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Nr. 230

Samstag den 4. Oktober 1919

93. Jahrgang

Wochenrundschau.

Das Rarreuschiff dieser Zeit schwimmt fröhlich weiter. Noch immer nicht hat unser Volk den ganzen bitteren Ernst der Lage ersaßt. Ueberall gibt es Festlichkeiten, Md wenn man schon von einem deutschen Elend sprechen kann, so ist es zum mindesten ein fideles Elend. Die Steuerzettel sind ja noch nicht verteilt. Leim Zahlen wird cs erst lange Gesichter geben. Im Finanzausschuß des Landtags bekamen wir wieder einen kleinen Begriff von unserer wah­ren wirtschaftlichen Lage durch die Notwendigkeit, eine neue Schuld zur Gewährung einer Beschaifungszulage an die Beamten auszunehmen, weil, wie der Finanzminister Liesching zutreffend ausführtc, die notwendigen Summen selbst durch die gewaltig erhöhten Steuern nicht aufgebracht werden können. Das Opfer muß gebracht werden, auch für die staatlichen Pensionäre und für die Witwen und Waisen. Wie aber alles das noch fernerhin geleistet wer­den soll, ohne die Existenz des Staates zu gefährden, ist dem Finanzminister ebenso wie den Partner! ein Rätsel. Der Landtag selbst ist tüchtig an der Arbeit und wird auch noch die ganze Woche beisammen bleiben, um dann in der ersten Hälfte des November die eigentliche Wmter- tagung zu beginnen. Die Hauptarbeit bildet zur Zeit noch das Jugendfürsorgegesetz, daS gänzlich religionsrrci gestalte! wird. An neuen Forderungen liegen 10 Millionen laufen­der Ausgaben für die Polizei'wehr und für die Ein­wohnerwehren vor. Auch die jetzige Regierung hat eingesehen, daß es ohne denMilitarismus" nicht geht. Vom nächsten 1, April ab betrügt der württembergische Anteil au der Reichswehr nur noch 4200 Mann. Vor dem Kriege waren es 25568 Mann. Will die Regierung die Macht behalten, so braucht sie eine Polizeiwehr von rund 3000 .Köpfen und dazu noch eine Einwohnerwehr, deren Stärke von den freiwilligen Meldungen avhüngt. Nie­mand sollte ihr fernbleiben, der für geordnete Zustände ini Lande ist. Um diese wieder herzustellen, brau­chen wir auch Neuwahlen. Ein neues L an d t ag swahl- tz e s e H muß noch im November verabschiedet werden, denn das Jahr darf nicht zu Ende gehen, ohne die Bildung einer der neuen Verfassung wirklich entsprechenden Volks­vertretung. Außerdem haftet der Regierung immer noch ein provisorischer Charakter an. Der außerordentlich ver­dienst Justizmiuister von Kiene ist viel zu sr»h ins Grab gesunken. Sein Nachfolger ist noch nicht gefunden. Die fetzige Besetzung des Kultministeriums kann nicht auf die Dauer bestehen bleiben. Man spricht davon, Herrn Hey- m a n n als Intendanten des LandesthealerS unterzubringen.

