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Nr. 278

Samstag den 29. November 1919

93. Jahrgang

Das neue Kirchenjahr.

(Zum Adventsfest.)

Jst's nicht merkwürdig, daß die Kirche einen eigenen Jahresanfang hat? Sie geht nicht mit dem allgemeinen Neujahr, sie rechnet von Advent zu Advent. Wie rückständig und eigenbrödlerisch! Feiern die Israeliten ihr Neujahr im Herbst und haben nun seit 25. September die Jahreszahl 5680, so bekümmert sich die Menschheit nicht weiter darum. Auch auf Advent, den Neubeginn unsres kirchlichen Kalen­ders, gibt die große Welt wenig acht. Was soll ihr diese Sonderbarkeit?

Dem frommen Herzen ist's und bleibt's ein. schöner, heiliger Brauch. Schon dadurch wird er bedeutsam, daß damit gesagt ist: Wir Christen rechnen noch anders, als die Welt rechnet! Dein Leben als Mensch beginnt mit der Ge­burt, dein Leben als Christ mit der Taufe. So tut sich uns, ohne Rücksicht auf der Zeiten Lauf, an Advent ein festlicher Tag auf: Gott hat Gnade in neuer Fülle für deine Seele! Das ist liebe Botschaft, die wir brauchen können. Am bür­gerlichen Neujahr liegt's grau und alltäglich vor uns, die Reihe der Arbeitswochen gleicht einer langen, staubigen Land­straße. Am Advent leuchtet es hell und golden: Sonntage, Festtage, Feiertage, heilige Zeiten in kostbarer Reihe. Und als erstes klingt es verheißungsvoll:Freue dich, Christkind kommt bald!"

Das ist der besondere Wink, den Advent gibt. Das Wort weist auf die Ankunft dessen, der einst im Fleisch er­schien und nun wieder Einkehr halten will in der jammer­vollen Welt. Die hat so gar wenig, was erfreut. Da geht uns mitten in der Finsternis ein großes Freudenlicht auf. Der Heiland will kommen, und unsre Antwort heiße: Willkommen!" Wenigstens soviel Kraft müssen wir Mat ten und Verzagten aufbringen, daß wir uns diesem Lichtschein zuwenden, weg vom allgemeinen Trübsinn u. Kleinglauben. Das gibt einen richtigen Neuanfang, ein Gnadenjahr Gottes.

Lasten wir's nicht bloß im Kalender stehen:Advent", lassen wir in unsrem Leben wirklich ein Neues beginnen durch Gottes Liebe und Jesu Kraft! Dann hat der Festtag doch seine alte gute und schöne Bedeutung, wie es noch immer an der armen Welt und unsern armen Herzen Wahrheit werden darf:Siehe, ich mache alles neu!"

Wochenrundschau.

Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk ha­ben in diesen Tagen eine schwere Belastungsprobe zu be­stehen. Die Prüfung kommt von außen und von innen. Der rachsüchtigeTiger" Clemenceau, der durch den Wahl­sieg der nationalistischen Parteien Frankreichs auf seinen Rück­tritt verzichtet hat, ersann neues Unheil über Deutschland, ein neues furchtbaresWehe dem Besiegten!" Verschärft wird die neue Verzögerung des Friedens, der auf I. Dezbr. ds. Js. in Kraft gesetzt werden sollte, durch eine neue Note Clemenceaus, in der dieser auf das deutsche Ansuchen nach Freigabe der Gefangenen eine höhnisch-brutale, ja grausame Antwort gibt. Clemenceau verlangt buchstäbliche Erfüllung des Versailler Friedensvertrags, er weist die Forderung auf Herausgabe der deutschen Gefangenen glatt zurück. Wir müssen also alle Hoffnung sinken lasten, daß schon in den nächsten Monaten unsere 435000 deutschen Brüder aus franz. Gefangenschaft heimkehren dürfen. In Frankreich gibt es kein Erbarmen, kein Mitleid. Es ist schon so, wie ein Schweizer Blatt dieser Tage schrieb, im Hinblick darauf, daß ein volles Jahr nach Beendigung des Krieges die Ge­fangenen noch zurückbehalten werden': Was sind doch die Menschen für Bestien geworden! Frankreichs Verhalten sei die größte Schmach des Jahrhunderts. Clemenceau bringt die Rückkehr der Gefangenen in Zusammenhang mit der Auslieferungsfrage von Deutschen, die die angeblichen Greuel" begangen haben sollen und vor allem mit der Stellung deutscher Arbeiter für den Wiederaufbau. Auf eine Protestnote des Präsidenten der deutschen Friedensdelegation, Freiherrns v. Lersner, die mit Nachdruck darauf hinweist, daß die Feinde seinerzeit die Gefangenenfrage von der Frage des Inkrafttretens des Friedens getrennt haben, erwidert Clemen­ceau in alter gehässiger Weise: Der Friede solle am 1. Dez. ratifiziert werden, wenn Deutschland das Zusatzprotokoll, das Frankreich die rechtlichen Mittel geben soll, Deutschland die Daumenschrauben weiter anzuziehen, unterzeichnet habe. Die Schuld an der Hinauszögerung des Friedens treffe die deutsche Regierung.

