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und AnzeigeblatL für den Bezirk Lalw. 66. IchrM.
Erscheint Dien s ra g , Donnerstag und SamStag. Die EinrückungSqebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung v Psg. die Zeile, sonst 12 Psg.
! Samstag, den 23. Mai 1891,
AbonnementSpreis vierteljährlich m der Stadt -'cr urd
2l) Pfa. Trägerlohn, durch d'e Post bezogen M?. 1. lü, lonü iv ganz Württembt.7 Mk. 4. NL.
Amtliche Bekanntmachungen.
Diejenigen Ortsschnibehardkn,
welche zur Unterhaltung der Arbeitsschulen um Ver- willigung eines Staatsbeitrags für das Jahr 1891/92 nachsuchen, werden aufgefordert, den hiefür vorgeschriebenen Jahresbericht mit Benutzung des vom 'Oberamt zu beziehenden Formulars binnen drei Wochen zu erstatten.
Calw, den 20. Mai 1891.
K. gem. Oberamt in Schulsachen:
Supper. Braun.
An dieOrtsbelMdkv f. dieArbeitkroerficherung und die Krankenkaffenlmstiinde.
Da schon mannigfach irrtümlich bezahlte Versicherungsbeiträge der Jnvaliditäts- und Altersversicherung an die Beteiligten zurückerstattet und an der Beitragslieferung in Abzug gebracht oder direkt bei der württ. Anstalt Ersatz angemeldet worden find, ohne daß die Quittungskarten eingefordert und die irrtümlich verwendeten Marken vernichtet worden wären, so werden die Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung und die Krankenkassen angewiesen, bei Zurückerstattung irrtümlich bezahlter Beiträge stets wie bei sonstigen Berichtigungen der Beirragserhebung (Z 15 der Geschäftsanweisung .4. für dis Krankenkassen und Z 23 der Geschäftsanweisung L. für die Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung) die Quittungskarten von den Versicherten einzufordern, um die irrtümlich verwendeten Marken durch einen Ungiltigkeitsvermerk zu vernichten.
Dabei sind die Quittungskarten in allen denjenigen Fällen, in welchen sie nicht mehr zur Einklebung von Marken verwendet werden, sei es, weil -der bisher Versicherte aus der Versicherung ausge
schieden ist oder weil er die betreffende Quittungskarte nicht mehr benützen kann, nachdem ihm eine neue Karte ausgestellt worden ist, mit den vierteljährigen Beitragsabrechnungsurkunden an den Bezirksvertreter zur Vorlegung an die Versicherungsanstalt einzusenden, wogegen die Protokolle über die Rückerstattung der Beiträge bei den Rechnungsakten als Belege zu vervleiben haben, wenn nicht ein Ersatz der Auslagen beansprucht wird, wie dies von den Bezirksvertretern geschieht.
Calw, den 21. Mai 1891.
K. Oberamt.
Supper.
An die Ortsbehördeu f. die Arbkiteroerßchknmg.
Bei Prüfung der vierteljährigen Beitragsabrechnungsurkunden pro ultimo März d. I. hat sich ergeben, daß viele Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung die für den Einzug der Versicherungsbeiträge gemäß Z 56 der Vollzugsverfügung vom 24. Oktober 1890 zu dem Reichsgesetz über Jnvaliditäts- und Altersversicherung zu berechnenden Einzugsgebühren von 4°/», trotz der Vorschrift des Z 17 der Geschäftsanweisung L. für die Ortsbehörden, nicht erhoben haben.
Da die spätere Nachholung der Gebührenerhebung die Kontrolle des Bsitragseinzugs sehr erheblich erschwert, so wird den Ortsbehörden für die Arbeiter- Versicherung die Einhaltung der bestehenden Vorschrift eingeschärft. Der Bezirksvertreter ist angewiesen, Beitragsabrechnungsurkunden, in welchen oie Einzugsgebühren nicht berechnet sind, zur Berichtigung zurückzugeben.
Für diesmal sind die in der ersten Abrechnungsperiode nicht erhobenen Gebühren nachträglich pro ultimo Juni zu verrechnen.
Calw, den 21. Mai 1891.
K. Oberamt.
Suppe r.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaftnud des K. Statistischen Landesamts» betreffend die Aufstellung und Verbreitung von Witteruuqsaussichten.
Von der meteorologischen Zentralstation wird täglich auf Grund der ihr bis 12/4 Uhr mittags zugehenden telegraphischen Meldungen über die Witterung um 8 Uhr morgens desselben Tags an mehr als 4H über Europa verteilten Stationen eine Uebersicht der Wetterlage aus'gegeoen und aus derselben die mutmaßliche Witterung dos folgenden Tags abgeleitet.
Mit höherer Ermächtigung werden diese Witterungsaussichten in abgekürzter Fassung auch im Sommer 1891 für die 4 Monate Juni bis September auf Kosten der Zentralstelle für die Landwirtschaft je gegen 1 Uhr nachmittags nach Hohenheim und in die Oberamtsstädte derjenigen landwirtschaftlichen Vereine, welche die Zusendung gewünscht, sowie eine Kontrolle der Vorhersagen eingerichtet haben, telegraphisch befördert und dort durch Anschlag an geeigneter Stelle veröffentlicht werden.
