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Württ. Bäckerverband in unserer Stadt den Zehnten Verbandstag abhalten. Die Verhandlungen beginnen um 11'/- Uhr im Saal der I. Dreiß'schen Brauerei und steht zur Tagesordnung: Besprechung der Alters- und Jnvaliditätsversicherung sowie der Sonntagsruhe, fernere weitere Organisation in Württemberg und dis Gründung einer Sterbekasse, Abfassung eines Berichts über die Schädlichkeit der Konsumvereine — welcher sämtlichen Zeitungen Württembergs zugehen soll — und Ernennung einer Deputation an das Ministerium. Die Verbandstage des Bäckewerbandes habe» sich immer einer zahlreichen Teilnahme nicht nur ftitens der Mitglieder, sondern auch verwandter Gewerbe, namentlich von den HH. Kunstmüllern zu erfreuen gehabt und darf auch diesmal auf eine außerordentliche Beteiligung geschloffen werden. Vormittags findet der Empstmg der Gäste auf dem Bahnhof statt, um 11'/- Uhr beginnen die Verhandlungen im I. Dreiß'schen Saale, nachmittags 3'/- Festessen im Hotel z. Waldhorn, abends 7 Uhr Bankett im Bad. Hof mit nachfolgender Tanzunterhaltung. Am Mittwoch, den 10. Juni ist gemeinschaftlicher Ausflug über Zavelstein nach Teinach mit Musikbegleitung geplant und wird in elfterem Orte das Gabelfrühstück, in Teinach das Mittagessen eingenommen.
* Calw. Das zweite Gausängerfest des Enz-Nagold-Gau-Sängerbundes findet in diesem Jahr am 28. Juni in Neuenbürg statt. Die Hauptprobe für die gemeinschaftlichen Chöre wird um 10 Uhr im Rathaussaal abgehalten werden. Als Gesamtchöre sind vorgesehen: „Forschen nach Gott" von Kreuzer, „Hymne an die Nacht" von Beethoven und „Mein HeivMland, mein Vaterland" von Stern. Der StadtvMD^ von Neuenbürg wird die Begrüßungsrede, der (Muvorstand die Festrede halten. Nach den Ansprachen folgt das Preissingen der angemeldeten Bundesvereine. Am Preisgesang werden sich viele Vereine beteiligen. Ein Festball und eine Nachfeier am Montag soll den Sängertag beschließen.
Calw, 1. Juni. Gestern Sonntag abend trafen Se. K. Hoh. Prinz Wilhelm in Begleitung des Frhrn. v. Plato und Hrn. Hofmalers Reck auf dem Bahnhof hier ein und fuhren nach daselbst eingenommenem Abendessen nach der Rehmühle. Mit dem Heutigen beginnt der Abschuß von Rehböcken.
— Die Gewinnziehung der Internationalen Gemäldeausstellung von 1801 in Stuttgart fand heute vormittag im Rathaus statt. Auf folgende 17 Numern fielen die 17 Hauptgewinne, die I. Numer erhält den höchsten Gewinn, die 2. den zweithöchsten u. s. f.: Nr. 27 121, 11 356, 14 530, 16 714 11 188, 20 355, 30 673, 46 286, 58 804, 59 663, 32 183, 33 891, 35176, 39 042, 41 118, 29 416 und 49 468.
Vaihingen a. E., 27. Mai. Heute nachmittag 3 Uhr ist in Oberriexingen, diesseitigen Bezirks, ein Brand ausgebrochen, welchem zwei Wohnhäuser uud zwei Scheuern zum Opfer fielen. Aus einem der Häuser mußte die Leiche der heute früh
verstorbenen Hausfrau hinausgetragen werden. Ueber die Ursache des Brandes ist nichts Sicheres bekannt.
Rottweil, 28. Mai. In Neukirch, hiesigen Oberamts, hat ein Strolch die heutige Frohnleichnams- prozession dazu benützt, bei dem Gemeindepfleger Mey einen Einbruch durch Einsteigen in dessen Haus zu bewerkstelligen; derselbe wurde aber von einem Mädchen des Gemeindepflegers, welches allein zu Hause aber gerade im Keller war, bei ihrer Rückkehr in die Stube überrascht. Das Mädchen rief einen Nachbar herbei, welcher, mit einem Beile bewaffnet, den mit den verschiedenartigsten Brechwerkzeugen ausgerüsteten Dieb dingfest machte, und so lange hinhielt, bis Hilfe herbeigekommen war, worauf der sich Michael Kallin aus Böhmen nennende Strolch in den Ortsarrest verbracht wurde. Aber aus diesem gelang es ihm aus- zubrechen; da ihn jedoch eine Frau herausschlüpfen und über die in der Nähe des Arrestes gelegenen Gartenzäune steigen sah, wurde der Einbrecher auf sofortigen Lärm von einigen Männern eingefangen und hernach geschloffen dem hiesigen Amtsgerichte heute vormittag eingeliefert. Seiner in ca. 20 Dietrichen, Meißeln und Brecheisen bestehenden Ausrüstung nach, hat man es mit einem gefährlichen Verbrecher zu thun.