Die Reichsregierung hat auf diese neue Herausforderung mit einer umfangreichen Note geantwortet, die in erfreulich entschiedenem Ton gehalten ist. Sie überführt die franzö-

sische Regierung einer Lüge in der Frage der Heimschaffüng der deutschen Gefangenen. Eine Note über die Versenkung der Kriegsschiffe in Scapa Flow, die den Anlaß zu der 400 000 Tonnen-Forderung gab, wurde gleichzeitig überreicht.

Die Verzögerung der Friedensfrage liegt aizch beim amerikanischen Senat, der mit 53 gegen 38 Stimmen die Vorbehalts,lose Ratifizierung abgelehnt hat. In der neuen Session des Kongresses, die am l. Dez. beginnt, wird der Antrag Lodge, den Krieg mit Deutschland beendet zu erklären, behandelt werden. Wilson ist gegen eine derartige Beendi­gung des Krieges,, er hängt am'Völkerbund, von dem aber der geschäftstüchtige Amerikaner nichts wissen will. Dagegen hat die Schweiz mit 128 gegen 143 Stimmen dem Eintritt in den Völkerbund zugestimnit.

Zur äußeren Not kommen die inneren Schwierigkeiten, eine Art Krise in der Reichsregierung. Den Anlaß hiezu gab das Betriebsrätegesetz und zwar besten Artikel 34, der die Aufgaben der Betriebsräte regelt und vorsieht, daß bei Betrieben mit Aufsichtsräten zwei Mitglieder des Betriebs­rates im Aufsichtsrat mit gleichen Rechten und Pflichten Sitz und Stimme haben sollen.

Der Reichstag war an der Arbeit. Er hat die großen Steuervorlagen der Reichsabgabenordnung in zweiter Lesung angenommen. Die Länder und Gemeinden haben ihre Steuer­hoheit ans Reich abgetreten. Aber von der Reichseinkom­mensteuer bleibt ihnen ein gewisser Anteil, 90 Prozent von den niederen Einkommen, bis 20 Prozent von den Einkom­men über 400 000 Mk. Es fällt ihnen auch die Grund-, Gewerbe- und Vergnügungssteuer zu, letztere allerdings für Gemeinden. Wenn zu diesem Steuerstrauß in den nächsten Wochen noch das Reichsnotopfer, die Umsatzsteuer, die Erb­schaftssteuer und die Luxussteuer kommt, welch letztere im Ausschuß des Reichstages auf 15 Prozent (statt 10 Prozent der Regierungsvorlage) erhöht wurde, so hat der sächsische Finanzminister, der sich jetzt schon gegen eine zu starke Be­lastung Sachsens ausspricht, das Recht zu fragen, ob das nicht über die Kraft des Steuerzahlers gehe. Herr Erzberger ist zuversichtlich. Erst dieser Tage gab, er eine Mitteilung von guten Erträgnissen im laufenden Steuerjahr. Die Spar­prämienanleihe soll 5 Milliarden einbringen, ein Tropfen im Heere der Schulden!