Diese täglichen Witterungstelegramme können auch von Gemeinden, Korporationen," Vereinen und Privatpersonen unmittelbar gegen eine vom Empfänger zu bezahlende ermäßigte Gebühr direkt bezogen werden, in welcher Beziehung das K. Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, Abteilung für die Verkehrsanstalten, folgendes festgesetzt hat:
Die Witterungstelegramme werden wie dringende Privat-Telegramme behandelt und haben daher den Vorrang vor anderen Privattelegrammen, sie können im Monats-Abonnement und im vierteljährlichen Abonnement bezogen werden mit der Maßgabe, daß wenn die einzelnen täglichen Witterungstelegramme (einschließlich der Adresse) nicht mehr als 8 Worte enthalten, die feste, voraus zu bezahlende Abonnementsgebühr beträgt:
Lirillator!» Nachdruck verLvten.
Die Spionin.
Roman aus dem russischen Nihilistenleben.
Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.
Von Willibald Mencke.
(Fortsetzung.)
Als der Knabe sechzehn Jahre alt geworden war, starb die Fürstin, und als habe das Schicksal es darauf abgesehen, ihn schon frühe selbstständig zu machen, folgte ihr ein halbes Jahr später der Vater des alten Fürsten nach, den der Wille der Eltern zu seinem Vormunde bestimmt hatte. Die Vormundschaft übernahm nun der Bruder der Fürstin, ein alter, kränklicher Herr, der meist im Auslande lebte und sich wenig um das Schicksal seines Mündels bekümmerte, das keine andere Aufsicht hatte, als die seiner Untergebenen, die eifrig bemüht waren, seinen äaunen zu schmeicheln und dem Grundsätze, daß die Jugend ein Recht habe, sich auSzutoben, auch nicht den schüchternsten Versuch einer Beschränkung der persönlichen Willensfreiheit des jungen Fürsten entgegmzusctzen.
Nach der Erklärung der Großjährigkeit des Fürsten konnte man erwarten, daß das frühere Leben des Glanzes und der helleren geselligen Freuden, die der alte Fürst so sehr geliebt hatte, wieder in das verödete Palais zurückkehren würde. Gerade das Gegenteil war der Fall. So manche reiche Erbin wäre bereit gewesen, den stolzen Namen G. mit demjenigen zu teilen, der ihn allein noch führte. Aber -der junge Fürst zeigte keine Neigung, das ausschweifende Leben, das er bis dahin geführt hatte, durch eine solide Heirat abzuschließen. Er zog sich in vier Zimmer der ersten Etage zurück, die mit einem Wintergarten in Verbindung standen, den er noch erweiterte und mit den prachtvollsten Pflanzen und Blumengruppen ausstattete. Die übrigen Zimmer des weiten Hauses blieben der Vereinsamung überlaffen, bis
auf diejenigen Räume, die der Intendant WalSert und der Divornik im Parteire und die beiden Diener des Fürsten im oberen Stockwerke bewohnte.
Ein Vorzimmer, ein Empfangssalon, ein Studierzimmer mit einer reich ausgestalteten Bibliothek und das mit besonderem Luxus ausgestattete Schlafzimmer, aus dem man durch eine Tapetenthüre in den Wintergarten treten konnte, das waren die Appartements des Fürsten Alexander Nikolajitsch G.. des letzten Trägers dieses erlauchten Namens. In diesen Räumen verweilte der Fürst, wenn er überhaupt zur Nachtzell eintraf, was keineswegs immer der Fall war, nur von drei oder vier Uhr morgens bis gegen Mittag; die übrige Zeit verbrachte er in der Weise eines reichen aristokratischen Kavaliers der Petersburger vornehmen Welt. Es kam wohl auch zuweilen vor, daß er sich vierundzwanzig Stunden in seine Appartements einschloß, nur ein bescheidenes Mahl einn, hm, sich in ein Buch vertiefte oder in einem Winkel seines Wintergartens stillen Träumereien nachhing. Einmal war es sogar geschehen, daß er an der Seite einer Italienerin, bei der er Sprachunterricht nahm, vier Wochen lang ein häusliches Leben geführt hatte, das für ihn, da es eine Abwechslung von der gewohnten Lebensweise war, einen gewissen Reiz besaß. Aber schnell genug fiel er, sobald er diesen Reiz ausgekostet hatte, wieder in jenes ausschweifende Leben zurück, das seinem Intendanten graue Haare machte.
Heute hatte sich der Fürst, der erst gegen vier Uhr Morgens nach Hause gekommen war, später als gewöhnlich von seinem Lager erhoben. Nachdem er eine Douche genommen und einen kleinen Spaziergang im Wintergarten gemacht hatte, legte er sich, in seinen dlauseidenen Schlafrock gehüllt, auf den Divan seines Studierzimmers nieder und nahm seinen Thee zu sich. Der Diener hatte ein ganzes Packet von Zeitungen vor ihm auf den Tisch gelegt. Er nahm zuerst den „GoloiS", dann das „Journ. de St. Petersburg" und hierauf die „Petersburger Zeitung" zur Hand, und während er bald nach der Cigarre, bald nach der Taffe mit Thee griff, überflog er die politischen Neuigkeiten, die Nachrichten vom Hofe und die Tagesneuigkeiten der Residenz in den Petersburger Blättern.