Der Reichstag ist jetzt wieder in Berlin versam­melt. DaS Interesse an seinen Beratungen tritt zunächst noch zurück hinter dem nun erfolgten Wiedereintritt der Deutschen demokratischen Partei in die Reichsregie­rung. Viel hörte man von Streitigkeiten in den Aus­schüssen, so um die Kosten für das Büro des Reichspräsi­denten Eoert und noch mehr um die großen Probleme des Reichsnotopfers und der Umsatzsteuer, wozu natürlich auch noch die Frage der Betriebsräte kommt, dir sich immer mehr zum Zankapfel herausbildet. Ein anderer Zank zwi­schen den beiden hervorragenden Sozialdemokraten Scheide- mann, dem früheren Reichsministerpräsidenten, und Noske, unserem Reichswehrminister, ist innerhalb der sozialdemo­kratischen Partei beigelegt worden. Noske war beschuldigt, ein reaktionäres Offizierkorps zu gründen, und aufge- sordert worden, es zum Teufe! zu jagen. Er tut es nicht. In mannhafter Rede hat er dargetan, daß die Retzolution inr Tausende nur eine Gelegenheit zum Stehlen war. Zu Offizieren braucht er charakterfeste, sachkundige Männer, keine Revolutionsjünglinge mit großen Sprüchen und kleinen Fähigkeiten. Im übrigen konnte er sich a»s das immer noch im ganzen Reiche herrschende Streikfieber berufen und auf die Schwierigkeiten mit den Polen, wogegen er eine zuverlässige Truppe in der festen Hand tüchtiger Führer braucht. Wohin der Mangel an Arbeitslust führt, geht auch aus der leidigen Tatsache hervor, daß demnächst eine weitere große Einschränkung des Personenzugs- verkehtts unvermeidlich geworden ist und voraussichtlich die Sonntage ganz eisenbahnlos werden. Alle diese Er­scheinungen legen die Dringlichkeit baldiger Reichstags­wahlen aufs neue ans Herz. Neulich hieß es, sie wür­den noch im Oktober erfolgen. Wenn dies aber auch wegen der Vorbereitungen nicht möglich ist, so ist doch um so dringender zu hoffen, daß wir. ebenso wie in Württem­berg, auch im ganzen Reich noch vor Jahresschlutz verfas­sungsmäßige Parlamente und Regierungen bekommen.

Unsere auswärtige Lage, die sich täglich in dem Valuta- . elend wiederspiegelt, ist so schlimm wie je. Die verwickel­

ten Zustände in den baltischen Provinzen haben unsere ganze Hilflosigkeit dargetan. Die Entente drängt auf schleunigste Räumung durch die deutschen Truppen. Ele- menceau har uns ein neues Ultimatum mit den schwersten Drohungen übermittelt. Ein großer Teil der deutschen Soldaten will aber nicht, weil ihm die dortigen Regie­rungen Landbesitz versprochen haben, als nian die deutsche Hilfe gegen die Bolschewrsteugrcuel brauchte. Und nun soll es mit den Wiederausräumungsarbeitcn in Belgien und Nordfrankreich losgeheu, derweilen unsere Gefangenen trupp­weise heimkehren und der Sklaverei entrückt werden. Dabei sind die Franzosen mit dem Frieden noch nicht einmal ein­verstanden. Cle menceau hat ihn in einer großen Kammer­rede als unvollständiges, zum Teil oberflächliches Mach­werk hingestellt. Wie wäre er erst ausgefallen, wenn ei- vollständig im Sinne der Franzosen zustande gekommen wäre. Es ist ein Glück, daß die Feinde dieses Machwerks selbst nicht froh werden. Am meisten schimpfen die Ita­liener, die setzt Loch Fiume behalten, aber noch lange nicht zufrieden sind. Der Sieger aber in diesem Weltkriege, England, har jetzt das Gespenst im eigenen Hause. Ein Riescnstreik der Eisenbahner ist ausgebrochen und stört Albiou in seinen heiligsten Gütern, im Geldverdienen. Lloyd George sowohl wie Clemenceau haben die Auf­gabe, Neuwahlen vorzubereitcn. Man kann gespannt da­raus sein, wie sie dabei der Arbeiterbewegung Herr werden. Wir zweifeln aber nicht daran, daß beide es fertig bringen, jeder auf seine Art. Und daraus können wir Deutsche, wenn wir nur wollen, eine heilsame Lehre schöpfen.

Deutsche Nationalversammlung.

Berlin, 2. Okt. Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr nachmittags. Fortsetzung der Be­sprechung der Interpellation Dr. Heinze und Genossen über die Balutaftage.