Heilbronn, 28. Mai. Aus einer Stadt an der Tauber wird mitgeteilt, daß daselbst in voriger Woche ein polnisches Ehepaar angehalten, seine Reinlichkeit untersucht und sodann einer Kneipp'schen Wasserkur unterzogen wurde; auch ersetzte man den Leuten die Fetzen, welche sie als Kleidung trugen, durch einen neuen Anzug, obgleich sie sich dagegen sträubten. Als man an die Fußbekleidung der alten Polin kam, weigerte sie sich entschieden, solche abzulegen. Es mußte schließlich Gewalt angewendet werden und da zeigte es sich, daß in den Schlappen zirka 2000 Rubel wohlverwahrt eingenäht waren.
Mühlheim, 28. Mai. Gestern wurde bei dem Hofgut Kraftstein auf der Markung Stetten OA. Tuttlingen ein 24jähriges Mädchen tot aufgefunden. Dasselbe hatte Tags zuvor seinem Vater, einem Schäfer, von Wurmlingen aus das Essen gebracht und trat dann wieder den Rückweg an. Da dasselbe wiederholt von epileptischen Anfällen heimgesucht wurde, so darf mit Bestimmtheit angenommen werden, daß es bei einem solchen Anfall mit dem Gesicht zur Erde fiel uud so den Erstickungstod fand.
Biber ach, 27. Mai. In unserer Gegend hat es seit acht Tagen fast alltäglich Gewitter mit heftigem Regen und Hagelschauer gegeben. Gestern abend war das Hagelwetter so bedeutend, daß in den Gemüsegärten und an den Obstbäumen ein sehr erheblicher Schaden angerichtet wurde. Das Gewitter zog von Nordwest nach Südost und betraf fast alle Gemeinden unseres Bezirks. Noch lange, nachdem es vorüber war, sahen Straßen und Dächer ganz weiß aus. Auf den Feldern ist der Schaden glücklicherweise unbedeutend.
Friedrichshafen, 29. Mai. Nachdem noch vorgestern der Himmel alle seine Schleusen geöffnet hatte und mit Bangen dem frohen Feste entgegen gesehen wurde, ob auch die Prozession im Freien abgehalten werden könne, trat vom Mittwoch auf gestern Wechsel in der Witterung ein, der die langersehnte Wärme und den vielvermißten Sonnenscyein brachte. Die Zahl der Teilnehmer an der sehr feierlichen Prozession war deshalb groß, bedeutend für die hies. Verhältnisse. Mittags gab dann auch sehr viele Ausflügler; die Fahrt auf vem See war reizend, wenn auch der Ausblick auf das Gebirge zu wünschen übrig ließ; man atmet förmlich auf. — Die Blüte der Obstbäume ist in hiesiger Gegend so ziemlich vorüber, die Witterung hätte bester sein dürfen, doch hat sie auch nicht geschadet. Der Schaden dürfte dadurch ausgeglichen worden sein, daß das Ungeziefer, das da fleucht und kreucht, wie Maikäfer und dergleichen, gleichzeitig zu Grunde ging. Wenn nichts dazwischen kommt, was Schaden verursacht, darf ein mittlerer Obstertrag erwartet werden. Am schönsten haben in unserer Gegend die Bäume auf dem Hochsträß, zwischen hier und Schnezenhcmsen geblüht und war es ein hoher Genuß, in diesem Blütenmeer zu schwelgen.
Frankfurt, 30. Mai. Aus der Elektrischen Ausstellung. Gestern fand an der großen Restauration zum ersten Male das Abendkonzert im Freien statt. Die Terrassen waren dicht besetzt. Seit gestern ist auch die ^worioan Lar des Herrn Cramer m dem vielbewunderten Kunststeinpavillon der Gebr. Welb eröffnet. Die äußere Umgebung des eleganten Rococo-Pavillons, ist mit Pflanzen großen feststehenden Sonnenschirmen geschmackvoll ansgestattet. Die Kellner machen als elegante „Wadenstrümpfler" den besten Eindruck. Die „Lar" dürfte in dieser Ausstattung während der Ausstellungsdauer große Anziehungskraft ausüben. Heute wird das Pumpwerk, welches mit elektrischer Kraft aus der Maschinenhalle das Wasser vom Main, auf den Berg und in den Teich pumpt, in Thätigkeit gesetzt und heute Abend wird die große Kuppel nebst den seitlichen Türmen der Maschinenhalle zum ersten Male mit Tausenden von Glühlampen erleuchtet sein. Der Fesselballon veranstaltete gestern mindestens ein Dutzend Auffahrten bis zur Höhe von über 200 Meter. Alle Teilnehmer der Fahrt waren außerordentlich befriedigt und durch die getroffenen Vorsichtsmaßregeln ist die Möglichkeit eines nochmaligen Entweichens des Ballons ausgeschlossen. Frkf. I.