Wiirttemberg wird nun Ernst machen mit der Bekämpf­ung der Schwarzschlachtungen und des Schleichhandels mit Fleisch: Künftig kann gegen Uebertreter der Fleischvorschrif­ten nur auf Gefängnisstrafen in Verbindung mit Geldstrafen erkannt werden. Wenn dann noch vom 1. Dezember ab die Wucherstrafkammern, zwei in Stuttgart, je eine in Heilbronn, lllm und Tübingen, eingesetzt sind, dürfte es schon gelingen, dieser Volkspest zu Leibe zu gehen. Vorbildlich war Würt­temberg immer in den Maßnahmen zur Kohlenersparnis. Die Not hat's diktiert. Neuerdings hat man die Polizei­stunde im ganzen Land um eine Stunde herabgerückt, hat die beschränkte Arbeitszeit für Kanzleien und Ladengeschäfte eingeführt und die Einschränkung des Lichtverbrauchs in den Vergnügungsstätten und bei der Reklame angeordnet. Da und dort im Lande flammt wegen Lohnforderungen dieser oder jener Arbeitsgruppe ein Streik auf, der aber durch Ge­währung von Beschaffungs- und Winterbeihilfen meist bei­gelegt wird. Gegenwärtig sind die Erwerbslosen daran, um sich die Vorteile dieses modernsten Entlohnungsmittels zu sichern.

Deutsche Nationalversammlung.

Berlin, 27. Nov. Die Besprechung der gestrigen Inter­pellationen über die Ernährungslage wird fortgesetzt.

Abg. Jandrey (DN): Bei den heutigen Valutaverhält­nissen müssen wir uns möglichst von jeder Einfuhr frei machen. Die Produktion muß gesteigert werden. Die Trans­portnot hängt von den Zuständen in den Eisenbahnreparatur­werkstätten abs wo keiner etwas tun will. Wenn Kartoffel­transporte auf einer Strecke, von sonst nur wenigen Stunden Dauer 9 Tage brauchen, so können währenddem die Kar­toffeln dreimal erfrieren. Das ist nicht Schuld der Landwirte sondern der Regierung.

Abg. Wurm (USP): Aufgehetzt vom Bunde der Groß­grundbesitzer weigern sich jetzt auch schon die kleinen Bauern äbzuliefern. Verbraucherkommissionen müssen das Recht haben, auch Eisenbahnwaggons und die Windmühlen zu kontrollieren, wo viel verborgen wird. Die Zwangswirtschaft ist ein notwendiges Uebel, so lange der Bedarf größer ist als das Angebot, so lange wir keinen freien Markt haben. Der Landarbeiter muß Schulter an Schulter mit dem Industrie­arbeiter kämpfen..

Damit schließt die Debatte über die Ernährungsinter- pellation. Der Antrag Blum (Z) betreffend Frostschäden

Deutsche Spar-Prämienanleihe ISIS

Miindelsichere Dermö

I der Hackfrüchte wird mit einem Abänderungsantrag Arnstadt

(DN) und einem Antrag Löwe (S) betreffend landwirtschaft­liche Tarifverträge angenommen. Es folgt die dritte Beratung der R e i ch s a b g a b e n o rd u n g.

Das Gesetz wird in der Abstimmung gegen die Stimmen der Deutsch-Nationalen angenommen.

Es folgt die Beratung des Antrages Löwe, angesichts der Hungersnot in Deutsch-Oesterreich eure Hil fs- ak-tion ins Werk zu setzen.

Präs. Fehrenbach: Der Antrag ist von allen Fraktionen außer den Unabhängigen unterzeichnet worden. Es sollte hier von jeder Partei ein Redner zu Worte kommen. Im Verlaufe der Sitzung ist man jedoch übereingekommen, den Präsidenten allein den Antrag begründen zu lassen. In Oesterreich stehen viele Frauen und Kinder vor dem Hunger­tods. Wenn die Menschlichkeit noch einen Wert hätte in der Welt, hätten die Sieger sich erbarmen und aus ihren reichen Beständen Oesterreich helfen müssen; aber die Humanität u. christliche Barmherzigkeit scheint keinen Platz mehr zu haben bei ihnen. Wir darben selbst; vielleicht aber haben wir noch einige Brosamen, die ärgste Not zu lindern. Wir wissen, daß das für viele ein schweres Opfer bedeutet, aber wir wol­len es in alter Brudertreue bringen, und darüber hinaus wenden wir uns an die Oeffentlichkeit, sie zu weiteren Op­fern auffordernd. Dies möge genügen für einen Adtrag, der eigentlich kaum der Begründung bedarf (Beifall).