Abgeordneter Heim (Z.): Die Tchuldftageunterhal- tungen in unseren Parlamenten zeugen von politischer Un­reife und schaden unserer Valuta. Seit der Revolution drucken wir monatlich viermal so viel Noten, als während des Krieges. Helfen kann uns nur Sparsamkeit. Die Korruption ist unleugbar. Gegen die Arbeitsnnlust geschieht nichts. Arbeit ist heute mehr wett als Kapital. In der Steuergesetzgebung mutz aus die kleinen und mittleren Rent­ner größte Rücksicht genommen werden. Wie kann die Kurskraft der Mark erhöht werden? Durch Erzeugung neuer Güter; vor allem durch Mehrerzeugung von Kohle. Einen künstlichen Abbau der Preise kann ich nicht befür­worten. Dielleicht hilft eine Doppelwährung. Die imper­ialistischen westlichen Republiken matten nur auf den Zeit­punkt, wo wir ihnen aus Mangel an Zahlungsmitteln unsere wirtschaftlichen Quellen verpfänden müssen.

Es wäre zu erwägen, ob mir nicht eine großzügige Auswanderungspolitik treiben müssen. Wir können rascher genesen als wir glauben, wenn wir nur arbeiten. (Beifall im Zentrum und rechts.)

Abg. Wurm (U.S.) wünscht eine Konferenz von Sachverständigen, nicht bloß Interessenten, sondern vor allem von Bolkswirtschaftlern über die Balutaftage. Nötig wäre die Beschaffung langfristiger Kredite in Amerika. Außer­dem aber müßten wir uns mit der russischen Regierung gut stellen, um von einem politisch und wirtschaftlich gesundeten Rußland Nahrungsmittel zu erhalten.

Minister Erzberg er: Eine Konferenz, wie sie Ab­geordneter Wurm wünscht, ist bereits an der Arbeit. Ge­wiß kann die Arbeitsmöglichkeit und Arbeitslust nur ge­hoben werden, wenn die Ernährung gebessert wird. Für das Winterhalbjahr will die Regierung 3 0 . Milliarden bereitstellen zur Senkung der Lebensmittelpreise. Die Mark hat im Inlande viel höheren Wett als für das Ausland. Es muß ein Ausgleich geschaffen werden. Wir müssen also eine höhere Bewertung der Mark im Ausland bewirken. In der heutigen Konferenz im Reichswirtschastsministerium waren die Anwesenden Bankdirektoren einig darin, daß die Zwangswirtschaft zur Zeit nicht gelockert werden dürfe. Die stärkste Förderung der Eigenwittschaft, besonders auf dem Gebiete des Getreidebaues und der Textilrohstoffe ist nötig. Es ist uns bekannt, daß eine wahre Jagd nach fremden Koupons und fremden B«nknoten stattfindet. Maßregeln dagegen find im Gange. Eine Auswanderungspolitik kann die Regierung nicht treiben. Das Deutsche Reich ist groß genug, um 60 Millionen zu ernähren, wenn jeder seine Pflicht tut. (Beifall.)

Abg. Dr. Ri eher (D.D.): Nur Arbeit kann uns Helsen. Jedes Volk hat die Valuta, die es nach seinen Verhältnissen verdient. Die Möglichkeit der Erhöhung unserer

Valuta hängt besonders auch von dem Vertrauen ab, das man in den neutralen Ländern unserer Erholungsmöglichkett entgegen bringt.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Abänderung der Verordnung über die Arbeitszeit in Bäckerei und Konditoreidetrieben. Die Vorlage geht an den sozialen Ausschuß.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfes über das Arbeitsentgelt der Empfänger von Kriegsversorgungs­gebührnissen.

Reichsarbeitsminister Schlicke begründet kurz die Vorlage, die nur ein kleiner Ausschnitt aus dem großen Militärversorgungsgesetz sei, das er noch in diesem Winter dem Hause oorlegeu zu können hoffe. Klarheit müsse ge­schaffen werden und zwar so schnell wie möglich.

Abg. Koch-Düsseldorf (DN): Die Kriegsbeschädigten fordern, daß sie durch Lohn und Reine nicht bloß den Bollarbeitern gleichgestellt, sondern darüber hinaus ent­schädigt werden für die Nachteile, die sie wirtschaftlich und gesellschaftlich durch ihre Beschädigungen erleiden. Das ist auch berechtigt und in diesem Sinne muß auch das Gesetz wirken.

Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung aus morgen l Uhr; außerdem Interpellation Heintze wegen Zahlung der Einfuhrzölle in Golk. Schluß 6 Uhr.

Württ. Landtag.

p Stuttgart, 2. Okt. Bei der 1. Beratung des Ge­setzes betr. die Neuordnung des Gesundheitswesens wurde von dem Abg Etter (D) die Schnelligkeit bean­standet, mit der hier eine Vereinfachung erreicht werden soll. Auch die Redner sämtlicher übrigen Parteien mit Ausnahme der Sozialdemokratie wandten sich gegen eine Gesetzesmacherei im Eiltempo Der Entwurf wurde trotz des Widerspruchs des Ministers des Innern dem Finanzausschuß zur Vorbe­ratung überwiesen. In 2. und 3. Lesung wurde das Ge­setz über die Zusammensetzung des Bezirksrats gegen die Bürgerpartei genehmigt, deren Redner der Abg. Stiefel in dem Zweck des Entwurfs, ein Beruhigungs- Pflaster für die Bevölkerung bei der Unbeliebtheit der Bc- zirksräte zu finden und die Ortsvorstehcr aus den Bezirks­rät n auszuschalten keinen Grund für die Dringlichkeit des Gesetzes erblicken konnte, während die Redner der übrigen Parteien die politische Notwendigkeit einer anderen Zusam­mensetzung des Bezirksrals betonten. Bei der folgenden 3. Lesung des Jugend amtg esetz es verweigerte der Redner der Bürgerpartei, der Abg. Wurm die Zustimmung seiner Partei zu dem Gesetz, weil die Mehrheitsparteien umge­fallen seien und der sofortigen 3. Lesung des Gesetzes zu­gestimmt hätten. Dieser Vorwurf wurde zurückgewiesen und von dem Minister des Innern, Dr. Üindcmann dem Abg. Wurm, der ein warmer Verfechter des Rcgicrungsentwurfs gewesen sei, zurückgegeben. Die Schlußabstimmung über das Gesetz wie auch über das Berufsvormun dschafts- gesetz wird erst am Samstag erfolgen. Zu dem letzteren Gesetz wurde noch ein Antrag Bock-Sperka-Scheef ange­nommen einen neuen Art. 12 einzufügen, des Inhalts, daß die Amtsgerichte für die Maßnahmen der Personenfürsorge als Vormundschaftsgericht zuständig sein sollen. Nächste Sitzung Freitag 10 Uhr. Anfragen, Neuregelung des Ge­sundheitswesens^

Tages-Neuigkeiten. Gefangenenabholung aus England.

Hamburg, 3. Okt. Wie die Marineschiffsbesichtigungs- kommission mitteilt, ist das englische Verbot des Auslaufens der deutschen Gefangenentranspottdampfer gestern zunächst für 4 unserer Dampfer aufgehoben worden ü. zwar werden Orotawa" nach Harwich,Melitta" nach Jersey,Villa­real" nach Southampton und Jersey und der Dampfer Bagdad" nach New-Castle gehen. In diesen Häfen war­ten bereits Kriegsgefangene, die vor Ausbruch des engl. Eisenbahnerstreiks dorthin geschickt worden waren, auf den Abtranspott. Wann weitere Dampfer auslaufen können, wird von dem Verlauf des engl. Eisenbahnerstreiks abhängen.

Wetterleuchten in Berlin.

Berlin, 2. Okt. Nach den Abendblättern gelang es den Sicherheitsorganen bis auf einen Fall überall Ansamm­lungen der Metallarbeiter unblutig zu zerstreuen. Nur nach der Auflösung einer Dersainmlung in den Pharussälen in der Müllerstraße kam es zu einem Zusammenstoß, als die Polizei einen Versammlungsredner und zwei weitere Personen die zur» Widerstande ausgefordett haben sollen, festnahmen und abfühtte. Da die Menge, aus der Schmäh­rufe gegen den Reichswehrminister und gegen den Polizei­präsidenten laut wurden, der Aufforderung zum Auseinan-