Metz, 29. Mai. Von einem rheinischen Blatte ist die Nachricht verbreitet worden, daß der Gymnasiast Bertgen, bei dessen Vater der Mörder Uebing bedienstet war, 1000 Belohnung von der Familie des Oberstlieutenants Prager und 400 ^ von der Metzer Staatsanwaltschaft erhalten habe. Der junge Bertgen hat nun allerdings einen sehr wesentlichen Anteil an der Entdeckung des Mörders gehabt. Er war es, der in einem luxemburgischen Blatte die Personalbeschreibung des vermutlichen Mörders las und gegen den Knecht seines Vaters Verdacht schöpfte, aber eme Belohnung für die Ergreifung des Mörders ist von
„Und Ihr Vater?"
„Iwan."
„Wenn ich mir durch den Dienst, den ich Ihnen einst erweisen konnte, Anspruch auf eine Belohnung erworben habe, darf ich Sie um eine Gefälligkeit bitten?"
„Nun?"
„Wollen Sie mir erlauben, daß ich Sie Nadeschda Jwanowna nenne?"
„Ich bitte darum."
„Und ich bitte Sie darum, daß Sie mich Alexander Nikolajitsch nennen."
„Mein Fürst —"
„Das will ich sagen, ich bitte Sie, daß Sie mich als Freund in Ihr Haus aufnehmen. Darf ich darauf rechnen, so reichen Sie mir, bitte, Ihre Hand."
Sie reichte ihm die Hand und sah ihm fest, ruhig und unbefangen ins Auge. Dann senkte sie den Kopf und ihr Blick verlor sich in die Ecke des Zimmers.
„Und nun führen Sie mich, bitte, zu Ihrem Herrn Papa."
„Da ist er."
Herr Aljanow.
Eine untersetzte behäbige Figur war auf der Schwelle des Zimmers sichtbar geworden. Das fleischige Gesicht aufgedunsen und gerötet; zwei kleine, graublaue, freundliche Augen; ein Kahlkopf mit einem Krani von Haaren, die von hinten aufgekämmt waren, um den nackten Scheitel etwas zu verdecken; ein grauer Vollbart hing auf die Brust, eine schwere goldene Kette auf den Bauch herab; große breite Füße, auf denen der schwere Körper so fest ruhte wie das Haus Goluboff auf dem Rufe seiner Solidität und dem Ansehen seines Reichtumes.
„Der gutmütige Ausdruck auf diesem Gesichte wurde zum freundlichen Grinsen, als er auf den Fürsten zutrat und ihm die Hand entgegenstreckte.
„Welche Ehre für unser Haus," sagte er. indem er sich tief verbeugte. „Wie hätten wir noch hoffen sollen, einmal den erlauchten Fürsten unter unserem Dache zu sehen, dem ich es verdanke, daß ich noch ein Kind habe." —
„Das ist Alexander Nikolajitsch," sagte Nadeschda, indem sie vorstellte. „Mein Vater, Iwan Jwanitsch."
„Wie, mein Kind? Du nennst seine hohen Gnaden" —
„So, wie ich auch von Ihnen genannt sein möchte, Iwan Jwanitsch, wenn Sie mir Ihre Freundschaft schenken wollen."
„Kommen Sie, so oft Sie wollen, Alexander Nikolajitsch und Sie werden in diesem Hause stets einen Teller bei Tisch, ein Plätzchen am Ofen und eine Stelle in unserem Herzen finden. Ich kann mich keines Tages erinnern, an dem mir der Himmel ein solches Glück geschenkt hat. Wie leid thut es mir, daß Agasja Serge- jewna, meine liebe Frau, in diesem Augenblicke nicht bei uns sein kann, um den neuen Freund unseres Hauses mit uns willkommen zu heißen."
„Mama ist nicht wohl," bemerkte Nadeschda, nachdem ihr Vater unter Zeichen sichtbarer Anstrengung seine Ansprache beendigt hatte.
Der Fürst drückte sein Bedauern aus. „Es ist nur eine Schwäche der Nerven," sagte Herr Goluboff. „Sie ist stark und macht sich zu wenig Bewegung. Sehe» Sie mich an, Alexander Nikolajitsch — nachdem Sie mir erlaubt haben, Sie so zu nennen — wie ich bin, mit meinen achtundfünfzig Jahren, gehe ich jeden Tag zwej Stunden spazieren. Ich habe nämlich eine Uhr, die anzeigt, wie viel Zeit man gegangen ist — ich weiß nicht, wie man das Ding nennt — und unter zwei Stunden thu' ich es nicht. Nicht wahr, Nadeschda, mein Kind?"
„Ja, Papa."
„Wie gut Du heute aussiehst. Du fühlst Dich wohl, mein Täubchen?"
Nadeschda nickte. „Sie müssen nämlich misten, Alexander Nikolajitsch, daß sie uns oft Sorgen macht. Sie ist nicht immer so heiter, als wir sie wünschen."
„Wirklich, mein Fräulein? Und wer hat mehr Grund, heiter zu sein, als Sie?"
„So denken wir auch. Aber seit jenem Tage, da ihr das Unglück drohte das Gottes Hand durch Sie, mein Fürst, von ihr abgewandt hat, fest jenem Tage' scheint sich ihr Wesen verändert zu haben." (Forts, folgt.)