Abg. Geyer-Leipzig (Ü.S.). Meine Fraktion ist mit einer Hilfsaktion einverstanden: kann aber einer Verkürzung der Brotration nicht zustimmen.

Minister Schmidt: Wir haben manches Bedenken gegen den Antrag, stellen sie aber zurück (Beifall).

Präs. Fehrenbach: Der Abgeordnete Geyer hat auf die Selbstversorger verwiesen. Ich hoffe, daß gerade die Bauern in der Privataktion reichlich geben werden.

Abg. Schiele (D.N.): Auch wir fordern, daß die Selbst­versorger hinter den Versorgungsberechtigten nicht zurückstehen.

Der Antrag wird einstimmig angenommen nur gegen den Absatz betreffend Verkürzung der Brotration stimmen die Unabhängigen. Nächste Sitzung Mittwoch nachmittag 1 Uhr, Steuervorlägen.

Tages-Nerrigkeiten.

Die Verständigung in der Betriebsrätefrage.

WTB. Berlin, 28. Nov. (Drahtb.) In der heutigen Sitzung des Betriebsräteausschusses der Nationalversammlung wurde folgender Kompromißantrag mit den Stimmen der Regierungsparteien und der beiden sozialdemokratischen Par­teien angenommen: Der Betriebsrat hat in Unternehmun­gen für die ein Aufsichtsrat besteht, nach Maßgabe eines be­sonders hierüber zu erlassenden Gesetzes 1 oder 2 Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden, um die Interessen u. For­derungen der Arbeitnehmer sowie deren Ansichten u. Wünsche hinsichtlich der Organisation des Betriebes zu vertreten. Die Vertreter haben in allen Sitzungen Sitz und Stimme jedoch keine Vertretungsmacht und keinen Anspruch auf eine andere Vergütung als aus eine Aufwandsentschädigung. Sie sind verpflichtet, über die ihnen gemachten vertraulichen Angaben Stillschweigen zu bewahren (28. 11. nachm. 2 Uhr).

Die neue Reichseinkommensteuer.

Wie dieD. Allg. Ztg." an zuständiger Stelle erfährt, ist die Beratung der neuen Reichseinkonimensteuer im Reichs­rat in Angriff genommen worden. Die subjektive Steuer­pflicht erstreckt sich nur auf physische Personen. Die objek­tive Steuerpflicht ist gegenüber dem bisherigen einzelstaat­lichen Einkommensteuergesetz wesentlich erweitert. Der Ein­kommensbegriff umfaßt den gesamten Betrag der in Geld oder Geldeswert bestehenden Einkünfte, die dem Steuerpflich­tigen während der Dauer seiner Steuerpflicht zugeflossen sind. Grundsätzlich gehören alle Einkünfte ohne Rücksicht auf ihre Quelle zum steuerbaren Einkommen. Zur Abgabe einer Steuererklärung sind alle Personen verpflichtet, deren Ein­kommen 3000 Mk. übersteigt. Das neue Gesetz soll am 1. April 1920 in Kraft treten.

Untersuchung der Vorgeschichte des Krieges.

Der parlamentarische Unterausschuß für die Vorgeschichte des Krieges einigte sich auf die Feststellung des Fragebogens für die Zeit zwischen dem Attentat von Serajewo und der Kriegserklärung, sowie über die Zuziehung einiger weiterer Sachverständiger. Der Fragebogen soll an die Hauptaus­kunftspersonen zu einer vorläufigen schriftlichen Beantwor­tung versandt werden. Nach dieser Vervollständigung des Arbeitsplans will man nächste Woche an den Gesamtausschuß herantreten, um die mündlichen Vernehmungen über jene Zeit anfangs Januar beginnen zu können.

gensanlage