material für seine weitere Tätigkeit noch nicht hinreichend gesichtet ist. Die Bearbeitung der Akten ist ebenso wichtig wie die Vernehmung der Auskunftspersonen. Mit der Bearbeitung der Akten sind augenblicklich die Untersuchungsausschüsse I, 3 und 4 vollauf beschäftigt. Die Arbeit des ersten UntersuchungsaNsschusses, der die Vorgeschichte des Krieges untersuchen soll, ist soweit gediehen, daß mit der öffentlichen Vernehmung von Auskunftspersonen voraussichtlich zu Beginn des neuen Jahres angefangen werden kann.
Wie der „Vorwärts" erfährt, wird eine Aenderung des bisher angewandten Verfahrens des Untersuchungsausschusses ins Auge gefaßt. Die Vernehmungen sollen sich auf ein reines Verhör der Zeugen beschränken, also auf Fragen der Mitglieder des Ausschusses und auf die Antworten der Zeugen auf die betreffenden Fragen. — Der „Vorwärts" begrüßt diese Absicht und bedauert nur, daß sie sich erst auf Erfahrungen stützen müsse, die man im Interesse des Ansehens der Kommission besser erspart hätte.
Am unsere Gefangenen.
Das Komitee der Internationalen Christlichen Arbeitervereinigung richtete im Namen der christlichen Arbeiterschaft aller Länder an den Obersten Rat in Paris einen dringenden Appell, in dem die Freilassung der Gefangenen gefordert wird.
Die Parteien des bayerischen Landtages haben heule eine kraftvolle Kundgebung für die Herausgabe unserer Kriegsgefangenen in die Welt gerichtet: „Die Parteien des bayr. Landtages ohne Unterschied erheben in einer alle politischen Gegensätze überbrückenden Einmütigkeit gegen die unerhörte ' Gefangenennote des französischen Ministerpräsidenten den lautesten Protest. Im Namen unserer bayerischen u. deutschen gefangenen Volksgenossen und ihrer vom tiefsten jahrelangen Leid und schwerer Sorge erfüllten bayerischen und deutschen Familien rufen sie die ganze kultivierte Menschheit auf zur tatkräftigen Mitwirkung in dem Bestreben, unfern Kriegsgefangenen den erbarmungslos verlegten Weg zur deutschen Heimat endlich zu öffnen." Die Kundgebung ist von sämtlickien Parteien unterzeichnet.